Rede von
Dr.
Heinrich
von
Brentano
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Es besteht — und ich kann nur unterstreichen, was einer der Redner vorhin sagte — in dieser Frage eine laufende Initiative.
Ich wiederhole, was ich heute morgen sagte, und ich unterstreiche es: Es gibt kein Gespräch und es gab kein Gespräch, das wir mit unseren Alliierten führten, das nicht um die Wiedervereinigung ging, und es gab keine Diskussion, die wir hier in Bonn hatten oder die der Botschafter in Moskau in der Verhandlung mit der Sowjetunion hatte, die nicht die Frage der Wiedervereinigung behandelte.
Aber es heißt doch die Dinge auf den Kopf stellen,wenn man an unserem guten Willen, an unserer Bereitschaft zweifelt. Haben Sie es nicht selbst verfolgen können, daß jeder Vorschlag, gleichgültig, wie er hieß, entweder von den Russen mit Nein beantwortet oder mit unerfüllbaren Bedingungen wiedergegeben wurde?
Erinnern Sie sich nicht daran, meine Damen und Herren, wie die erste Genfer Konferenz mit einem gemeinsamen Kommuniqué der vier Ministerpräsidenten geschlossen hat, einem Kommuniqué, das auch die Unterschrift des Ministerpräsidenten Bulganin trug? In diesem Kommuniqué hieß es, daß die vier Alliierten bereit seien — ich kann es nicht wörtlich zitieren —, die freien Wahlen in Deutschland als Weg zur Wiedervereinigung zu akzeptieren. Es dauerte so lange wie üblich bei der Sowjetunion: am Freitag wurde das Kommuniqué herausgegeben, am Samstagmorgen in der Schlußsitzung hat Herr Bulganin Verwahrung gegen seine Unterschrift eingelegt, und am übernächsten Tag war er in Pankow zu Gast und hat erklärt: Freie Wahlen kommen nicht in Frage. — Waren wir daran schuld, meine Damen und Herren, oder die Sowjetunion?
Noch zwei Bemerkungen, auf die ich auch Wert lege. Sie haben vorhin einige Feststellungen getroffen, über die wir damals sprachen, und Sie haben recht — wie wir sagten —: Die europäische Integration soll im Falle der Wiedervereinigung nicht ausgeschlossen sein. Sie haben aber nicht recht, wenn Sie sagen: Das war die EVG. — Das ist nicht richtig. Wir haben gesagt — und ich wiederhole es auch heute —: Wir wollen nicht, daß einem wiedervereinigten Deutschland der Weg zur europäischen Gemeinschaft verschlossen wird, weil wir nun mal der Überzeugung sind, daß dieses Deutschland — heute als Bundesrepublik, morgen als wiedervereinigtes Deutschland — nicht leben kann, wenn es nicht in den europäischen Raum hineingebaut wird.
Deswegen haben wir gesagt — und ich meine doch, das stimmt mit den Beschlüssen überein, die wir hier einstimmig gefaßt haben —, daß das wiedervereinigte Deutschland die Freiheit der Entscheidung haben müsse. Ist es zu viel verlangt, daß wir auch für die gesamtdeutsche Regierung die Freiheit der Entscheidung über die wirtschaftliche und soziale Zukunft des Volkes fordern?
Sie haben dann gesagt — und auch hier, glaube ich, rechnen Sie mit einem kurzen Gedächtnis —, damals habe man warnend auf die österreichische Situation verwiesen. Meine Damen und Herren, worum ging es denn damals? Es ging darum, daß uns von der Sowjetunion angetragen wurde und daß in den Vorschlägen von Pankow wiederholt wurde: Rückkehr zum Viermächtestatus! Und darauf haben wir allerdings geantwortet: Nein, keine Rückkehr zum Viermächtestatus. Ich glaube, diese Antwort war richtig.
Sie verweisen dann — und auch hier muß ich Ihnen widersprechen, Herr Kollege Wehner -- darauf, daß man hier die Kommission der drei Alliierten und der Bundesregierung beschlossen habe, aber man habe nicht einmal danach gehandelt. Herr Kollege Wehner, haben Sie vergessen, daß wir diesen Beschluß zu einer Zeit faßten, als die Bundesregierung überhaupt noch keine Außenpolitik hatte, als wir noch ein besetztes Land mit Hohen Kommissaren waren? Damals war es allerdings ein Ausweg, eine Kommission zu gründen. Ich versichere Ihnen, wenn ich heute auf den Gedanken käme, den drei Alliierten eine permanente Kommission vorzuschlagen, würden Sie mich mit Recht fragen, wofür wir eigentlich Botschafter haben. Wir sind in einem ständigen Kontakt, mehr und besser, als es ein besetztes Deutschland mit drei Kommissaren in einer ständigen Kommission sein könnte. Das hat die Vorbereitung der Genfer Konferenz bewiesen, wo wir nicht in einer Kornmission saßen, sondern wo wir an einem Tisch saßen, als die Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik gemeinsam die Vorschläge ausgearbeitet haben. Ich glaube, daß wir damit etwas mehr erreicht haben als in einer Kommission.