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    -2. Deutscher Bundestag — 200. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. März 1957 11327 200. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. März 1957. Erklärung der Bundesregierung 11327 D Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 11327 D Dr. Deist (SPD) 11334 C, 11338 A, 11361 D, 11363 C, D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 11338 A, 11361 A, D, 11363 C, D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 11342 B Dr. Furler (CDU/CSU) 11345 B Margulies (FDP) 11350 C Dr. Elbrächter (DP [FVP]) 11355 D Stegner (GB/BHE) 11366 B Dr. Arndt (SPD) 11370 A Zur Geschäftsordnung: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . . 11372 D Dr. Bucher (FDP) 11373 A Schoettle (SPD) 11373 B Überweisung des Entschließungsantrags der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftspolitik und Euratom (Drucksache 3311) an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 11373 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (Drucksache 3282) 11373 C Dr. h. c. Veit, Stellv. Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Berichterstatter 11373 C, D Abstimmung 11375 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Euratom (Drucksache 3101) . . . . 11375 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP) 11375 B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 11379 C Mellies (SPD) 11379 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 11379 D Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung: Dr. Bucher (FDP) 11380 A Nächste Sitzung 11380 C Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 193. Sitzung 11380 Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11381 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftspolitik und Euratom (Drucksache 3311) 11381 C Anlage 3: Stellungnahme der Bundesregierung zu der Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 3101) betr. Euratom . . 11382 A Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 193. Sitzung Es ist zu lesen: Seite 11010 C Zeile 7 von oben „(Zuruf von der Mitte: Siehe Antrag!)" statt „(Abg. Dr. Czaja: Siehe Antrag!)". Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Baade 22. 3. Bauer (Wasserburg) 22. 3. Becker (Hamburg) 12. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 23. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 21. 3. Blachstein 22. 3. Brandt (Berlin) 22. 3. Brese 22. 3. Brookmann (Kiel) 22. 3. Dr. Bucerius 22. 3. Dr. Bürkel 21. 3. Caspers 22. 3. Cillien 23. 3. Dr. Conring 21. 3. Dr. Dehler 21. 3. Demmelmeier 22. 3. Dr. Dollinger 22. 3. Ehren 21. 3. Feldmann 6. 4. Franke 21. 3. Dr. Friedensburg 21. 3. Glüsing 22. 3. Dr. Greve 23. 3. Häussler 22. 3. Heiland 22. 3. Höfler 21. 3. Horn 22. 3. Illerhaus 21. 3. Kahn 21. 3. Kalbitzer 3. 5. Keuning 21. 3. Klingelhöfer 30. 3. Dr. Kähler 30. 4. Frau Korspeter 22. 3. Kunze (Bethel) 21. 3. Dr. Leverkuehn 24. 3. Frau Lockmannn 23. 3. Mauk 21. 3. Dr. Menzel 21. 3. Moll 1. 4. Morgenthaler 30. 4. Müller (Worms) 21. 3. Frau Nadig 30. 3. Ollenhauer 26. 3. Onnen 23. 3. Pelster 20. 4. Raestrup 31. 3. Frau Dr. Rehling 21. 3. Dr. Reif 22. 3. Sabel 22. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 21. 3. Schmücker 22. 3. Schneider (Hamburg) 22. 3. Dr. Schöne 29. 4. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Frau Dr. Schwarzhaupt 21. 3. Dr. Serres 31. 3. Frau Dr. Steinbiß 21. 3. Unertl 6. 4. Wacher (Hof) 21. 3. Wagner (Ludwigshafen) 22. 3. Dr. Welskop 21. 3. Frau Welter (Aachen) 21. 3. Wittrock 21. 3. Frau Wolff (Berlin) 21. 3. Anlage 2 Drucksache 3311 C (Vgl. S. 11372 C) Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag begrüßt die Anstrengungen, durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom zu einer Zusammenfassung der europäischen Wirtschaftsräume in einem Gemeinsamen Markt und zur gemeinsamen Entwicklung der Atomwirtschaft zu gelangen. Er begrüßt, daß die Zusammenarbeit nicht mehr auf einzelne Wirtschaftszweige beschränkt bleiben soll, sondern versucht wird, die gesamte Wirtschaft der beteiligten Staaten zu umfassen, daß eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik vorgesehen ist, daß die Europäische Atomgemeinschaft ausschließlich der Entwicklung der Atomwirtschaft für friedliche Zwecke dienen soll und daß das öffentliche Eigentum am spaltbaren Material als Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle und damit für die Sicherheit der Menschen gewährleistet wird. Der Bundestag erwartet, 1. daß die Mitgliedstaaten zu einer Politik der Steigerung des allgemeinen Lebensstandards, der ständigen Ausweitung der Wirtschaft und der Vollbeschäftigung verpflichtet werden und zu diesem Zweck eine gemeinsame Währungs- und Wirtschaftspolitik entwickeln, insbesondere die Grundlage für eine planmäßige Investitionspolitik und für eine wirksame Konjunkturpolitik schaffen; 2. daß der freie Handelsverkehr und eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten, die sich zunächst der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht anschließen, durch die Bildung einer Freihandelszone, die zu gleicher Zeit wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Kraft treten sollte, gesichert werden; 3. daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft alle Maßnahmen trifft, um eine stetige Vergrößerung des Handelsverkehrs mit den übrigen Ländern der Welt - insbesondere durch Senkung der Zölle und Abbau sonstiger Handelsbeschränkungen - zu ermöglichen; 4. daß der gemeinsame Außenzoll nicht zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland führt; 5. daß klare vertragliche Abmachungen getroffen werden, die sicherstellen, daß die Zonengrenze nicht zur Zollgrenze wird und die freie Entwicklung des innerdeutschen Handelsverkehrs keinen Bindungen durch die Partnerstaaten und die Organe der Gemeinschaft unterliegt; 6. daß jede Belastung durch die Kolonialpolitik abgelehnt, die Selbstbestimmung der überseeischen Gebiete im Sinne der Satzung der UNO gefördert und die Hilfe für die Entwicklungsländer der übrigen Welt nicht beeinträchtigt werden; 7. daß die Bundesregierung rechtzeitig alle Vorkehrungen trifft, um Arbeitnehmer vor den un- günstigen Auswirkungen der durch den Gemeinsamen Markt zu erwartenden Umschichtungen zu schützen, ihre Beschäftigung zu sichern und ihren sozialen Stand zu erhalten; 8. daß bei dem Aufbau der Organe und der Regelung ihrer Zuständigkeiten die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie beachtet werden, insbesondere der Ministerrat auf Fragen der Koordinierung beschränkt wird, der Europäischen Kommission die Exekutivbefugnisse der Gemeinschaft übertragen und der parlamentarischen Versammlung wirksame Entscheidungs- und Kontrollrechte gegeben werden. Der Bundestag verlangt, daß die Entscheidungsfreiheit des wiedervereinigten Deutschland über seine Zugehörigkeit zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft ausdrücklich vertraglich anerkannt wird. Bonn, den 20. März 1957 Mellies und Fraktion Anlage 3 (Vgl. S. 11379 C) Stellungnahme der Bundesregierung zu der Großen Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 3101) betreffend Euratom. Die Bundesregierung nimmt zu den vorgelegten Fragen Stellung wie folgt: 1. Welche Organisationsform soll Euratom haben? Die Bundesrepublik verpflichtet sich durch den vorgesehenen Vertrag zur Beteiligung an einer Gemeinschaft teils übernationalen, teils zwischenstaatlichen Rechts. Die Verfassung dieser Gemeinschaft wird in ihren wesentlichen Teilen im Vertrag niedergelegt sein. Für notwendige Ergänzungen und Änderungen ist Raum. Zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben wird 'die europäische Atomgemeinschaft über 4 Hauptorgane — eine Versammlung — einen Rat (Ministerrat) — eine Kommission — einen Gerichtshof verfügen. Der Rat und die Kommission werden durch einen Wirtschafts- und Sozialausschuß mit beratender Funktion unterstützt werden. Ferner steht ihnen ein Beirat für Wissenschaft und Technik — ebenfalls mit beratender Funktion — zur Verfügung. Zur Versorgung der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft mit Erzen, Ausgangsstoffen und besonderem spaltbarem Material wird eine Agentur geschaffen, welche Rechtspersönlichkeit hat und finanziell unabhängig ist, jedoch der Aufsicht der Kommission untersteht. 2. Welche europäischen und außereuropäischen Staaten und Gebiete sollen beteiligt werden? Grundsätzlich findet der Vertrag auf die europäischen Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten Belgien — Deutschland — Frankreich — Italien — Luxemburg — Niederlande sowie auf die ihnen unterstehenden außereuropäischen Gebiete Anwendung. Der Vertrag findet darüber hinaus auf die europäischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten ein Mitgliedstaat wahrnimmt. Jeder europäische Staat kann den Antrag stellen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Die Gemeinschaft kann auf einstimmigen Beschluß des Rates mit einem dritten Staat, einem Zusammenschluß von Staaten oder einer internationalen Organisation Abkommen schließen, durch welche gegenseitige Rechte und Pflichten, ein gemeinsames Vorgehen oder besondere Verfahren begründet werden. 3. Welche Bindungen wird die Bundesrepublik im Rahmen des vorgesehenen Vertrages übernehmen, und welche finanziellen Belastungen werden für die Bundesrepublik damit verbunden sein? Verpflichtungen der Bundesrepublik aus dem vorgesehenen Vertrage werden — zusammengefaßt und ohne hier der künftigen Beratung der Einzelheiten in den Ausschüssen vorgreifen zu wollen — in Betracht kommen im Hinblick auf - die Förderung der Forschung und die Verbreitung der besonderen Kenntnisse auf dem Atomgebiet, — den Gesundheitsschutz für die mit der Entwicklung und Anwendung der Kernenergie betrauten Arbeitskräfte und für die Gesamtbevölkerung, — die Ermöglichung einer Förderung der Investitionen auf dem Kerngebiet durch die Gemeinschaft, — die Schaffung sich gegebenenfalls als notwendig erweisender gemeinsamer Unternehmen, — eine zentrale und nichtdiskriminatorische, zunächst für 7 Jahre festgelegte Versorgungsregelung für alle Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft mit Erzen, Ausgangsstoffen und besonderem spaltbarem Material, — die Ermöglichung einer ausreichenden Sicherheitskontrolle im Interesse der Mitgliedstaaten und ihrer Bevölkerung durch die Gemeinschaft unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten, - die Herstellung eines Gemeinsamen Marktes auf dem Gebiet der Kernenergie, — eine begrenzte Koordinierung der Außenbeziehungen, — eine Beteiligung an der Finanzierung der Aufgaben der Gemeinschaft. Der deutsche finanzielle Beitrag zum Verwaltungshaushalt der Gemeinschaft wird mit 28 %, der deutsche finanzielle Beitrag zum Forschungs-und Investitionshaushalt der Gemeinschaft wird 30 % der Gesamtbeiträge ausmachen. Die Stimmen der Mitglieder des Ministerrats werden entsprechend dem finanziellen Beitrag der Mitgliedstaaten gewogen. Ein erstes Forschungs- und Ausbildungprogramm der Gemeinschaft, welches sich über fünf Jahre erstreckt, wird auf 215 Millionen EZU-Rechnungseinheiten geschätzt. Die dafür bereitgestellten Mittel werden jährlich in den Haushalt der Gemeinschaft eingesetzt. 4. Welche Verpflichtungen wird die Bundesrepublik für die Betätigung der deutschen Wirtschaft in der Bundesrepublik und im Rahmen von Euratom übernehmen? Das Ziel der Gemeinschaft ist nicht eine Ersetzung oder Hemmung, sondern im Gegenteil eine Förderung der wirtschaftlichen Initiative auf dem Kerngebiet. Dieser wirtschaftlichen Initiative sollen durch den Vertrag keine anderen Schranken gesetzt werden, als diejenigen, welche im Interesse des Gesundheitsschutzes gegenüber den schädlichen Auswirkungen der Radioaktivität und wegen der bebesonderen Gefährlichkeit der zur Nutzung der Kernenergie verwendeten Stoffe erforderlich sind. Darüber hinausgehende Verpflichtungen dienen ihrer Zwecksetzung nach ausschließlich dazu, eine raschere und fruchtbringendere Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie im Gebiete der Gemeinschaft durch Zusammenwirken und Harmonisierung der beteiligten Kräfte zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die Gebiete — Förderung der Forschung und Austausch der Kenntnisse, — Investitionen und gemeinsame Unternehmen, — Gemeinsamer Kernmarkt, zentrale Versorgung und Koordinierung gewisser Teile der Außenbeziehungen, soweit sie in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft fallen. Soweit auf diesen Gebieten Verpflichtungen der Bundesrepublik für die deutsche Wirtschaft eingegangen werden, geschieht dies auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. 5. Wie soll ,die Zusammenarbeit zwischen Euratom und OEEC und im Rahmen sonstiger internationaler Abkommen gestaltet werden? Ausgehend von der Erkenntnis und dem Grundsatz, daß der engere Zusammenschluß der 6 Mitgliedstaaten von Euratom und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der OEEC auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung Kernenergie einander nicht ausschließen, sondern sich in sinnvoller Weise ergänzen und gegenseitig fördern, ist vorgesehen, daß die europäische Atomgemeinschaft eine enge Zusammenarbeit mit dem europäischen Wirtschaf tsrat herbeiführen soll. Die nähere Regelung soll im gemeinsamen Einvernehmen getroffen werden. Ein Verbindungsausschuß zwischen den beiden Verhandlungsgremien ist bereits tätig. 6. Beeinflussen die im Rahmen von Euratom zu übernehmenden Verpflichtungen den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur friedlichen Nutzung der Kernenergie? Zwischen den im Rahmen von Euratom zu übernehmenden Verpflichtungen und dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur friedlichen Nutzung der Kernenergiebestehen keine Unvereinbarkeiten. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Kernenergie-Gesetzes würde im Falle seiner Annahme die Bundesregierung nicht nur an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Euratom-Vertrag nicht hindern, sondern im Gegenteil die Erfüllung dieser Verpflichtungen ermöglichen. Soweit im Euratom-Vertrag Rechte und Pflichten für den einzelnen oder für Unternehmen statuiert sind, stehen dem die Bestimmungen des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Kernenergie-Gesetzes nicht entgegen.
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    Rede von Dr. Hans Furler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht die wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Herrn Dr. Deist ,und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister fortsetzen; das wird für meine Fraktion nachher mein Freund Dr. Hellwig tun. Ich mußaber doch, bevor ich mich einigen politischen Grundproblemen zuwende, Bemerkungen zu einleitenden Ausführungen des Herrn Dr. D eis t machen, die miteiner Grundfrage in der Bewertung unserer europäischen Politik zusammenhängen.
    Herr Dr. Deist meinte, die Montanunion habe ihre Aufgabe nicht erfüllt. Er meinte auch — wenn ich ihn recht verstanden habe —, die jetzt so verspätet vorgelegten Verträge, also die Verträge übereine Erweiterung der Gemeinschaft auf die gesamte Wirtschaft,stellten so eine gewisse Rechtfertigung der Politik der SPD gegenüber der Entstehung der Montanunion dar. Da muß ich doch erwidern, daß ich diese Rechtfertigung nicht begreife und sie auch nicht billigen kann. Sicher ist doch das eine. Die Montanunion wurde geschaffen. Wir kennen ihre Grenzen. Wir wissen genau, daß sie als Teilintegration natürlich nicht das durchsetzen konnte, was wir nunmehr von der großen Wirtschaftsgemeinschaft erwarten. Aber ich frage: Glauben Sie, daß wir ohne die Schaffung der Montanunion, ohne diesen damals möglichen Schritt heute so weit wären, zu dem großen Werkeiner allgemeinen Wirtschaftsgemeinschaft der sechs Montanstaaten zu kommen? Ich glaube, daß die durch die Montanunion geschaffene Gemeinschaft nicht nur äußerlich, sondern Jauch innerlich dazu beigetragen hat, daß wir jetzt dieses Werk, so hoffen wir, zur Vollendung bringen können.
    Über die Aufgaben der Montanunion und ihre Erfüllung haben wir, Herr Dr. Deist, uns doch im Montanparlament schon eingehend unterhalten, die Grenzen und die positiven Dinge gesehen. Ich glaube, der Bericht ,des Herrn Wigny, dem man ja allgemein eine große Verbreitung gewünscht hat, bildet ein großes Dokument dafür, daß es selbst innerhalb dieser schwierigen Teilintegration gelungen ist, bedeutende Aufgaben zu erfüllen.
    Ich sage also: Man darf nicht immer deshalb nichts tun, weil es nicht möglich ist, sofort die Vollendung zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darauf geht die von mir kritisierte Argumentation hinaus. Wenn wir nämlich immer vor lauter Bedenken zunächst nein sagen, dann kommen wir überhaupt nicht in eine lebendige Entwicklung hinein.
    Ich freue mich, daß Sie, Herr Dr. Deist, heute in der Konsequenz anderer Auffassung sind als damals. Ichhabe mit gewissen Bendenken etwa 50 Minuten lang gehört, wie scharfe Angriffe Sie vortrugen. Aber ich war doch beruhigt, als Sie am Ende in der Zusammenfassung sagten, daß Sie im Prinzip doch das. was hier die Sechs unternehmen, billigen, also billigen, daß wir jetzt wenigstens handeln. Das finde ich einen großen Fortschritt gegenüber der damaligen Situation, in der Sie schon die Entstehung der Montangemeinschaft 'abgelehnt haben.
    Was ichaber noch sagen muß und was mich eigentlich sehr betrübt hat, ist das: Sie meinten, die Montanunion und auch wohl die neuen Gemeinschaften hingen irgendwie mit einer militärischen oder machtpolitischen Blockpolitik zusammen. Dem muß ich entschieden widersprechen. Ich glaube, niemand. der an dem Vertragswerk, das hier in der Entstehung ist, mitgearbeitet hat, verfolgte den Gedanken, dies aus militärischen oder machtpolitischen Gesichtspunkten zu tun, aus einer Blockbildung heraus, die Sie im Prinzip ablehnen. Das Montanparlament hat ja die ersten Gedanken hierzu entwickelt. Wir waren doch alle der Meinung, daß es ausschließlich im Interesse der Wirtschaft unserer Staaten, ausschließlich im Interesse der Hebung des Lebensstandards lieg t, ausschließlich auch dem Zweck dient, soziale Dinge verwirklichen zu können, wenn wir uns zu einer größeren Gemeinschaft zusammenfinden. Also ich glaube, so dürfen wir nicht argumentieren.
    Nun aber wieder zur Frage: was tun? Wir sind doch in diesem Hause alle darüber einig, daß die


    (Dr. Furler)

    weltpolitische und ,die wirtschaftspolitische Situation zwingend dafür sprechen, dieses Europa enger zusammenwachsen zu lassen. Wer eine politische Bilanz zieht, sieht, wie weit Europa in seiner Stellung in der Welt zurückgekommen ist. Ich glaube, jener tragische 6. November 1956 hat zur Evidenz bewiesen, wie schwach und verwundbar — auch wirtschaftlich — dieses Europa geworden ist, dem man plötzlich eine Kraftzufuhrabsperren konnte, auf die es auf das vitalste angewiesen ist. Wir sind auch der Meinung — und niemand widerspricht dem —, daß die Zeit, daß die moderne technische Entwicklung dazu zwingt, große Räume zu schaffen, daß wir einfach nicht mehr durchkommen, wenn wir in den kleinen getrennten Nationalwirtschaften weiterleben. Die Entwicklung der Atomkraft, die moderne Technisierung, die Automation, all ,die Dinge, die damit zusammenhängen, sind in kleinen Räumen nicht realisierbar. Man täusche sich durch die gegenwärtige gute Konjunktur in den europäischen Ländern nicht darüber hinweg, daß auf lange Sicht gesehen ohne die Schaffung eines größeren Wirtschaftsraumes Europa hinter den politisch-wirtschaftlichen Großräumen immer weiter zurückbleibt

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und daß es auf die Dauer einfach nicht in der Lage ist, seine Freiheit und seine kulturellen Güter zu bewahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Da stehen wir wieder vor dem Problem: was tun? Die Erfahrung der letzten Jahre hat gelehrt, daß zwei Dinge nicht möglich sind. Einmal ist es offensichtlich nicht möglich, in diesem Europa eine politisch, auch institutionell, gegründete engere Verbindung zu schaffen. Dazu sind die europäischen Staaten noch nicht reif. Das wurde versucht — erfolglos. Aber es hat sich gezeigt, daß es auch noch nicht möglich ist, dieses Europa in einem Zuge wenigstens wirtschaftlich zusammenzuführen, und zwar — und das ist sehr entscheidend — in einer endgültigen und unwiderruflichen Form. Ich muß darauf besonders hinweisen. Das ist ja der entscheidende Unterschied zu dem, was in der OEEC und der EZU usw. geschieht. Diese sechs Staaten wollen ein Gebiet mit 150 bis 160 Millionen wirtschaftlich endgültig so zusammenfassen, daß sie nicht morgen wieder anders können, sondern daß sie gezwungen sind, auf diesem Wege zubleiben. daß es hiervon kein Zurück gibt. Das is t ein ganz entscheidender Punkt für die Beurteilung der Verträge, auch ein entscheidender Punkt. wenn man abwägt, ob ,die Verhandlungen mit Erfolg oder mangelhaft geführt worden Mind. Dieses Prinzip der Unwiderruflichkeit war außerordentlich umkämpft.
    Ich gebe zu, es wäre schön, den Gemeinsamen Markt früher zur Vollendung zu bringen und nicht 12 oder 15 Jahre warten zu müssen. Ich muß aber dem Herrn Wirtschaftsminister sagen, daß alle, die sich eingehend mit diesem Problem befaßt haben, zu dem Ergebnis gekommen sind: Es ist einfach weder möglich noch allen Staaten zumutbar, Zollschranken und Handelsbeschränkungen, die eine Wirtschaftsstruktur in den einzelnen Ländern geschaffen haben, die auf Jahrzehnte, zum Teil auf Jahrhunderte zurückgeht, in fünf oder sechs Jahren endgültig zu beseitigen. Eine Übergangszeit ist also unvermeidlich, und niemand hat angenommen, daß wir in weniger als zwölf Jahren durchkommen.
    Das Entscheidende aber ist, daß es keine endgültige Blockierung gibt, daß es kein Veto gibt, sondern daß das Vorhaben zwangsläufig bis zum Ende durchgeführt werden muß. Das ist nicht allein politisch wichtig, das ist auch wirtschaftlich entscheidend. Ich glaube, daß die notwendigen Umstellungen, Investitionen usw., nur dann sofort begonnen und durchgeführt werden, wenn jeder Beteiligte weiß: Wir sind auf einem endgültigen Weg, und ich kann nach vier oder acht Jahren nicht umkehren und mich bis dahin von dem Zwang zum Zusammenschluß ausnehmen — gewissermaßen drücken. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der für das Vertragswerk spricht, das vor uns liegt.
    Ich will nun einige Probleme, die in den Verhandlungen eine große Rolle gespielt haben, ganz kurz behandeln, weil die Kritik immer wieder dahin geht, es sei vielleicht doch nicht so erfolgreich verhandelt worden und man habe in verschiedenen Punkten allzu große Konzessionen gemacht. Zunächst zur sozialen Harmonisierung. Sie wissen, daß Frankreich diese Forderung sehr stark erhoben hat und daß es sehr schwer war, zunächst die Franzosen von der Idee abzubringen, die soziale Harmonisierung aal s Vorausbedingung aufzustellen. Wir wären dann nie zum Abschluß eines Vertrags gekommen. In den weiteren Verhandlungen waren die Gegensätze oft sehr groß. und es hat des Eingreifens des Herrn französischen Ministernräsidenten und ,des Herrn Bundeskanzlers bedurft. um die Schwierigkeiten zu überwinden. Aber — das muß ich doch sagen, Herr Deist — nicht deshalb, weil sich die Bundesrepublik geweigert hätte, eine fortschrittliche Sozialpolitik zu treiben! Sie wissen, daß wir nicht nur hier. sondern auch im Montanparlament immer wieder betont haben: Wir denken nicht daran, uns wettbewerbliche Vorteile durch eine rückschrittliche Sozialpolitik oder eine schtechte Lohnpolitik oder die Erhaltung eines niedrigen Lebensstandards zu sichern. Das haben wir ständig abgelehnt. Es ging im Grunde nur um die Frage, ob es richtig ist, sich von einem Partner ein von vielen Seiten, auch von Ihnen, angegriffenes System der Lohnberechnung aufzwingen zu lassen. Wir waren immer bereit, in der Lohnentwicklung, in der sozialen Entwicklung vorwärtszuschreiten. Wir waren aber nicht bereit, veraltete, vielleicht falsche Systeme zu übernehmen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich finde, es ist ein großer Fortschritt, daß es gelungen ist, hier einen Kompromiß zu erzielen, der keinen zu etwas zwingt, was ihm formal und technisch nicht richtig erscheint, der aber alle, auch uns, dazu veranlaßt, in sozialer Richtung weiterzukommen. Wir wissen, daß der Montanvertrag in dieser Beziehung viel zuwenig bringt. Aber in den neuen Verträgen hat man sich doch dieser Dinge stärker angenommen. Wir glauben sogar, daß die Entwicklungen bei uns ganz von selbst viel schneller zu dem gemeinsamen Ziele führen werden, als wir heute noch annehmen. Betrachten Sie nur einmal, was in den letzten zwei, drei Jahren auf diesem Gebiet bei uns geschehen ist.
    Ein zweites Problem, das auch einen großen Schrecken erregt hat: die Hereinnahme der Landwirtschaft — ein französischer Wunsch; ein verständlicher Wunsch. Wenn sie sehen, was sich daraus entwickelt hat, glaube ich, daß auch bei uns die Landwirte zufrieden sind mit dem, was geschehen soll. Die Landwirtschaft soll nämlich nicht plätzlich ungeschützt in den freien Markt hineingehen, sondern die nationalen Besonderheiten blei-


    (Dr. Furler)

    ben aufrechterhalten. Das Ziel ist eine gemeinsame Agrarpolitik moderner Art. Man will die nationalen Marktordnungen in europäische Marktordnungen umwandeln. Wenn ich mir die Ziele ansehe, die der Vertrag setzt, so muß ich sagen, daß eigentlich die Landwirtschaft jedes der sechs Länder mit dem, was beabsichtigt und was gewollt ist, einverstanden sein wird.
    Es war immer ein sehr schwieriges Problem, die Institutionen, die Organe dieser Gemeinschaft zu gestalten. Wir geben zu, daß wir mit dem, was auf diesem Gebiet endgültig Vertragstext wurde, auch nicht voll zufrieden sind. Wir hätten es lieber gesehen, man hätte der Europäischen Kommission größere Vollmachten gegeben. Wir hätten es auch lieber gesehen, man hätte den Ministerrat stärker eingeschränkt. Aber die Widerstände waren außerordentlich stark, und Sie wissen auch, daß der Gedanke der Supranationalität, wie er — wenigstens stückweise — in der Montanunion entwickelt worden war, für die Franzosen einen Stein des stärksten Anstoßes gebildet hat.
    Aber wir müssen an dem Ergebnis auch das Positive sehen. Zwar dominiert der Ministerrat. Aber immerhin verzichtet er während der tbergangszeit überwiegend auf das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Kommission hat doch weite Befugnisse. Bei genauer Prüfung sieht man, daß ihre Stellung bedeutender, nach meiner Überzeugung zumindest entwicklungsfähiger ist, als man angenommen hatte.
    Man muß hier zwei Dinge betrachten. Einmal wird das Gewicht der Kommission steigen, wenn die richtigen Persänlichkeiten in sie hineinberufen werden. Der Einfluß der Kommission wird auch dadurch stärker, daß sie alle europäischen Fragen detailliert und ständig behandelt und mit dem Gewicht ihrer Sachkenntnis, ihres Spezialistentums besser vorwärtskommen wird, als der Vertragstext annehmen läßt. I m übrigen möchte ich sagen: ein Ministerrat in einer Gemeinschaft, die an konkrete Ziele gebunden ist, die bestimmte Aufgaben hat, wird wohl leichter selbst zu einstimmigen europäischen Beschlüssen kommen ,als sechs Minister an sich völlig differierender Staaten, die auf einer Konferenz zusammenkommen, wo ausschließlich nationale Interessen im Vordergrund stehen.
    Und vergessen Sie nicht, daß gerade die Kritiker der Vertragswerke, die Anhänger einer ausschließlichen OEEC-Politik, sich doch darauf berufen, daß man auch mit der OEEC-Organisation vorwärtsgekommen ist. Diese Organisation baut aber ausschließlich auf dem Prinzip der Einstimmigkeit auf.
    Nun aber zu den parlamentarischen Institutionen. Sie wissen, daß sich die Minister während der Verhandlungen wegen gewisser Ressentiments gegen die Montangemeinschaft entschlossen hatten, ein neues Wirtschaftsparlament zu schaffen und es mindestens die erste Zeit und, wenn es einmal dagewesen wäre, wahrscheinlich lange Zeit neben die Gemeinsame Versammlung der Montanunion zu stellen. Ich habe mich sehr entschieden gegen eine solche Lösung ausgesprochen, und der Vertrag akzeptiert auch ,das, was ich vorgeschlagen habe, nämlich die sofortige Fusionierung des Montanparlaments in die neue Versammlung. Das Prinzip ist durchgeführt. Es wird ein einheitliches Parlament gegenüber allen drei Institutionen geben.
    Diese Entscheidung ist nicht nur deshalb bedeutsam, weil sie das Nebeneinanderbestehen zweier Parlamente verhindert. Diese Lösung garantiert — und das ist mir wichtig —, daß die drei Gemeinschaften unter einer einheitlichen parlamentarischen Kontrolle stehen, womit ein Zwang zur Koordinierung ausgeübt wird. Ich hoffe sogar, daß das einheitliche Parlament eine an sich notwendige, aber politisch im Augenblick noch nicht durchsetzbare Zusammenfassung der Verwaltungs- und Regierungsstellen der drei Gemeinschaften veranlassen wird. Es besteht kein Streit darüber, daß es notwendig ist, die Kraft der parlamentarischen Idee in diesen sehr wichtigen, für die Staaten lebenswichtigen wirtschaftlichen Gemeinschaften zum Einsatz zu bringen.
    Ich bin daher der Meinung, daß man darauf sehen muß, die Kompetenzen des Parlaments laufend zu erweitern. Nach den Verträgen sind sie noch sehr begrenzte. Aber immerhin bestehen das Kontrollrecht, das Budgetrecht und auch das Recht des Mißtrauensantrags mit dem Zwang, daß die Mitglieder der Europäischen Kommission nach einem solchen Mißtrauensantrag zurücktreten müssen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das Parlament ist sehr wichtig. Aus diesem Grunde halte ich es auch für notwendig, daß es selbständig bleibt und daß man von dem Gedanken abkommt, es in eine Abteilung der Beratenden Versammlung des Europarats umzuwandeln. Damit ginge nämlich die Eigenständigkeit und die sich daraus ergebende Kraft des parlamentarischen Geschehens verloren, eine Kraft, die gerade bei diesen wirtschaftlich für die sechs Staaten so entscheidenden Fragen noch auf Jahre hinaus sehr notwendig ist.
    Wer die Geschichte der Verhandlungen über Euratom und Gemeinsamen Markt kennt, weiß, daß zunächst und auf lange Zeit Euratom im Vordergrund stand. Noch zu Anfang des letzten Jahres sah es so aus, als bestehe nur Interesse daran, die Euratom-Gemeinschaft zu bekommen. Es sah so aus, als ob der Gemeinsame Markt in ferner, nebelhafter Zukunft liege.
    Ich glaube, es ist ein großer Erfolg der Verhandlungen und der Entwicklung, daß es gelungen ist, die anderen davon zu überzeugen, daß der Gemeinsame Markt für die europäische Entwicklung eigentlich das Entscheidende ist. Heute ist das Problem des Junktims überwunden. Wir haben beide Verträge nebeneinander, und sie werden — so nimmt man an miteinander realisiert werden können. Ich darf daran erinnern, daß damit auch ein Wunsch dieses Hohen Hauses verwirklicht worden ist, das im Zusammenhang mit der Monnet-Resolution am 22. März des vergangenen Jahres eine Entschließung faßte, in der ausdrücklich gewünscht wird, neben Euratom auch die Grundlagen für den Gemeinsamen Markt zu schaffen. Das wurde zu einem Zeitpunkt beschlossen, wo die Dinge noch nicht so klar lagen, wie es heute der Fall ist.
    Ich will nun nicht mehr lange auf die überseeischen Gebiete eingehen. Hier hat die Regierungserklärung sehr detailliert dargelegt, was beabsichtigt ist und wie man verhindern will, in irgendwelche problematischen Situationen kolonialpolitischer Art zu kommen. Ich will aber auch da sagen: Man muß verstehen, daß es fast nicht möglich ist, eine so enge Wirtschaftsverbindung unter den sechs Staaten zu schaffen, wenn man ihre überseeischen Gebiete dabei unberücksichtigt läßt. Es ist deutlich, wie zwischen Tunis und Marokko, die


    (Dr. Furler)

    selbständige Staaten geworden sind, Algerien, das sich in einer besonders schwierigen Situation befindet, und den eigentlich überseeischen Gebieten, nämlich jenen Zentral- und Westafrikas, differenziert wird.
    Ich möchte aber doch — und ich glaube, das ist einmal notwendig — zwei Dinge klarstellen. Meiner Meinung nach ist es ebenso falsch wie bedauerlich, mit dem Schlagwort „Kolonialismus" jede Tätigkeit europäischer Staaten in Gebieten außerhalb unseres Kontinents zu diskriminieren. Die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte zeigt, welche Großtaten Europa gerade in einer Zeit, in der die Kolonien eine so große Rolle spielten, in anderen Kontinenten vollbracht hat. Nicht die Verwaltung, Aufschließung und Entwicklung ferner Gebiete, denen die Kraft zur Selbstregierung noch fehlt, stellen ein Unrecht oder eine zu kritisierende Haltung dar; abzulehnen aber sind Ausbeutung und Mißbrauch der Macht. Ich muß sagen: mich berührt es immer sehr, daß die freien Völker des Westens wegen dieses sogenannten „Kolonialismus" gerade von Sowjetrußland sehr scharf kritisiert werden, einem Staat, der ja viel Schlimmeres tut, als der schlimmste Kolonialismus vermag. Sowjetrußland verweigert nämlich großen alten europäischen Völkern und 17 Millionen Deutschen mit Gewalt die Rückkehr in das freie Europa.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es hindert diese Menschen mit militärischen Mitteln, sich uns im freien Westen anzuschließen und so zu leben, wie es ihrer Tradition, ihrer Vergangenheit und ihrem Willen und Wunsch entspricht. Ich will hier nicht weiter untersuchen, ob diese — ich möchte fast sagen — Minderwertigkeitskomplexe, die heute sofort entstehen, wenn von Kolonien die Rede ist, berechtigt sind und worin ihre Ursachen liegen. Ich weiß, daß die sehr komplizierte und schmerzliche Algerienfrage viel dazu beigetragen hat, die Beziehungen Europas zu Afrika und den nordafrikanischen Ländern zu belasten. Aber wenn wir hören und wenn wir überzeugt sind, das Zeitalter des Kolonialismus in diesem Sinne gehe zu Ende, neue Entwicklungen hätten sich schon durchgesetzt und bahnten sich weiter an, dann, glaube ich, ist es eine wichtige Aufgabe, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit überseeischen Gebieten zu entwickeln, die noch nicht die Selbständigkeit haben und vor allem noch nicht die Voraussetzungen besitzen, um der Familie der freien Völker anzugehören.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es wird mit Recht gesagt, es sei die Aufgabe unseres Jahrhunderts, den industriell zurückgebliebenen Völkern die Hilfe der hochentwickelten Länder zukommen zu lassen. Das ist zu billigen. Wer aber diesen Vertrag betrachtet, wer sieht, was hier vereinbart ist, wird zu dem Ergebnis kommen, daß hier gerade solche Formen der Entwicklung gesucht und gefunden werden. Man will — und das ist ausdrücklich gesagt — im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen jenen überseeischen Gebieten helfen. Die Wirtschaftsgemeinschaft wird also gerade das Gegenteil von dem tun, was Kolonialpolitik in der kritisierten Weise bedeutet. Sie wird sich bewußt mit ihren Mitteln damit befassen, in gewissen afrikanischen Gebieten die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, damit die Bevölkerung dort zu einer Selbstverwaltung und schließlich zur politischen Selbständigkeit kommt. Ich glaube, wir können uns diesen Pro-
    blemen, ganz unabhängig davon, daß sie uns jetzt durch diese Wirtschaftsgemeinschaft nahegebracht werden, schon deshalb nicht verschließen, weil es doch ziemlich deutlich ist, daß die große Auseinandersetzung in der Welt, und zwar diejenige zwischen der freien und der nichtfreien Welt, gerade im Kampf um solche Gebiete besteht. Wenn wir in Europa nicht so viel Solidarität und so viel Gemeinschaftsgeist aufbringen, von uns aus und mit unseren Mitteln jenen Völkern eine bessere und selbständige Zukunft zu ermöglichen, dann besteht die große Gefahr, daß die Lage von wo anders her, durch ein Ausspielen von uns Europäern, gestaltet wird. Es gibt da die verschiedensten Möglichkeiten: Denken Sie an die immer stärker werdende sowjetrussische Infiltration im Vorderen Orient und auch in Nordafrika, denken Sie auch an die anderen Gefahren, die in jenen Gebieten bestehen.
    Ich glaube, nach den Vereinbarungen, die getroffen worden sind, besteht nicht die Gefahr, daß man der Europäischen Gemeinschaft und damit uns eine unzulässige Ausbeutung oder einen Mißbrauch der Macht in jenen Gebieten vorwerfen kann. Nein, es werden Mittel zur Verfügung gestellt, um diese Gebiete zu entwickeln, um ihnen die Möglichkeit zur Freiheit zu geben.
    Und hier wieder einen Frage an Sie, Herr Dr. Deist. Sie haben sehr viele Bedenken. Man muß die Probleme natürlich genau prüfen. Aber auch da gilt wieder: ist Nichtstun und Warten, bis die Gebiete vielleicht von allein frei geworden sind, besser, als in einem gegebenen Moment zu versuchen, zu einer Lösung zu kommen? Es ist eben in vielen Gebieten noch nicht so weit — ich denke an Französisch-Äquatorial- und Westafrika —, daß schon eine Staatenbildung wie z. B. in Ghana möglich wäre. Aber das wird auch einmal kommen. Dürfen wir bis dahin warten? Ist nicht das Gebot der Stunde, das zu tun, und zwar lauteren Herzens zu tun, was möglich ist, um dadurch nicht nur für diese Gebiete, sondern auch für Europa etwas Entscheidendes zu leisten?
    Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, wie ungeheuer wichtig es für unsere Freiheit, für unsere Wirtschaft und für die Lebensinteressen unseres alten Kontinents ist, daß jene Territorien nicht verlorengehen, nicht in einen anderen Einflußbereich hineinkommen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Dr. Kreyssig: Denken Sie gelegentlich an Algerien und Tunesien!)

    — Sie wissen, Herr Kollege Kreyssig, daß Tunesien und Marokko — ich will zuerst diese beiden nennen — inzwischen auch von uns anerkannte souveräne Staaten geworden sind. Diese Staaten werden in keiner Weise durch das Vertragswerk berührt. Man nimmt ,an — und man hat Anhaltspunkte dafür —, daß sie, noch zum Frankengebiet gehörend, an dem Gemeinsamen Markt interessiert sind. Wenn sie von sich aus wünschen, sich mit der Wirtschaftsgemeinschaft zu assoziieren, werden später selbständig auszuhandelnde Verträge geschlossen werden.
    Das schwierige Problem Algerien! Sicher, es ist geradezu eine tragische Situation. Aber der Sinn dessen, was hier geschieht, ist nicht, die Algerienpolitik Frankreichs zu unterstützen. Sie wissen, daß Algerien einen Sonderstatus bekommt. Es kommt nicht völlig in den Vertrag hinein. Große Teile der Verträge finden auf Algerien keine Anwendung.


    (Dr. Furler)

    Es wird geprüft, was hier später geschehen soll. Wir werden und können Frankreich die Verantwortung für seine Algerienpolitik nicht abnehmen. Wir können aber auch nicht deshalb, weil Frankreich noch in einer schwierigen Situation ist, sagen: Wir lehnen eine Gemeinschaftsbildung ab. Denn wir sind überzeugt, daß das Algerienproblem durch Frankreich und im Rahmen der Vereinten Nationen eine Lösung finden wird, die den Frieden und die Ruhe auch im nordafrikanischen Gebiet wiederherstellt.
    Nun noch einige Bemerkungen zu dem Verhältnis der Wirtschaftsgemeinschaft zu dritten Staaten, zunächst zum übrigen Europa! Es ist das Falscheste, was behauptet werden kann, die sechs Staaten wollten sich abschließen. Sie wollen ein Gebiet wirtschaftlicher Ordnung schaffen in der Überzeugung, daß sich die Einigung in diesem Raum auch auf das übrige Europa fördernd auswirken wird. Diese Überzeugung ist keine reine Theorie. Das konnte man uns vor zwei Jahren vorhalten und sagen: Ihr schließt euch ab, kein Mensch wird sich danach richten! Großbritannien hat im vergangenen Sommer gezeigt, daß Fakten berücksichtigt werden, daß Tatsachen Rechnung getragen wird. Ich glaube, die Idee, eine Freihandelszone zu schaffen, wäre nie aufgekommen, wenn man nicht gesehen hätte, daß die Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs im Begriffe ist, sich zu bilden. Wenn sie schon im Begriffe, sich zu bilden, solche Auswirkungen hat, dann werden diese Auswirkungen noch deutlicher und noch realisierbarer werden, wenn sie geschaffen ist. Denn davon bin ich überzeugt: ohne die Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs werden die anderen und werden wir alle in dem bisherigen Zustand weiterleben. Die OEEC-Verhandlungen haben ziemlich deutlich ergeben, daß es im gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich ist, das gesamte Europa ohne den Grundstock der Sechs zu einer Gemeinschaft einer Freihandelszone endgültiger Art zusammenzuführen. Die Gegensätze sind sehr, sehr groß. Aber wir sehen, wie die Dinge über den Gemeinsamen Markt in Fluß kommen.
    Wir sind darin einig, alles zu tun, um nicht zur Abschließung zu kommen, sondern zur Förderung, nämlich zur Bildung solcher Freihandelszonen. Wir wollen auch Opfer bringen auf diesem Gebiet. Wir wollen vor allem auch anerkennen, daß es manchen Staaten nicht leicht ist, diesen Entschluß zu fassen. Ich glaube, die Gemeinschaft wird dem Rechnung tragen. Sie wird zur endgültigen wirtschaftlichen, sagen wir individuellen Einigung Europas beitragen. Das ist besser, als wenn wir wieder sagten: Da wir nicht alles erreichen können, tun wir gar nichts. Im übrigen möchte ich, weil es auch für die politische Beurteilung wichtig ist, sagen, daß die neueste Haltung der sowjetischen Regierung uns doch sehr zu denken geben muß. Sie wissen, daß das sowjetische Außenamt am 16. März eine Note verschickt hat, in der es einen sehr scharfen Angriff gegen diese werdende Wirtschaftsgemeinschaft richtet. An dieser Note ist interessant, daß zunächst Ausführungen gemacht werden, die die besten Argumente für eine europäische Wirtschaftszusammenfassung geben. Die sowjetische Regierung sagt, man müsse Europa zusammenführen, nur so könne man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden, nur so die technischen Probleme meistern. Aber dann kommt plötzlich — ich sage das ganz bewußt — die Wendung, nämlich unser Werk sei verfehlt und abzulehnen, weil diese Wirtschaftsgemeinschaft kein anderes Ziel habe, als die westliche militärische Aggression zu fördern, da die Staaten der Gemeinschaft auch Mitglieder der NATO, der atlantischen Verteidigungsgemeinschaft, seien. Ich frage nun: Wie steht es mit dieser Argumentation, wenn sich Schweden oder ein Staat wie die Schweiz anschließen, die mit der NATO nichts zu tun haben? An die europäische Integration hat man gedacht und an ihr gearbeitet, als wir von einer atlantischen Verteidigungsgemeinschaft noch nicht wußten, zumindest als noch niemand damit rechnete, daß die Bundesrepublik der NATO einst angehören werde.

    (Abg. Dr. Lenz [Godesberg]: Sehr richtig!)

    Aber es ist hoch interessant: In dieser sowjetischen Note wird wieder versucht, die europäischen Völker auseinanderzumanövrieren So wird gesagt, die Erklärungen der europäischen Staatsmänner stellten lediglich Irreführungen dar; diese Politiker wollten nur bemänteln, was sie in Wirklichkeit beabsichtigen. Den Franzosen wird ausdrücklich vor Augen geführt, daß die neuen europäischen Verträge zur wirtschaftlichen Hegemonie der deutschen Monopolherren führten und daß eine unmittelbare Gefahr für das französische Volk heraufbeschworen werde. Die übrigen Länder, so wird behauptet, würden gegenüber den Militaristen und Revanchisten Westdeutschlands entmachtet. Uns Deutschen wird gesagt, daß die amerikanischen Monopole und Korporationen den Gemeinsamen Markt zu ihrem eigenen Vorteil und zum Schaden der Interessen der nationalen Industrie der europäischen Länder benutzen werden. In einer gewissen Verbeugung vor den „einflußreichen Kreisen" Englands erklärt die Note, daß diese Kreise keinerlei Illusionen hinsichtlich jener Folgen hegten, welche ihre Beteiligung am Gemeinsamen Markt nach sich ziehen würde. Schließlich wird den Italienern erklärt, daß sie im Zuge des Gemeinsamen Marktes — und das ist sehr interessant — in den übrigen europäischen Ländern für die schwersten, gefährlichsten und am schlechtesten bezahlten Arbeiten eingesetzt und völlig von der Willkür der deutschen und anderen ausländischen Monopolkapitalisten abhängig gemacht würden.
    Sie erkennen die Absicht. Im Grunde geht es darum, noch im letzten Augenblick etwas zu versuchen, was wir kennen: uns Europäer auseinanderzuspielen. Denn man will verhindern — und das ist das alleinige Ziel, das man im Augen hat —, daß sich dieses Europa wenigstens wirtschaftlich konsolidiert, daß es in sich zusammenwächst und damit die Grundlage für eine weitere politische Entwicklung schafft.
    Auch zum deutsch-französischen Problem, das in diese Wirtschaftsgemeinschaft eingebettet liegt, möchte ich noch ein Wort sagen. Sicher sind die klassischen, aus der nationalstaatlichen Politik entstandenen Differenzen zwischen diesen beiden Völkern beseitigt. Das Saarabkommen hat hier eine letzte Lösung gebracht. Frankreich erkennt auch das deutsche Anliegen auf Wiedervereinigung an und unterstützt es. Es geht aber nicht, bei dieser Lage stehenzubleiben. Es erscheint mir notwendig, zu einer Gemeinschaft mit Frankreich zu kommen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das vorliegende Vertragswerk von Bedeutung. Erinnern Sie sich, daß schon 1946 Churchill sagte: „Der erste Schritt zur Wiederaufrichtung Europas ist


    (Dr. Furler)

    die Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich". Wir müssen über die Bereinigung der Differenzen hinauskommen, müssen kommen zu einem gemeinschaftlichen Denken, einer Bereitschaft zur Hilfe, wenn ein Partner sie nötig hat. Der Vertrag zeigt hier auf dem wirtschaftlichen Gebiet Ansatzpunkte für eine solche Entwicklung, von der ausgehend ein ganz neues politisches Denken entstehen kann, in dem Europa wieder Vorbild für andere Gebiete der Welt sein könnte.
    Ich habe soeben die Wiedervereinigung erwähnt. Ich muß sagen, daß mich die Argumentationen der Regierungserklärung völlig überzeugt haben. Es besteht kein Zweifel an der völkerrechtlichen Situation. Die Handlungsfreiheit des wiedervereinigten Deutschland ist auch gegenüber diesen Verträgen gegeben. Ich halte es nicht für notwendig, dies ausdrücklich in den Verträgen zum Ausdruck zu bringen; ich denke dabei an den Entschließungsantrag, den die SPD vorgelegt hat. Ich glaube, es ist mit Rücksicht auf die gesamtpolitische Haltung der Bundesrepublik richtiger, mit den eindeutigen Erklärungen aller Partner zufrieden zu sein. Auch das, was über den Interzonenverkehr gesagt ist, sollte genügen. Man muß schon ein sehr kompliziertes Denken anwenden, Herr Dr. Deist, wenn man herauslesen will: nur bei Inkrafttreten des Vertrags sollen die Bestimmungen unberührt bleiben. Der Sinn ist der: die anderen haben anerkannt, daß es innerhalb Deutschlands keine Zollgrenzen gibt und daß der Interzonenverkehr eine innerdeutsche Angelegenheit ist. Wir müssen die hier zum Ausdruck kommende Einstellung unserer Partner anerkennen. Denn rein ökonomisch betrachtet ist es natürlich nicht ganz leicht, eine Zollgemeinschaft zu gründen, in der ein Partner eine so besondere Situation hat, daß der Außenzolltarif nicht lückenlos anwendbar ist. Man muß die Dinge auch einmal von dieser Seite sehen.
    Bei der Betrachtung der Verträge, des Werkes der wirtschaftlichen Gemeinschaft gilt es nicht nur ein Urteil abzugeben, sondern auch eine Haltung einzunehmen. Wir verkennen nicht, daß diesen Verträgen auch Mängel anhaften. Wir wissen, daß Kompromisse notwendig waren, daß ohne sie die Verträge gar nicht entstanden wären. Wir sehen auch die Opfer, die gerade von uns verlangt werden.
    Wichtiger als alle diese Feststellungen scheint mir aber der Geist, den wir diesem Werk für seine weitere Entwicklung eingeben, ist das Leben, das wir aus ihm entwickeln und das aus ihm entstehen wird, wenn wir uns anstrengen, seine großen Ziele zu realisieren. Ohne einen gewissen Optimismus, ohne konstruktive Phantasie und ohne den Glauben an und den Willen zur Vorwärtsentwicklung wird auch das beste Gemeinschaftswerk zum Stillstand gebracht. Wo aber eine positive Einstellung besteht, ergibt sich die Möglichkeit, das sich ständig entwickelnde Leben zu gestalten. Mit Kleinmut und Kritik kommen wir nicht weiter. Selbstverständlich wollen wir Vorzüge und Mängel der Verträge realistisch betrachten. Darüber dürfen wir aber den Mut zu einer positiven Haltung nicht verlieren. Bedeutende Ausgangspositionen sind gegeben. Es heißt mitarbeiten und denen helfen, die in dieser Gemeinschaft der Hilfe bedürfen. Nur so werden sich die Opfer rechtfertigen, die auch wir bringen müssen. Die Verträge geben eine große europäische Möglichkeit. Ich bin
    sogar überzeugt, sie geben im Augenblick und auf lange Zeit hinaus die einzige Möglichkeit, zu einem neuen Europa vorwärtszuschreiten, zu einem Europa, dem der Geist des gemeinschaftlichen Denkens und Handelns innewohnt, einem Europa, das Solidarität und die Kraft besitzt, die sich aus dem Zusammenwirken benachbarter und befreundeter Völker notwendigerweise entwickeln wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich meiner besonderen Freude Ausdruck geben, daß ich soeben Herrn Kollegen Gockeln wieder in unserer Mitte sehe,

(Beifall)

der lange Wochen durch die Folgen eines schweren
Unfalls von unseren Beratungen ferngehalten war.
Mein Grußwort gilt ebenso Herrn Kollegen Cillien, der heute nach mehrmonatiger schwerer Krankheit erstmals wieder in diesem Saale ist, aber leider noch nicht in der Lage ist, den ganzen Tag unseren Beratungen zu folgen. Wir wünschen den beiden Kollegen von Herzen weitere gute Genesung.

(Beifall.)

Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten möchte ich ihrer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß sich die Bundesregierung in der heutigen Regierungserklärung mit den Bedenken auseinandergesetzt hat, die wir in der Öffentlichkeit zum Plan einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erhoben haben. Dieser Versuch ist nicht ganz vergeblich gewesen; mindestens in einem Punkte konnte eine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte erreicht werden. Freilich, alle Sorgen hat uns die Regierungserklärung nicht nehmen können, und leider konnten das natürlich auch nicht die Ausführungen meines sehr geehrten Herrn Vorredners, die ganz getragen waren von der gläubigen Hoffnung, die in der milden Bonner Luft so gut gedeiht: es wird schon alles gut gehen. Ich weiß aus 30jähriger Berufspraxis, daß in der harten, aber klaren Luft der internationalen Verträge handfeste Abmachungen doch eine sicherere Basis sind.
    In einem Punkte, Herr Professor Furler, darf ich Ihnen aber zustimmen. Soweit Sie die europäischen Ziele, den Willen zu einer europäischen Gemeinschaft, den Willen zu einem größeren europäischen Markt bekundet haben, sind wir mit Ihnen und damit auch mit der Bundesregierung völlig einer Meinung. Nur sind wir von der Sorge erfüllt, daß dieses Ziel auf diesem Wege nicht erreicht werden kann.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Mehr Vertrauen!)

    — Ja, das kann man natürlich haben. Aber ich sagte schon: wir stützen uns lieber auf feste Abmachungen. Nach Lage der Dinge müssen wir voraussetzen, daß, wenn dieser Vertrag überhaupt das Ziel erreicht, das man sich mit ihm gesteckt hat, ein kleineuropäischer Wirtschaftsraum zusammenwächst, der sich durch Zollmauern nach außen abschirmt, daß es also in Zukunft zwei Sorten Europäer geben wird: die einen, die in der Zollunion sind, und die anderen, die draußen sind. Diese


    (Margulies)

    Spaltung des derzeitigen europäischen Marktes sehen wir als die größte Gefahr an; das ist unsere Hauptsorge. Wenn wir Herrn Professor Erhard hören, werden unsere Sorgen nicht weniger. Was Herr Professor Erhard täglich zu diesem Thema von sich gibt, ließe eigentlich erwarten, daß er sich — mit „brutaler Gewalt" meinetwegen —

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    im Bundeskabinett oder in seiner Fraktion einmal durchsetzt. Ich bewundere aufrichtig die Elastizität, mit der er sich immer wieder vom Rednerpult auf den Sessel des durch Kabinettsbeschluß gebundenen Ministers begibt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Hier handelt es sich doch urn ein wirtschaftliches Projekt. Das kann entweder richtig oder falsch sein; es ist keine Frage der Weltanschauung, der Konfession oder der Parteizugehörigkeit. Wenn Herr Professor Erhard aber sagt, es handle sich um einen volkswirtschaftlichen Unsinn — und ich bin bereit, mich seinem sachkundigen Urteil zu beugen —,

    (Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

    dann ist es eben falsch, und dann ist er uns doch die Erklärung schuldig, warum er uns empfiehlt, etwas Falsches zu tun. Denn das kann man nicht allein mit dem Glauben rechtfertigen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang Herrn Professor Röpke zitieren, der gesagt hat: „Es ist für einen Nationalökonomen schwer, ein guter Europäer zu sein und gleichzeitig den Ruf eines solchen zu haben." Meine Freunde und ich glauben aber, sich den Ruf, gute Europäer zu sein, verdient zu haben. Wir haben uns seinerzeit für den Europarat entschieden und seine Bemühungen hier im Hause jederzeit unterstützt. Wir haben für die Montanunion und für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gestimmt, welch letztere leider nicht zustande kam, weil die guten Europäer in Europa leider nicht gleichmäßig verteilt sind.

    (Heiterkeit.)

    Bei diesen Institutionen handelt es sich freilich nicht um vergleichbare Tatbestände, jedenfalls nicht um Tatbestände, die mit einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vergleichbar sind. Jeder Bereich hat eine gewisse Eigengesetzlichkeit. Man kann das eine auf einem dafür vielleicht besonders geeigneten Raum durchaus erfolgreich praktizieren, ohne daß der gleiche Raum für ein anderes Unternehmen geeignet sein muß. Oder präziser ausgedrückt: die Interessen, die in einer Montanunion der sechs Länder vereinigt sind, können durchaus erfolgreich verfolgt werden — ich kann über dieses Gebiet nicht sprechen —, aber das braucht noch lange nicht für eine wirtschaftliche Integration auf allen anderen Gebieten so zu sein. Man kann das jedenfalls nicht einfach im Analogieschluß unterstellen.
    Solche Vergleiche, auch solche mit dem Zollverein, der uns einmal zu einer kleindeutschen Lösung geführt hat, sind immer gefährlich. Ich darf mich da auf das Wort eines großen Historikers beziehen, der gesagt hat: „Historische Analogien sind ein anmutiges Spiel, welches aber durchaus darauf beruht, daß ,die Bedingungen der einen oder beider Tatsachen nicht mit völliger Deutlichkeit erkannt werden."
    Die Tatsachen, um die es sich hier handelt, können überhaupt noch nicht mit völliger Deutlichkeit erkannt worden sein, weil wir die Vertragstexte erst seit wenigen Tagen kennen. So wird die Entscheidung über die Verträge von uns ja auch erst mit der Vorlage des Ratifikationsgesetzes verlangt. Heute handelt es sich nur darum, zu den Absichten Stellung zu nehmen, die uns die Regierung mit ihrer Erklärung vorlegt. Das aber hätte sie schon viel früher tun sollen; denn dann hätten wir beizeiten Gelegenheit gehabt, hier zu den Absichten Stellung zu nehmen und zu sagen, wieweit wir bereit sind, den Vorschlägen zu folgen, wo wir Verbesserungen wünschen und wo wir aus unserer Verantwortung heraus glauben eine Grenze ziehen zu müssen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Hoffen wir, daß es dazu heute noch nicht zu spät ist.
    Es verträgt sich nicht mit unserer Vorstellung von der Würde dieses Hauses, wenn man sich die Vertragstexte von französischen Kollegen besorgen lassen muß.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es ist auch nicht gut, wenn Spitzenorganisationen der Wirtschaft ihre Zustimmung schon geben müssen, bevor sie die Vereinbarungen überhaupt kennen.

    (Erneutes Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es wäre vielleicht für den Herrn Staatssekretär — wenn er einmal zuhören wollte —

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    der Überlegung wert, ob man nicht wenigstens
    jetzt die Verträge schnellstens drucken und allen
    Abgeordneten dieses Hauses zustellen sollte, damit
    Debatten über diesen Punkt auf Grund fundierter
    Kenntnis der Vertragstexte geführt werden können.

    (Zuruf von der SPD: Er hat ihn vielleicht auch noch nicht gehabt!)

    Doch, seit Freitag, soviel ich weiß.
    Soweit die Regierung sich bemüht, einen größeren europäischen Markt zu schaffen, wollen wir ihr uneingeschränkt folgen. Wir sind immer Anhänger der OEEC gewesen. Zu dem, was hier vorhin Herr Professor Erhard ausgeführt hat, könnte ich eigentlich nur sagen, daß ich mich den Ausführungen dieses geehrten Herrn Vorredners anschließe. Wir haben immer die Bemühungen um die fortschreitende Liberalisierung gutgeheißen. Wir sind bereit, die angeglichene europäische Zollnomenklatur zu ratifizieren. Wir hätten sehr gern die Bestrebungen mitgetragen, durch allmählichen Abbau der Zölle zu einer europäischen Freihandelszone zu kommen.
    Nachdem das französische Parlament bereits vor acht Wochen die Absichten der Regierung sechs Tage lang diskutierte, haben nun wir Gelegenheit, uns etwa ebenso viele Stunden mit der Angelegenheit zu befassen, reiner Angelegenheit, deren Tragweite sich auch jetzt noch gar nicht voll übersehen läßt und zu der wir uns deshalb die endgültige Entscheidung bis nach gründlichem Studium vorbehalten müssen. Wir werden aber die Sorge nicht los — ich muß das noch einmal sagen —, daß dieser Weg nicht richtig ist, daß es nicht der Weg ist, der uns nach Europa führt. Wenn der Vertrag wirklich das Ziel erreicht, das im Vertragstext gesetzt ist, bildet sich eine kleineuropäische Gemeinschaft; es wird also genau das erreicht, was auch die Bundes-


    (Margulies)

    regierung ablehnt, und es wird die Gefahr heraufbeschworen, daß wir zu einer kleineuropäischen Autarkie kommen.
    Die Mäglichkeit, davon loszukommen, ist zweifellos in der vorgesehenen Schaffung von Freihandelszonen gegeben. Auch wir würden es für richtig halten, wenn man sehr bald mit den übrigen OEEC-Staaten zum Freihandel käme und sich mit der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft etwas mehr Zeit ließe, damit die Verträge gleichzeitig in Kraft treten können. Nach meiner Überzeugung könnten die Schwächen und Fehler dieses Vertragswerkes weitgehend gemildert werden durch das gleichzeitige Inkrafttreten von Verträgen über Freihandelszonen innerhalb der europäischen Staaten, die heute zum OEEC-Bereich gehören.
    Wir müssen uns einmal .die gegenwärtige Situation vor Augen führen. Herr Professor Erhard hat vorhin schon die Entwicklung dargelegt. Wir haben etwa 25 % unseres Außenhandels mit den fünf Staaten, mit denen wir eine Europäsche Wirtschaftsgemeinschaft bilden wollen, etwa 30 % mit den übrigen OEEC-Staaten, und der Rest entfällt auf den Überseehandel. Der Überschuß im Außenhandel, der es uns ermöglicht, unser Defizit im Überseehandel zu bezahlen, fällt im Handel mit den übrigen OEEC-Staaten an. Hier sehen Sie die ganze Gefahr, in die wir uns hineinbegeben, wenn es nicht gelingt, gleichzeitig mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Freihandelszonen zu bekommen. Das ist einer der wichtigsten Punkte, und seine Regelung wird für uns für die Beurteilung des Vertrages von ausschlaggebender Bedeutung sein.
    Ein großer Teil der Sorge, die sich an die Frage der Wiedervereinigung knüpft, ist für meine Begriffe behoben. Im Gegensatz zu Herrn Dr. Deist bin ich der Meinung, daß der Text des Protokolls nach der Richtung befriedigend ist. Man wird zwar dias ungute Gefühl nicht los, daß sich durch den Beitritt des einen Teils Deutschlands zu einer westeuropäischen Gemeinschaft die beiden Teile Deutschlands auseinanderentwickeln werden. Aber man wird auch nicht verkennen dürfen, daß der andere Teil Deutschlands bereits seit langem zu einer Ostwirtschaftsvereinigung, zu einem Ostwirtschaftsblock gehört. Wir würden es begrüßen, wenn es der Bundesregierung gelänge, die Feststellung noch zu präzisieren, daß der Waren- und Zahlungsverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands eine rein innerdeutsche Angelegenheit bleibt, die vom Vertrag nicht berührt wird. Aber ich möchte doch anerkennen, daß das, was im Protokoll von der Bundesregierung zu diesem Punkte erreicht worden ist, unsere Bedenken weitgehend beseitigt hat.
    Nun, meine Damen und Herren, zu der schon viel besprochenen Frage der überseeischen Gebiete. Auch hier muß man anerkennen, daß der zuständige Minister hartnäckig gegen das Projekt gekämpft hat, und es ist also — wie wir das gehört haben — erst in letzter Stunde von übergeordneter Stelle entschieden worden. Wir hätten gewünscht, daß der zuständige Minister die Sache hätte zu Ende führen können.
    Leider ist es auch hier so, daß die besten Absichten in der Welt gar zu oft verkannt werden. Ich darf hier den gewiß unverdächtigen Präsidenten der Europa-Union, Herrn Friedländer, zitieren, der im „Hamburger Abendblatt" vom 23. Februar schrieb:
    Es liegt nahe, daß in dieser Idee der beiden Kolonialmächte die Hoffnung enthalten ist, die eigenen afrikanischen Positionen zu stärken, nicht allein wirtschaftlich, sondern auch politisch. In Wahrheit ist eine klare Grenze zwischen sozialen, wirtschaftlichen, politischen Investitionen in Afrika überhaupt nicht zu ziehen. Politisch aber haben die anderen vier Vertragspartner dort nichts zu sagen. Wird die Hilfe gewährt, um damit Ruhe zu erkaufen, Ruhe für die Kolonialherrschaft, so ist alles vergeblich, weil dies doch nur ein mäßiger Versuch wäre, gegen den historischen Strom zu schwimmen.
    Soweit Herr Friedländer.
    Meine Damen und Herren, ich darf Sie daran erinnern, daß die Motive zum Abschluß des IsraelAbkommens weiß Gott nirgendwo verkannt werden konnten, daß uns gleichwohl im arabischen Raum allerhand Schwierigkeiten daraus erwachsen sind, weil es uns eben nicht gelungen ist, diese Motive auch jedem deutlich zu machen. Ich fürchte sehr, daß auch die guten Motive, die wir hinsichtlich der Entwicklung der überseeischen Gebiete anführen könnten, draußen eben nicht ankommen, sondern daß man nur das Faktum sieht, daß wir die französische Kolonialpolitik unterstützen, mit der Konsequenz, daß man uns die Folgen der französischen Kolonialpolitik zur Last legt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, diesen Anschein zu vermeiden, indem man die souveränen nordafrikanischen Staaten zu einer gleichberechtigten Mitarbeit heranzieht und damit den Verdacht ausräumt, daß man sich in Kolonialgedanken bewege. Ich habe aber leider in den Artikeln über die Institutionen nichts darüber gefunden, wie die Mitarbeit der souveränen nordafrikanischen Staaten sich vollziehen soll. Im Ministerrat ist jedenfalls kein Platz gelassen, in der Kommission auch nicht; im Parlament wird es vielleicht die geringsten Schwierigkeiten machen. — Aber immerhin würde mir dies ,als eine Möglichkeit erscheinen, den Verdacht abzuwehren, daß auch wir uns etwa kolonialen Gedankengängen bewegten.
    Nun ist auch hier schon sehr viel davon gesprochen worden, wie die Institutionen arbeiten, und es war da immer von einer parlamentarischen Kontrolle die Rede. Meine Damen und Herren, das ist ein sehr ernster Punkt. Ich habe das Gefühl, bei Festlegung der Bestimmungen über die Institutionen dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist geflissentlich dafür gesorgt worden, daß überhaupt keine parlamentarische Kontrolle vorhanden sein wird.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

    Das Recht der Versammlung ist derart eingeengt! Wenn Sie die Klauseln lesen, dann finden Sie, daß die Versammlung einmal im Jahre zusammentreten darf, um einen Bericht entgegenzunehmen, daß sie diesen Bericht kritisieren darf, aber eigentlich keinen Beschluß darüber fassen kann, es sei denn den mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschluß, der einer Revolution gleichkäme, die Kommission ablösen zu lassen. Ein solcher Ministersturz wäre annähernd mit einer Revolution zu vergleichen und müßte derart tiefführende Beweggründe haben, daß er jedenfalls nicht als Regel angesehen werden kann, also auch nicht als eine Möglichkeit der Einflußnahme.


    (Margulies)

    Herr Furler hat vorhin von einem Budgetrecht gesprochen. Das gibt es leider auch nicht. Die Versammlung hat die Mäglichk den Haushalt der Europäischen Wirtschaftsgen einshaft zu prüfen und dem Ministerrat Vorschläge für eine Änderung zu unterbreiten, und der Ministerrat befindet dann darüber. Die Versammlung hat also für meine Begriffe gar nichts zu sagen.
    Es wäre die Frage, inwieweit die nationalen Parlamente in dieser Sache ein Kontrollrecht ausüben können. Ein wenn auch beschränktes Kontrollrecht haben wir ja bei der Montanunion. Alle Zollvorlagen — allerdings sind sie dann schon in Kraft — werden hier im Parlament noch einmal verabschiedet. Es ist bis heute noch nicht vorgekommen, daß eine solche Zollvorlage abgelehnt worden ist. Wir können also nicht wissen, was in einem solchen Falle geschehen wird. In allen Fällen sind die Zölle, wenn wir hier darüber beschließen, schon lange Zeit in Kraft. Die einzige Kontrolle, die ich mir vorstellen kann, ist dann wieder die, daß wir den Beitrag zur Montanunion bei den Haushaltsberatungen zwar bewilligen, ihn aber einer Kritik unterziehen, oder ihn ablehnen.
    Dann wurde uns gesagt — nicht heute, nicht hier im Hause, aber es wurde gesagt—,daß die Minister, die dem Ministerrat angehören, dem nationalen Parlament verantwortlich sind. Mit diesem Einwand wurde unser Bedenken beschwichtigt, zumal die französische Nationalversammlung, die eifersüchtig über ihre Rechte wacht, in diesem Punkte keine Einwendungen erhoben hat.
    Aber, meine Damen und Herren, wir wissen doch, daß es bei uns eine Ministerverantwortlichkeit überhaupt nicht gibt. Wir können mit Hilfe ') des konstruktiven Mißtrauensvotums doch nur die ganze Regierung ablösen, ein Fall, der noch nicht vorgekommen ist, und auf den einzelnen Minister, der uns in dieser Versammlung vertritt, haben wir gar keinen Einfluß. Die Tatsache, daß der Bundesrat hier aus der Legislative ausgeschaltet worden ist, muß er selbst werten, und er wird das zu vertreten haben. Ihm brauchen wir, glaube ich, in dieser Hinsicht keine Ratschläge zu geben. Ich würde aber sehr gern von der Bundesregierung hören, wie sie diesem Mangel abzuhelfen gedenkt, zumal sie nach den Erklärungen nicht die Absicht hat, die parlamentarische Kontrolle 'auszuschalten. Ich bezweifle — ich habe vorhin schon darauf hingewiesen —, daß dieser Vertrag überhaupt zum Tragen kommt, daß das Ziel überhaupt erreicht werden wird. Herr Professor Erhard hat ja dieses Unternehmen als einen schwer gepanzerten Wagen mit zu kleinem Motor und überdimensionierten Bremsen bezeichnet,

    (Heiterkeit beim GB/BHE)

    womit er doch sagen wollte, daß es kaum möglich ist, mit der gefundenen Konstruktion, mit der Vielzahl von Ausweichklauseln und mit all dem, was darin verankert ist, das gewünschte Ziel überhaupt zu erreichen. Die schönste Formulierung, die ich dazu gehört habe, ist die, daß sich der Vertrag selbst im Wege stehe.

    (Heiterkeit bei der FDP, der SPD und dem GB/BHE.)

    Das scheint mir weitgehend der Fall zu sein. Auch hier würde es nötig sein, in neuen Verhandlungen den Versuch zu machen, die schlimmsten Tücken auszuräumen, wenn überhaupt der Wille besteht, zu einer Gemeinsamkeit der Wirtschaft dieser sechs
    Staaten zu kommen. Wenn Sie davon ausgehen, daß das Vertragsziel nur im Wege eines Anpassungsprozesses erreicht werden kann, indem sich die Produktion nach dem kostengünstigsten Standort hin verlagert, dann muß ich sagen: all die Klauseln des Vertrages, die für den Fall, daß der eine oder andere von diesem Verlagerungsprozeß betroffen wird, eine Hilfe vorsehen, sind doch ein Hindernis gegenüber diesem Anpassungsprozeß. Ich fürchte sehr, daß die Bremsen stärker sind als der Motor; denn wir haben so viel Schutzklauseln, Anpassungshilfen und Ausgleichskassen, die dem Anpassungsprozeß entgegenstehen, daß dadurch zum mindesten der Anpassungsprozeß entscheidend verlangsamt wird.
    Die zweite Frage zu diesem Thema ist die Harmonisierung der Soziallasten. Auch hier muß ich anerkennen, daß es der Bundesregierung gelungen ist, die ursprüngliche Forderung entscheidend zu reduzieren. In den Vertrag selbst sind nur noch zwei Punkte aufgenommen, die wir glauben verkraften zu können. Aber in dem Vertragswerk steht doch auch der allgemeine Grundsatz, daß die Harmonisierung der Soziallasten im Laufe der Übergangszeit durchgeführt werden muß, und wir kennen doch die ursprüngliche Forderung. Das, was seinerzeit der Conseil Economique in Frankreich als Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages gefordert hat, geht ja weit, weit über das hinaus, was jetzt im Augenblick zur Diskussion steht. Wir wissen auch, und zwar aus der französischen Parlamentsdebatte, daß die französische Regierung die Forderung jeweils bei jeder Etappe wieder anmelden wird und daß sie — und das ist ausgesprochen worden — die Zustimmung zum Weiterschreiten von der ersten zur zweiten Etappe und sicher auch von der zweiten zur dritten Etappe von unserem Willen abhängig machen wird, die viel weitergehenden sozialen Lasten, dieses ganze Gestrüpp von Sozialversicherungen, Beihilfen, Fürsorgen und dergleichen, das es heute in Frankreich gibt, zu übernehmen. Im Augenblick steht davon noch nichts im Vertrag, aber wir werden diesem Problem spätestens in vier Jahren nach dem Inkrafttreten der Verträge wieder begegnen. Und da ist dann doch die ernste Sorge berechtigt, ob hier nicht einfach durch die Addition der sehr viel höheren Soziallasten zu unseren sehr viel höheren Löhnen ein Kostenvorsprung für die französische Industrie geschaffen werden soll, der nun wiederum den gewünschten und als Ziel angesehenen Anpassungsprozeß verhindert.
    Der dritte Punkt zu diesem Thema ist die Frage der Währungsrelationen. Auch das ist hier schon ausgiebig besprochen worden. Trotzdem muß ich noch einmal darauf hinweisen, daß ja die verzerrten Währungsrelationen das Hindernis sind, weshalb die OEEC mit ihren Bestrebungen nicht mehr weitergekommen ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Und dieses entscheidende Hindernis baut man jetzt in das neue Unternehmen ein. Man zementiert es dort nach dem Vertragstext. In der Debatte der französischen Nationalversammlung ist nämlich die beruhigende Erklärung abgegeben worden, daß man zwar alle Jahre mal darüber sprechen werde, wie man diese Dinge handhaben könne, daß aber doch im ganzen gesehen während der ganzen Dauer der Übergangszeit keine Möglichkeit bestehe, die Ausgleichsmaßnahmen, also die Einfuhrsteuern und


    (Margulies)

    die Exportsubventionen, anzugreifen und sie ohne die Zustimmung der französischen Regierung abzubauen.
    Meine Damen und Herren, ich würde über diese Sache gar nicht sprechen — sie wäre vielleicht gar nicht so furchtbar wichtig —, wenn sie nicht ein entscheidendes Hindernis für den Erfolg des Vertrages darstellte. Was hat es denn für einen Sinn, eine solche Sache in Gang zu setzen, wenn man von vornherein mit der großen Gefahr rechnen muß, daß die Opfer, die wir an sich für einen größeren europäischen Markt zu bringen bereit sind, womöglich vertan sind, daß sie gar nicht zur Geltung kommen können?
    Ich habe bisher noch nicht darüber gesprochen, wie sich die ganze Sache auf die deutsche Wirtschaft auswirken wird. Wenn hier gesagt worden ist: die höheren Außenzölle werden keine Preissteigerung zur Folge haben, — also, meine Damen und Herren, das ist ein vergleichsweise einfaches Rechenexempel! Der Herr Staatssekretär hat dagegengehalten, daß im internen Verkehr der sechs Mächte durch den Zollabbau Preisermäßigungen eintreten können. Ich fürchte, das ist ein Irrtum; denn der Warenverkehr zwischen den sechs Staaten bezieht sich ganz überwiegend auf Agrarprodukte, die ja von einer Zollsenkung nicht betroffen werden, und auf Waren, die Verbrauchsteuern bzw. zur Zeit Finanzzöllen unterliegen, also ebenfalls von der Zollsenkung nicht betroffen werden.
    Etwas anderes ist die Frage, ob sich nicht durch das Ausräumen der Zölle andere Warenströme ergeben, die wir im Augenblick noch nicht übersehen können. Aber davon kann man sich jedenfalls für den Moment auf Grund der vorliegenden Unterlagen eben noch keine Senkung der Preise versprechen, wohl aber umgekehrt von den Außenzöllen eine recht massive Erhöhung der Preise; denn wir müssen für etwa 70 % unseres derzeitigen Warenverkehrs etwa 60 % der Zölle, im Schnitt also 40 % unserer Zölle erheblich anheben.
    Gewiß hat die Bundesregierung um diese Sache gekämpft, und sie hat nicht ohne Erfolg gekämpft; auch das müssen wir zugestehen. Aber das ändert doch auch nichts daran, daß bei uns der Trend, die Zölle zu senken und allmählich abzuschaffen, abgestoppt wird, daß wir mit dem Zollniveau nach draußen hinauf müssen — von den Konsequenzen gegenüber unseren Handelspartnern will ich jetzt noch gar nicht sprechen —, daß wir aber hier zu Preiserhöhungen kommen müssen, die sich vielleicht — jedenfalls nach vier Jahren — durch die höheren Soziallasten verstärken werden.
    Wir müssen ja auch die französischen Kolonialprodukte zu einem sehr viel höheren Preis einführen, als sie am Weltmarkt gekauft werden können. Das läßt sich aus dem Vertrag im Moment noch gar nicht herauslesen, weil ja zunächst nur Generalklauseln über den Verkehr der Agrarprodukte beschlossen worden sind, die der Ministerrat erst mit Leben zu erfüllen hätte. Aber der Wille der französischen Regierung, unter allen Umständen das in ihren überseeischen Gebieten weit über den Weltmarktpreisen liegende Preisniveau für die Einfuhren nach Deutschland zugrunde zu legen, steht nun allerdings fest, und wir werden dem nach den Vertragsklauseln kaum ausweichen können.
    Ich darf Sie auf die Auswirkung einer Klausel aufmerksam machen, die sich ganz harmlos liest.
    Da steht, daß die Einfuhrländer künftig ihre im Inland geltenden Preise für die Einfuhren zugrunde legen werden. — Wir kaufen im Jahre 500 000 t Weizen von Frankreich, für die wir bisher den Weltmarktpreis bezahlt haben und für die wir künftig unseren hochgeschleusten Preis bezahlen müssen. Das macht eine Differenz von 80 Millionen Mark aus, die Herr Schäffer weniger an Abschöpfungsbeträgen in der Kasse haben wird. Mit dieser Summe werden wir also den französischen Weizenanbau subventionieren.
    Gut, es ist kein ausschlaggebender Betrag; aber es ist e i n Artikel. Für die anderen kann ich es leider nicht ausrechnen. Von dem weiß ich's. So wird es noch eine ganze Menge Dinge geben, bei denen Preissteigerungen auf uns zukommen. Wir haben, glaube ich, die künftige Produktivitätssteigerung in Deutschland schon bis an die äußerste Grenze belastet. Dazu kommen nun die hier in dem Vertrag liegenden Lasten. Ob wir sie weiter mit Produktivitätssteigerungen auffangen können, wage ich zu bezweifeln. Ich würde gerne von der Bundesregierung hören, wie sie dieses Bedenken ausräumt. Aber einfach zu negieren und festzustellen: Aus Zollerhöhungen werden sich keine Preiserhöhungen ergeben, — so leicht kann man sich die Sache nicht machen!
    Ich komme zu einem zweiten bedenklichen Punkt. Den Erfolg unserer Wirtschaft verdanken wir doch in erster Linie der wirtschaftlichen Auffassung — die der Herr Bundeswirtschaftsminister immer vertreten hat — der freien Marktwirtschaft, die ja das Ziel der Freien Demokraten ist. Der Erfolg liegt auf der Hand und wird kaum mehr bestritten. Nun nähern wir uns leider dem Ende der Marktwirtschaft; denn gerade das, was uns die Bundesregierung bei den Zöllen als Ausweichmöglichkeit preist — die Zollkontingente —, führt ja sofort zum Dirigismus. Da eine begrenzte Menge gegeben ist, stürzt sich alles auf diese Menge, und sofort haben Sie wieder Quoten und den ganzen Zirkus, den wir ja aus der Vergangenheit kennen. Es gibt im Vertrag so viele solche Vorschriften, daß ich nicht glauben kann, daß sich die freiheitliche Auffassung gegenüber der dirigistischen durchsetzen kann.
    Die letzte Frage, die im Zusammenhang mit den Folgen dieses Unternehmens zu behandeln ist, ist die Frage der Abkehr vom Weltmarkt. Ich sagte vorhin schon, daß wir etwa 45 % unseres Außenhandels mit überseeischen Gebieten betreiben und daß wir in diesem Bereich leider mit etwa 3 Milliarden DM defizitär sind, daß wir also doch versuchen müßten, unser Gewicht etwas mehr in diesen Bereich — auch zur Entlastung des europäischen Marktes — hineinzuverlegen. Aber nach den nun getroffenen Abmachungen wird es mit dem Welthandel und mit der auch hier im Hause vorhin noch so gepriesenen Unterstützung der Entwicklungsländer ja dann wohl sein Ende haben; denn wenn wir den Großteil der Kolonialprodukte in den überseeischen Gebieten Frankreichs und Belgiens kaufen müssen und kaufen werden — denn das ist ja der Sinn dieser Zusammenarbeit —, dann wird für den Rest nicht mehr viel übrigbleiben.
    Ich habe hier eine Reihe von Bedenken aufgezählt, und ich glaube, es sollte das Anliegen der Bundesregierung sein, diese Bedenken auszuräumen. Aber man kann das nicht einfach tun, indem


    (Margulies)

    man von der Dynamik der Entwicklung spricht. Soviel Glauben an die Dynamik der Entwicklung habe ich nicht mehr, und ich will Ihnen auch sagen warum. Wir haben bei uns zu Hause — Herr Professor Furler kennt das genau — aus vier Ländern durch eine Volksabstimmung mit einer ausreichenden Mehrheit, aber gegen den Willen eines Teiles dieses Bereiches, ein einziges Gebilde geschaffen. Man hätte doch annehmen sollen, daß in den Jahren, die seitdem vergangen sind, ein Zusammenwachsen stattgefunden hätte, daß also die Dynamik der Entwicklung die Widerstände überwunden hätte. Aber ich sehe da leider nichts von Ergebnissen der Dynamik der Entwicklung. Es ist weder gelungen, zu einer vernünftigen Bezirkseinteilung zu kommen, noch ist es gelungen, die Landkreise etwas rationeller zu gestalten. Also hier kann von einer Dynamik der Entwicklung überhaupt keine Rede sein.
    Denn das ist doch die Frage, wie weit die einzelnen Teilnehmer sich an der Dynamik der Entwicklung beteiligen wollen. Wir wissen doch, daß Frankreich ein sehr reiches Land ist; es ist nicht nur ein schönes, sondern auch ein außergewöhnlich reiches Land mit einer sehr geschickten und fleißigen Bevölkerung. Es sind also alle Voraussetzungen für eine gesunde und ertragreiche Wirtschaft gegeben. Schon allein die Sprache des französischen Volkes! In keiner Sprache können Sie die unangenehmsten Dinge so charmant sagen, daß sie nicht verletzen. Mit welcher Geschicklichkeit gibt man eine verheerende Wirtschaftspolitik als sozialen Fortschritt aus.

    (Heiterkeit.)

    Wie schön klingt ein Preisen irgendeiner Idee in der französischen Sprache. Also nur im Französischen ist so etwas möglich. Und dieses Volk sollte nicht können, wenn es wollte? Ich wage das zu bezweifeln.
    Die in den letzten Tagen verhängten Importrestriktionen und Erhöhungen der Einfuhrabgaben sind eigentlich kein guter Auftakt, kein Beweis des guten Willens zur Zusammenarbeit, wie Herr Hallstein es hier ausgedrückt hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Er sagte, daß das künftige Wirken in der Gemeinschaft immer von dem Geist echter Zusammenarbeit der beteiligten Staaten getragen sein werde. Wenn aber diese beteiligten Staaten derartige Extratouren unternehmen, solange sie gerade eben noch die Möglichkeit dazu haben, was wollen wir dann von diesem Geiste echter Zusammenarbeit halten?
    Ich bitte also, nicht alles, was an Schwächen und Mängeln in diesem Vertrag enthalten ist, mit dem Glauben an die Zukunft und mit der Dynamik der Entwicklung zu entschuldigen. Wir möchten gern genaue Fakten haben, die man kritisch prüfen kann, zu denen man dann ja oder nein sagen kann, je nach dem, ob sie zu einer befriedigenden Regelung führen oder nicht.
    Es ist auch noch eines zu bedenken. Es würde der internationalen Höflichkeit entsprechen, dieses Vertragswerk vor der Ratifizierung in dem von uns anerkannten GATT — dem General Agreement on Tariffs and Trade — prüfen zu lassen, sich mit den anderen GATT-Teilnehmern darüber zu unterhalten, ob sie Bedenken haben oder nicht, und wenn ja, diese Bedenken auszuräumen. Ich fürchte sehr, wenn man das nach der Ratifizierung macht, wird es sehr teuer kommen. Es ist eine alte Erfahrung, daß, wenn die Dinge einmal beschlossen sind und man die Zustimmung eines Dritten haben muß, das nicht billig wird. Aber es würde auch dem Ansehen der Bundesrepublik in den internationalen Gremien durchaus dienen, wenn das GATT vor Ratifizierung der Verträge befragt würde.
    Ich sehe überhaupt keinen Grund zu dieser schrecklichen Eile. Warum muß jetzt die Ratifizierung hier in den letzten Wochen dieses Parlaments, das kaum noch legitimiert ist, so etwas zu machen, durchgepeitscht werden?

    (Widerspruch in der Mitte. Zurufe von der Mitte: Was soll das denn? — Wieso denn?)

    — Sicherlich, staatsrechtlich bin ich völlig Ihrer Meinung, aber es gibt ja doch noch politischen Anstand!

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD. — Abg. Dr. Arndt: Es sollte ihn geben! — Erneute Zurufe von den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Das gehört sich nicht! — Abg. Dr. Hellwig: Das Parlament hat seine Legitimation bis zum letzten Tage!)

    — Jawohl, Herr Dr. Hellwig, das habe ich Ihnen zugestanden: staatsrechtlich sind Sie im Recht; aber ob es geschickt und klug ist, dieses Vertragswerk mit Methoden durchzupeitschen, Herr Dr. Hellwig, die mich sehr daran erinnern, wie seinerzeit Bonn Bundeshauptstadt geworden ist, und dabei die Gesetze internationaler Höflichkeit zu verletzen, das halte ich doch für fraglich.

    (Abg. Dr. Hellwig: Der Ausdruck „durchpeitschen" ist auch ungehörig!)

    Außerdem würde ich es für richtig ansehen, wenn die Bundesregierung die hier vorgetragenen Bedenken in Verhandlungen mit den übrigen Mitgliedstaaten noch einmal prüfte und versuchte, sie auszuräumen. Meine Fraktion würde es begrüßen, wenn es der Regierung gelänge, unsere Bedenken bis zu der Entscheidung zu zerstreuen. Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß der gleichzeitige Abschluß von Vereinbarungen über Freihandelszonen mit den übrigen Ländern des OEEC-Raums manche der hier vorgetragenen Bedenken für uns etwas weniger deutlich hervortreten ließe, daß also, rundheraus gesagt, wenn die Vereinbarungen über die Freihandelszonen gleichzeitig abgeschlossen werden könnten, wir die hier vorgetragenen Bedenken weniger wichtig nähmen.

    (Beifall bei der FDP, bei der SPD und dem GB/BHE.)