Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie brauchen keine Angst zu haben, daß ich am Schluß der agrarpolitischen Debatte bei der Besetzung des Hauses noch eine große Rede halbe. Dazu habe ich gar keine Veranlassung. Ich möchte nur feststellen, daß bei anderen hochpolitischen Debatten das Haus besser besetzt ist, als es im Durchschnitt heute bei der Agrardebatte besetzt war. Das steht einwandfrei fest. Herr Kollege Kriedemann, da sind wir beide Leidtragende.
Das ist doch immer so.
Nun Aber ein paar kurze Schlußbemerkungen! Die Grundlage des Landwirtschaftsgesetzes ist nach wie vor der § 1, wo es heißt: Die Regierung soll dafür sorgen, daß die Landwirtschaft entsprechend angeglichen wird. Ich werde das im Wortlaut nicht wiederholen.
Hier kommt nun der Änderungsantrag des Herrn Kollegen Fassbender, wo es heißt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, in Anwendung der ihr nach § 1 des Landwirtschaftsgesetzes vorgeschriebenen Mittel der Landwirtschaft für ihre Erzeugnisse kostendeckende Preise zu sichern.
Das ist für uns ein ganz selbstverständlicher Grundsatz. Aber es ist aus einer Reihe von Gründen unmöglich, daß die Entschließung so von dem Hohen Hause angenommen wird.
Hier heißt es noch „verpflichtet". Dem stehen verfassungsrechtliche Bedenken .gegenüber.
— Ja, bitte, da gibt es nichts zu bezweifeln. Hier ist nicht der Platz, daß wir gegenseitig Agitation auf dem Gebiet der Agrarpolitik treiben, besonders wir Regierungsparteiren nicht.
Das sollte sich doch wirklich erübrigen. Wie sollen wir denn im Wahlkampf zu Rande kommen, wenn wir schon unter uns Koalitionsparteien uneinig sind?
.
Das gibt eine saubere Famine.
Der Kollege Fassbender weiß das so genau wie ich. Er ist aber Schlitzohr genug, um zu verseuchen, das agitatorisch für sich auszuwerten.
Jetzt wollen wir aber die Sache auf sich beruhen lassen.
Ich beantrage, diesen Entschließungsantrag auf Umdruck 962 dem Ernährungsausschuß zu überweisen.
— Der Ernährungsausschuß langt.
— Soll der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht dazu kommen, können wir uns das noch überlegen.
— Ja, es soll also dem Ernährungsausschuß als federführendem und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als mitberatendem Ausschuß überwiesen werden. Das beantrage ich als Nummer eins.
Nummer zwei: Ich möchte feststellen, daß unser gutgemeinter Grüner Bericht des vorigen Jahres deswegen nicht richtig angekommen ist - man muß die Kirche ja auch beim Dorf lassen —, weil wir leider Gottes jetzt schon drei schlechte landwirtschaftliche Jahre gehabt haben.
Manche Maßnahme der Bundesregierung, die noch so gut gemeint und gezielt war, ist in den Hintergrund getreten, weil manches durch die Entwicklung überholt worden ist.
Der Grüne Bericht hat auch folgenden Mangel. Er liegt naturgemäß immer ein Jahr zurück: jetzt vom 1. Juli 1955 bis zum 30. Juni 1956, und ibis man dazu kommt, ist beinahe wieder ein Jahr darüber hingegangen, bis die letzten Durchführungsbestimmungen erschienen sind. Hinzu kommt, daß während der Zeit vom 30. Juni 1956 ibis heute eine weitere Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft eingetreten ist.
Das vergangene schlechte Jahr mit den großen Katastrophen - Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Teile von Bayern und andere Gebiete, die Notgebiete der Winzer usw.; ich will. jetzt nicht alle aufzählen, damit ich keinen vergesse — hat natürlich die Lage verschärft. Aber daraus den Schluß zu ziehen, daß wir aus der Lage nur durch agrarpolitische Überforderungen herauskommen können, ist verkehrt, weil wir mit den Überforderungen kein Gehör bei der übrigen Bevölkerung finden. Der Radikalismus bei der Landwirtschaft ist heute ein unrentables Geschäft.
Denn er treibt die Landwirtschaft in eine Isolierung gegenüber der übrigen Bevölkerung, und diese Isolierung können wir nicht gebrauchen.
Es können einzelne Grafen oder Barone Sehnsucht danach haben, Präsident zu werden;
wenn die Sehnsucht befriedigt ist, hört der Radikalismus vielleicht wieder auf.
Ich habe den Wunsch, daß die Regierung den Verhältnissen Rechnung trägt. — Herr Kollege Lücker, wir reden deutsch miteinander; wir müssen mit den Menschen deutsch reden, sonst verstehen sie es nicht, die sind so dickfällig wie die Büffel drüben in Afrika!
Sorgen Sie dafür, Herr Bundesernährungsminister, daß die Hilfsmaßnahmen für die Katastrophengebiete jetzt so rasch wie möglich durchgeführt werden; das gehört nämlich unbedingt dazu.
Denn wir können den Grünen Plan nicht im Raume stehen lassen. Es heißt: der Grüne Plan soll die Katastrophengebiete nicht einbeziehen. Aber andererseits gehören die Katastrophengebiete doch dazu, damit das Ganze zur Wirkung gebracht werden kann. Das ist hier notwendig.
Dann bin ich durchaus damit einverstanden, daß die bewährten Maßnahmen weitergeführt werden, Wegeverbesserung, Elektrifizierung. Und dann geben Sie auf die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe Obacht, berücksichtigen Sie hier besonders die schlechteren Gebiete! Das kann bei den einzelnen Positionen geschehen!
Herr Kollege Kriedemann, hier und da reden Sie so vernünftig, daß ich direkt begeistert bin,
aber heute reden Sie wieder was daher, daß man direkt in den Boden versinken möchte.
Ja, passen Sie auf — ich bin ja Raiffeisen-Mann, das wissen Sie ja —: Wir haben bei der Düngemittelverbilligung gesehen, wie das bei der Bevölkerung gewirkt hat. Wir haben in Bayern, in Franken, in der Oberpfalz kleinbäuerliche Betriebe — in Südbayern sind größere bäuerliche Betriebe —, bei denen die Verrechnung der Düngemittelbeihilfe ausgezeichnet angekommen ist. Das wurde allgemein anerkannt. Natürlich kann ich nicht mit dem Zirkel genau ausmessen, ob es ein kleiner oder ein größerer oder ein halbkleiner Betrieb ist. Die Leute sind schon zufrieden, wenn sie für das, was sie in der Wirtschaft verwenden, entsprechende Kostenverbilligungen bekommen.
Bezüglich Milchwirtschaft haben Sie so danebengehauen, daß ich als Milchwirtschaftler direkt erschrocken bin, Herr Kriedemann!
Auch bin ich da mit dem Herrn Minister nicht ganz einverstanden. Er hat die Milchpreissubventionierung in eine Leistungssteigerung eingewickelt: eine Prämie von 4 Pfennig für Leistungssteigerung!
— Ja, selbstverständlich Qualitätsverbesserung! Darum heißt es ja auch Leistungssteigerung, denn erhöhte Leistung ist ja auch erhöhte Qualität.
— Jetzt kommt der mit seinem kurzsichtigen Verstand auch noch dazwischen!
— In Gottes Namen: Qualitätsverbesserung — damit wir wieder einig sind —, gebunden weiter an die Tierseuchenbekämpfung. Diese Frage wollen wir dann im Ausschuß prüfen, deshalb will ich jetzt nicht darauf eingehen. Da wollen wir uns jetzt hier nicht festlegen.
Aber was ich jetzt vom Standpunkt der Milchwirtschaft sagen möchte, ist das: Wir wollen die Anhebung des Milchpreises um 4 Pfennig. Warum? Weil wir es durch die Erhöhung des Frischmilchpreises nicht machen können und weil wir auf der anderen Seite die Preise der Produkte wie Butter und Käse, die hier der Notierung unterliegen, nicht willkürlich heraufziehen können — das ist ein Ding der Unmöglichkeit —, und diese
Produkte bzw. die Werkmilch machen den größeren Teil aus. Deswegen ist es notwendig, wenn man den Milchpreis zu einer Gesundung bringen will, das durch eine Subventionierung zu tun. Das ist so ein Fall, wo auch ich für die Subventionierung bin. Da braucht man sich gar nicht zu genieren, denn es geht nicht anders. Ich kann den Butterpreis nicht ins Uferlose steigern, weil sonst der Konsum zurückgeht. Deswegen ist hier ein typischer Fall für eine Subventionierung gegeben.
Es kommt eines hinzu: daß die breite Landwirtschaft gerade die rasche und gute Durchführung dieser Anhebung des Milchpreises mit besonderer Begeisterung aufnehmen wird. Das ist meine feste Überzeugung. Deswegen, Herr Minister, haben wir die dringende Bitte: tun Sie Ihre Beamten, die ich sonst hoch achte, ein bißchen stark aufrütteln, daß sie mit ihren Vollzugsanweisungen fertig werden, damit wir die Geschichte in Ordnung bringen.
Dann muß noch etwas für die Bergbauernbetriebe geschehen, die bei der Milchpreisstützung schon etwas bedacht sind.
Die Tragödie mit den Winzern, denen man hier Versprechungen gemacht hat, muß auch noch bereinigt werden. Man hat ihnen alles in Aussicht gestellt, — nichts ist geschehen. Man hat ihnen alles mögliche versprochen, Presseartikel sind erschienen, — und nichts ist bisher geschehen.
Noch ein ganz kurzes Wort zur Alterssicherung. Die Alterssicherung ist in der Mentalität unserer bäuerlichen Bevölkerung so weit vorgetrieben, daß es ein Zurück in dieser Frage nicht mehr gibt.
Der Gesetzentwurf muß vom Bundestag noch in dieser Periode verabschiedet werden.
Zur Alterssicherung gehört die Versorgung der in der Familie lebenden Leute. Die Landwirtschaft ist in den bäuerlichen Familienbetrieben erst dann gesund, wenn die era beiteten Löhne für die Familienmitglieder auch entsprechend sichergestellt und zurückgelegt werden, damit der mitarbeitende Sohn und die mitarbeitende Tochter das Gefühl haben, daß sie nicht umsonst arbeiten, sondern daß sie als gleichberechtigte Familienmitglieder für ihre Arbeit den verdienten Lohn erhalten. Diese Frage muß man ernstlich erörtern. Erst wenn das Erarbeitete alles zurückgelegt werden kann, haben wir gesunde Verhältnisse.
Schwierig ist die Lösung der Frage der Kapitalversorgung. Ich behalte mir vor, dazu im Ausschuß noch manches zu sagen. Bezüglich der Kapitalversorgung — lassen Sie mich das aussprechen; ich habe auch mit dieser Frage auf finanzpolitischem Gebiet zu tun — ist der Grüne Bericht, so schön er sonst sein mag, völlig unzureichend. Die Kapitalversorgung ist ein wesentlicher Faktor bei der Wiederherstellung der Rentabilität der Landwirtschaft.
— Da kommt der schon wieder mit allem möglichen daher!
Es ist zu unterscheiden zwischen Schulden und Schulden. Schulden, die dazu dienen, ein entstandenes Defizit abzudecken, sind die gefährlichsten Schulden. Schulden, die dazu dienen, Investierungen zu ma-
chen, besonders mittelfristiger Art, müssen so gestaltet sein, daß die Fristen für die Tilgung, die aus dem Ertrag zu erfolgen hat, eingehalten werden können.
Deswegen ist es notwendig, daß genügend Kapital und verbilligtes Kapital für lese Dinge zur Verfügung steht, und da ist der Grüne Bericht unzureichend. Wir werden also die Verhältnisse näher erörtern müssen.
Erlauben Sie mir, Herr Kollege Lücker, daß ich als alter Hase sage: Ich bin kein so theoretisch zu begeisternder Mann; nein, da bin ich viel zu vorsichtig geworden. Da kommt der gemeinsame europäische Markt daher
— der europäische Markt —,
da sind doch sämtliche guten Europäer schon einig. Wenn sich die Leute nicht mehr auskennen in einer Debatte, dann heißt es: Europa muß her, und die ganze Situation ist gerettet.
So ist die ,Sache nämlich auch nicht. Da besteht ein großer Unterschied zwischen politischen Notwendigkeiten — die gebe ich sogar zu —, politischem Idealismus und dem durchzuführenden wirtschaftlichen Realismus; das sind zwei Sachen. Das kann man nicht von heute auf morgen machen. Wir wollen das nicht weiter erörtern. Aber ich sage immer: moderato, nicht fortissimo. In diesen Fragen ist das Interesse der Landwirtschaft ein besonderes Interesse, ein Lebensinteresse. Besonders bei der heutigen Lage der Landwirtschaft können wir nicht sagen: Wir werden mit der Verbesserung der ganzen Verhältnisse den Höchststand schon in verhältnismäßig kurzer Zeit erreichen. Wir haben bei der heutigen Lage der Landwirtschaft noch nicht einmal den Ausgangspunkt gefunden.
— Geben Sie doch Ruhe, ich bin bald fertig.
Zum Schluß habe ich noch zu sagen, daß der Entschließungsantrag Umdruck 961*) mit den Ziffern 1 bis 8, der hier begründet worden ist, sehr viel Dinge enthält, über die man nicht noch reden kann. Aber so einen Entschließungsantrag hier im Galopptempo anzunehmen, das geht ja nicht. Das muß dem Ausschuß überwiesen werden. Das ist vorhin etwas unklar ausgedrückt worden. Ich stelle namens der CDU/CSU den Antrag, den Umdruck 961 dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu uberweisen, weil es sich hier um zusätzliche finanzielle Mittel handelt.
Dann komme ich zu dem Entschließungsantrag Dr. Krone und CDU/CSU, Umdruck 963**). Ich brauche Ihnen die Entschließung nicht vorzulesen; Sie haben sie alle da. Über die Entschließung herrscht schon eine allgemeine Meinung im Hause, und großen Streit gibt es nicht. Herr Kollege Kriedemann. ich habe einen Wunsch von Ihnen
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 4.
gehört, und was täte ich lieber, als ,einen berechtigten Wunsch von Ihnen zu erfüllen! Da besteht gar kein Hindernis; auch das kann noch gemacht werden. Dann können wir vielleicht die Entschließung einstimmig annehmen. Diese Entschließung ist nämlich das Kernstück des Schlusses der Debatte, weil wir zunächst einmal das sichern wollen, was der vorliegende Grüne Plan bringt. Was wir dann darüber hinaus noch beraten, ist eine andere Frage. Deshalb überweisen wir die anderen Sachen den Ausschüssen.
Habe ich das jetzt genügend begründet? — Ich freue mich über Ihre Aufmerksamkeit, und ich wünsche, daß Sie dann so verfahren, wie ich es Ihnen vorschlage.