Rede von
Dr.
Heinrich
von
Brentano
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Wehner, Sie haben vollkommen recht. Es ist damals nach dem Stand der Verhandlungen gefragt worden, und Herr Staatssekretär Hallstein hat ausführlich berichtet. Dann ist keine Frage mehr an mich gekommen, und ich dachte, ich warte ab, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind.
— Meine Damen und Herren, ich möchte doch ganz eindeutig feststellen: es ist nicht so, daß ich nun jede Frage an das Parlament und an die Opposition herantragen muß, sondern dafür haben Sie das Recht, Fragen an mich zu stellen, Wünsche zu äußern und Beschlüsse zu fassen.
Es gibt sogar die Möglichkeit, einen Brief an mich zu schreiben; das hat im allgemeinen genügt.
Dann möchte ich nur noch zu einigen Punkten Stellung nehmen, weil ich den Eindruck habe, daß entweder der Herr Kollege Wehner sich nicht mehr genau erinnert oder daß er annimmt, daß wir uns nicht mehr genau erinnern.
Der Herr Kollege Wehner hat vorhin ausgeführt, die Bundesregierung habe den ersten Edenplan abgelehnt. Herr Kollege Wehner, erinnern Sie sich denn nicht, daß wir diesen ersten Edenplan abgelehnt haben, weil er kein Wort von der Wiedervereinigung enthielt? Das war das Entscheidende.
Er enthielt einen Plan über den Beginn einer sogenannten Abrüstung, dem die Zonengrenze zugrunde gelegt worden war, ohne auch nur das Wort „Wiedervereinigung" zu erwähnen. Da haben wir allerdings — ich bin erstaunt, daß Sie uns darum schelten — sehr klar gesagt: wir wünschen nicht, daß die Abrüstung und die Verdünnung auf dem Rücken des deutschen Volkes erfolgt und von der Wiedervereinigung keine Rede ist. Wir wollen, daß diese Dinge gleichzeitig Hand in Hand und mit Deutschland gelöst werden.
Der zweite Edenplan, den Sie dann auch in meinem Memorandum vom letzten September wiederfinden, entspricht diesen Vorstellungen. Er enthält gleichzeitig einen Wiedervereinigungsvorschlag. Deswegen ist er von uns akzeptiert und unterstützt und in dem Memorandum wiederholt worden.
Sie haben dann gesagt, Herr Kollege Wehner, die Bundesregierung habe sich geweigert und habe verhindert, daß darüber gesprochen werde; sie habe sich geweigert, auch nur in eine Diskussion über das militärische Verhältnis, den militärischen Status des wiedervereinigten Deutschlands und die Beziehungen des wiedervereinigten Deutschlands zur NATO einzutreten. Es tut mir leid, Herr Kollege Wehner. Ich muß Ihnen auch hier widersprechen und muß sagen, daß das, was Sie gesagt haben, objektiv unrichtig ist Erinnern Sie sich nicht der Vorschläge, die zusammen mit den drei Alliierten in Washington, in New York und in Paris von uns ausgearbeitet worden sind, in denen Sie nachlesen können — vielleicht habe ich sie da —, daß die Wiedervereinigungsvorschläge drei Möglichkeiten enthielten? Das wiedervereinigte Deutschland konnte danach der NATO beitreten, das wiedervereinigte Deutschland konnte neutral bleiben, und das wiedervereinigte Deutschland konnte sich dem Ostblock anschließen. Für diese drei Möglichkeiten wurden dann jeweils von den drei Außenministern mit unserer vollen Billigung die nötigen Vorschläge und Garantien dargelegt. Es heißt doch wirklich die Dinge auf den Kopf stellen, wenn man sagt, es habe bei uns an der Verhandlungsbereitschaft gefehlt und die guten Russen hätten nur darauf gewartet, daß wir ihnen ein Angebot gemacht hätten. So ist es nun leider nicht.