Rede von
Dr.
Karl
von
Buchka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Putzig hat schon darauf hingewiesen, daß der zur Behandlung stehende Antrag der SPD-Fraktion vom 4. Juli vorigen Jahres leider stark ins Hintertreffen geraten ist. Er stand schon in Berlin am 10. Oktober 1956 auf der Tagesordnung des Plenums, wurde aber abgesetzt und hat dann noch mehrfach dasselbe Schicksal erlitten. Auch gestern konnte er nicht mehr behandelt werden. Nun kann heute vom Hohen Hause über ihn verhandelt und beschlossen werden. Bei ,der Bedeutung der Angelegenheit ist es schade, daß der Antrag nicht mit der erforderlichen Beschleunigung behandelt werden konnte. Ich glaube, daß die Öffentlichkeit ein sehr lebhaftes Interesse an dieser Sache hat. Dem Antrag dürfte große Bedeutung beizumessen sein.
Neben der Verschmutzung unserer Gewässer spielt die Verunreinigung der Luft zweifellos eine ganz entscheidende Rolle, und zwar nicht nur in Deutschland. Ich erinnere an den Smog über Los Angeles und an vielen anderen Stellen hochindustrialisierter Gegenden unserer Erde. Rauch, Abgase und Staub tun das ihre zur Verunreinigung der Luft. In allererster Linie ist es die Industrie — das ist richtig, und deshalb spricht der Antrag auch von Verunreinigung der Luft durch Industriebetriebe —, die hier die Ursache 'bildet: Hüttenwerke, Zementfabriken, chemische Großindustrie und manche anderen Industrien. Aber es ist doch nicht nur die Industrie, die zur Verunreinigung der Luft führt; bei großer Wohndichte ist auch durch den Hausbrand eine nicht unerhebliche Verunreinigung der Luft festzustellen. Und es darf nicht vergesesn werden, daß auch die Eisenbahn, die Schiffahrt und der Straßenverkehr zusätzliche Staubquellen bilden. Aber zweifellos ist die Industrie die Hauptursache.
Nun sind bisher schon verschiedene Abhilfevorschläge gemacht worden. Es ist einmal vorgeschlagen worden, ähnlich wie beim Wasser gesetzliche Zwangs-Genossenschaften zu bilden — das ist der Vorschlag von Kegel und Dr. Bergerhoff —, und es sollten dann in Selbstverwaltung Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Es ist hier nicht der Raum, über 'diesen Vorschlag ein endgültiges Urteil abzugeben; aber ich darf soviel sagen, daß Zweifel aufgetaucht sind, ob dies bei der Luft ein richtiges Verfahren sei.
Ich darf auch auf die einschlägigen Vorschriften der Gewerbeordnung verweisen, die verbessert oder erweitert werden sollten. Ich erinnere vor allem an die §§ 16 und 24 der Gewerbeordnung und verweise auch auf landesrechtliche Vorschriften. Daß hierbei nicht immer ein voller Erfolg zu erzielen war, liegt zweifellos daran, daß die außergewöhnlich hohen Kasten sehr hemmend waren, wenn auch wahrscheinlich technisch schon genügend Erfahrungen vorliegen. Des weiteren kommt § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches 'hier in Frage. Ob man ihn ändern will, muß erwogen werden. Bisher ist darin der Begriff der Ortsüblichkeit enthalten, der begreiflicherweise auch nicht gerade sehr einheitlich ausgelegt worden ist und ausgelegt werden kann.
Alles in allem ist zu sagen, daß die bisherige Lage unbefriedigend ist. Das gilt nicht nur für uns, für die Bundesrepublik, sondern es gilt auch zum großen Teil für das Ausland. Ich erinnere daran, daß Frankreich schon 1932 das Morizet-Gesetz erlassen hat. Warum ist dieses Gesetz im wesentlichen wirkungslos geblieben? Es war die Unvollkommenheit der technischen Bestimmungen, außerdem waren nicht alle Arten der Luftverunreinigung erfaßt.
Rein wissenschaftlich-technisch gibt es wohl hinsichtlich der Verunreinigung der Luft auch bisher noch keine ganz klaren Meßmethoden. Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft und der Verein Deutscher Ingenieure haben schon in einer Sitzung vom 5. Juli des Jahres 1955 gemeinsam ein weiteres Vorgehen in dieser wichtigen Angelegenheit verabredet. Schon seit dreißig Jahren besteht, wie dem Hohen Hause wohl bekannt ist, beim Verein Deutscher Ingenieure eine Fachgruppe Staubtechnik. Neuerdings ist dort noch ein Arasschuß „Reinhaltung der Luft" gebildet worden, an dem eine ganze Reihe von Interessenten beteiligt sind: alle Wirtschaftszweige, die Luftverunreinigungen verursachen, namhafte Wissenschaftler, wie Mediziner, Biologen, Botaniker, Chemiker, Meteorologen, nicht zu vergessen die Landwirtschaft und insbesondere die kommunalen Spitzenverbände. Die Behörden fehlen nicht dabei. Es ist keine einfache Arbeit, die hier zu leisten ist. Es ist eine umfangreiche Forschung notwendig, über deren Einzelheiten ich mir weitere Ausführungen hier wohl ersparen darf.
Ich möchte aber auf eines hinweisen. Allein die Kosten. der Forschung, die hier veranschlagt worden sind, 'sind außerordentlich hoch. Sie schwanken zwischen gut 2 Millionen und annähernd 5 Millionen DM, wobei der Löwenanteil übrigens von der beteiligten Industrie aufgebracht werden soll.
Bevor nun der Gesetzgeber in Aktion tritt, müssen meines Erachtens die lange in Gang befindlichen Vorarbeiten so weit sein, daß eine einwandfreie, zuverlässige Beurteilung der Verhältnisse in den Verschmutzungsgebieten technisch-wissenschaftlich überhaupt möglich ist. Der Verein Deutscher Ingenieure hat hierzu einen Vorbericht der
Fachgrupe Staubtechnik vom November vorigen Jahres herausgegeben. Dieser Vorbericht ist allen Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft im Bundestag zugegangen. Er stellt ohne Frage eine brauchbare Unterlage für das weitere Vorgehen dar. Auch die interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft wird sich diesen Angelegenheiten weiter widmen. Es gilt, auf das sorgsamste zu forschen und zu prüfen. Selbstverständlich darf nichts überstürzt werden. Aber diese Sache ist derart wichtig, daß sie auch tunlichst zu beschleunigen ist. Bei gutem Willen aller Beteiligten, woran nicht zu zweifeln ist, muß eine geeignete Lösung zur Reinhaltung der Luft bald gefunden werden. Die Bundesregierung wird sich — darum möchte ich sie besonders bitten — hierbei führend einzuschalten haben.
Ich empfehle auch meinerseits die Annahme des Antrags, bitte aber, bei der Ausschußüberweisung auch noch den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu berücksichtigen, der meines Erachtens hierbei unbedingt mitbeteiligt werden muß.