Rede von
Dr.
Richard
Hammer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die unser Kollege Herr Professor Schellenberg vertreten hat, trägt die Überschrift „Entwurf eines Fünften Gesetzes über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung". Das ist in den letzten Jahren immer der Terminus technicus dann gewesen, wenn die „Reform" der Sozialversicherung mit solchen Vorlagen begonnen werden sollte. Herr Professor Schellenberg hat seinem Entwurf in einer Klammer eine viel bescheidenere Auslegung gegeben: „Gesetz über Leistungsverbesserungen in der Krankenversicherung". Trotzdem wird mit dem Inhalt des Entwurfs ein wesentlicher Schritt zur Reform getan. Wir Freien Demokraten billigen diesen Schritt in dieser Form allerdings nicht. Herr Schellenberg weiß das.
Nach dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion soll die Arzneikostengebühr nach § 182 a sowie die Krankenscheingebühr — der Nachbarparagraph — aufgehoben werden. Bei dem Vergleich der Ausgaben der Krankenversicherungsträger in den verschiedenen Zonen Deutschlands soll sich nach Professor Schellenberg herausgestellt haben, daß trotz unterschiedlicher Bremsen, die durch die Selbstbeteiligung gezogen seien, die Leistungen sich völlig gleich entwickelt hätten. Er hat sich aber in seiner eigenen Vorlage widersprochen. Wir haben diese Vorlage sehr spät bekommen. Das ist eine schlechte Gewohnheit ,aus dem letzten Jahr. Sie werden mir deshalb verzeihen, wenn ich mich wie der Herr Bundesarbeitsminister darauf berufe, daß ich sie nur kurz überflogen habe. Aber hier hat gestern ein Zufall geholfen; Herr Professor Schellenberg fiel mir ein, als mir ein Freund eine Unterkieferprothese aus einem Etruskergrab zur Betrachtung in die Hand drückte.
— Die hat es damals schon gegeben. — Der § 183 b der Vorlage des Kollegen Schellenberg lautet nämlich folgendermaßen:
Die Kasse trägt die Kosten für herausnehmbaren Zahnersatz. Für festsitzenden Zahnersatz trägt die Kasse nach Maßgabe der Satzung die Kosten oder beteiligt sich mit einem Zuschuß an den Kosten.
Also mindestens in diesem Fall steht Herr Professor Schellenberg nicht ganz zu der Auffassung, daß die Kostenbeteiligung zwecklos sei.
Wir wissen ganz genau, daß die ökonomische Lage eines großen Teils der Versicherten nur die Gewährung ausgesprochener Naturralleistungen gestattet. Wir wissen aber auch, daß in den Kreis der Sozialversicherten Millionen und aber Millionen von Staatsbürgern hineingeraten sind, die sehr wohl das eigene Risiko zum Teil oder zu einem kleinen Teil tragen können. Wir sind der Auffassung, daß man darauf unter gar keinen Umständen verzichten kann. Denn wenn Sie darauf verzichten, meine Damen ,und Herren, dann tritt doch der Zustand ein, daß der Gewissenlose oder der Lässige auf Kosten seines gewissenhaften Genossen in der Krankenversicherung die Mittel der Kasse in Anspruch nimmt.
Man soll die Frage der Mittelaufbringung nicht bagatellisieren. Vielleicht das älteste und einfachste Beispiel, das uns bei der Krankenpflege und -behandlung immer wieder einfällt, ist doch die schöne Geschichte von dem barmherzigen Samariter, der an der Straße zwischen Jerusalem und Jericho die Wunden des Schwerverletzten mit Wein und Öl versorgt hat. Die Grundsatzfrage für jede Handlung in der Krankenversicherung, für jede ärztliche Hilfe, für jede Hilfe der Diakonie ist doch die Frage: wo kommen Wein und Öl her, wo sind die Mittel herzunehmen, um die Leistungen tatsächlich auch gewähren zu können? Man kann das Thema deutsche Krankenversicherung nicht behandeln, ohne die Frage einer echten und soliden Kostenaufbringung aufzuwerfen. So müßten die Anregungen des Herrn Professors Schellenberg gesehen werden. Allerdings läßt auch hier das späte Datum des Gesetzentwurfs, der Zeitpunkt, in dem er eingereicht worden ist, es sehr fraglich erscheinen, ob die schwierige Materie noch in diesem Bundestag behandelt werden kann. Wir werden uns die größte Mühe geben. Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuß zu.