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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
    2. folderAnlagen
      Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Großen Anfragen, diejenige der CDU/ CSU und diejenige der FDP, werden in einem Augenblick gestellt, in dem die außenpolitische Diskussion tatsächlich erneut in Fluß gekommen zu sein scheint. Die Auseinandersetzungen über die Vorbereitungen und Abhaltung einer sogenannten Gipfelkonferenz sind auf höchster Ebene im Gange. Die Bundesregierung hat es deshalb auch begrüßt, daß sie die Gelegenheit hat, in diesem Zeitpunkt präzise Fragen zu beantworten und damit auch der irrigen Auffassung entgegenzutreten, daß in der Beurteilung der weltpolitischen Lage durch die Bundesregierung ein Wandel eingetreten sei. Darüber hinaus hat aber die Bundesregierung auch keinen Zweifel, daß eine negative Entscheidung ihr den Vorwurf eingetragen hätte, das Parlament sei nicht rechtzeitig in die Diskussion um die Willensbildung einbezogen worden. Die Bundesregierung möchte nicht den Anschein erwecken, als müsse sie einer Auseinandersetzung über die bisherige Außenpolitik etwa aus dem Wege gehen. Es gibt keine einzige Frage, auf die eine exakte und präzise Antwort zu geben sie nicht bereit ist. Trotzdem erscheint es mir sinnvoller, wenn wir den Blick auf die Zukunft richten und uns darüber unterhalten, was geschehen kann und was geschehen muß.
      Als erste wurde der Bundesregierung die Frage gestellt, ob nach ihrer Auffassung die Wiedervereinigung Deutschlands auf einer bevorstehenden Gipfelkonferenz behandelt werden müsse, und dar-



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      hinaus, ob eine wirkliche Lösung der internationalen Spannungen ohne eine Antwort auf die deutsche Frage denkbar sei. Meine Damen und Herren, nach der Überzeugung der Bundesregierung wäre es tatsächlich eine gefährliche Selbsttäuschung, Wenn wir oder wenn andere Staaten im Osten und im Westen glaubten, die auf der Welt lastende Spannung zwischen der kommunistischen und der freien Welt könne auf der Grundlage der widernatürlichen Teilung Deutschlands beseitigt werden. Wir sind nicht so selbstbezogen, zu glauben, daß die Teilung Deutschlands die alleinige oder die entscheidende Ursache dieser Spannung sei. Wohl kann man annehmen, daß es ohne den tiefen politischen und psychologischen Gegensatz zwischen diesen beiden Teilen der Welt, der Welt des totalitären Kommunismus und der Welt der freiheitlichen Demokratie, nicht zur Spaltung Deutschlands gekommen wäre. Aber heute, wo sie da ist, hat sie sich leider zu einer durchaus selbständigen Quelle und Ursache internationaler Spannungen entwickelt. Es ist von dieser Stelle aus oft genug schon gesagt worden, worin diese Gefahren bestehen. Es genügt, wenn ich an den ständigen Flüchtlingsstrom aus der Zone erinnere, an die künstliche Abschnürung der alten Reichshauptstadt Berlin, an das Gefälle des Wohlstands vom Westen nach dem Osten und an die Willkürmethoden der Zonenregierung, über die wir täglich und stündlich neue Mitteilungen erhalten.
      Auf die Frage, ob die Wiedervereinigung Deutschlands oder, richtiger gesagt, ob die Herstellung einer dem Willen des deutschen Volkes entsprechenden freiheitlichen Ordnung in Deutschland auf einer Gipfelkonferenz behandelt werden muß, gibt es darum nach der Überzeugung der Bundesregierung nur eine klare Antwort: ja.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Darum wird sich die Bundesregierung wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft dafür einsetzen, daß dieses Thema zu einem der Themen der Gipfelkonferenz gemacht wird.
      Ich sage das nicht ohne eine Einschränkung. Es gibt bis zur Stunde leider kein Anzeichen dafür, daß die Regierung der Sowjetunion ernsthaft bereit wäre, über diese Frage zu verhandeln.

      (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

      Dafür gibt es um so mehr Anzeichen dafür — zum
      Teil hat sie der Herr Bundeskanzler schon erwähnt —, daß die Sowjetunion entschlossen ist, mit äußerster Härte an ihrer Theorie von der selbständigen Existenz zweier deutscher Staaten festzuhalten.

      (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

      In allen ihren mündlichen und schriftlichen Erklärungen haben die Sprecher der Sowjetunion dies in den vergangenen Wochen und Monaten bekräftigt. Ich brauche nur an die Rede zu erinnern, die am 22. Januar der sowjetrussische Parteisekretär Chruschtschow in Minsk gehalten hat. Er hat sich
      dort — mir scheint, das ist schon wieder in Vergessenheit geraten dahin geäußert, daß die Deutschlandfrage unter den gegenwärtigen Verhältnissen vor allem die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden auf dem Boden Deutschlands bestehenden souveränen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung betreffe. Er wiederholte, es sei der Standpunkt der Sowjetregierung, nur das deutsche Volk könne die Deutschlandfrage lösen, wobei er hinzufügte, das bedeute, daß man den Wunsch der Werktätigen der DDR, ihre sozialistischen Errungenschaften nicht beseitigt zu sehen, berücksichtigen müsse.

      (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat Herr Mende nicht gesagt!)

      Ich glaube, wir brauchen uns über diese ,,sozialistischen Errungenschaften" nicht zu unterhalten; wir kennen sie. Aber ich habe doch den Eindruck, daß zuweilen auch diese Frage schon wieder etwas verniedlicht wird.

      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

      Es wird schon so dargestellt, als gehe es letztlich nur um die Diskussion, was nun im Hinblick auf gewisse Maßnahmen geschehen soll, die dort vollzogen wurden, etwa Bodenreform oder Sozialisierung von Betrieben. Meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht in dieser Frage täuschen! Noch vor wenigen Tagen hat der Kontrollkommissar der SED Mattern vor dem Bezirksparteiaktiv der Dresdener SED-Leitung sehr klar gesagt, was die SED unter diesen „Errungenschaften" versteht. Er betonte, die größte Errungenschaft, die verteidigt werden müsse, bedeute die Einheit der Partei, die zweite die Staatsmacht der Arbeiter und der Bauern, und an dritter Stelle stehe der Aufbau des Sozialismus. Diese Errungenschaften seien die Grundlage, die auch im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands niemals verlassen werden dürfe.

      (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

      Ein gleiches hat er wenige Tage später vor der „Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenz" in Leipzig ausgeführt.
      Die Sowjetunion hat laut ihre volle Übereinstimmung mit solchen Äußerungen der sogenannten Regierung der DDR bekundet. Zuletzt hat Radio Moskau noch mitgeteilt, es sei unverständlich, warum die Konferenz überhaupt nach Wegen zur Wiedervereinigung Deutschlands suchen solle. Es ist uns auch bekannt, daß auf dem 40. Jahrestag der sowjetrussischen Armee Herr Chruschtschow im Gespräch mit einigen Partnern die Äußerung tat, Deutschland sei früher in eine Reihe von Staaten geteilt gewesen; über die Wiedervereinigung könne man vielleicht in hundert Jahren sprechen.

      (Abg. Kiesinger: Hört! Hört!)

      Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist allerdings nicht bereit, sich mit solchen Erklärungen der Sowjetunion abzufinden, und sie hofft, daß das ganze Volk ihr darin folgen wird.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Die zweite Frage steht in einem inneren und, wie ich glaube, unlösbaren Zusammenhang mit der er-



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      sten. Wenn die Bundesregierung gefragt wird, ob sie eine Behandlung von Fragen der europäischen Sicherheit auf der Konferenz für nützlich halte, solange die Behandlung der Wiedervereinigungsfrage von der Sowjetunion abgelehnt werde, so kann die Bundesregierung darauf nur mit einem klaren Nein antworten. Die Antwort muß „Nein" lauten, weil die Sicherheit des freien Europa unter den gegenwärtigen Bedingungen am wirksamsten durch die bereits bestehenden Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet ist. Es muß klar und unmißverständlich ausgesprochen werden: Solange die Teilung Deutschlands besteht, kann die Sicherheit des freien Europa durch Vereinbarungen über militärisch verdünnte oder atomwaffenfreie Zonen, durch teilweise oder vollständige Truppenabzüge, durch Auflösung überseeischer Stützpunkte oder ähnliche Vorschläge nur gefährdet, aber nicht verbessert werden.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Das scheint wohl auch der Grund zu sein, warum die sowjetische Außenpolitik mit einer wohlüberlegten Beharrlichkeit immer wieder neue sogenannte Sicherheitsvorschläge unterbreitet und in der durch die verständliche Furcht vor einem atomaren Krieg beunruhigten öffentlichen Meinung des Westens Verwirrung zu stiften versucht.
      Das Ziel einer solchen Politik ist in Wahrheit die Aushöhlung und die allmähliche Zerstörung des westlichen Sicherheitssystems, vor allem der Atlantischen Gemeinschaft.
      Meine Damen und Herren! Nach der Überzeugung der Bundesregierung ist — der Herr Bundeskanzler ist in seinen einleitenden Worten darauf schon eingegangen — die Nordatlantische Gemeinschaft ein Zweckverband, der gegründet wurde und aufrechterhalten wird, um kin sehr konkretes Ziel zu erreichen: die Verteidigung unseres Lebens und unserer Lebensordnung, nämlich der Freiheit.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Solange die Sowjetunion an ihrer vermeintlichen Mission festhält, den Kommunismus über die Welt auszubreiten — und bis zur Stunde ist eine Änderung in dieser Haltung nicht eingetreten —, gibt es in der Tat kein wirksameres und kein besseres Instrument für unsere Verteidigung als die NATO.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Daraus werden wir in jedem Falle die nötigen Konsequenzen ziehen.
      Ich darf wohl daran erinnern, daß diese Verbindung von Sicherheit und Wiedervereinigung, nach der hier gefragt worden ist, einer der Hauptpunkte der Verhandlungen auf der Genfer Gipfelkonferenz von 1955 war. In der damals auch von Herrn Bulganin und auch von Herrn Chruschtschow angenommenen Direktive vom 23. Juli 1955 wiesen die vier Regierungschefs ihre Außenminister an, die Prüfung folgender Fragen vorzunehmen: europäische Sicherheit und Deutschland, Abrüstung, Entwicklung von Kontakten zwischen Ost und West. Haben wir Deutsche denn Anlaß, den Feststellungen des amerikanischen Präsidenten in seiner Note vom 3. März
      zu widersprechen, in der er es als unerläßlich bezeichnet hat, bei einer neuen Konferenz an die Ergebnisse der Genfer Konferenz anzuknüpfen? Haben wir Deutsche Anlaß, die übereinstimmende Erklärung des amerikanischen Außenministers Dulles in seiner Pressekonferenz am 4. März zu bezweifeln, der — wie ich glaube, mit Recht — gesagt hat, es wäre sehr wenig sinnvoll, eine neue Gipfelkonferenz damit zu beginnen, daß man die Ergebnisse der ersten Gipfelkonferenz zunächst begräbt? Ich fürchte, meine Damen und Herren, wenn wir uns auf eine solche Taktik einließen, wären wir nach einigen weiteren Gipfelkonferenzen im wahrsten Sinne des Wortes ausverkauft.
      Es sind nun in der letzten Zeit eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, die man ja auch behandeln könnte, Vorschläge, von denen man sagte, daß ja auch sie die Sicherheit in Europa bringen oder verstärken könnten. Ich brauche nicht zu sagen — Sie dürfen es versichert sein! —, daß die Bundesregierung Vorschläge dieser Art sorgfältig geprüft hat und auch in Zukunft prüfen wird. Aber es genügt nicht, daß in dem einen oder anderen Vorschlag vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Bei der Bedeutung dessen, was auf dem Spiel steht, müssen solche Vorschläge bis zur letzten Konsequenz — und daran scheint es mir oft zu fehlen — durchdacht sein.

      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

      Es wird sicher nur wenige Vorschläge geben, die nur negativ, oder wenige Vorschläge, die nur positiv zu werten sind. Darum kann man die Entscheidung nur nach einer sehr sorgfältigen Abwägung des Für und Wider treffen.
      Nach welchen Maßstäben diese Entscheidung zu treffen ist — ich komme bei der Behandlung des Rapacki-Plans noch einmal kurz darauf zurück —, mag Ihnen folgende Fragestellung zeigen: Sind solche Vorschläge tatsächlich geeignet, die Kriegsgefahr zu vermindern? Sind solche Vorschläge tatsächlich geeignet, einen Zustand der Entspannung herbeizuführen oder auch nur einzuleiten, der diesen Namen verdient, oder dienen sie nicht dem Selbstbetrug? Dienen sie wirklich, wenn auch nur mittelbar, der Sache der deutschen Wiedervereinigung, oder verändern sie — das ist eine ernste Frage — in solchem Maße das gegenwärtige Gleichgewicht der Kräfte und der strategischen Positionen zum weiteren Nachteil des Westens, daß dadurch gewisse möglicherweise entstehende Vorteile aufgewogen, ja, mehr als aufgewogen werden?

      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

      Wenn man diese Maßstäbe zugrunde legt, kommt man zum Ergebnis, daß die Frage der europäischen Sicherheit tatsächlich nicht von der Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit gelöst werden kann.
      Auf die dritte von der Fraktion der CDU/CSU gestellte Frage lautet die Antwort: Die Bundesregierung hält ,an dem Grundsatz fest, daß für die Wiedervereinigung freie Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unerläßlich sind.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)




      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      Sie sieht keinen Anlaß, von der bisher von allen Parteien des Deutschen Bundestages vertretenen Auffassung abzugehen, daß Verhandlungen mit der sogenannten Regierung der DDR kein geeigneter Weg zur Wiedervereinigung sind.

      (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

      Man könnte die Frage stellen, ob es überhaupt nötig ist, nach den zahlreichen Äußerungen, Erklärungen und Resolutionen, die auch in diesem Hause abgegeben und angenommen wurden, noch eine solche Feststellung zu treffen.

      (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

      Aber gewisse Diskussionen, die in der Öffentlichkeit entstanden sind, scheinen mir das notwendig zu machen. Dazu gehört auch der Angriff gegen die Bundesregierung, der auch heute andeutungsweise wiederholt wurde und der darauf hinausläuft, die These, daß freie Wahlen am Anfang der Wiedervereinigung stehen müßten, habe verheerend gewirkt; diese These sei eine — wurde uns damals sogar unterstellt — bewußte Sabotage an der Verwirklichung des Gedankens der Wiedervereinigung.
      Diese Forderung kann in der Tat zweierlei bedeuten, einmal, daß die freien Wahlen am Anfang des eigentlichen Wiedervereinigungsverfahrens stehen sollen. Mit anderen Worten: wenn einmal eine konkrete Einigung mit den vier Mächten darüber erzielt ist, daß die Einheit Deutschlands unter bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten Datum wiederhergestellt werden soll, so müßte nach dieser Parole nicht etwa mit der Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung, sondern mit freien Wahlen in ganz Deutschland begonnen werden. Aus diesen Wahlen müßte eine Nationalversammlung, aus dieser eine gesamtdeutsche Regierung hervorgehen.
      Wenn das gemeint ist, möchte ich allerdings für die Bundesregierung keinen Zweifel daran offenlassen, daß wir auch heute noch unverändert zu dieser These stehen, zu einer These, die ihre Bekräftigung in zahlreichen Entschließungen gefunden hat, die einmütig — allenfalls gegen die Stimmen der Kommunistischen Partei — in diesem Hause angenommen wurden, zu einer These, die auch Herr Kollege Wehner selbst unterstrichen hat, als er sagte:
      Die freien Wahlen, die Bildung der Nationalversammlung und der gesamtdeutschen Regierung und dann Friedensverhandlungen und schließlich Verhandlungsfrieden sind eine sozusagen unter allen Umständen einzuhaltende Reihenfolge.

      (Hört! Hört! und Beifall in der Mitte.)

      Ich kann nicht einsehen, daß diese Überlegungen in den letzten Jahren irgend etwas von ihrem Wahrheitsgehalt verloren hätten. Sie sind heute noch so gültig und so richtig wie je zuvor.
      Die Parole „Freie Wahlen zuerst" könnte allerdings auch in einem anderen Sinn verstanden werden, nämlich als Forderung, daß bei den Verhandlungen mit der Sowjetunion über die Wiedervereinigung zunächst überhaupt über nichts anderes gesprochen werden dürfe als über freie Wahlen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß das niemals die Auffassung der Bundesregierung war.

      (Abg. Wehner: Niemals — sagen Sie!)

      Die Vorschläge, die mit Zustimmung der Bundesregierung am 28. Oktober 1955 in Genf von den drei Westmächten vorgelegt worden sind, beweisen, daß das Gegenteil richtig ist. In diesen Vorschlägen heißt es, der Vertrag würde nur in Verbindung mit der Wiedervereinigung in Kraft treten; er würde in Phasen ausgeführt werden. Wir hatten gleiches festgestellt in den beiden Memoranden an die Sowjetregierung vom 2. September 1956 und vom 20. Mai 1957. Ich habe auch in der Regierungserklärung im Dezember 1955 auf eine übereinstimmende Entschließung der Beratenden Versammlung des Europarates verwiesen, in der die Parallelität der Vorgänge ausdrücklich festgestellt worden ist. Ich habe diese Feststellung als richtig aufgenommen und unterstrichen.
      Wir Waren uns immer des inneren Zusammenhangs zwischen diesen beiden Problemkreisen durchaus bewußt. Wir waren immer bereit, uns in ein System europäischer Sicherheit einzuordnen, in dem andere unsere Sicherheit und wir gleichzeitig die Sicherheit der andern wirksam zu garantieren vermögen. Aber will denn jemand in diesem Hause ernstlich daraus die Konsequenz ziehen, daß wir darum auch auf freie Wahlen und auf die Entscheidungsfreiheit verzichten sollten? Die Bundesregierung ist nicht bereit, einen solchen Verzicht auszusprechen, noch dazu in einem Augenblick, in dem niemand zu übersehen vermag, was wir für einen solchen Verzicht als Gegenleistung erhalten würden.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Es ist doch die Frage, ob wir überhaupt berechtigt wären, einen solchen Verzicht auszusprechen; denn wir würden damit eine Entscheidung einer gesamtdeutschen Regierung, eines gesamtdeutschen Parlamentes präjudizieren. Auf jeden Fall aber kann ich mir nicht denken,

      (Abg. Wehner: Also was dazu für eine Stirn gehört!)

      daß in einem freigewählten deutschen Parlament jemand ist, der einer freigewählten Vertretung des ganzen deutschen Volkes das Recht bestreiten wollte, frei zu sein in der Beurteilung von Vorschlägen, die man vielleicht einmal dem deutschen Volke machen wird, frei zu sein in der Entscheidung über die Ausgestaltung der inneren, der politischen, der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung, frei zu sein in der Fortsetzung der europäischen Politik, frei zu sein in ihrem Bekenntnis zur unlösbaren Verbundenheit des deutschen Volkes mit den freien Völkern der Welt.

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Die nächste Frage ist die nach der Stellung der Bundesregierung zum Vorschlag einer Konföderation zwischen Bundesrepublik und DDR. Ich glaube,



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      ich kann diese Frage im Zusammenhang mit dem Teil der letzten Frage behandeln und mich darauf beschränken, zu erklären: Die Bundesregierung bestreitet — ich glaube, wie jede der hier vertretenen politischen Parteien, und ich erinnere hier an die Erklärungen, die Herr Kollege Ollenhauer noch im September 1955 und im Februar 1956 abgegeben hat — die demokratische Legitimation der Regierung von Pankow, und sie weiß, daß die Anerkennung dieser Regierung die Anerkennung der Teilung Deutschlands bedeuten würde. Sie verspricht sich nichts davon, ein Gespräch zu führen mit Männern, denen diese Legitimation fehlt, und sie glaubt auch nicht, daß man ernsthaft über die freiheitliche Ordnung eines Volkes von 68 Millionen sprechen kann mit denen, die 17 Millionen Deutschen die primitivsten Freiheitsrechte verweigern.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Die Bundesregierung lehnt aber auch den Gedanken einer Konföderation ab. Ein Staatenbund, eine Konföderation ist ein völkerrechtlicher Vertrag unabhängiger Staaten. Man mag zweifeln, ob das deutsche Volk heute da anknüpfen will, wo vor 150 Jahren seine Einigungsbestrebungen begonnen haben. Aber das entscheidende Problem liegt nicht bei der staats- oder völkerrechtlichen Struktur; das entscheidende Problem liegt darin: Die Konföderation, wie man sie uns nunmehr vorschlägt, soll nicht zwei Staaten zueinander führen, die sich zu gleichen politischen und ethischen Grundsätzen des Lebens bekennen; im Gegenteil, in der sowjetisch besetzten Zone soll alles beim alten bleiben. So bedeutet ja der Vorschlag der Konföderation nicht mehr und nicht weniger als den Umweg zum „Gesamtdeutschen Rat". Wir haben bisher der Versuchung widerstanden, uns mit Herrn Ulbricht an einen Tisch zu setzen. Dabei sind wir nicht davon ausgegangen, daß die Eigenschaft eines Menschen, Deutscher zu sein, schon genügt, ein Gespräch zu führen. Ein sinnvolles Gespräch vermag ich nur mit dem zu führen, der gleiche Vorstellungen hat und sich zu gleichen Zielen bekennt. Können wir uns eine Verständigung zwischen dem Staat einer Hilde Benjamin und einem freiheitlichen Rechtsstaat, wie ihn die Bundesrepublik darstellt, ernsthaft denken? Aber ich glaube, daß wir über diese Frage der Konföderation kaum mehr zu sprechen brauchen, denn ich kann mir nicht denken, daß in den Ausführungen auch des Herrn Kollegen Mende, als er von den Auftragsverhandlungen sprach, etwa die Bereitschaft hat erkennbar werden sollen, die Frage einer Konföderation ernsthaft zu diskutieren.
      Mit der nächsten Frage erbittet die Fraktion Auskunft darüber, welche Schritte die Regierung unternommen hat, ihre politische Auffassung mit den an der Gipfelkonferenz voraussichtlich beteiligten Bündnispartnern zu beraten. Nun, meine Damen und Herren, hierzu hat der Bundeskanzler sich schon geäußert, und es genügt, wenn ich feststelle, daß wir mit allen unseren Bündnispartnern in einer laufenden unaufhörlichen Konsultation stehen, einer Konsultation, die im NATO-Rat in Paris durchgeführt und durch die ständige Begegnung und Berührung der Botschafter in den Hauptstädten der
      beteiligten Nationen ergänzt wird. Ich glaube —und ich kann das mit großer Befriedigung sagen —, die eingehenden Diskussionen im Rahmen der Atlantischen Gemeinschaft haben bisher immer wieder von neuem gezeigt, daß in allen wesentlichen Fragen und gerade auch in den wesentlichen Fragen, die uns als deutsche Menschen unmittelbar berühren, eine volle Übereinstimmung zwischen den Bündnispartnern zu erreichen war.
      Welche Vorstellungen wir von den Vorbereitungen und den Möglichkeiten einer solchen Konferenz haben, ist in einem Schreiben enthalten, das der amerikanische Präsident Eisenhower am 12. Januar an die sowjetrussische Regierung gerichtet hat und in dem es heißt, die Vereinigten Staaten seien bereit, im Zusammenhang mit der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands gemeinsam mit anderen Regierungen über spezifische Vereinbarungen bezüglich der Stärke der Streitkräfte und ihre Dislozierung sowie über weitgesteckte vertragliche Vereinbarungen zu verhandeln, und zwar nicht nur für den Fall einer Aggression.
      Meine Damen und Herren, hier ist, glaube ich, ein sinnvolles Thema einer Außenministerkonferenz und einer Gipfelkonferenz umrissen, denn hier steckt die Bereitschaft, über alle Fragen zu sprechen, deren Lösung zu einer Entspannung beitragen könnte, auch über die Deutschlandfrage. Allerdings glaube ich, daß diejenigen, die einen Katalog von Themen aufstellen und ihn den anderen unter der Bedingung übermitteln, daß die anderen nicht das Recht haben sollten, eigene Themen vorzuschlagen, nicht eine Gipfelkonferenz fördern, sondern sie in Wahrheit sabotieren.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Die Fraktion der FDP hat einige Fragen vorgelegt. Sie fragt zunächst, ob die Bundesregierung bereit sei, sich bei den Vier Mächten dafür einzusetzen, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland erörtert werden. Ich glaube, ich habe diese Frage schon in meinen einleitenden Worten beantwortet, als ich von dem Wunsche der Bundesregierung, von ihrem unausgesetzten Bemühen sprach, die Wiedervereinigung als solche auf die Tagesordnung der Gipfelkonferenz zu bringen. Nach der Erklärung, die Herr Kollege Mende gegeben hat, war ich mir des Sinnes dieser Frage nicht ganz bewußt geworden. Was war gemeint? Etwa ein Vertrag der Vier Mächte untereinander, der die Wiedervereinigung ermöglichen, der die Grundlage der Wiedervereinigung sein soll, oder ein Vertrag, der für den Fall der deutschen Wiedervereinigung das Sicherheitsproblem behandeln soll? Oder war damit nur der Friedensvertrag gemeint?
      Die beiden ersten Probleme können selbstverständlich auf einer Gipfelkonferenz besprochen werden. Sie stehen ja in einem inneren und unlösbaren Zusammenhang mit der Frage der Wiedervereinigung. Aber gegen die isolierte Behandlung des Friedensvertrages hat die Bundesregierung begründete Bedenken, nachdem die Sowjetunion eindeutig erklärt



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      hat, daß sie zwar bereit sei, über einen Friedensvertrag, aber nicht über die Konsequenzen des Friedensvertrages, nämlich über die Wiedervereinigung zu sprechen.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Der Herr Kollege Mende hat versucht, uns klarzumachen, das sei gar nicht so gemeint; die Sowjetunion meine nicht zwei Friedensverträge, sondern einen Friedensvertrag mit zwei deutschen Staaten, und nach seinem Abschluß könne sich im Laufe der Zeit diese Entwicklung vollziehen. Meine Damen und Herren, was hier vorgetragen wurde, erinnerte ein wenig an das Hexen-Einmaleins: „aus zwei mach eins". Wenn man nämlich von einem Friedensvertrag mit Deutschland spricht, muß man sagen, wer der Partner dieses Friedensvertrages sein soll.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Dieser Partner ist bis zur Stunde nicht vorhanden, und die Sowjetunion lehnt es ab, einen legitimierten Partner zu bestellen. Der Herr Bundeskanzler hat an das Gespräch erinnert, das gestern stattgefunden hat, und in dem seitens der Sowjetunion wieder auf die Möglichkeit einer Konförderation, eines Gesamtdeutschen Rates oder ähnlicher Einrichtungen verwiesen worden ist.
      Wenn die Sowjetunion nach wie vor sagt, das Problem der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands dürfe nicht auf der Tagesordnung stehen und nicht verhandelt werden, wie soll dann ein Friedensvertrag behandelt werden, der ja diese Wiedervereinigung zum Ziel haben muß?! Dabei stelle ich die Frage, was eigentlich geschehen wird, wenn die beiden deutschen Regierungen zu Vorschlägen oder zu Plänen über einen Friedensvertrag verschiedene Erklärungen abgeben. Ich könnte mir allerdings ohne übertriebene Phantasie denken, daß es in zahlreichen Fällen so sein würde.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Der Herr Kollege Mende hat dann gefragt, ob wir etwa die Gipfelkonferenz scheitern lassen wollten, wenn die Sowjetunion darauf bestehe, die DDR zu konsultieren. Ach, meine Damen und Herren, wir haben gar nichts dagegen, wenn zum Gefolge des Herrn Chruschtschow und des Herrn Bulganin auch ein paar Mitglieder der DDR gehören. Daran wird die Bundesregierung keinen Anstoß nehmen. Wir haben es Gott sei Dank nicht nötig, in solch einem Gefolge zu sitzen, denn wir haben die Gewißheit, daß diejenigen, die unsere Sache in unserer Abwesenheit vertreten, das mit derselben Klarheit und derselben Entschiedenheit tun, wie wir es selbst täten.

      (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

      Ich möchte in diesem Zusammenhang die Äußerung des Herrn Kollegen Mende, die Bundesregierung habe die Öffentlichkeit fahrlässig falsch informiert, entschieden zurückweisen. Die Bundesregierung hat das gesagt, was bisher zu lesen war und was auch in der gestrigen Unterredung mit dem sowjetrussischen Botschafter bekräftigt wurde. Die Einstellung der Sowjetunion lautet: Wir sind
      bereit, einen Friedensvertrag über Deutschland zu behandeln, ohne daß wir zulassen, daß die Frage der Einheit Deutschlands erörtert wird. — Damit dürfte nach unserer Meinung und der unserer Partner dieser Punkt von der Tagesordnung verschwinden.

      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

      Die Bundesregierung ist weiter gefragt worden, ob sie im Hinblick auf die in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit erörterten Pläne über eine von Atomwaffen freie, von Atomwaffenanlagen freie und militärisch entschärfte Zone einen eigenen Vorschlag machen wolle.
      Einen eigenen Vorschlag wird die Bundesregierung nicht machen. Sie wird in voller Übereinstimmung mit ihren Verbündeten Vorschläge dieser Art prüfen und gemeinsame Gegenvorschläge entwikkeln.
      Herr Kollege Mende hat in diesem Zusammenhang wieder Kritik geübt; ich möchte darauf eingehen. Ich muß, Herr Kollege Mende, hier die Frage stellen, ob Sie nicht in der Lage waren, die Ihnen zur Verfügung stehende Dokumentation zu lesen, oder ob Sie bei diesem Angriff gewußt haben, daß er ungerechtfertigt ist. Sie haben sich auf Herrn Richard Crossmann, auf Herrn Elliot und auf Herrn Robens bezogen. Ihnen, meine Damen und Herren, und auch Ihnen, Herr Kollege Mende, kann ich nur sagen, ich bestreite, daß diese Abgeordneten erklärt haben, die Bundesregierung habe den Eden-Plan vom 18. Juli 1955 abgelehnt oder auch nur Bedenken dagegen geäußert.

      (Hört! Hört! und Beifall in der Mitte.)

      Das genaue Gegenteil ist richtig. Ich habe an diesen Besprechungen selbst teilgenommen.

      (Erneute Hört! Hört!-Rufe von der Mitte.)

      Wir haben den Eden-Plan vom 18. Juli 1955, der auch den Gedanken einer verdünnten Zone enthält, unterstützt: Dieser Eden-Plan ist dann in das Gesamtprojekt der westlichen Alliierten hineingekommen, das am 28. Oktober 1955 mit unserer eindeutigen Billigung vorgelegt worden ist.

      (Abg. Wehner: Das Hexeneinmaleins des Eden-Plans! Schüttle durcheinander! — Zuruf des Abg. Erler. — Gegenrufe von der Mitte.)

      — Herr Kollege Wehner, warten Sie nur, ich komme schon darauf. Sie scheinen die Dokumentation erfreulicherweise besser zu kennen als Herr Kollege Mende.
      Der englische Premierminister Eden hat in einer Diskussion am 22. Juli 1955 einen weiteren Plan entwickelt, der zunächst auf der Grundlage der Teilung Deutschlands verwirklicht werden sollte. Wir haben in der Tat gegen diesen Plan Bedenken erhoben. Ich kann nur feststellen, daß es — dies war das Ergebnis der schon damals bestehenden vortrefflichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit — leicht gelungen ist, die englische Regierung davon zu überzeugen, daß dieser Gedanke nicht glücklich ist. Offensichtlich hat deswegen die englische Regierung diesen Plan fallenlassen, der ohnehin von



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      Herrn Eden in der Diskussion am 22. Juli nur als ein Versuchsprojekt bezeichnet worden war. Der Plan, den Herr Eden am 18. Juli vorgelegt hat und der Gegenstand der endgültigen Vorschläge wurde, die in den Sicherheitsvertrag aufgenommen worden sind, den die drei westlichen Alliierten den Russen in Genf vorgelegt haben, ist mit der vollen Zustimmung der Bundesregierung in diese Vorschläge aufgenommen worden, und die Bundesregierung steht heute noch zu dieser Zustimmung.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Die letzte Frage der FDP, die sich teilweise mit der vorletzten Frage nach dem Rapacki-Plan überschneidet, stellt uns vor ein Problem. Hier müssen wir, glaube ich, eine klare Antwort geben. Der Herr Kollege Mende hat vorhin meinen alten Freund, Herrn Schlange-Schöningen, zitiert. Vielleicht darf ich mir erlauben, ihn einmal selbst zu zitieren. Herr Kollege Mende hat am 10. Mai 1957 hier im Bundestag erklärt:
      Wer es wagen würde, die Verbindung der Bundesrepublik zur freien Welt zu durchschneiden, würde die Schlagader durchschneiden und die Bundesrepublik zum sogenannten „volksdemokratischen" Staat ausbluten lassen.

      (Zurufe von der Mitte: Hört! Hört! — Abg. Dr. Mende: Wer will denn das?)

      — Ich darf fortfahren:
      Uns Freien Demokraten ist ein zweigeteiltes Deutschland, in dem wenigstens wir 51 Millionen Bundesrepublikaner frei sind und frei reden können und woraus 17 Millionen in Mitteldeutschland eine Hoffnung schöpfen, immer noch angenehmer als ein einiges Deutschland von 70 Millionen unter dem Sowjetstern, Hammer und Sichel, als Volkdemokratie.

      (Lachen und Zurufe von der Mitte. — Abg. Dr. Mende: Sehr richtig! Jedes Wort wird heute bestätigt und wiederholt!)

      Jetzt werde ich meinen Freund SchlangeSchöningen zitieren. Ich kann Ihnen nämlich sagen, daß Herr Schlange-Schöningen die Dinge etwas klarer, glaube ich, als Sie durchdacht hat. Er hat in seinem, von Ihnen inkriminierten Artikel gesagt:
      Bevor an einen Rückzug fremder Truppen aus Deutschland gedacht werden kann, muß dieses eine sichergestellt sein: unsere amerikanischen Partner müssen in Europa bleiben, aus verschiedenen Gründen; sie müssen bleiben, weil ihre Sicherheit mit der Sicherheit Europas heute untrennbar verbunden ist.

      (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mende: Einverstanden! Vollkommen richtig, aber sie müssen nicht in der Bundesrepublik bleiben, sie müssen in Europa bleiben! — Lachen in der Mitte. — Abg. Schmücker: Das entscheiden Sie!?)

      — Lassen Sie mich ausreden! — Hier kommen wir
      zu der Frage, die wir nicht so diskutieren und so
      entscheiden können, wie einmal gesagt wurde, nach
      dem Spruch: Ich bitt' dich, heil'ger Florian, verschon mein Haus, zünd' andere an!"

      (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

      Es ist eine tragische Tatsache, daß unsere Sicherheit heute von der Abschreckungskraft der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten abhängt.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Daß diese Feststellung wohl richtig ist, wird niemand bestreiten. In dem letzten Jahrgang der Zeitschrift für Außenpolitik können Sie lesen:
      Man kann getrost davon ausgehen, daß unsere wirkliche Sicherheit gegenüber der Sowjetunion in der Abschreckungskraft der Vereinigten Staaten liegt. Die Aggression kann nur verhindert werden, wenn die Sowjetunion weiß, daß ihr Hinterland Schauplatz der massiven Vergeltung durch die Vereinigten Staaten ist. Das ist schrecklich, aber wahr.
      Dieses ernste Zitat stammt aus der Feder unseres verehrten Kollegen Erler.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Nun stelle ich allerdings die Frage, ob denn diejenigen, die heute sagen, man müsse in Deutschland den atomwaffenfreien Raum schaffen, auch auf die Gefahr hin, daß die Amerikaner Deutschland verlassen, sich den Gedanken eigentlich in der letzten Konsequenz überlegt haben.

      (Beifall in der Mitte.)

      Glaubt irgend jemand ernsthaft, daß wir unseren Verbündeten sagen können: In Deutschland gibt es keine Atomwaffen, ihr habt natürlich hierzubleiben, um uns zu schützen, und ringsherum müssen die Atomwaffen gestapelt werden, damit der Vergeltungsschlag ins Hinterland geführt werden kann; aber wir wollen uns nicht daran beteiligen!? — Meine Damen und Herren, es gibt nur eine ganze Sicherheit oder eine völlige Unsicherheit. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung oder einen Entzug aus dieser gemeinsamen Verantwortung.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Nur dann können wir damit rechnen, daß andere unsere Sicherheit schützen, wenn wir uns politisch und moralisch verpflichtet fühlen, auch zu dem Schutz der Sicherheit anderer beizutragen.

      (Lebhafter Beifall bei. den Regierungsparteien.)

      Von diesen Erkenntnissen wird sich die Bundesregierung bei ihren weiteren Entscheidungen leiten lassen. Der Herr Bundeskanzler hat unterstrichen, und ich glaube, ich kann es auch für die gesamte Koalition, die hier sitzt, sagen: es ist der Wunsch und das Bemühen der Bundesregierung, alles zu tun, um die Spannung aus der Welt zu schaffen, alles zu tun, daß wirklich einmal von der Abrüstung nicht nur geredet, sondern mit ihr begonnen wird.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Aber es scheint mir falsch, es scheint mir gefährlich, wenn wir glauben, wir könnten solche Maß-



      Bundesaußenminister Dr. von Brentano
      nahmen in geographisch kleinen, beschränkten Räumen durchführen. Es geht auch hier nicht um die Einordnung des einen oder anderen kleinen Landes in einen solchen Plan. Es geht tatsächlich darum, ein neues Verhältnis zwischen den Großmächten der Welt herzustellen. Dazu müssen wir beitragen, indem auch wir bereit sind — natürlich —, Verpflichtungen auf uns zu nehmen, aber Verpflichtungen, die auch andere auf sich nehmen. Ich erkenne die Logik des Satzes nicht an, daß eine Atomwaffe, die hier zur Verteidigung steht, gefährlicher sei als eine Atomwaffe, die in Rußland für den Angriff gerichtet wird.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Meine Damen und Herren, ich bin mir natürlich klar darüber, daß in einigen der hier besprochenen Fragen erhebliche Meinungsverschiedenheiten — wie so oft — bestehen bleiben. Trotzdem habe ich die Hoffnung, daß wir in einigen wesentlichen Fragen im Grundsätzlichen zu einer Einigung kommen. Ich glaube, sie kann in folgenden Punkten hergestellt werden: in der Ablehnung eines Friedensvertrages, der mit zwei deutschen Staaten geschlossen werden müßte, in der Ablehnung unmittelbarer Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten DDR, in der Übereinstimmung, daß freie Wahlen am Beginn der Wiedervereinigung stehen müssen, aber auch in der Übereinstimmung, daß freie Wahlen das Ergebnis einer Einigung unter den vier Mächten über die Wiedervereinigung und die Frage der europäischen Sicherheit sein werden, weiter in der Übereinstimmung, daß eine sogenannte Konföderation zwischen zwei angeblich gleichberechtigten deutschen Staaten nicht der geeignete Weg zur Wiedervereinigung wäre, sondern im Gegenteil dazu beitragen würde, die Teilung Deutschlands auf unbestimmte Zeit zu verhärten. Vielleicht stimmen wir auch darin überein, daß eine wirksame kontrollierte Abrüstung das oberste Ziel internationaler Verhandlungen sein muß, auch darin, daß die europäische Sicherheit und die allgemeine kontrollierte Abrüstung nicht auf der Grundlage der fortbestehenden deutschen Teilung geschaffen werden bzw. durchgeführt werden kann. Einig sind wir uns wohl auch in dem Wunsche, daß die Abrüstungsverhandlungen im Rahmen der für diese Verhandlungen zuständigen Vereinten Nationen geführt werden, was naturgemäß nicht ausschließt, daß Verhandlungen über diesen Gegenstand auch eine bevorstehende Gipfelkonferenz beschäftigen sollten, und grundsätzlich besteht wohl auch Übereinstimmung, daß Teilmaßnahmen, die eine etappenweise Verwirklichung der angedeuteten Ziele zum Gegenstand haben, nicht dazu führen sollten, die machtpolitische Lage der einen oder anderen Seite zu verbessern oder zu verschlechtern.
      Meine Damen und Herren, die Bundesregierung glaubt, daß diese Aussprache tatsächlich von hohem Wert wäre, wenn wenigstens über einen Teil dieser Fragen, die ich hier angeschnitten habe, eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt würde, die es der Bundesregierung ermöglichte, die so zum Ausdruck kommende Auffassung als die des ganzen
      deutschen Volkes im internationalen Gespräch zu vertreten.

      (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU und der DP. Meine Damen und Herren, eine Bemerkung zum Ablauf der Debatte. Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Das Haus tritt um 14 Uhr 30 wieder zusammen. Es beendet seine Sitzung heute um 21 Uhr und beginnt morgen vormittag um 9 Uhr wieder. Ich unterbreche bis 14 Uhr 30. (Unterbrechung der Sitzung von 12.55 Uhr bis 14.30 Uhr.)


    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

      Die Sitzung ist wieder eröffnet.
      Das Wort zur weiteren Beantwortung der Großen Anfragen hat der Herr Bundesminister für Verteidigung. — Der Herr Bundesminister für Verteidigung will jetzt nicht sprechen. Darf ich davon ausgehen, daß dann die Großen Anfragen seitens der Regierung beantwortet sind?
      Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

      (Zuruf des Abg. Dr. Mommer.)

      — Sie haben recht, Herr Abgeordneter Mommer. Es war anders vorgesehen. Aber der Präsident zwingt niemanden zu reden. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Arndt, Sie haben das Wort.