Rede von
Fritz
Ohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich jetzt in der Diskussion zu einigen Punkten Stellung nehmen.
Punkt 1 ist mehr eine Ergänzung zu meinen Ausführungen über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Es handelt sich hier um einen Überblick über die Steuerrückstände bei der veranlagten Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Lohnsteuer. Diese Aufstellung stammt vom 31. Mai 1956. Ich erinnere an die Feststellung des Bundesrechnungshofs, nach der einzelne Oberfinanzdirektionen bei der Gewährung von Steuerstundungen und Sondervergünstigungen recht großzügig gewesen sind. Damit dieser Hinweis des Bundesrechnungshofs auch gewürdigt wird, halten wir uns verpflichtet, über die Steuerrückstände hier dem Hohen Hause von uns aus zu berichten.
Sie betrugen bei der veranlagten Einkommensteuer am 31. Mai 1956 rund 728 Millionen DM. Davon waren gestundet rund 364 Millionen DM, wegen eines schwebenden Verfahrens ausgesetzt rund 122 Millionen DM und noch nicht beigetriebene Steuern rund 240 Millionen DM. Bei der Körperschaftsteuer betrugen die Rückstände rund 222 Millionen DM. Davon waren gestundet 121 Millionen DM, wegen eines schwebenden Verfahrens ausgesetzt rund 78 Millionen DM, noch nicht beigetriebene Steuern rund 22 Millionen DM. Bei der Lohnsteuer aber betrugen die Rückstände nur 31 Millionen DM. Davon waren gestundet rund 4 Millionen DM, ausgesetzt rund 5 Millionen DM und noch nicht beigetrieben rund 22 Millionen DM. Wir möchten diesen Tatbestand hervorheben, weil aus dieser Tabelle ganz eindeutig hervorgeht, daß die Lohnsteuerpflichtigen die pünktlichsten Steuerzahler des Bundes sind.
Allerdings möchte ich nicht verschweigen, daß
die Steuerrückstände in den letzten zwei Jahren geringer geworden sind. Am 1. Mai 1954 betrugen sie 1275 Millionen, am 1. Mai 1956 rund 950 Millionen DM. Aber im Jahre 1956 betrugen die gesamten Steuerrückstände bei der veranlagten Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer rund 920 Millionen, bei der Lohnsteuer nur rund 31 Millionen DM. Mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist es also, wenn wir uns diese Zahlen vor Augen halten, tatsächlich recht problematisch.
Der zweite Punkt betrifft die Dinge um die Lastenausgleichsbank. Das ist eine Angelegenheit, bei der wir geglaubt haben, die strittigen Fragen könnten im Rechnungsprüfungsausschuß geklärt werden. Es gäbe zu der Erklärung meines Vorredners manches zu sagen. Wir im Rechnungsprüfungsausschuß waren der Auffassung, daß die Beanstandungen des Bundesrechnungshofes sachlich in Ordnung waren; aber die Dinge wurden in einer Aussprache im Rechnungsprüfungsausschuß geklärt. Nach anfänglichem Sträuben wurden vom Herrn Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums die von Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses gestellten Fragen beantwortet; bitte, erst nach anfänglichem Sträuben, weil man sich auf formelle Dinge zurückzog und die Lastenausgleichsbank in die gleiche Linie mit anderen öffentlichen Bankinstituten stellte. Vielleicht ist das formell richtig; aber alle Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses haben erklärt, daß es ihnen nicht darum gehe, die Lastenausgleichsbank nun besonders scharf unter die Lupe zu nehmen. Wir sagten, daß wir uns verpflichtet fühlten, durch eine wahrheitsgemäße Darstellung draußen in der Öffentlichkeit die Lastenausgleichsbank zu verteidigen. Deshalb bedauern wir, daß einige Sachen wieder zur Sprache gebracht werden, von denen wir alle angenommen haben, sie seien durch die Aussprache im Rechnungsprüfungsausschuß bereinigt.
Ich wollte also zur Lastenausgleichsbank nichts sagen, vielmehr nur auf folgenden Tatbestand hinweisen und den zuständigen Minister um eine Auskunft dazu bitten. Es wurde uns jetzt mitgeteilt, der Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums habe nach der Aussprache im Rechnungsprüfungsausschuß angedeutet, daß disziplinarische Untersuchungen gegen Personen eingeleitet würden, die Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses Informationen gegeben hätten.
Darin erblicken wir eine Beschneidung der Rechte des Rechnungsprüfungsausschusses und richten deshalb an den Herrn Bundesminister für Vertriebene die Frage, ob er den Vertreter seines Ministeriums zu diesen Äußerungen beauftragt hat. Die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses erfüllen ihre Aufgaben im Auftrage des Parlaments. Die Kontrolle der Bundeshaushaltsrechnung wird unmöglich gemacht, wenn durch Androhung disziplinarer Maßnahmen versucht wird, eine Auskunftserteilung zu verhindern. Der Bundesrechnungshof und auch der Rechnungsprüfungsausschuß haben in allen ihren Berichten in den vergangenen Jahren das notwendige Verständnis für die vorhandenen Anlaufschwierigkeiten bei der Rechnungslegung gezeigt. Die Erfüllung der Kontrollaufgaben des Parlaments würde aber unmöglich, wenn auch nur die Absicht vorhanden wäre, die Auskunftserteilung zu erschweren. Deshalb bitten wir darum, daß eventuell auch die Bundesregierung hierzu Stellung nimmt.
Zum Schluß möchte ich namens der sozialdemokratischen Fraktion den Herrn Bundesminister der Finanzen ersuchen, gerade auch den Bemerkungen Beachtung zu schenken, die der Bundesrechnungshof über die Unternehmen des Privatrechts und Unternehmen in der Form von juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf den Seiten 45 bis 76 der Drucksache 1892 gemacht hat. Gerade im Anschluß an die gestrige Debatte über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand gewinnen diese Bemerkungen eine aktuelle Bedeutung. § 48 der Reichshaushaltsordnung enthält bestimmte Vorschriften über die Rechtsform der Unternehmungen. § 60 der Wirtschaftsbestimmungen für die Reichsbehörden enthält die Voraussetzungen für die Beteiligung des Bundes und schreibt die Zustimmung des Bundesministers der Finanzen für die Übernahme von Beteiligungen vor. Die Bildung eines Aufsichtsrats und die Sicherung des Bundeseinflusses in den Aufsichtsräten sind erforderlich. Nach § 48 der Reichshaushaltsordnung hat die Bundesregierung auch ein Weisungsrecht gegenüber den Vertretern des Bundes.
Wir erwähnen das alles, weil der Rechnungsprüfungsausschuß die gründliche Prüfung dieser Bemerkungen des Bundesrechnungshofs in der Hauptsache dem Unterausschuß „Bundesvermögen und Bundesbeteiligungen" überlassen hat. Aber da wir heute hier im Parlament über die Entlastung insgesamt abzustimmen haben, erscheint es uns notwendig, die Bedeutung dieser Ausführungen in
der Drucksache des Bundesrechnungshofs herauszustellen. Eine gründliche Durcharbeitung gerade dieser Bemerkungen erscheint uns außerordentlich
wichtig. Wir richten deshalb an den Herrn Bundesminister der Finanzen die dringende Bitte, daß er immer wieder auf die Pflicht zur strengsten Einhaltung der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung hinweist und die Einhaltung auch überwacht. Wenn wir uns allerdings der Stellungnahme des Herrn Bundesfinanzminister zur Frage des „Wirtschaftsbilds" und des Volkswagenwerks erinnern, müssen wir sagen, er ist in einer sehr peinlichen Lage. Wenn solche Dinge am grünen Holz geschehen, was soll es dann erst am dürren geben! Da es aber im Augenblick keine andere Stelle gibt, an die wir unseren Appell richten können, richten wir ihn an die Adresse des Herrn Bundesfinanzministers.
Im übrigen bittet die sozialdemokratische Fraktion, über den Antrag des Haushaltsausschusses getrennt nach den einzelnen Ziffern abstimmen zu lassen. Die Ziffern 1 und 2 werden wir aus politischen Gründen ablehnen, den Ziffern 3 und 4 werden wir zustimmen.