Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sie haben Angriffe gegen die Sozialordnung in den vergangenen acht Jahren gerichtet, und darauf habe ich Ihnen gesagt, daß ein solcher Vorwurf bei den Aktiengesellschaften nicht berechtigt ist.
Was die Publizität anlangt, so sind wir mit Ihnen einig. Ich glaube, Herr Hellwig hat dasselbe gesagt. Wir sind alle dafür, die Publizität in Zukunft sehr zu erweitern. Aber ich muß Sie wieder an das erinnern, was Herr Hellwig eben gesagt hat. Wo ist denn die Publizität am geringsten? Bei den Gesellschaften, die sich in öffentlicher Hand befinden!
- Salzgitter! Die Publizität von Salzgitter ist doch wirklich weniger als ausreichend.
— Sie haben es eben beanstandet.
Nun noch etwas zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Arnold. Sie haben hier erklärt — ich glaube, bei Ihnen klang auch ein Unterton des Bedauerns mit; ich hoffe es jedenfalls —, daß sich die Zahl der, wie man leider hier immer sagt, „Unselbständigen" immer weiter verringert, und zwar unabänderlich verringert. Wegen dieses „unabänderlich" möchte ich mit Ihnen sprechen. Das sollten wir, denen die Gesetzgebung zusteht, nicht sagen.
— So, dann habe ich Sie falsch verstanden. Aber wir sollten in viel stärkerem Maße den Kampf dagegen aufnehmen, daß dieser Zug sich immer mehr verstärkt, daß die Menschen von der Selbständigkeit zur Unselbständigkeit gebracht werden. Auch da vermisse ich eine Initiative der Regierung. Hier sollte die Regierung dem Parlament positive Vorschläge unterbreiten. Die Aktienrechtsreform ist einer der Punkte. Aber ich könnte mir noch eine ganze Reihe anderer Mittel denken, wie wir dazu gelangen können.
Deutscher Bundestag — 3, Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, .den 22. Januar 1958 265
Dr. Atzenroth
Meine Damen und Herren, ich sehe also, wir sind uns im Ziel weitgehend einig. Wir sollen den Menschen stärken, damit er selbst Eigentum bildet. Das kann ich nun in diesem Gesetzentwurf nur in ganz geringem Maße erkennen. Ich gestehe Ihnen allerdings zu, daß dieser Gesetzentwurf eigentlich auch nicht die richtige Stelle ist, wo wir dieses Ziel erarbeiten sollen. Herr Hellwig, ich freue mich, daß Sie mir zunicken. Aber in Ihrem Gesetzentwurf steht es drin. Wir sollten andere Wege finden, um zu diesem Ziel zu kommen.
Daß wir das, was abgesehen von diesen Fragen in Ihrem Gesetzentwurf steht, billigen, das wissen Sie. Das ist unser altes Ziel, das ist unser altes Anliegen, und die Tatsache, daß Sie es jetzt so eindringlich vertreten, gibt uns nun den Mut, unseren Gesetzentwurf, den wir vorläufig noch zurückgehalten haben und der die generelle Frage der Beteiligung der öffentlichen Hand regeln soll, wieder einzubringen. Das werden wir in allernächster Zeit tun.
Herr Hellwig hat sich mit der Frage auseinandergesetzt: Soll sich die öffentliche Hand im Erwerbsleben betätigen oder nicht? Er hat auf die Mängel hingewiesen. Ich weiß nicht, Herr Hellwig, ob Ihnen da nicht ein kleiner Lapsus unterlaufen ist, wenn Sie sagten, daß das ERP-Vermögen 1 Milliarde einbringe.
— Also, meine Damen und Herren, meine Kollegen haben mich darauf aufmerksam gemacht. Dann haben doch viele Sie mißverstanden. Herr Hellwig hat gesagt, das ERP-Vermögen in der Höhe von etwa 7 Milliarden DM bringt jährlich i Milliarde DM, etwas mehr sogar, an Zinsen und Rückflüssen ein, also nicht nur an Zinsen. Das ist natürlich etwas anderes. Rückflüsse können wir aber vom gewerblichen Bundesvermögen nicht erwarten. Infolgedessen hätte man nur die Zinsen vergleichen sollen. Aber auch da haben Sie völlig recht. Wenn man das Aufkommen an Zinsen aus dem ERP-Vermögen vergleicht mit den Erträgen, die die öffentliche Hand aus dem Bundesvermögen erzielt hat, stellt man fest, daß das ein allzu krasser Mißstand, eigentlich das drastischste Beispiel dafür ist, daß die öffentliche Hand sich nicht im Erwerbsleben betätigen sollte.
Was nun das Volkswagenwerk angeht, so sind wir der Meinung, daß die Eigentumsverhältnisse auf dem Verhandlungswege tatsächlich fair geklärt werden sollten. Ich müßte mich aber dagegen wenden, wenn das Land Niedersachsen sich auf den reinen Rechtsstandpunkt stellte. Den Ausführungen, die Herr Hellwig dazu gemacht hat, stimme ich voll und ganz zu.
Ich möchte hier noch eine weitere Voraussetzung für die Regelung dieses Komplexes anregen, nämlich daß sich die Bundesregierung frühzeitig, vielleicht noch vor der Verabschiedung dieses Gesetzes, zu einem fairen Vergleich mit den Volkswagensparern bereit findet.
Diese Frage muß doch einmal — denn das ist eine sc'-wärende Wunde — gelöst werden. Wenn wir das ganze Problem an manchen Stellen doch durchhauen müssen, dann können wir auch diese Frage vielleicht mal etwas großzügiger behandeln, als es nach dem reinen Rechtsstandpunkt möglich wäre.
Ich hatte schon Einwendungen gegen die 50-
Mark-Aktien erhoben, die ja wohl auch Herr Kollege Arnold als nicht zweckmäßig bezeichnet hat. Zu der Frage der Namensaktien darf ich Ihnen einen Hinweis geben: Wenn wir nur 200 Millionen Kapital ansetzen würden — Herr Hellwig, Sie sagen: 1 Milliarde, ich stimme Ihnen zu, ich bin absolut Ihrer Meinung —, dann wäre ein Viertel der Aktien, die in 50-Mark-Aktien als Namensaktien ausgegeben werden sollen, schon 1 Million Aktien. Dann müßte die Verwaltung des Volkswagenwerkes um ein neues Verwaltungsgebäude bereichert werden, denn dann wären ja nicht nur für diese 1 Million kleiner Namensaktien jeweils die Zinsen zu errechnen und die Einladungen zu den Hauptversammlungen usw. auszustellen, sondern dann müßte nach diesem Gesetzentwurf auch jeder Eigentumsübergang noch einmal über diese Stelle gehen.
— Ich habe keine Verbindung mit Herrn Stegner.
— Also das wäre ein Einwand, der allerdings schon zu den kleineren sachlichen Problemen gehört, die wir bei der Beratung des Gesetzentwurfs zu klären haben. Es ist auch zu fragen, ob wir uns bei der Feststellung des Anlagevermögens nur auf das Gutachten einer im Besitz des Bundes befindlichen Treuhandgesellschaft stützen sollen oder ob wir nicht eine weitere Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um zu einer besseren und gerechteren Klärung zu kommen.
Ich habe noch die Aufgabe, mich mit dem Entwurf zu befassen, den einige sozialdemokratische Abgeordnete in letzter Minute eingebracht haben. Es kann keinem Zweifel unterliegen — auch Herr Hellwig hat das festgestellt —, daß das ein kleiner Störungsentwurf ist, der die Weiterbehandlung des CDU-Entwurfs konterkarieren soll. Dagegen wenden auch wir uns mit aller Entschiedenheit. Ich stimme den Ausführungen, die Herr Hellwig zur Frage der Stiftung gemacht hat, in den meisten Punkten zu.
In einer Hinsicht möchte ich sie noch ergänzen. Von sozialdemokratischer Seite wird immer wieder darauf hingewiesen, Zeiß - Jena sei ein gutes Beispiel dafür, wie eine Stiftung wirtschaftlich funktionieren könne. Wir müssen dem entgegenhalten, daß die Stiftung Zeiß - Jena aus Privatvermögen auf freiwilliger Basis zustande gekommen ist. Hier soll aber über öffentliches Vermögen entschieden werden, über Vermögen, das uns allen gehört. Das muß zuerst privatisiert werden. Wenn dann eines Tages von demjenigen, dem dieses in privates Eigentum übergeführte Vermögen gehört, etwa der Wunsch geäußert wird, es in eine Stiftung zu überführen — warum denn nicht? —, dann ist das dessen gutes Recht. Hier soll zunächst einmal der Bund, der
Dr. Atzenroth
deutsche Steuerzahler, das Vermögen zurückerhalten, das er in einer ungeeigneten Form zur Zeit im Volkswagenwerk liegen hat.
In aller Deutlichkeit muß in der Öfffentlichkeit herausgestellt werden, daß die Form der Stiftung hier mit dem etwas an das Gefühl gehenden Gedanken der Förderung der Wissenschaften verknüpft ist. Wir wollen für die Förderung der Wissenschaften nicht weniger tun als Sie. Aber diese Form halten wir für falsch. Wenn Sie es wollen und wenn die Mehrheit des Hauses dazu bereit ist, dann können wir uns darüber unterhalten, ob der Sonderfonds, der in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist, nicht eine andere Form bekommen soll, ob er etwa zur Förderung der Wissenschaften verwendet werden soll. Wir sind jederzeit bereit, uns darüber zu unterhalten. Wir lehnen aber die Form der Stiftung, die praktisch nur die jetzige Form der Vergesellschaftung in einen anderen äußeren Rahmen kleiden will, unter allen Umständen ab.
Ich möchte zusammenfassen: Wir werden alles tun, um dem Grundgedanken, der in dem zur Beratung stehenden Gesetzentwurf liegt, so schnell wie möglich zur vollen Wirkung zu verhelfen. Wir müssen den Antrag, das Volkswagenwerk in eine Stiftung zu bringen, ablehnen.