Rede:
ID0301100600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beseitigung der Mängel der Rentenneuregelung (Drucksache 28) Frau Korspeter (SPD) 481 B Blank, Bundesminister . . . 484 D, 511 B, 526 A, 528 B Dr. Schellenberg (SPD) 494 A, 527 C, 529 A Stingl (CDU/CSU) 501 D Walpert (SPD) 511 D Weber (Georgenau) (FDP) 513 C Storch (CDU/CSU) 514 D Frau Kalinke (DP) 515 D Reitzner (SPD) 523 B Scharnowski (SPD) 526 C Antrag der Fraktion der SPD auf Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksache 123) Rohde (SPD) 529 C Horn (CDU/CSU) 531 B Mischnick (FDP) 531 C Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen (Drucksache 130) — Erste Beratung — 531 D Nächste Sitzung 531 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 533 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 481 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. von Bodelschwingh 13. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Hansing 13. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Frau Kipp-Kaule 13. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Mengelkamp 14. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 13. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. Ollenhauer 14. 2. Paul 28. 2. Pelster 14. 2. Frau Pitz-Savelsberg 13. 2. Ramms 14. 2. Schmidt (Hamburg) 13. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Dr. Wilhelmi 13. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, Herr Professor, sie ist nicht ungerecht, weil wir nämlich dem freiwillig Weiterversicherten mit voller Absicht die Möglichkeit eröffnen wollten, seine eigene Rente nach seinen Möglichkeiten zu regulieren und die Beiträge selber zu wählen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Und die Pflichtversicherten?)

    — Moment, Herr Professor! Niemals kann dadurch hei richtiger Beitragswahl diese seine Rente geringer werden, als sie gewesen wäre, wenn er sich zu der freiwilligen Beitragszahlung nicht entschlossen hätte. Das und nur das galt es zu beweisen. Das ist das Falsche an Ihrer Behauptung.
    Diese Regelung, die der Bundestag getroffen hat, wurde als richtig angesehen, weil sie, wie ich eben schon sagte, Zufallsergebnisse ausschließen sollte und weil sie die Anrechnung der Zeiten nicht davon abhängig machen sollte, was der Versicherte gerade unmittelbar vor oder nach solchen Zeiten verdient und dementsprechend an Beiträgen geleistet hat. Die Zeiten sollten vielmehr so behandelt werden, als wären sie mit Beiträgen belegt, wie er sie im Durchschnitt erbracht hat.
    Die in den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen getroffene Regelung kann nun allerdings beim Zusammentreffen besonderer Umstände dazu führen, daß sich die Aussicht des Versicherten in bezug auf die Höhe der zukünftigen Rente verschlechtert. Dias ist dann der Fall, wenn er nach solchen Ersatz- und Ausfallzeiten Beiträge entrichtet, die wesentlich niedriger sind, als es seinem bisherigen Durchschnitt entspricht.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Na also!)

    Das habe ich doch eben schon dargetan. Er hat es ja in der Hand, das selber zu berechnen. Halten Sie denn einen Zustand, wo ein Versicherter, vor allen Dingen ein freiwillig Versicherter, auch genötigt ist, sich von Zeit zu Zeit einmal mit seiner Versicherung, mit seinen erworbenen Ansprüchen und mit seinen noch zu erbringenden Leistungen auseinanderzusetzen, für falsch? Ich halte das für richtig, auch damit die Rentenversicherung einmal nicht nur als etwas von Vater Staat angesehen wird, das eines Tages eine Rente bringt, sondern als eine Einrichtung, die den Versicherten selber gehört, über die man sich auch einmal den Kopf zerbrechen muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Dann braucht man einen Rentenberater! — Abg. Dr. Schellenberg: Herr Minister, das zu berechnen ist so schwierig, wie im Toto zu gewinnen!)

    — Herr Professor, ich bin gerne bereit, wenn es Ihre Zeit erlaubt und Sie mir oder ich Ihnen einen Besuch machen kann, Ihnen diese Berechnung in weniger als einer Viertelstunde so zu erklären, daß bei Ihnen keine Schwierigkeiten mehr auftreten.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Erklären Sie es lieber den Versicherten!)

    — Ich rechne Sie zu den Versicherten.
    Meine Damen und Herren, nicht die niedrigen Beiträge als solche sind es, die dieses Ergebnis herbeiführen, sondern die Tatsache, daß die Ersatz-und Ausfallzeiten, weil sie nach dem Durchschnitt der Beiträge im gesamten Arbeitsleben angerechnet werden, nicht in der Höhe berücksichtigt werden, wie es bei der Außerachtlassung der nach diesen Zeiten entrichteten niedrigen Beiträge der Fall wäre. Das Ergebnis einer Minderung der zukünftigen Rente kann allerdings nur dann eintreten, wenn sich, wie eben schon gesagt, an eine lange Ersatz- und Ausfallzeit eine längere sehr niedrige Beitragsleistung anschließt, die wesentlich unter dem Durchschnitt der bisherigen Beitragsleistung liegt. Es ist verständlich, daß die sich aus der derzeitigen Rechtslage in gewissen Fällen ergebenden Folgen, vom Standpunkt des betroffenen Versicherten betrachtet, nicht als befriedigend empfunden werden. Das wurde bereits in den Verhandlungen über die Rentenneuregelungsgesetze gesehen und führte damals zu der die Auswirkungen teilweise mildernden Vorschrift des § 1253 Abs. 2 letzter Halbsatz der Reichsversicherungsordnung.
    Eine technisch einfache Lösung des Problems wäre es, die Ersatz- und Ausfallzeiten bei der Ren-



    Bundesarbeitsminister Blank
    tenberechnung nicht nach dem Durchschnitt der gesamten Beitragszeiten zu werten, sondern so zu berücksichtigen, als wenn in diesen Zeiten Beiträge in der gleichen Höhe wie in der Zeit vorher entrichtet wären.
    Eine solche Lösung würde zwar verhindern, daß die nach den Ersatz- und Ausfallzeiten entrichteten niedrigen Beiträge die bisher erwartete Höhe der Rente herabmindern würden, dafür aber in sehr vielen anderen Fällen zu einer sehr viel niedrigeren Rente führen als bei der gegenwärtigen Regelung.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, daß der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen eine sehr gute Regelung getroffen hat; denn er hat damit den ganzen Streit aus der Welt geschafft, ob während dieser Ersatz- und Ausfallzeiten vermutlich geringeres oder höheres Einkommen erzielt worden wäre; er behandelt sie nach dem Einkommen im gesamten Durchschnitt. Ich halte eine solche Regelung für die gerechteste, die hier gefunden werden kann.
    Ich darf mich nunmehr der Frage 2 zuwenden:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Neufestsetzung und Umrechnung der Renten zu beschleunigen?
    Neben verschiedenen, bei der Beantwortung der Frage 4 zu behandelnden Maßnahmen für eine Vereinfachung der Rentenberechnung wird die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Aufsichtsbehörden der Versicherungsträger jede ihr gebotene Möglichkeit wahrnehmen, auf die Beseitigung der Bearbeitungsrückstände hinzuwirken. Die Bundesregierung ist sich dabei der schweren Aufgabe bewußt, dieses Ziel zu erreichen. Die Arbeiten können wegen der Schwierigkeit der Materie, die in der Umstellung auf ein völlig neues Rentensystem liegt, nur von gut eingearbeiteten Fachkräften bewältigt werden.
    Die Versicherungsträger mußten neben der laufenden Bearbeitung der Neuanträge in den Monaten Februar bis April 1957 zusätzlich die Vorarbeiten für die von der Bundespost vorgenommene Umstellung der rund 6 Millionen Renten durchführen und anschließend außerdem rund 600 000 Sonderrenten durch Einzelberechnung umstellen.
    Daneben ist zu berücksichtigen, daß die Rentenneuregelungsgesetze einen Mehreingang an Neuanträgen zur Folge hatten. Am Ende des Jahres 1956 waren die Versicherungsträger, nachdem sie Ende 1955 und während des größten Teils des Jahres 1956 die Mehrbelastung durch Neuzugänge aus dem Gesetz vom 3. Oktober 1955 — Ausdehnung der Berechtigung für die Witwenrenten in der Arbeiterrentenversicherung — bewältigt hatten, auf einem Bearbeitungsstand angekommen, der als normal zu bezeichnen war. Die Rentenbearbeitungsfrist betrug damals im Durchschnitt drei Monate.
    Aus dem derzeitigen Bearbeitungsrückstand ergibt sich für den Augenblick eine Rentenbearbeitungsfrist von durchschnittlich 6 Monaten. Die Versicherungsträger haben sich bemüht, durch Ableistung von Überstunden in beträchtlichem Ausmaße, durch
    Gewinnung von zusätzlichen Arbeitskräften und durch Einführung arbeitssparender maschineller Verfahren dem Arbeitsanfall Herr zu werden. Alle diese Maßnahmen beginnen sich erst jetzt voll auszuwirken, nachdem die neuen Arbeitskräfte entsprechend geschult und die maschinellen Verfahren praktisch erprobt sind. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Maßnahmen in den kommenden Monaten zu einem ständigen Sinken der Bearbeitungsrückstände führen werden. Die Versicherungsträger rechnen damit, daß, wenn ihnen nicht erneut zusätzliche Verwaltungsarbeit aufgebürdet wird, am Ende des Jahres 1958 im wesentlichen wieder ein normaler Arbeitsstand erreicht sein wird.
    Bei dieser Gelegenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß, wenn auch mancher Unmut bei Versicherten über die Verzögerung einer Rentenbearbeitung verständlich ist, den Bediensteten der Versicherungsträger, die schon länger als ein Jahr mit erheblichen Überstunden arbeiten, Anerkennung und Dank gebührt.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Sie haben sich bei der ihnen gestellten schwierigen Aufgabe der Überleitung auf ein ganz neues Rentensystem gut bewährt. Ihre Arbeit berechtigt zu der Überzeugung, daß die bestehenden Schwierigkeiten gemeistert werden.
    Hier sei mir noch ein Wort gestattet. Ich habe mit den Versicherungsträgern häufig über dieses Problem gesprochen. Ich habe auch gesprochen über die zusätzliche Entlohnung für die unglaublich viele Mehrarbeit, die die Bediensteten bei den Versicherungsträgern zu leisten haben. Ich kann nur Worte der Anerkennung für diese Leistungen finden. Aber ich wehre mich dagegen, wenn durch eine Anfrage der Eindruck erweckt werden soll, als sei durch eine Schuld der Bundesregierung die Bearbeitung der Anträge auf Neufestsetzung der Renten so langfristig. Wir wissen doch zunächst einmal genau, meine Herren Fragesteller, daß die Rentenversicherungsträger Selbstverwaltungskörperschaften sind. Sie wissen doch des weiteren, daß, wenn man nicht pauschale Umstellungen — über diese beschweren Sie sich —, sondern individuelle Umstellungen vorsieht — und diese fordern Sie damit eigentlich implizite —, die Rentner auf Jahre hinaus nicht mit der Umstellung und mit der Bearbeitung ihrer neuen Anträge zu rechnen hätten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung wird die Entwicklung des Bearbeitungsrückstandes bei den Versicherungsträgern laufend beobachten und jede ihr mögliche Hilfe zur Überwindung noch bestehender Schwierigkeiten geben. Dabei ist insbesondere an die verwaltungsmäßige Beratung einzelner Versicherungsträger im Zusammenwirken mit den Aufsichtsbehörden und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger gedacht.
    Hier muß ich noch eins erwähnen. Wenn ich mit den Versicherungsträgern über diese Rückstände spreche, erheben sie alle nur eine Bitte. Diese Bitte

    Bundesarbeitsminister Blank
    lautet: Lassen Sie uns um Gottes willen doch einmal für einige Zeit mit Änderungen dieses Gesetzes in Ruhe!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn wenn auch die noch dazukämen, würden wir überhaupt nicht in der Lage sein, mit der Arbeit fertig zu werden. Sie sehen, wie das eine Vorbringen das andere sehr häufig ausschließt.
    Und nun die Frage 3:
    Ist die Bundesregierung bereit, dafür zu sorgen, daß für die Zeit, in der aus verwaltungstechnischen Gründen eine rechtzeitige Bescheiderteilung nicht erfolgt, als Sofortmaßnahme an wartende Rentenberechtigte angemessene Vorschüsse auf die endgültige Rentenleistung gezahlt werden?
    Die Bundesregierung wird sich in Verfolg der schon bisher von ihr in dieser Frage vertretenen Auffassung in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit den Aufsichtsbehörden der Versicherungsträger dafür einsetzen, daß trotz und gerade wegen der Bearbeitungsrückstände bei den Versicherungsträgern angemessene Vorschüsse auf betragsmäßig noch nicht genau feststellbare Rentenleistungen in all den Fällen gewährt werden, in denen die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach dargetan ist, auch wenn Einzelnachweisungen zur Feststellung der endgültigen Rentenhöhe noch fehlen. Besonderen Wert legt die Bundesregierung auf die Vorschußanweisung und beschleunigte, wenn auch vorläufige Rentenfestsetzung bei den Witwenrenten, insbesondere den Leistungen an Witwen während der ersten drei Monate nach dem Tode des Versicherten. In dieser Hinsicht schweben Verhandlungen zwischen dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, den Versicherungsträgern und der Deutschen Bundespost, die eine befriedigende Regelung erwarten lassen. Eine Reihe von Versicherungsträgern, darunter auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, haben bereits Grundsätze für Vorschußzahlungen in ihrem Geschäftsbereich festgelegt. Auf Anregung der Bundesregierung sind die Versicherungsträger damit beschäftigt, gemeinsame Richtlinien für die Vorschußzahlungen auszuarbeiten, damit eine gleichmäßig für das Bundesgebiet geltende Regelung erfolgt. Die Bundesregierung wird auf einen der besonderen Gegenwartslage gerecht werdenden Inhalt der Richtlinien hinwirken und in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der Versicherungsträger die Durchführung der Richtlinien sicherstellen.
    Nun zur Frage 4, welche Pläne die Bundesregierung habe, um die Berechnung der Renten zu vereinfachen. Die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze sind grundsätzlich auf eine Geltung in der Zukunft abgestellt. Für die Versicherungszeiten ab Inkrafttreten des Gesetzes enthält die Rentenberechnung keine besonderen Schwierigkeiten. Anders ist dies bezüglich der Herübernahme vergangener Versicherungszeiten und ihrer besonderen Umstände in die nach neuen Gedanken ausgerichtete Rentenberechnung. Dies gilt in besonderem Maße in bezug auf verschiedene vom Deutschen Bundestag in Änderung oder Ergänzung der Regierungsvorlage geforderte und beschlossene Berechnungsvorschriften, die einer dem Einzelfall gerechter werdenden Berechnung dienen sollen, aber durch den Zwang zu mehrfachen Vergleichen der Berechnung zu einer erheblichen Komplizierung der Rentenberechnung führen.
    Die Bundesregierung hat bisher schon durch ihre Rechtsverordnung nach § 1256 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung und § 33 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes, die eine Berechnung nach Tabellen für den schwierigsten Teil der Rentenberechnung ermöglicht, dazu beigetragen, die Berechnungsarbeit für die Versicherungsträger erheblich zu vereinfachen. Sie wird diesen Weg weiterverfolgen. Außerdem wird sie durch eine besondere Rechtsverordnung nach § 1256 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung und § 33 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes vereinfachende Berechnungsvorschriften erlassen für alle die Fälle, in denen die für die Berechnung maßgebenden Tatbestände der Vergangenheit aus den Versicherungsunterlagen nicht erkennbar sind oder die Versicherungsunterlagen der Vergangenheit nicht mehr verfügbar sind. Die entsprechende Rechtsverordnung wird zur Zeit ausgearbeitet; sie wird die Verwaltungsarbeit der Versicherungsträger sehr erleichtern. Die Bundesregierung prüft ferner zur Zeit die Möglichkeit, die in den Neuregelungsgesetzen vorgeschriebenen Vergleichsberechnungen durch Aufstellung von Tabellen für Rentenwerte nach früherem Recht zu vereinfachen.
    Nun zur Frage 5:
    Wann wird die Bundesregierung endlich die
    zwingend vorgeschriebene Rechtsverordnung
    zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz
    — deren Fehlen die Frau Kollegin Korspeter bei der Begründung der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion besonders bemängelt hat —
    erlassen, damit die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge die ihnen zustehenden Renten erhalten?
    Die mit der Frage gemeinte, in den Neuregelungsgesetzen vorgeschriebene Anpassung der Tabellen der Anlagen 2 bis 6 zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz ist aus folgenden Gründen innerhalb der in den Gesetzen bestimmten Frist nicht erfolgt: Die Anpassung der Tabellen sollte bis zum 30. Juni 1957 erfolgen. In dem zwischen der Verkündung der Renten-Neuregelungsgesetze, Ende Februar 1957, und diesem Termin liegenden Zeitraum war das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit der Erstellung der Rechnungsgrundlagen und Textfassungen für die Anpassung des saarländischen Rentenrechts an die Neuregelungsgesetze im Bundesgebiet befaßt, von denen ursprünglich angenommen worden war, sie würden von der Regierung des Saarlandes erstellt werden. Mit Rücksicht auf die Sommerpause des saarländischen Landtages, vor deren Beginn das saarlän-



    Bundesarbeitsminister Blank
    dische Einführungsgesetz verabschiedet werden sollte, mußten diese Arbeiten ebenfalls bis zum 30. Juni 1957 abgeschlossen sein. Deshalb wurde die Anpassung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts zurückgestellt, weil die hierfür erforderlichen Arbeiten nicht neben der Erstellung der sehr schwierigen und sachlich komplizierten Rechnungsgrundlagen und der Gesetzestexte für die Anpassung des saarländischen Rechts abgeschlossen werden konnten. Diese Entscheidung hatte die Tatsache zur Grundlage, daß die Regelung für das Saarland Voraussetzung war, den dortigen Rentnern überhaupt erst die Vorteile der Rentenreform zu gewähren, während es bei den Fremdrentnern — die durch Umstellung ihrer Renten grundsätzlich diese Vorteile bereits erhalten hatten — nur um eine zusätzliche Verbesserung ging.
    Die Fassung der Vorschrift über die Anpassung der Tabellen des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes, die in der dritten Lesung in die Neuregelungsgesetze eingefügt wurde — Sie erinnern sich noch dieses Umstandes —, läßt rechtliche Zweifel offen, was unter „Anpassung" an die Vorschriften des Neuregelungsgesetzes zu verstehen ist und wie weit die Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung geht. Die Tabellenwerte an die Werte der Durchschnittsentgelte der Neuregelungsgesetze anzupassen kann nicht angehen, weil es sich bei den Tabellenwerten der Neuregelungsgesetze um die Durchschnittsverdienste sämtlicher Versicherten, bei den Werten der Tabellen zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz dagegen um Werte handelt, die den Individuallohn eines bestimmten Versicherten und seine Versicherungsdauer repräsentieren. Sie sind nach Berufsgruppen gegliedert und variieren deshalb, obwohl auch sie Durchschnittswerte darstellen, erheblich im Verhältnis zueinander und zu den Durchschnittsentgelten sämtlicher Versicherten. Die Anpassung könnte deshalb auf keinen Fall schematisch erfolgen; für eine sachgemäße völlige Umgestaltung der Tabellen würde aber die Ermächtigung des Gesetzes nicht ausreichen. Es würde vielmehr eine Gesetzesänderung erforderlich sein.
    Aus diesem Grunde schien es gerechtfertigt und geboten, die Anpassung der Tabellen mit der grundsätzlichen Neufassung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes zu verbinden. Dadurch wird zugleich eine zweimalige Neuberechnung der in Frage kommenden Renten vermieden. Die Neufassung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes, die die Angleichung an die Rentenversicherungsneuregelungsgesetze bringen soll, ist in Bearbeitung. Sie wird eher abgeschlossen sein, als eine auf die Tabellenrenten beschränkte Umrechnung durchgeführt werden könnte.
    Damit, meine Damen und Herren, habe ich die Große Anfrage der sozialdemokratischen Regierung, Verzeihung: Fraktion — —

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Schellenberg: Sie sprechen wohl von 1961, Herr Minister?)

    — Sehen Sie, ich bin so höflich, auch Ihnen einmal
    diese Chance einzuräumen. Denn ich weiß, daß Sie
    dann kein besseres Rentengesetz zustande brächten,
    als es die vergangene Regierung und die Regierungsmehrheit mit Ihrer Zustimmung hier in diesem Parlament erreicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und nun, Herr Professor Schellenberg und meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein paar kurze Schlußbemerkungen, obwohl ich Ihre Geduld schon über Gebühr in Anspruch genommen habe.
    Abschließend darf nochmals festgestellt werden, daß die Rentenreform ein voller Erfolg war.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Es sind 4,3 Milliarden DM mehr verausgabt worden, und wenn man die Sonderzulagen als Vorgriff auf die Rentenreform betrachtet, sogar 5,1 Milliarden DM. Diese Mehrausgaben sind vornehmlich solchen Rentnern zugute gekommen, die ein normales Arbeitsleben hinter sich haben. Wenn es daneben Fälle gibt, in denen die Verbesserungen nicht den gehegten Erwartungen entsprochen haben, so müssen auch einmal die Erwartungen auf ihre Berechtigung hin überprüft werden. Man wird sich stets vergegenwärtigen müssen, daß die Rentenreform ein Stück Gesellschaftsreform sein sollte. Sicherung des Arbeitnehmers in den Wechselfällen des Lebens war das Ziel. Es ist erreicht worden, daß die Rente nach einem normalen Arbeitsleben den Lebensunterhalt sicherstellt, und es ist ferner erreicht worden, daß der Rentner entsprechend seiner früheren Stellung im Arbeitsleben am wirtschaftlichen Fortschritt teilhat. Solche Ziele können nur erreicht werden, wenn man sich von Regelungen mit versorgungsähnlichem Charakter fernhält, denn dies würde zwangsläufig Tendenzen der Nivellierung und der persönlichen Inaktivität Vorschub leisten.
    Wenn man den Selbsthilfecharakter unserer vom Gedanken der Solidarität getragenen Sozialversicherung erhalten will, muß man es in Kauf nehmen, daß durch den Ausbau von Leistungen in diesem Bereich andere Leistungen entbehrlich werden, auf die bisher im Hinblick auf akute Notzustände leider nicht verzichtet werden konnte. Es ist nicht richtig, dabei von Härten zu sprechen; man könnte im Gegenteil sagen, daß Härten beseitigt worden sind, indem an die Stelle von Leistungen nach dem Bedürftigkeitsprinzip Leistungen mit gesichertem Rechtsanspruch getreten sind.
    Dies soll nicht heißen, daß die Arbeit am System der Rentenversicherung ein für allemal abgeschlossen wäre. Auf einige mögliche Verbesserungen in technischer Hinsicht wurde hingewiesen; an ihnen wird weiter gearbeitet. Im ganzen jedoch waren die grundsätzlichen Entscheidungen bei der Rentenreform richtig und die sozialpolitischen Auswirkungen dieser Entscheidung segensreich. Dies ist nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch in Kreisen der Wissenschaft und auch von ausländischen Fachleuten anerkannt worden. Bei der weiteren Diskussion von Einzelfragen sollte dies, meine Damen und Herren, nicht in Vergessenheit geraten.

    (Beifall in der Mitte.)






Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Inkrafttreten der Rentenneuregelungsgesetze ist über ein Jahr vergangen. Deshalb war es sicher angebracht, daß der Herr Arbeitsminister im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der Sozialdemokraten einen Bericht über die Auswirkungen der Rentenneuregelungsgesetze gegeben hat, so wie sie sich nach Meinung der Bundesregierung darstellen. Aber das war nicht das zentrale Anliegen unserer Großen Anfrage, zumal der Bericht des Herrn Bundesarbeitsministers in einer ganzen Reihe von Punkten Dinge enthält, die der Öffentlichkeit bereits bekannt sind.
    In unserer Großen Anfrage haben wir die Bundesregierung gefragt, welche Maßnahmen sie ergreifen will, um eine Reihe von Ungerechtigkeiten und Härten, die sich bei der Neuregelung ergeben haben, zu beseitigen. Leider hat der Herr Minister dazu wenig Konkretes gesagt. Er hat — und das muß ich sehr bedauern — gelegentlich sogar von angeblichen Härten gesprochen.

    (Abg. Horn: Mit Recht hat er das getan!)

    — Aber, meine Damen und Herren, auch Sie werden doch Stapel von Briefen aus Kreisen der Rentner erhalten, die sich über Ungerechtigkeiten beklagen. Vielleicht darf ich Sie zur Beantwortung meiner umfangreichen Post mit einsetzen, Herr Kollege Horn.
    Ich möchte aus dem weiten Bereich der Fragen, die der Herr Minister hier angeschnitten hat, einige sozialpolitisch wichtige ansprechen, und zwar erstens die Höhe der Renten, zweitens die Anrechnung, drittens die Komplizierung des Rechts, viertens sonstige Mängel bei der Rentenberechnung — darüber werden wir uns mit dem Herrn Minister noch in einiger Hinsicht aussprechen müssen — und schließlich die Fragen der Finanzierung.
    Zum ersten: Höhe der Renten. Meine Kollegin Frau Korspeter hat namens der Sozialdemokraten erklärt, daß wir durchaus anerkennen, daß die Rentenneuregelung die Lebenslage vieler Rentner verbessert hat. Wir Sozialdemokraten sind darauf stolz; denn wir haben einen wesentlichen Anteil daran.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, wenn man auch diesen Tatbestand voll würdigt, so kann man doch nicht der Auffassung des Herrn Ministers zustimmen, der ein Bild der Rentenneuregelung entwikkelt hat, das dem vollen Sachverhalt nicht entspricht. Der Herr Bundesarbeitsminister ist hierbei leider in einen Fehler verfallen, den wir bereits bei Herrn Kollegen Storch und bei dem Herrn Bundeskanzler haben beanstanden müssen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat nämlich zu Beginn seiner Ausführungen Zahlenmaterial über die durchschnittliche Höhe der Renten angegeben, und zwar sowohl nach Prozentsätzen wie in absoluten Zahlen. Bei diesem Vergleich hat er einen Teil der Rentenleistungen, die 1956, also vor der Rentenneuregelung, bereits gewährt wurden, so dargestellt, als ob sie ein Ergebnis der Rentenneuregelung gewesen seien.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, es handelt sich um eine Größenordnung von fast 1 Milliarde DM, und daraus ergeben sich Vergleiche, die nicht ganz der Sachlage entsprechen.

    (Abg. Schütz: „Nicht ganz" ! „Nicht ganz"!)

    — Ich weiß das ganz genau. Der Herr Bundesarbeitsminister hat das indirekt am Schluß seiner Ausführungen sogar zugegeben. Er hat nämlich berichtet, der Mehraufwand betrage 4,3 Milliarden DM. Und was erklärte der Herr Bundeskanzler an dem Tage, an dem wir die Gesetze verabschiedet haben? Er erklärte — ich zitiere wörtlich —: „Das bedeutet eine Mehrleistung zugunsten der Rentner von 5,5 Milliarden DM." Also der Herr Bundesarbeitsminister geht in der Größenordnung gegenüber dem Herrn Bundeskanzler um 1,2 Milliarden DM zurück. Wir nehmen das mit Interesse zur Kenntnis. Dabei hat der Herr Bundesarbeitsminister bei dieser Angabe von 4,3 Milliarden DM noch nicht einmal die Einsparungen durch Anrechnung auf sonstige Versicherungszweige berücksichtigt.
    Wenn man heute versucht, ein vorläufiges Ergebnis der Rentenneuregelung zu erhalten, so stellt sich die Sachlage nicht so dar, daß sich im Durchschnitt eine Erhöhung der Renten von 60 bis 70% für die einzelnen Versicherungszweige ergibt, sondern so, daß sich die Mehrleistung in einer Größenordnung von 40 bis 50 % bewegt, wenn man das Sonderzulagegesetz 1956 berücksichtigt.

    (Abg. Ruf: Das dürfen Sie aber nicht!)

    Meine Damen und Herren, gewiß ist das eine beachtliche Erhöhung; das bestreiten wir nicht. Aber der Herr Minister hätte einen besseren Start gehabt, wenn er die Dinge in dieser richtigen Größenordnung dargestellt hätte.
    Der Herr Minister hat gesagt — und das ist richtig —, es handle sich bei all dem, was er an Zahlen anführte, um Durchschnittswerte. Aber — und das ist wieder ein wichtiger Punkt — bei diesen Durchschnittswerten ergeben sich außerordentlich große Unterschiede in der Höhe der einzelnen Renten.

    (Abg. Ruf: Natürlich!)

    — Natürlich. Ich werde Ihnen sagen, was wir dazu zu erklären haben, Herr Kollege Ruf. Wenn man jetzt eine erste Zwischenbilanz ziehen will, kann man im großen und ganzen sagen, daß sich für die Hälfte der rund 7 Millionen Rentner — einschließlich Knappschaftsversicherung — eine Erhöhung ergeben hat, die man als sozialpolitisch einigermaßen sinnvoll und vernünftig bezeichnen kann.

    (Abg. Storch: Bravo!)

    Aber für den anderen Teil, für rund 31/2 Millionen Rentner ergeben sich Härten und Unstimmigkeiten. Für diese Rentner hat die Neuregelung zu einer Enttäuschung geführt

    (Abg. Arndgen: Die geschürt worden ist!— weitere Zurufe von der CDU/CSU)




    Dr. Schellenberg
    — ich werde Ihnen das im einzelnen noch darlegen —, und von diesen Menschen sprechen wir in unserer Großen Anfrage.
    Nun hat der Minister in seiner Antwort auf unsere Große Anfrage erklärt, das hänge mit der Beitragsrente zusammen, und wo sich nur eine unzureichende Rentenerhöhung ergeben habe, handle es sich um freiwillig Versicherte, die nur gelegentlich Beiträge geleistet hätten. Richtig, für einen Teil trifft das zu. Wir sprechen aber in unserer Großen Anfrage von denjenigen, die ein volles Arbeitsleben hinter sich haben. Diese Personen sollen und müssen eine ausreichende Rente erhalten, und das ist leider nicht immer gewährleistet.
    Der Herr Minister hat in Beantwortung unserer Anfrage darauf hingewiesen, daß nun die Zeiten des Krieges und der Arbeitslosigkeit in geradezu idealer Weise berücksichtigt würden. Er hat erklärt, daß ein Zuschlag über die Tabellen gewährt werde usw. Aber was ist denn das praktische Ergebnis? Ich möchte Ihnen ein Beispiel sagen. Es müssen doch — darin werden wir der gleichen Auffassung sein — zwei Versicherte mit gleichem Alter, gleichem Beruf und gleichem Arbeitseinkommen

    (Zuruf von der Mitte: Und gleichen Beitragsleistungen!)

    — mit gleichem Arbeitseinkommen, gleichem Beruf, gleichen Beiträgen, also unter in allem gleichen Voraussetzungen —, wenn es gerecht zugeht, eine gleiche Rente erhalten. Bei der Umstellung für 7 Millionen Rentner haben sich aber sehr unterschiedliche Renten ergeben, je nachdem, ob der eine das Glück hatte, in seinem Leben niemals Soldat zu sein, oder ob der andere eingezogen war.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das ist ein unerfreuliches Ergebnis. Wenn Sie die Dinge durchrechnen, ergibt sich mit diesen „wundervollen" Pauschalzuschlägen, daß für denjenigen, der niemals arbeitslos und Soldat war, praktisch eine Rente über Tabelle errechnet wird, als ob er mit den Zuschlägen 55 Jahre gearbeitet und geklebt hätte, also mehr, als er im Arbeitsleben tatsächlich erreichen kann. Aber derjenige, der Soldat war, erhält einen um so niedrigeren Zuschlag, je länger er Soldat war. Wenn er noch das Unglück hatte, arbeitslos zu sein, wird bei dieser Pauschalmethode seine Rente durch den Pauschalzuschlag immer niedriger, je länger er Soldat und je länger er arbeitslos war. Das scheint uns das Gegenteil einer sinnvollen Regelung zu sein. Auf diese wenig sinnvolle Regelung ist es in erheblichem Maße zurückzuführen, daß auch Menschen, die ein normales Arbeitsleben hinter sich haben, die aber lange eingezogen oder arbeitslos waren, eine Rente erhalten, die um 50, ja um 100 DM niedriger ist als die desjenigen, der niemals eingezogen war. Wir halten ein solches Ergebnis für sehr unbefriedigend.
    Wir bedauern sehr, daß der Herr Bundesarbeitsminister nichts darüber gesagt hat, wie man dieser Ungerechtigkeit begegnen kann. Er hat gesagt: Wir wollen alles so lassen, wie es ist. Das bedeutet: so lassen bis zum Lebensende dieser Menschen, die heute Rentner sind. Das wird leider das harte Ergebnis sein. Wir Sozialdemokraten erklären Ihnen: wir können in dieser Sache keine Ruhe geben.

    (Abg. Arndgen: Wenn wir Ihren Vorschlägen gefolgt wären, dann wäre es noch schlimmer geworden!)

    — Aber Herr Kollege Arndgen, die Sozialdemokraten haben konkrete Vorschläge zur Behebung dieser Mißstände gemacht. Wir können uns im Laufe dieser Legislaturperiode vielleicht darüber unterhalten, welche konkreten Vorschläge wir dazu haben.

    (Abg. Arndgen: Ich meine die Vorschläge, die Sie damals gemacht haben!)

    Warten Sie mal ab.
    Von diesen Ungerechtigkeiten werden auch alle Heimarbeiter und alle Landarbeiter betroffen, deren Arbeitsverdienste außerordentlich niedrig sind. Auch Menschen, die ein Leben lang etwa als Krankenschwester oder in der Fürsorge tätig waren, erhalten — das ist ein bedauerliches Ergebnis — oft Renten, die gegenwärtig unter den Fürsorgesätzen liegen. Deshalb unsere Anfrage, was mit den Renten der Menschen geschehen soll, die ein Arbeitsleben hinter sich haben und deren Rente nicht zur Sicherung einer Existenz ausreicht, die dem Stand unserer Wirtschaft und Kultur entspricht. Das ist unser Anliegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir bedauern sehr, daß der Herr Minister darauf nur eine formale Antwort gegeben hat. Ich war erstaunt darüber, daß der Herr Minister sehr viel mit technischen und juristischen Begriffen operiert hat. Gut, das muß man auch tun. Aber hier geht es um ein soziales und menschliches Anliegen, und das muß im Vordergrund stehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es liegen noch keine abschließenden Rechnungsergebnisse vor; das wissen auch wir. Aber man weiß schon heute, daß eineinhalb bis zwei Millionen Menschen bisher nur die Mindestzulagen von 14 bis 21 DM erhalten haben und daß das nicht immer nur freiwillig Versicherte sind, sondern daß sich darunter Menschen befinden, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. Der Herr Minister hat erklärt, man müsse Versicherung und Fürsorge und Versorgung trennen. Dem stimmen wir zu. Aber muß nicht unsere Sozialversicherung so gestaltet sein, daß ein Mensch, der ein Leben lang im Arbeitsprozeß gestanden hat, eine Rente erhält, die ihn von der Fürsorge frei macht?
    Die Durchschnittsberechnungen, die der Herr Minister für 40 Arbeitsjahre und einen durchschnittlichen Arbeitsverdienst von etwa 350 Mark aufgestellt hat, treffen für eine große Anzahl von Versicherten zu. Diese Berechnungen lassen sich aber nicht auf die Fälle von Härten und Ungerechtigkeiten anwenden, von denen wir in unserer Anfrage sprechen. Wir bedauern, daß sich der Herr Minister nicht konkret mit diesen Härten und Ungerechtigkeiten auseinandergesetzt hat.

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Schellenberg
    Der Herr Bundeskanzler hat im Zusammenhang mit der Rentenneuregelung in dem Flugblatt „An alle Rentner" wörtlich erklärt — ich möchte es Ihnen vorlesen —: „Die Ungerechtigkeiten der bisherigen Rentenberechnung sind nun beseitigt."
    Meine Damen und Herren, Tatsache ist — und an dieser Tatsache kann auch der Minister durch Beantwortung der Großen Anfrage nicht vorübergehen —, daß alle Rentner, die Kriegsdienstzeiten, Zeiten der Arbeitslosigkeit hinter sich haben, die Berufen angehören, in denen vor Jahren und Jahrzehnten ganz niedrige Arbeitsverdienste gewährt wurden, noch heute auf die zusätzliche Leistung der Fürsorge und Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen sind. Das ist ein Tatbestand, mit dem wir uns nicht abfinden können. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die Mitteilung des Herrn Bundeskanzlers, es seien nun alle Ungerechtigkeiten beseitigt, nicht mit der Wirklichkeit in Einklang steht.
    Nun zu der zweiten Frage, der Anrechnung der neuen Renten auf andere Sozialleistungen! Frau Kollegin Korspeter hat bereits zitiert, was der Herr Bundeskanzler interessanterweise am 11. September — wenige Tage vor der Bundestagswahl — hat mitteilen lassen. Wir sind erstaunt darüber, daß, nachdem der Herr Bundeskanzler eine derart konkrete Zusage gegeben hat, der Herr Bundesarbeitsminister auf unsere Anfrage, wie diese Härten beseitigt werden können, dem Hause und der Öffentlichkeit keine klare Antwort gegeben hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auch in dieser Hinsicht hat der Herr Bundesarbeitsminister eine, ich möchte sagen, juristische Begründung gewählt. Er hat gesagt, diese Dinge könnten in den Rentenversicherungsgesetzen nicht geregelt werden; dafür seien andere Gesetze zuständig, und diese Frage der Anrechnung müsse bei den anderen Gesetzen geregelt werden. Aber, meine Damen und Herren, für die Menschen, die davon betroffen werden, geht es um das finanzielle Ergebnis. Das stellt sich leider so dar, daß anderthalb Millionen Menschen im Zusammenhang mit der Rentenneuregelung praktisch keine Mehrleistung — wenn man den Schlußstrich zieht und das Ergebnis berücksichtigt
    erhalten. Das ist ein unbefriedigender Tatbestand.
    Im übrigen, Herr Minister, selbst Ihre juristische Begründung war nicht überzeugend; denn in den Gesetzen selbst — in Artikel 2 §§ 35 und 36 — sind Vorschriften über Anrechnungsfreiheit enthalten. Die Mehrheit hat unsere entsprechenden Anträge, diese Nichtanrechnung über den Mai 1957 hinaus auszudehnen, abgelehnt. Man hätte also die Nichtanrechnung durchaus auch im Gesetz regeln können.
    Ich möchte Ihnen einmal für eine Gruppe von Menschen verdeutlichen, was sich als Ergebnis der Anrechnung ergibt. Diejenigen, die in der zweiten Legislaturperiode dem Bundestag angehörten, wissen, daß wir beantragt haben, die Gewährung von Elternrenten in das Gesetz aufzunehmen. Das haben Sie abgelehnt. Was ist praktisch das Ergebnis? Das praktische Ergebnis ist, daß im Zusammenhang mit der Anrechnung 40 000 Elternrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz auf Grund der Rentenneuregelung eingestellt worden sind,

    (Unruhe in der Mitte)

    nicht etwa nur gekürzt und reduziert, sondern völlig fortgefallen sind. Das ist doch ein trauriges Ergebnis der Rentenneuregelung.

    (Erneute Zurufe von der Mitte. — Abg. Schlick: Fundamentaler Irrtum!)

    — Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege.

    (Abg. Schlick: Das ist durch höhere Rentenleistungen unmöglich geworden!)

    — Aber, meine Damen und Herren! Wenn vor Inkrafttreten der Rentenneuregelungsgesetze nach den „Arbeits- und sozialstatistischen Mitteilungen" an 152 000 Elternpaare Renten der Kriegsopferversorgung gezahlt wurden und nach Mai 1957, nach Durchführung auch der 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz nur an 112 000 Elternpaare Renten gezahlt werden, so bedeutet das, daß 40 000 Elternrenten in Fortfall gekommen sind.

    (Zurufe von der CDU/CSU.) Das ist das Ergebnis, das wir bedauern.

    Meine Damen und Herren, Sie meinen die 6. Novelle, und der Herr Minister hat auch davon gesprochen. Was haben Sie dem Hause und der Öffentlichkeit mitgeteilt? Im Zusammenhang mit der 6. Novelle zum BVG habe sich eine Mehrleistung von 542 Millionen DM ergeben, erklärten Sie in der Öffentlichkeit. Haben Sie denn keine Kenntnis von dem Bericht der Bundesbank von Juni 1957, in dem die Bundesbank erklärt, es habe sich in der Kriegsopferversorgung, wenn man finanziell einen Strich ziehe, überhaupt keine Mehraufwendung im Zusammenhang mit der 6. Novelle wegen der Anrechnung und des Fortfalls der Renten ergeben!?

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das sind die Tatbestände, an denen man nicht vorübergehen kann.