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ID0303100400

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    Deutscher Bundestag 31. Sitzung Bonn, 13. Juni 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr (SPD) (Drucksache 303) — Zweite Beratung — Metzger (SPD) 1695 B Dr. Schröder, Bundesminister . 1708 D, 1742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 1712 D Dürr (FDP) . . . . . . . . . 1717 A Euler (DP) 1718 D Dr. Mommer (SPD) 1721 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 1734 A Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1737 A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . . . 1738 A Erler (SPD) 1743 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 1746 A Namentliche Abstimmung 1746 C Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung gegen die Regierung des Landes Hessen wegen Verletzung der Pflicht zur Bundestreue; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 437); Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des hamburgischen Gesetzes betr. die Volksbefragung über Atomwaffen; Mündlicher Beruht des Rechtsausschusses (Drucksache 438) Hoogen (CDU/CSU) 1748 A Wittrock (SPD) 1748 B Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 1749 D Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1750 B Nächste Sitzung 1752 C Anlage 1753 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1695 31. Sitzung Bonn, den 13. Juni 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 30. 6. Bading 13. 6. Dr. Bärsch 15. 6. Baur (Augsburg) 13. 6. Berendsen 13. 6. Berger 13. 6. Frau Berger-Heise 30. 6. Bergmann 13. 6. Birkelbach 13. 6. Dr. Birrenbach 14. 6. Fürst von Bismarck 13. 6. Dr. Bucerius 13. 6. Burgemeister 3. 7. Demmelmeier 13. 6. Dr. Deist 13. 6. Deringer 13. 6. Frau Döhring (Stuttgart) 21. 6. Döring (Düsseldorf) 13. 6. Eilers (Oldenburg) 13. 6. Etzenbach 13. 6. Frehsee 13. 6. Dr. Frey 21. 6. Dr. Friedensburg 13. 6. Dr. Furler 21. 6. Gaßmann 21. 6. Geiger (München) 14. 6. Glüsing (Dithmarschen) 13. 6. Dr. Gossel 13. 6. Hackethal 13. 6. Häussler 30. 6. Dr. Dr. Heinemann 13. 6. Hübner 13. 6. Illerhaus 13. 6. Jahn (Marburg) 14. 6. Kalbitzer 13. 6. Dr. Kempfler 13. 6. Dr. Königswarter 13. 6. Dr. Kopf 13. 6. Frau Dr. Kuchtner 14. 6. Kühlthau 16. 6. Kühn (Köln) 13. 6. Kunze 15. 6. Leber 13. 6. Lenz (Brühl) 13. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 6. Dr. Maier (Stuttgart) 13. 6. Margulies 13. 6. Marx 16. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Maxsein 13. 6. Mensing 28. 6. Frau Meyer-Laule 14. 6. Müller-Hermann 14. 6. Nieberg 13. 6. Frau Niggemeyer 12. 7. Oetzel 13. 6. Ollenhauer 14. 6. Frau Dr. Pannhoff 14. 6. Paul 14. 6. Peters 13. 6. Pietscher 16. 6. Frau Pitz-Savelsberg 15. 6. Dr. Preiß 30. 6. Pütz 13. 6. Ramms 21. 6. Rasch 25. 6. Frau Dr. Rehling 13. 6. Ruf 30. 6. Sander 20. 6. Scheel 13. 6. Dr. Schellenberg 14. 6. Scheppmann 13. 6. Dr. Schmid (Frankfurt) 13. 6. Schneider (Hamburg) 13. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 13. 6. Schoettle 19. 7. Dr. Schranz 13. 6. Schultz 13. 6. Dr. Serres 13. 6. Seuffert 13..6. Siebel 20. 6. Simpfendörfer 13. 6. Spies (Brücken) 13. 6. Dr. Starke 13. 6. Stauch 13. 6. Stierle 13. 6. Dr. Storm (Duisburg) 13. 6. Storm (Meischenstorf) 13. 6. Sträter 30. 6. Struve 30. 6. Wagner 13. 6. Dr. Wahl 13. 6. Walpert 13. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 13. 6. Weber (Georgenau) 13. 6. Dr. Weber (Koblenz) 13. 6. Wehner 14. 6. Weimer 17. 6. Dr. Werber 13. 6. Dr. Winter 13. 6. Dr. Wolff (Denzlingen) 13. 6. Zoglmann 13. 6.
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    Rede von Ludwig Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nicht wir, sondern Herr Kollege Dr. Bucher hat in der ersten Beratung nachgewiesen, wie oft der Herr Innenminister Veranlassung gehabt hätte, auf Grund der Verfassung einzuschreiten. Er hat es nicht getan, er hat die Dinge gewähren lassen, er hat sie zum Teil sogar unterstützt. Ich will nur einige Stichworte nennen: „Neues Abendland" und „Abendländische Akademie".

    (Beifall bei der SPD. — Oh-Rufe von der Mitte.)

    — Ja, da rufen Sie „Oh". Da interessiert Sie auf einmal der Geist der Verfassung nicht mehr. Oder ich erinnere an den Herrn Wenger mit seiner Rede in Tauberbischofsheim. Das sind doch Worte gewesen, die sich an der Grenze des Landes- und Hochverrats bewegt haben.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich kann nur fragen: Hat der Herr Innenminister
    auch nur einen Pieps getan! Nichts hat er gesagt!
    Oder ich erinnere an die Bestimmungen des Grundgesetzes selbst. Da gibt es den Art. 21. Darin ist gesagt, daß die Parteien verpflichtet sind, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft abzulegen.

    (Abg. Pelster: Tun Sie das auch einmal!)

    — Wir tun es. Aber das ist ja gar nicht die Frage. Herr Kollege, Sie haben offenbar die Frage noch gar nicht verstanden. Hier geht es darum, daß ein Gesetz gemacht werden muß, das dies regelt.

    (Abg. Rasner: Aber doch nicht der Innenminister!)

    — Natürlich der Innenminister!

    (Abg. Rasner: W i r machen die Gesetze!)

    — Schön, dann hätten Sie es ja machen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum haben Sie denn keinen Antrag eingebracht?)

    1704 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958
    Metzger
    Der Herr Innenminister erklärt uns, er habe jetzt glücklich eine Kommission beauftragt, die sich mit dieser Frage beschäftige. Ich kann nur sagen: das ist ein faule Ausrede. Acht Jahre lang haben wir Zeit gehabt, dieses Gesetz zu schaffen, und die Regierung hat acht Jahre lang Zeit gehabt, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Das Gesetz ist bereits durch den ehemaligen Innenminister Dr. Heinemann vorbereitet gewesen. Es liegt in den Schubladen des Innenministeriums, und das Innenministerium hat die Frage mit vollem Bewußtsein verschleppt. Nun hat der Herr Innenminister glücklich eine Kommission beauftragt. Gut, Herr Innenminister, wenn Sie so dafür sind, daß der Geist der Verfassung und der Wortlaut der Verfassung befolgt werden, dann handeln Sie doch entsprechend und tun Sie doch Ihre Pflichten als Verfassungsminister! Aber ich merke nichts davon.
    Da gibt es noch einen anderen Punkt, den Art. 29, der die Neugliederung der Länder des Bundesgebietes betrifft. In diesem Artikel stehen einige Muß-Bestimmungen. Eine solche Muß-Bestimmung ist die Vorschrift, daß die Neugliederung zu erfolgen hat. Es gibt auch eine Soll-Bestimmung, für die Frage der Fristen. Der Herr Innenminister - ich will kein scharfes Wort gebrauchen - beruft sich darauf, daß, was die Frist anlange, nur eine SollBestimmung da sei und daß er deswegen Zeit habe. Auch eine Soll-Bestimmung ist für einen Innenminister bindend. Das sollten Sie sich einmal gesagt sein lassen. Das entspricht nicht nur dem Geist der Verfassung, das entspricht sogar dem Wortlaut der Verfassung.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Herr Innenminister, wo ist die Befolgung des Wortlauts der Verfassung? Sie drücken sich um diese Frage, Sie haben in dieser Frage nichts getan. Sie haben zwar — das war eine „undemokratische Zumutung" an das Volk — das Volk gehört, Sie haben sehr deutliche Meinungsäußerungen gehört, aber diese Meinungsäußerungen interessierten Sie nicht. Die Soll-Bestimmung wird so behandelt, als ob sie nicht da sei. Das ist die Verfassungstreue dieser Regierung, und das ist auch die Verfassungstreue dieser Regierungsparteien.
    Wir haben jetzt wieder ein anderes Beispiel. Der Herr Innenminister hat in „schöner Objektivität" seine parteipolitisch-hetzerische Rede im Bulletin, in einem amtlichen Blatt, drucken lassen. In diesem amtlichen Blatt spricht er z. B. auch von der Gesellschaftsordnung, und er tut so, als ob die Ordnung, die er vertritt, die er für richtig hält, die nach dem Grundgesetz einzig mögliche sei. Er polemisiert gegen eine Entschließung unseres Parteitages, in der steht, daß das deutsche Volk ohne die Überwindung der Teilung Deutschlands nicht in freier Selbstbestimmung eine Gesellschaftsordnung bauen könne — ja, hören Sie, was wir für „furchtbare Dinge" verlangen —, damit allen Mitbürgern die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit, gleiche Startbedingungen, gleiche Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gewährleistet werden. So „verbrecherisch" ist die SPD, daß sie solche Dinge fordert. Und was
    sagt der Herr Innenminister? Er sagt: Sehen wir einmal ab von der unerhöhten Geringschätzung unserer im Grundgesetz festgelegten Ordnung. — Wenn man solche Dinge verlangt, dann ist das für den Herrn Innenminister bereits eine „unerhörte Geringschätzung" unseres Grundgesetzes. Da sehen wir, wie dieser Innenminister unser Grundgesetz auffaßt. Ich würde Ihnen den dringenden Rat geben, das Grundgesetz einmal genau zu lesen. Vielleicht werden Sie erschrecken, wenn ich Ihnen jetzt folgendes sage. Es gibt nämlich einen Artikel im Grundgesetz — den Art. 15 —, in dem sogar das furchtbare Wort „Gemeineigentum" steht. Offenbar haben Sie davon noch nicht Kenntnis genommen. Denn alles, was in der Richtung geht, ist für Sie schon Hoch- und Landesverrat und wer weiß was alles. Und eine Partei, die in der Richtung Erwägungen anstellt und die daran denkt, die Situation des gesamten Volkes zu verbessern, ist für Sie eine verabscheuungswürdige Partei, die man so behandelt, wie Sie glauben es tun zu dürfen. Da kann man doch nur fragen: wo kommt das moralische Recht eines solchen Mannes her, uns vorzuwerfen, wir demontierten die Verfassung durch die Hintertüre? Wenn sie demontiert wird, dann sind die Handwerksmeister bereits tüchtig am Werk!

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Was soll das heißen?)

    Ich darf auch folgendes einmal zitieren. In einem deutschen Verwaltungsblatt steht der Artikel eines Regierungsrats. Er ist kein so harmloser Mann, wie ihn der Herr Innenminister in der ersten Beratung hingestellt hat. Wir alle, die wir die Wehrgesetze usw. beraten haben, wissen, daß er in den Ausschüssen eine ganz beachtliche Rolle gespielt hat und daß er mehr zu sagen hat, als sein Titel besagt. Dieser Mann, der also immerhin eine höchst verantwortliche Stellung in der Verwaltung, in der Regierung dieser Bundesrepublik hat, schreibt unter anderem:
    Sie
    — die Verfassung, das Grundgesetz —
    läßt den verantwortlichen Organen im entscheidenden Augenblick
    — Sie können sich zurechtmachen, welcher das ist —
    keine andere Wahl, als sich über die Verfassung hinwegzusetzen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Haben Sie einen Ton davon gehört, daß der Herr Innenminister dagegen ein Wort gepiepst hat?

    (Heiterkeit.)

    Er hat diesen Mann hier verteidigt. Er hat gesagt: Der hat das im Verwaltungsblatt geschrieben und ist kein wichtiger Beamter. Als ob das ein entscheidender Gesichtspunkt wäre, ob es ein wichtiger oder unwichtiger Beamter ist! So unwichtig ist er nicht. Aber es ist ein Beamter in einem Ministerium, der etwas Derartiges geschrieben hat, und der Herr Innenminister hat praktisch das hier noch
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1705
    Metzger
    verteidigt, er hat jedenfalls kein Wort dagegen gesprochen. Glauben Sie, meine Damen und Herren, zu einem solchen Minister hätten wir noch das Zutrauen, daß er den Schutz der Verfassung gewährleistet? Ich sage: nein!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Aber wir haben das Vertrauen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Der Herr Innenminister hat auch emphatisch erklärt, den Anfang des Weges, den wir hier zu beschreiten vorhätten, den kennten wir; aber das Ende vermöchten wir nicht zu überblicken. Nun, auch dazu ist ganz einfach zu sagen: was sollen denn diese düsteren Drohungen, was sollen denn diese düsteren Worte? Wenn das Parlament durch Gesetz beschließt, daß ein ordnungsgemäßes Verfahren, eine Befragung des Volkes, stattfindet, wo soll da das nicht zu überblickende Ende sein? Wenn durch Gesetz geregelt ist, daß das Volk gehört wird, dann wird eine Meinungsäußerung des Volkes herauskommen. Das schreckliche Ende wird dann höchstens darin bestehen, daß das Volk anderer Meinung als die Regierung ist; das ist aber auch alles.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das schreckliche Ende könnte vielleicht sogar darin bestehen — wir sind immer noch hoffnungsvoll —, daß dieses Parlament einen schlicht gefaßten Beschluß — kein Gesetz — auf Grund der Meinungsäußerung des Volkes noch einmal sehr gewissenhaft überprüft und dann vielleicht einsieht, daß andere Wege auch noch Wege sind.

    (Zuruf von der SPD: Das soll nicht sein!)

    Aber gerade das will man verhindern, und deswegen soll das Volk nicht gehört werden.
    Sie meinen, wir wüßten das Ende des Weges nicht. Ich kann Ihnen sagen: Ihren Anfang — die atomare Bewaffnung der Bundeswehr — kennen Sie; aber das Ende, das daraus folgt, kennen Sie nicht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Oder besser gesagt: wenn man diese Vorstellungsgabe hat, die vielen von Ihnen abgeht, dann weiß man — in diesem Falle haben wir in der Tat Angst, weil wir es wissen —, daß in einigen Jahren nicht nur dieses Deutschland, sondern daß dieses Europa und ein großer Teil der Welt einfach schlechthin vernichtet, weggewischt werden. Das ist doch die Frage, vor der wir stehen. Wir sollten nicht so tun, als wenn wir es mit irgendeiner nebensächlichen Frage aus dem vorigen Jahrhundert zu tun hätten. Wir leben in einer Zeit, in einer technischen Entwicklung, die Möglichkeiten schrecklichster Art bietet, wie es sie nie gegeben hat. Sie machen doch den Fehler, daß Sie diese neuen Möglichkeiten überhaupt nicht real ins Auge fassen. Sie tun doch so, als wenn man in alten Geleisen weiterfahren könnte. Aber das kann man eben nicht.

    (Abg. Cillien: So etwas Dummes müssen Sie nicht sagen!)

    — Warum soll das dumm sein? Ich behaupte, Sie haben die Tatsache noch nicht real erkannt, daß es
    Waffen gibt, mit denen man nicht verteidigen kann, mit denen man nur alles das vernichten kann, was man angeblich verteidigen will.

    (Zuruf von der Mitte: Ja natürlich, das wissen wir doch genauso gut!)

    — Wenn Sie das wissen, dann müssen Sie die Konsequenzen ziehen, und das tun Sie nicht; darin liegt das Nichtrealisieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundesaußenminister hat auf einer Pressekonferenz an Pfingsten im Odenwald — er will es heute nicht mehr ganz wahrhaben, aber es ist doch so — erklärt: Die Regierung wird die Volksbefragung durchführen, falls das Bundesverfassungsgericht sie für recht erklärt. Ich will dabei offenlassen, in welcher Weise die Regierung die Volksbefragung dann durchführen wollte. Herr Kollege Dr. Mommer hat da schon sehr konkrete und veranlaßte Befürchtungen angeführt. Aber diese Frage will ich hier nicht erörtern. Ich will nur einmal herausstellen, daß der Herr Bundesaußenminister durch diese Worte zu erkennen gibt, daß auch die Möglichkeit besteht, daß das Bundesverfassungsgericht anders entscheidet als die Regierung. Sie nicken mit dem Kopf.
    Wenn aber diese Möglichkeit besteht, wie kann dann ein Innenminister, ein Verfassungsminister, den politisch Andersdenkenden, seinen politischen Gegnern, den Vorwurf machen, daß sie die Verfassung durch die Hintertür demontieren wollten? Da wird doch erneut klar, wie ungeheuerlich das ist, was hier an propagandistischen Phrasen in diesen Saal hineingeschleudert wird.

    (Beifall bei der SPD. — Sehr richtig! und Händeklatschen in der Mitte. — Zurufe von der Mitte.)

    — Ich glaube, Sie werden mir keinen Widerspruch nachweisen können. Da müssen Sie erst einmal hier heraufkommen und müßten mir das nachweisen. Das können Sie nicht. Ich kann Ihnen an Hand des Protokolls nachweisen, was für Ungeheuerlichkeiten von Ihren verantwortlichen Leuten gesagt worden sind.
    Ich glaube also, daß der Bundesinnenminister die ihm kraft seines Amtes auferlegte Objektivität in diesem Falle und in vielen anderen Fällen weit überschritten hat. Ich sage auch, daß er bewußt demagogisch gehandelt hat.
    Herr Wilhelmi hat hier in der ersten Beratung einen guten Ansatz gemacht. Er hat erklärt ich zitiere wörtlich —: Wir haben nie gesagt, daß Ihr Gesetzentwurf gegen den Geist der Demokratie schlechthin verstößt. — Das war zunächst seine Meinung. Das mit dem „nie" stimmte zwar nicht. Herr Barzel und Herr Schröder hatten vorher schon ganz andere Dinge gesagt; aber Herr Wilhelmi jedenfalls hat die Meinung vertreten, daß unser Gesetzentwurf nicht gegen den Geist der Demokratie schlechthin verstößt. Sein junger Kollege Barzel, der ja der Mann der „Tapferkeit" ist, hat den Mut besessen, folgendes zu sagen: Ihr Gesetzentwurf — damit schließt er sich wörtlich dem Herrn Schröder
    1706 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958
    Metzger
    an — ist ein Anschlag auf den demokratischen Rechtsstaat, auf die Demokratie und auf die Verfassung.

    (Abg. Rasner: Das war milde ausgedrückt!)

    — Ach, Herr Rasner, Sie müssen doch nicht immer beweisen, daß Sie von genau dem gleichen Kaliber sind; das wissen wir doch längst.

    (Beifall bei der SPD.)

    Er hat also die Meinungsverschiedenheit in einer verfassungsrechtlichen Frage als einen Anschlag auf die Verfassung gekennzeichnet. Damit hat dieser junge Parlamentarier bereits gezeigt, in welcher Weise er seine parlamentarische Laufbahn im Bundestag beginnen will.
    Herr Wilhelmi hatte, wie gesagt, zunächst einen völlig anderen Standpunkt vertreten; aber im Laufe seiner Rede ist auch er ins Feuer gekommen. Da zeigte sich, wie leicht man sich verrennen kann. Herr Wilhelmi hat nämlich am Schluß seiner Rede erklärt, daß wir uns an der Grenze der Opposition zur Obstruktion und zur staatsfeindlichen Partei befänden.
    Ich muß Herrn Wilhelmi als Juristen fragen, wie er das, was er zuerst gesagt hat, mit dem logisch vereinbaren will, was er nachher gesagt hat, ganz zu schweigen von der Ungeheuerlichkeit, die auch darin steckt.
    Sie reden immer von Unklarheiten. Wenn man Ihnen Unklarheiten aufdecken wollte, könnte man stundenlang sprechen und Ihnen vorhalten, was da so alles verzapft wird.

    (Abg. Majonica: Herr Metzger, es geht das Gerücht, daß Sie Jura studiert haben! Stimmt das?)

    Ach, meinen Sie doch nicht, daß Sie ein ganz Schlauer seien. Sie haben schon oft bewiesen, daß dazu einiges zu sagen wäre!

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Solche Behauptungen, wie sie Herr Wilhelmi am Schluß seiner Ausführungen einer Partei gegenüber aufgestellt hat, die aus größter Sorge um das Schicksal unseres Volkes handelt, sind einfach ungeheuerlich. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich einmal folgendes klarmachen. Wenn man einen politischen Gegner, einen Andersdenkenden damit bekämpft, daß man nicht seine Argumente widerlegt, sondern ihn bezüglich seiner Motive verdächtigt, handelt man schon so, wie man in der Demokratie nicht handeln darf. Das aber tun Sie. Sie erklären nämlich, die SPD handle gar nicht aus Sorge um das Volk, sondern die SPD handle nur deshalb so, weil sie die Wahl verloren habe, weil sie verärgert sei, weil sie sich rächen wolle. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Tiefstand der Betrachtung einer ernsten Sache!

    (Zuruf von der Mitte: Ihre Verleumdungen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Ich kann da nur fragen: Wenn man dem anderen
    solche Motive zutraut, wie sind dann die eigenen
    Motive? Können Sie sich überhaupt nicht mehr
    vorstellen, daß eine Partei, daß Politiker politische Entscheidungen wirklich aus der Sache heraus und aus ernster Sorge um ihr Volk treffen? Können Sie sich das wirklich nicht mehr vorstellen?

    (Zurufe von der Mitte.)

    Es sitzen hier unter Ihnen eine Reihe von Männern und Frauen, die ich nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren kenne und mit denen ich im Kirchenkampf der Nazizeit zusammengestanden habe. Mindestens an diese möchte ich appellieren: Bitte, überlegt euch einmal, ob ihr in dieser Weise handeln dürft, ob ihr in dieser Weise, wie das vorhin geschehen ist, einen Mann verhöhnen dürft, der erklärt hat, daß uns die Sorge um unser Volk treibe. Ich appelliere gerade an die ehemaligen Kampfgenossen der Nazizeit, einer Zeit, in der die Bekennende Kirche wirklich einen Kampf geführt hat, bei dem allerdings einige von denen, die heute das große Wort führen, gefehlt haben.
    Sie sagen, wir hätten nur diese niedrigen parteitaktischen Motive. Ich frage Sie: Was sagen Sie aber zu den vielen anderen, die in der gleichen Weise argumentieren wie wir, die in der gleichen Weise leidenschaftlich darum kämpfen, daß eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr verhindert wird, was sagen Sie zu den 18 Göttingern, was sagen Sie zu der großen Zahl von Wissenschaftlern, von Schriftstellern, von Ärzten, von Theologen, von Künstlern? Wollen Sie das einfach auch als taktisch minderwertig abtun? Haben Sie nicht Veranlassung, doch einmal ein bißchen zu prüfen und sich zu überlegen: Wenn so hervorragende Menschen — wenn Sie schon uns Sozialdemokraten für minderwertig halten! — sich darüber Gedanken machen und zu diesen Schlußfolgerungen kommen, dann muß doch etwas dran sein! Das kann man doch nicht einfach so abtun, wie Sie das machen. Dann müssen wir doch einmal sehen, was von höchst beachtlicher Stelle alles gesagt worden ist. Ich rede von dem, was etwa die Evangelische Kirche gesagt hat. Der Herr Bundesinnenminister macht es sich wieder einmal bequem, der Herr Bundesinnenminister spricht einfach von Schwarmgeisterei und verdammt damit ganze Synoden. In der nationalsozialistischen Zeit gab es die Synode von Barmen. Da wurde die Barmer Erklärung verfaßt und abgegeben. Damals hat viel Mut dazu gehört, das zu tun. Ich bin davon überzeugt, der Herr Innenminister hätte auch das als Schwarmgeisterei abgetan.

    (Beifall bei der SPD.)

    Einer der Hauptverfasser der Barmer Erklärung ist der Professor der Theologie Vogel gewesen, derselbe Mann, der sich auf der letzten Synode gegen die atomare Bewaffnung gewendet hat. Und was tut man in dem amtlichen Bulletin, in diesem höchst „objektiven" Regierungsblatt? Da gibt man einen Bericht über die letzte Synode in Berlin und da redet man in suffisanter Weise von dem ostzonalen Dekan Vogel und wertet ihn damit ab.

    (Pfuirufe von der SPD.)

    Daß dieser Mann, der übrigens auch eine Professur an der Freien Universität hat, noch den Mut hat,
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1707
    Metzger
    an der ostzonalen Universität zu lehren, müßten Sie ihm eigentlich als Verdienst anrechnen.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Statt dessen wird in dieser diffamierenden, abwertenden Weise von dem „ostzonalen Dekan" gesprochen. Das ist die „objektive" Berichterstattung des Bulletins. Das ist keine objektive Berichterstattung, das ist Brunnenvergiftung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte auf die Schwarmgeisterei zurückkommen. Der Schwarmgeisterei haben sich dann sehr viele schuldig gemacht. Der Bischof Dibelius — für diejenigen, die es nicht wissen: er ist der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland — hat z. B. auf der Synode in einer sehr ausführlichen Rede erklärt, daß ein atomarer Krieg nicht nur, wie manche meinen, Selbstmord sei, sondern daß er Massenmord an fremden Völkern und am eigenen Volk sei. Das ist natürlich nach der Auffassung des Herrn Innenministers Schwarmgeisterei, das versteht sich von selbst.

    (Abg. Wacher: Aber Herr Metzger, nehmen Sie sich selbst ernst mit solchen Sachen?)

    Ich wollte, Sie würden das ernst nehmen, was ich hier vorbringe.
    Bereits im Jahre 1956 hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland folgendes erklärt. Damals war unter den Schwarmgeistern z. B. auch unser Kollege Dr. Wilhelmi. Ich weiß nicht genau, ob auch unser Kollege Dr. Gerstenmaier, unser Bundestagspräsident, mit dabeigewesen ist. Es ist möglich, aber ich weiß es im Augenblick nicht genau. Damals ist erklärt worden, daß uns das Evangelium verwehrt, mit der Wissenschaft Götzendienst zu treiben und sie zur Herstellung von Massenvernichtungsmitteln zu mißbrauchen, „die durch keinen Zweck geheiligt werden können". Die Anwendung von Massenvernichtungsmitteln kann nach der bereits im Jahre 1956 abgegebenen Erklärung der Synode durch keinen Zweck geheiligt werden. Schwarmgeisterei, Herr Innenminister? Wollen Sie eine ganze Synode der Schwarmgeisterei bezichtigen? Sie sind dazu imstande, ich weiß es.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Frechheit!)

    Das ist keine Frechheit, das sind Tatsachen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das eine Logik?)

    — Ja, von Logik scheinen Sie nicht viel zu verstehen. Wenn Sie einmal die Logik dieses Satzes erkennen würden, würden Sie sehen, daß Ihre Stellung jedenfalls vom Standpunkt der Synode aus höchst bedenklich ist. Die Herren Kollegen Gerstenmaier und Wilhelmi haben auf der Synode sehr deutlich gehört, wie sehr ernste Männer und Frauen ernst darüber redeten, und waren, auch wenn sie eine andere Auffassung hatten, stärkstens davon beeindruckt. Sie haben dem Ausdruck verliehen. Und hier stellt man sich hin und sagt, wenn eine solche Auffassung vertreten wird, daß das gegen die demokratische Verfassung sei, daß das
    an der Grenze von Opposition zur Obstruktion sei, daß das die Zerstörung unseres demokratischen Staates sei usw. Ich muß sagen, man sollte doch da die intellektuelle und die moralische Redlichkeit besitzen, das, was man dort erkannt und gesagt hat, auch hier auf dem politischen Parkett sehr deutlich zu sagen.
    Man sollte auch nicht erklären, wie das ausgerechnet von der Christlich-Demokratischen Union getan wird, daß das, was die Kirche sagt, uns hier alles gar nicht interessiert, daß hier politisch zu reden sei und daß die Kirche in einem ganz anderen Raum zu leben habe und daß deswegen solche Zitate, nämlich dann, wenn sie einem unangenehm sind, hier nichts verloren hätten. Meine Damen und Herren, wenn die Kirche und die Vertreter der Kirche sich um diese Fragen mühen, tun sie es ja nicht, um in den luftleeren Raum hineinzureden; dann tun sie es ja, um dem Volk einen Liebesdienst zu erweisen; dann tun sie es, damit es gehört wird; dann tun sie es, damit die Gewissen geschärft werden. Und wir sollten uns wirklich die Gewissen schärfen lassen. Die Kirche hat ja auch sonst in den politischen Raum hineingeredet. In der Nazizeit hat sie gegen die Judenverfolgung und gegen die Konzentrationslager und gegen vieles andere Stellung genommen. Damals sind viele von Ihnen — nicht alle, aber viele von Ihnen — durchaus der Meinung gewesen, daß das möglich und nötig sei. Diese Möglichkeit ist in der Barmer Erklärung ausdrücklich in Anspruch genommen worden. Wenn die Kirche heute redet und wenn Ihnen das nicht in das politische Konzept paßt, dann ist das auf einmal Schwarmgeisterei, dann soll das auf diese Weise abgetan werden. Meine Damen und Herren, ich glaube, so kann man nicht handeln! Wenn wir über die uns hier beschäftigende Frage sprechen, dann ist sie eine politische Frage, dann ist sie, wie wir gesehen haben, eine juristische Frage; aber sie ist auch eine moralisch-sittliche und religiöse Frage. Und das sollten Sie nicht außer acht lassen.
    Herr Wilhelmi hat in seiner Rede u. a. auch gesagt, daß in der außenpolitischen Debatte von uns niemals der Vorwurf gekommen sei, daß Sie — das heißt also, der Bundeskanzler und Sie — den Atomtod wollten, daß aber draußen in den Aktionen diese Behauptung aufgestellt worden sei. Nun, meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz klipp und klar sagen: wir haben nie gesagt, daß Sie den Atomtod wollten; wir haben immer gesagt, daß Ihre Politik objektiverweise die Gefahr des Atomkrieges heraufbeschwört.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ist etwas völlig Verschiedenes! Und ich darf Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren: das haben wir nicht nur hier im Bundestag, das haben wir nicht nur vor unseren eigenen Bürgern und vor unseren Wahlberechtigten gesagt, das haben wir auch da gesagt, wo es nicht so ganz einfach ist. Herr Kollege Schmid ist in Polen gewesen, Herr Kollege Kalbitzer ist jenseits des Eisernen Vorhangs gewesen, ich bin im letzten Jahr in der Tschechoslowakei, ich bin in Rumänien gewesen. Dort werden Sie überall die überzeugte Meinung

    Metzger
    finden, daß der Bundeskanzler den Atomkrieg vorbereite und daß er ihn wolle. Ich will Ihnen — —

    (Erregte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, jetzt hören Sie doch erst einmal zu! Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen wollte.

    (Abg. Rasner: Doch, das wissen wir vorher!)

    — So, Sie wissen das; aber Sie sind nicht bereit, es zu honorieren. — Ich will Ihnen sagen: Wir alle haben damals den Leuten, mit denen wir sehr lebhafte Diskussionen hatten — und keine ganz einfachen Diskussionen! — immer wieder gesagt, daß wir davon überzeugt sind, daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung nicht den Krieg wollen. Nebenbei bemerkt: wenn Sie wollen, können Sie das sogar hören. Ich habe in Rumänien zum Schluß noch eine Pressekonferenz gegeben, die auf Band aufgenommen worden ist, auf dem alles das steht, und Sie könnten das hören, Dem Herrn Außenminister habe ich übrigens angeboten, daß ich ihm einmal über meine Erfahrungen hinter dem Eisernen Vorhang berichte. Da hat er mir auch zugesagt — wir sind ja aus einer Stadt —, daß er Weihnachten zu mir käme und sich den Bericht erstatten ließe. Ich warte heute noch auf diese Möglichkeit der Aussprache. Ich glaube, er hätte hier die Möglichkeit, zu erfahren, was ihm andere nicht sagen können, weil sie gar nicht die Möglichkeit haben. Und so geht es anderen von uns auch. Das ist die Art der „Zusammenarbeit", von der immer geredet wird. Sie wollen ja von uns gar nichts hören, und wenn es noch so sachdienlich und nötig ist.
    Also, meine Damen und Herren, ich stelle fest: wir haben nicht nur hier in Deutschland immer wieder erklärt, daß wir der Bundesregierung nicht unterstellen, daß sie den Krieg oder gar den Atomkrieg will. Wir haben sogar das Gegenteil gesagt. Ich wollte, meine Damen und Herren, der Bundeskanzler würde nur die Hälfte dieser Loyalität an den Tag leeren; dann würde es in dieser Bundesrepublik anders aussehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was tut aber der Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren? Ich rede jetzt gar nicht von dem letzten Wahlkampf; ich rede von dem, was sich in diesen Tagen ereignet hat. Sie konnten gestern in der „Süddeutschen Zeitung" lesen, daß der Herr Bundeskanzler in Düsseldorf erklärt hat: Die SPD gefährdet alles, was geschaffen worden ist. Sie w i 1 1 eine Politik und einen Weg, an dessen Ende die sowjetisch-russische Herrschaft über Westeuropa oder ein atomarer Krieg steht.

    (Zuruf von der SPD: Das ist glatte Verleumdung! — Pfui-Rufe bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler erklärt: Die SPD will die Bolschewisierung Deutschlands, die SPD will den atomaren Krieg.
    Da muß ich Sie fragen: Wo ist denn da die Loyalität, und wo ist die üble Verleumdung? Hier spricht
    ein ganz niedriger Parteipolitiker, aber kein Staatsmann!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie werden vielleicht verstehen, meine Damen und Herren, daß wir mehr und mehr zu der Überzeugung kommen, daß unter diesen Umständen ein solcher Bundeskanzler, der nur stur seine Parteilinie und nur sein eigenes Interesse unter Ausschluß eines Teils des Volkes sieht, ein Unglück für unser Volk ist.

    (Beifall bei der SPD. Pfui-Rufe und Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich weiß, was ich sage, und habe es bedacht.

    (Erneute Pfui-Rufe und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat auf Kosten unserer Mitbürger ein Plakat herausgebracht, in dem das Wort steht: Wir dürfen uns durch falsche Propheten nicht irremachen lassen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich finde, man sollte mit der Verwendung von Worten aus der Bibel vorsichtig sein.

    (Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Ja, das meine ich auch!)

    Das ist eine schlechte Sache, und damit leistet man keinen guten politischen Dienst. Aber ich darf Ihnen zum Schluß vielleicht einmal den genauen Wortlaut sagen. Das Wort steht im Matthäus-Evangelium, Kapitel 7, Vers 15. Da heißt es: „Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!) inwendig aber sind sie reißende Wölfe!"


    (Anhaltender Beifall bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Der allgemeine Beifall zu einem Zitat aus der Bibel ist, scheint mir, etwas besonders Bemerkenswertes.

(Heiterkeit.)

Wir haben eine lange Rednerliste. Ich darf Sie also bitten, die Redner mit Aufmerksamkeit anzuhören, damit sich die Beratung heute nicht bis ins Unendliche hinzieht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorredner hat eine ganze Reihe von geradezu unqualifizierbaren Angriffen gegen die Bundesregierung, den Herrn Bundeskanzler und mich erhoben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Ich werde auf diese Angriffe, soweit sie im öffentlichen Interesse eine Antwort verlangen, im Laufe der Debatte eingehen, und ich hoffe, daß ich das mit größerer Höflichkeit als der tun werde, mit der diese Angriffe plaziert worden sind.
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1709
    Bundesminister Dr. Schröder
    Ich möchte mich jetzt zunächst nicht so sehr der verfassungsrechtlichen Seite der Volksbefragungsaktion widmen,

    (Zuruf von der SPD: Warum?)

    sondern vielmehr einige Streiflichter auf ihren Hintergrund richten. In diesen Tagen hat der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofes gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Walter Fisch eine aufschlußreiche öffentliche Verhandlung geführt. Aus den bei Fisch vorgefundenen Dokumenten geht hervor, daß sich die westdeutschen Kommunisten in ihrer Untergrundtätigkeit neben dem Aufbau eines geheimen Parteiapparats in erster Linie die Verhinderung der Atomaufrüstung und der Errichtung von Raketenabschußbasen, die Entfachung einer sozialen Unzufriedenheit unter der Arbeiterschaft und schließlich die Durchsetzung der SPD mit KPD-Leuten zum Ziel gesetzt haben.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das können Sie der SPD doch nicht zum Vorwurf machen! — Weitere Zurufe links.)

    Das Urteil gegen Fisch ist vor einer Stunde in Karlsruhe verkündet worden. Er ist wegen hochverräterischen Unternehmens zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Prozeßverlauf hat wieder einmal einen tiefen Einblick in die kommunistische Zielsetzung und die kommunistische Arbeitsweise gewährt. Wir alle, meine Damen und Herren, tun gut daran, die Lehren aus diesem Prozeß ernst zu nehmen.
    Ich glaube, daß sich ein wirkliches Urteil über die Gefährlichkeit der Volksbefragungsaktion nur dann gewinnen läßt, wenn man den Hintergrund kennt, auf dem sie sich abspielt. Das erfordert einen kurzen Blick auf die kommunistische Vorgeschichte dieser Aktion. Zur Taktik der kommunistischen Parteien gehört es, zur Erreichung ihrer strategischen Ziele, nämlich des Umsturzes der Gesellschaftsordnung in den nichtkommunistischen Staaten und der Errichtung der Diktatur des Proletariats, breite Volksschichten für begrenzte politische Ziele zu gewinnen. Für diesen Zweck benutzt die Kommunistische Partei Hilfsorganisationen, die bestimmte Aufgaben auf einzelnen Interessengebieten erfüllen sollen.

    (Zurufe von der SPD. — Abg. Erlen Eine Zwischenfrage!)

    — Ich bedaure, daß ich während dieses Vortrages keine Zwischenfrage zulassen kann.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mommer: Das glaube ich, Sie unverschämter Bursche! — Weitere erregte Zurufe von der SPD: Das glauben wir!)

    — Ich stehe Ihnen anschließend zur Verfügung.

    (Anhaltende lebhafte Zurufe von der SPD: Unverschämte Verleumdung! — Alter Nazi! — Die SPD-Fraktion verläßt mit wenigen Ausnahmen den Saal. — Glocke des Präsidenten.)