Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und und Herren! Der Oberstaatsanwalt in Essen hat dem Hohen Hause Kenntnis von einer Anzeige gegeben, die die Abgeordneten Dr. Oberländer und Kraft gegen den Abgeordneten Dr. Dehler erstattet haben. Dr. Dehler soll in einer öffentlichen Versammlung am 18. Oktober 1956 in bezug auf die Anzeigenden erklärt haben: „Solche verächtlichen Lumpen, die ihr Mandat nicht zurückgeben ..."
Herr Abgeordneter Dr. Dehler wurde zu dieser Beschuldigung gehört und hat erklärt, daß er wohl über die Frage gesprochen habe; er habe aber gesagt, daß es mit den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie und dem Sinn einer Koalitionsvereinbarung nicht für vereinbar zu halten sei, daß Minister in einem Kabinett belassen würden, obwohl sie aus ihrer Partei ausgeschieden seien. Diese
Kritik habe sich auf das Verhalten der beiden Antragsteller und der aus der Freien Demokratischen Partei ausgeschiedenen Minister bezogen. Er habe weiter gesagt: „Unsere Demokratie wird erst dann gesund sein, wenn das Verhalten eines Abgeordneten, der seine Partei verläßt, ohne das ihm durch diese Partei vermittelte Mandat zurückzugeben, allgemein als verächtlich empfunden wird."
Der zuständige Ausschuß hat sich mit der Frage befaßt und auf Grund der bisher beachteten und den von ihm nach der Geschäftsordnung erneut aufgestellten Grundsätzen beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, in dieser umstrittenen Äußerung gegebenenfalls eine Beleidigung politischen Charakters zu erblicken, die keinen Anlaß zur Aufhebung der Immunität darstellen soll. Entsprechend diesem Beschluß bitte ich das Hohe Haus, auf die Aufhebung der Immunität zu verzichten.