Rede von
Dr.
Hermann
Lindrath
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein paar Worte zum bisherigen Ablauf dieser Debatte, die sich von der Debatte, die wir im Mai des vergangenen Jahres zum gleichen Thema hatten, doch recht wesentlich unterscheidet. Im vergangenen Mai ging es hauptsächlich um die Frage des Zeitpunktes: warum und weshalb gerade damals. Heute ist die Frage des Zeitpunkts des Einbringens aus Gründen, die meine Kollegen Häussler und Elbrächter vorhin bereits dargelegt haben, nicht erwähnt worden.
Aber in einem anderen Sinne ist auch heute in einem gewissen Umfang von einem Zeitpunkt gesprochen worden. Es ist gefragt worden, warum sich die Bundesregierung nicht schon längst darauf besonnen habe, daß sie Eigentum breit streuen möchte. Insofern ist von einem gewissen Zeitpunkt gesprochen worden: Warum erst jetzt?
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister, Herr Professor Erhard, tut nicht den zweiten Schritt vor dem ersten, sondern geht der Reihe nach.
Die Aufwärtsentwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet, von der mein Kollege Dr. Hellwig sprach, war der erste Schritt, der vorausgehen mußte, ehe man die Voraussetzungen für die Bildung von Vermögen, nämlich das Sparen, schaffen konnte. Unter diesem Gesichtspunkt war jetzt der richtige Zeitpunkt, mit der Privatisierung des Bundesvermögens und der Überführung der Anteile in breite Schichten zu beginnen. Andere, private Betriebe — das ist schon gesagt worden — sind uns hierbei vorausgegangen: Bayer Leverkusen, Krupp, Demag, Mannesmann, BASF, auch Siemens-Halske und viele andere. Natürlich ist der Erfolg noch nicht so, wie wir ihn gern sehen möchten. Das liegt eben daran, daß sich die öffentliche Hand eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hat.
Heute ist die Diskussion von diesen Fragen der Zeitpunkte abgegangen .und hat sich mehr auf die grundsätzliche Frage nach den beiden Formen verlagert, in denen man ein solches Unternehmen wie das Volkswagenwerk führen könnte. Ich bin überrascht, mit wie wenig Aufmerksamkeit man Herrn Dr. Hellwig offenbar gefolgt ist; oder man hat ihn offensichtlich nicht verstehen wollen, weil man die Dinge immer anders dargestellt hat, als sie tatsächlich gewesen sind.
Herr Dr. Hellwig hat eindeutig erklärt, daß er die Stiftung als eine mögliche Form der Unternehmensführung ansieht, daß aber eine Führung von derartigen Unternehmen in dieser Form bestimmte Voraussetzungen hat und bei uns die Ausnahme bildet. Das hat er gesagt, und er hat gerade das
letzte an der Zeiss-Jena-Stiftung dartun wollen. Es ist völlig ungerechtfertigt, ihm dieserhalb einen Vorwurf zu machen.
— Das wird er wahrscheinlich noch tun. Ich sage es aber, um noch weiter zu der Frage der Stiftung zu sprechen.
Sie sind der Auffassung — das haben Sie, Herr Dr. Deist, vorhin wiederholt ausgeführt —, daß die Stiftung ein besonders gutes Mittel ist, um die Marktpolitik zu fördern und die Wettbewerbswirtschaft aufrechtzuerhalten. Ich bin der Meinung, daß hier die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verschoben wird, Herr Dr. Deist; sie wird unecht gemacht, wenn wir das in Form einer solchen Stiftung tun, wie Sie es hier vorschlagen.
Überhaupt möchte ich noch darauf hinweisen, daß der Gedanke der Stiftung, der immer wieder erörtert wird, zum Teil so verworren vorgetragen wird, daß man immer erst fragen muß, was eigentlich damit gemeint ist. Dabei möchte ich nicht auf den Antrag Bezug nehmen, der hier vorgelegt ist; hier ist es eindeutig gesagt. Aber in der gesamten Diskussion — Herr Kollege Dr. Deist, das werden Sie mir zugeben — wird häufig von einer Stiftung gesprochen, ohne daß gesagt würde, ob diese Stiftung der Kapitalträger des Unternehmens sein soll, wie es in Ihrem Antrag der Fall ist, oder ob er nur teilweise Kapitalträger sein oder ob er neben dem Kapitalträger bestehen soll. Auch diese Lösung haben wir für akzeptabel erklärt; wir würden sie eventuell annehmen. — Das sind Dinge, die unklar sind.
Weiterhin ist in der Diskussion über die Stiftung sehr häufig unklar, was man eigentlich für die Zwecke der Stiftung aufwenden will, den Erlös oder die Erträge. Das geht häufig sehr arg durcheinander. Beispielsweise geht es auch sehr stark bei den Vorschlägen durcheinander, die wir in „Christ und Welt" finden usw. Auch da sind die Dinge nicht ganz klar dargestellt.
— Sicher, Sie haben es in Ihrem Antrag klar gesagt. Um die von Ihnen vorgeschlagene Form völlig klar darzustellen, habe ich die abweichenden Vorschläge einmal erörtert, weil ich Ihre Vorschläge noch etwas prägnanter herausstellen wollte.
Allerdings wird durch diese Form der Stiftung eigentlich das Unternehmen der öffentlichen Kontrolle entzogen. In der Stiftung wird das Unternehmen allein von den 21 Verwaltungsratsmitgliedern beherrscht. Sonst hat niemand irgend etwas zu sagen, und das Unternehmen besteht dann als ein Unternehmen für sich allein. Niemand kann hineinreden. Auf der anderen Seite aber — und das ist unlogisch — wird gerade von Ihnen eine viel stärkere Publizität gefordert. Die stärkere Publizität kann bei der Form der Stiftung überhaupt nicht erreicht werden.
Dr. Lindrath
Darüber hinaus sagen Sie, die Stiftung ist auch marktpolitisch gesehen günstiger. Verschieben wir aber bei Ihrer Stiftung nicht die Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit? Ihre Stiftung, Herr Kollege Dr. Deist, ist in der Form, wie Sie sie formuliert haben, eine gemeinnützige Stiftung.
— Hier steht ganz deutlich:
Zweck der Stiftung ist es, das Volkswagenwerk im Dienste des Gemeinwohls zu führen.