Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung trägt selbstverständlich die volle Verantwortung. Das bedarf hier an dieser Stelle keiner Betonung. In der Sache selbst möchte ich die Diskussion nicht noch einmal vertiefen, um so weniger, als ich angekündigt habe, daß schon bald eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung vorgelegt wird und wir dann hoffentlich in gemeinsamer Prüfung diese Grundlagen erarbeiten und uns dann danach verhalten. Ich möchte aber zu einigen Bemerkungen Stellung nehmen, weil sie sachlich unrichtig sind.
Herr Dr. Kreyssig meint, er habe mit seinen Äußerungen meine Erklärungen widerlegt. Das ist in gar keiner Weise der Fall. Ich habe von dem. was ich gesagt habe, nichts zurückzunehmen und behaupte noch einmal, daß nach dem Vertrag die Hohe Behörde die alleinige Verantwortung für die Preisbildung hat — ich bestreite sie auch gar nicht
— und daß es sowohl von der Hohen Behörde wie von Abgeordneten in der Gemeinsamen Versammlung gerügt worden ist, daß ich mich um die Preispolitik gekümmert habe. Andere Minister haben das auch getan.
Im übrigen — und das ist vielleicht interessant
— meint Herr Dr. Kreyssig, der Ministerrat habe seine Pflicht versäumt, weil er sich nicht genügend um die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den einzelnen Ländern gekümmert habe. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, daß es mindestens eine äußerst problematische Angelegenheit wäre,
wenn die Minister im Ministerrat die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik in Teilbereichen der Volkswirtschaft und für sich isoliert übernähmen. Ich möchte auch dieses Gespräch nicht vertiefen; aber eines möchte ich doch sagen: Warum ist denn die Preispolitik auch der Hohen Behörde so außerordentlich schwierig gewesen? Ich hatte die Hohe Behörde sozusagen in Schutz genommen und gesagt, sie wäre überfordert, wenn man ihr etwa zumutete, sie hätte doch auf die nationalen Regierungen Einfluß ausüben können, um vom Standpunkt der Hohen Behörde aus für den gesamten Bereich der Montanunion eine wirklich einheitliche Preispolitik für Kohle und Stahl zu treiben. Ich darf Sie einmal fragen, Herr Dr. Kreyssig: Glauben Sie, daß etwa mein französischer Kollege großen Erfolg erzielt hätte, wenn er vom Ministerrat in Luxemburg nach Paris zurückgekommen wäre und dort seinem Ministerpräsidenten erzählt hätte, der Ministerrat in Luxemburg sei der Meinung, daß es gut sei, wenn in Frankreich wieder ein ausgeglichener Haushalt hergestellt würde oder Frankreich überhaupt eine andere Währungs- und Kreditpolitik treibe? Das liegt doch einfach nicht darin! Es ist wirklich Schaumschlägerei, so zu tun, als ob der Ministerrat in Luxemburg bei der Entwicklung, die sich in den letzten Jahren in den nationalen Volkswirtschaften vollzogen hat, die Macht gehabt hätte, auf die nationalen Regierungen und ihre Politik so einzuwirken, daß wirklich eine echte Koordinierung der Wirtschaftspolitik hätte Platz greifen können. Ich hoffe sehr, daß das jetzt in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in der ja alle volkswirtschaftlichen Funktionen zu einer Einheit werden, gelingt, auch aus der fortschreitenden Entwicklung, wie sie der Vertrag vorsieht. In Luxemburg jedenfalls war das in dem Detailbereich Kohle und Stahl unter den besonderen strukturellen und entwicklungswirtschaftlichen Verhältnissen der einzelnen Volkswirtschaften nicht der Fall. Das ist eben auch die Frage, die ich in Rom ausgesprochen habe, weil man sowohl die Hohe Behörde vor unlösbare Aufgaben stellt wie den Ministerrat zu Unrecht kritisiert, wenn man ihm vorwirft, daß ihm die Koordinierung der Wirtschaftspolitik nicht gelungen sei.
Zu dem, was Herr Kollege Deist ausgeführt hat, darf ich folgendes sagen. Selbstverständlich wollten nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch wir primär einen einheitlichen Kohleverkauf haben. Das stand aber mit den Bestimmungen des Montanvertrages nicht in Einklang. Wir haben uns dann gemeinsam, und zwar auch die Gewerkschaften wieder mit dabei, darum bemüht, wenigstens eine Lösung zu finden, die in etwa noch die Funktion eines zentralen Kohleverkaufs vorsieht. So ist es in völligem Einvernehmen zur Bildung der drei Verkaufsgesellschaften gekommen, und man hat das sogar als einen Gewinn angesehen.