Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mein Herr Vorredner hat in seiner Darstellung, die vieles Wahres, vieles nicht Richtiges enthielt, meine Person wiederholt angegriffen. Er hat das nicht getan — so nehme ich an —, weil er gerade mir persönlich damit etwas anhängen wollte, sondern er hat es getan, weil er geglaubt hat, dadurch mich als Leiter der Politik in den Augen der Öffentlichkeit, der deutschen Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Das zwingt mich, einige Worte zu sagen, die Sie als einen Teil der Regierungserklärung auf diese Anfragen betrachten wollen. Diese Regierungserklärung wird gleich Herr Verteidigungsminister Strauß abgeben.
Mein Herr Vorredner hat gefragt, ob das Ziel der Politik der Bundesregierung dasselbe geblieben sei, wie ich es in einem von ihm angeführten Zitat ausgesprochen habe. Ich kann ihm darauf nur erwidern: Dieses Ziel der Politik der Bundesregierung ist völlig unverändert dasselbe, zu einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung sowohl der atomaren wie der konventionellen Waffen zu gelangen.
Ich habe in diesem Hause am 27. Mai 1955 folgendes erklärt — ich darf wohl, Herr Präsident, diese Erklärung verlesen —:
Nach meiner Überzeugung kann der Friede in der Welt in Wahrheit nur dadurch wiederhergestellt werden, daß die mächtigsten Länder der Welt, die im Besitz der die Menschheit bedrohenden Waffen sind, Abrüstungen, kontrollierte Abrüstungen in einem solchen Grade vereinbaren und vornehmen, daß bei der heutigen territorialen Größe der einander entgegenstehenden Staaten keine Angriffe mehr Aussicht auf Erfolg bieten.
Und, meine Herren, ich habe in einem Brief an den Ministerpräsidenten Bulganin vom 20. Juli des Jahres 1955 geschrieben:
Auch ich bin der Meinung und mit mir das ganze deutsche Volk, daß eine Abrüstung ein Ziel ist, dem die verantwortlichen Politiker alle ihre Kraft widmen müssen. Sie werden übrigens mit mir übereinstimmen in der Überzeugung, daß man ganz allgemein von einer Abrüstung nur dann sprechen kann, wenn es sich um mehr handelt als um eine bloße Verschiebung des militärischen Potentials auf andere Arten der Bewaffnung. Nur eine internationale Abrüstungsvereinbarung bietet diese Gewähr.
Und, meine Herren in dem Kommuniqué, das
ich nach dieser Besprechung mit den fünf Atomwissenschaftlern zusammen mit den Herren herausgegeben habe, steht folgender Satz:
Der Bundeskanzler und die Wissenschaftler, die an dieser Besprechung teilnahmen, glauben, daß es notwendig ist, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Regierungen in Ost und West einzuwirken, um zu einem Abkommen über eine allgemeine, kontrollierte Abrüstung zu gelangen, die den Menschen auf der ganzen Welt die Furcht vor einem Atomkrieg nehmen könnte.
Das, meine Damen und Herren — und das möchte ich Herrn Erler antworten —, ist und bleibt der Standpunkt der Bundesregierung, solange ich an diesem Platze stehe.
Herr Kollege Erler hat insbesondere versucht, der deutschen Öffentlichkeit ein Bild von mir über die Verhandlungen mit den Atomphysikern zu geben, das hundertprozentig falsch ist.
Er hat in dem Zusammenhang davon gesprochen, daß ich mich - er hat das nicht wörtlich gesagt — benommen hätte wie ein Unteroffizier der vormaligen preußischen Armee.
— Na, nun warten Sie doch ab, ich komme ja daran.
— Also, meine Herren, wenn Sie soviel Geduld mit mir hätten, wie ich mit Ihnen habe, dann ginge es besser.
Ich vernahm von dieser Erklärung der 18 Atomwissenschaftler durch ein Telegramm, das ich unmittelbar, ehe ich zu einer Feierlichkeit abreiste, bekam. Auf dieser Feierlichkeit wurde ich von den anwesenden Pressevertretern um eine Stellungnahme ersucht. Ich habe hier das unkorrigierte Stenogramm dessen, was ich dort gesagt habe:
Zunächst bedauere ich, daß die Herren nicht mit mir gesprochen haben, ehe sie diese Erklärung veröffentlicht haben.
— Nun, dann will ich Ihnen auch das erklären, meine verehrten Herren.
— Nun warten Sie doch! Sehen Sie diese Voreiligkeit! Warten Sie doch ab, was ich jetzt sagen werde!
Mir war vor meiner Abreise an diesen Ort, wo ich das gesagt habe, gesagt worden, daß die Herren beim Verteidigungsminister gewesen seien, daß
der Verteidigungsminister ihnen gesagt habe: Gehen Sie doch mit Ihren Bedenken zum Bundeskanzler, und daß die Herren gesagt hätten: Nein, das wollen wir nicht, um der Sache keinen politischen Anstrich zu geben.
Darauf bezieht sich diese Erklärung: „Ich bedauere, daß die Herren nicht zu mir gekommen sind."
Also, wenn ich das nicht einmal mehr sagen darf, meine Damen und Herren — —
Ich habe dann in dieser Mitteilung gegenüber den Herren von der Presse fortgefahren:
Sie wissen, daß nach der Verfassung der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik zeichnet, nach denen gearbeitet wird, daß er die Verantwortung trägt. Ich glaube, bei der Bedeutung der Angelegenheit wäre es gut gewesen, wenn die Herren, ehe sie mit dieser Erklärung an die Öffentlichkeit traten, mit dem verantwortlichen Leiter der Politik sich ausgesprochen hätten.
Dann habe ich in folgender Weise fortgefahren, meine Damen und Herren — damit Sie sehen, wie diese Ausführungen des Herrn Erler zu beurteilen sind, der in seiner bekannten Taktik eine Reihe von wirklich guten Sätzen mit Ausführungen vermischt hat, die ich wünsche nicht gehört zu haben in diesem Hause —;
nun hören Sie, was er einen „psychologischen Rückzug" nennt:
dpa
— so habe ich gesagt —
hat ein sehr ausführliches Telegramm geschickt. Aber trotzdem weiß ich ja nicht, ob dieses Telegramm die Erklärung vollständig wiedergibt. Darauf muß ich bei dem, was ich sage, Rücksicht nehmen. Wenn die Herren mit dieser Erklärung die Absicht haben, einzutreten für eine allgemeine atomare kontrollierte Abrüstung in der Welt, für alle Länder gleich, dann, meine Damen und Herren, würden sie durchaus den Intentionen und den Absichten der Bundesregierung mit einer solchen Erklärung entsprechen.
Ich habe dann so fortgefahren:
Ich hoffe, daß das ihre Absicht war, obgleich dieses Telegramm von dpa das nicht so deutlich zum Ausdruck bringt.
Ich möchte weiter folgendes dazu sagen. Es scheint mir, daß die Herren nicht im Besitz sind des Ergebnisses der Versuche, die in den Vereinigten Staaten gemacht worden sind zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Soldaten vor den Wirkungen dieser furchtbaren Waffe.
Ich glaube, daß wir ihnen gerne diese Ergebnisse mitgeteilt hätten. Wenn die Herren aber sagen, daß nach ihrer Auffassung ein kleines Land wie die Bundesrepublik heute noch am besten sich schützen und dem Weltfrieden dienen könnte, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet, dann muß ich sagen, meine verehrte Versammlung, daß eine solche Erklärung mit den physikalisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nichts zu tun hat.
Es ist das
— so fahre ich fort -
eine Erklärung, die rein außenpolitischer und militärpolitischer Natur ist und zu deren Beurteilung man eben doch Kenntnisse haben muß, die auch diesen Herren nicht gegeben sind, da sie nicht zu mir gekommen sind.
Meine Herren, ich unterschreibe jedes Wort von dem, was ich dort gesagt habe.
Als die fünf Herren bei mir gewesen sind, da haben wir in dieser langen Aussprache ihnen durch die Generale Heusinger und Speidel eine Übersicht gegeben über die militärpolitische Lage in der Welt. Über die Auswirkungen der Atomwaffen, meine verehrten Damen und Herren, waren diese Herren und wir uns vollkommen einig.
Unser ganzes Gespräch hat sich darum gedreht, wie es möglich ist, durch eine solche Abrüstung die Anwendung dieser furchtbaren Waffen zu verhindern. Das war der Gegenstand unseres Gesprächs.
Nun, meine Damen und Herren, ist von Herrn Erler die Frage gestellt worden: Was hat die Bundesregierung getan, um die allgemeine kontrollierte Abrüstung sowohl bezüglich der atomaren wie der konventionellen Waffen zu fördern? Ich will Ihnen folgendes darauf antworten. Sie wissen, daß wir mit den Vereinigten Staaten in sehr guter und enger Verbindung stehen. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat seit dem Jahre 1953 — ich kann es Ihnen auf den Tag genau sagen — den Sowjets zwanzig Vorschläge zu kontrollierter Abrüstung gemacht,
und wir stehen dahinter.
Wo wir das irgendwie können, auch bei den Verhandlungen jetzt mit dem britischen Premierminister, sind wir für eine kontrollierte atomare Abrüstung und gleichzeitig eine Abrüstung bei den konventionellen Waffen eingetreten.
Ich möchte Ihnen weiter sagen, daß die Bundesregierung keine atomaren Waffen gefordert hat,
daß sie entschlossen ist, an der Erklärung festzuhalten, die sie seinerzeit auf der Londoner Konferenz im Oktober 1954 abgegeben hat.
Herr Erler hat — ich habe es aufgeschrieben, was er gesagt hat; es war wenig schmeichelhaft für mich, ich werde es noch einmal durchlesen — dem Sinne nach gesagt: Die Erklärung, die der Bundeskanzler über die Weiterentwicklung der Artillerie abgegeben hat, war entweder eine bewußte Irreführung der öffentlichen Meinung, oder aber sie war ein Zeugnis dafür, daß er von der ganzen Sache keinen blauen Dunst hat.
— Also, meine Herren, er hat das Wort „Dunst" nicht gebraucht. —
Ich möchte hier aber zunächst betonen — und das nehme ich für mich allerdings in Anspruch —, daß ich genausogut wie Sie und genausogut wie Herr Erler die tiefe Gewissensnot fühle, in die diese Waffenentwicklung jeden gebracht hat, der irgendwie mit der Politik etwas zu tun hat.
Meine Damen und Herren, wie ich zu dieser Äußerung gekommen bin, will ich Ihnen auch erklären. Es ist sicher einem Teil von Ihnen bekannt, daß der erste Gedanke, die Atomkernspaltung zur Herstellung einer Waffe zu nutzen, von Einstein gekommen ist.
— lassen Sie mich doch aussprechen, meine Damen und Herren; ich sage ja nichts gegen Einstein — und daß Einstein damals einen Brief an den Präsidenten Roosevelt geschrieben hat, in dem er ausgeführt hat, man sei jetzt zur nuklearen Spaltung gekommen, es werde möglich sein, eine Kettenreaktion hervorzurufen. Daraus werde sich weiter die Möglichkeit der Konstruktion einer furchtbaren Waffe ergeben. Das war damals während des Krieges. Und dann — deswegen zitiere ich das — hat er ausgeführt: Allerdings werde diese Waffe, diese Bombe, so groß sein, daß sie von keinem Flugzeug mehr befördert werden könne, sondern daß sie nur durch ein Schiff befördert werden könne. Wenn aber dieses Schiff — wir waren damals ja im Krieg — in einen feindlichen Hafen einlaufe, dann werde durch die Explosion dieser Hafen zerstört werden. Das waren die Ansichten, die man damals über die Größen der Bomben hatte: daß sie überhaupt nur noch durch ein Schiff befördert werden könnten. Sie wissen, meine Damen und Herren — insbesondere weiß das auch Herr Erler —,
aus der Zeitung sicher, daß sich die Amerikaner, nachdem sich die Unbeweglichkeit der 28-cm-Geschütze ergeben hatte, zur Zeit damit beschäftigen, ein Geschütz von 20 cm zu konstruieren, mit dem sowohl atomare Bomben wie andere Bomben abgefeuert werden können. Warum sage ich Ihnen das? Das sage ich Ihnen, damit ich nicht von Herrn Erler vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit entweder als ein Träumer und Phantast oder als ein
Mann dargestellt werde, der bewußt die Öffentlichkeit irreführe.
Nun möchte ich nochmals ausdrücklich wiederholen: Wir haben keine atomaren Waffen für uns gefordert. Es ist eine ganz andere Frage erörtert worden, nämlich die Frage, ob, wenn die übrigen NATO-Länder — die wir bei Gott nicht aufgestachelt haben, wie Herr Erler gesagt hat, sich atomare Waffen zu besorgen; das wäre ja das Furchtbarste, was wir überhaupt hätten tun können — kleinere Atomwaffen hätten und die Bundeswehr nicht, der Verband der NATO überhaupt noch aufrechtzuerhalten sei. Das ist eine militärtechnische Frage, über die Militärs ein besseres Urteil abgeben können, als ich dazu in der Lage bin
— und auch als Sie dazu in der Lage sind.
Ich denke, ich werde in Laufe der Verhandlungen noch mehr Gelegenheit haben, in der Debatte meine Meinung zu sagen. Ich möchte nicht zuviel Zeit wegnehmen, damit Herr Strauß seine Erklärung abgeben kann. Deswegen möchte ich mit folgendem Satz schließen: Ich bitte Sie, führen Sie die Debatte so, daß sie nicht den Standpunkt der Russen in London verhärtet,
sondern führen Sie die Verhandlungen bitte so,
daß sie auch auf die Russen in dem Sinne einwirkt, nachzugeben und endlich dem zwanzigsten Vorschlag auf atomare kontrollierte Abrüstung stattzugeben.