Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Deist sprach vorhin ein sehr ernstes Wort aus. Er sprach davon, daß die Bundesregierung eine sehr lange Zeit gebraucht habe, um den Entwurf, von dem ich zum Eingang sagte, daß er inzwischen durch die Verhältnisse überholt sei, dem Parlament vorzulegen. Er sprach von 10 Monaten und sagte, das sei eine Mißachtung des Parlaments. Ich glaube, es ist notwendig, daß ich das Wort von den Dingen, die „durch die Verhältnisse überholt" seien, das ich vorhin sprach, nun etwas spezifiziere. Wenn Sie die Drucksache 2356 aufschlagen, dann stellen Sie fest, daß der Präsident des Bundesrates auf Seite 9, Anlage 2, schreibt: „Auf das Schreiben vom 15. Februar 1956 ...". Man kann also nur feststellen, daß es zehn Monate von der Beratung des Bundesrates ab gebraucht hat, bis heute — Ende November — diese Vorlage in erster Lesung auf der Tagesordnug des Bundestages steht. Ich bedauere das außerordentlich. Aber ich muß doch großen Wert darauf legen, festzustellen, daß für die Verzögerung die Bundesregierung sicherlich nicht verantwortlich gemacht werden kann.
— Für diese Verzögerung von zehn Monaten kann ich beim besten Willen nichts. Mir hat daran gelegen, schon viel eher im Parlament über diese Dinge sprechen zu können.
Herr Kollege Deist, ich darf weiter darauf hinweisen, daß die entscheidenden Restriktionsmaßnahmen der Notenbank, die die Situation verändert haben, die beiden Diskonterhöhungen von Ende Februar und Ende Mai 1956 gewesen sind, daß bis dahin nur die eine Diskonterhöhung vom September 1955 von 3 auf 31/2 % vorgelegen hat und daß erst danach, nachdem diese Vorlage längst dem Bundesrat zugegangen war und ihn passiert hatte, die Diskontänderung um zweimal ein Prozent vorgenommen worden ist. Das waren die Gründe, die zu der Feststellung geführt haben, die Verhältnisse seien inzwischen leider über die Vorlage hinweggegangen. Als die Vorlage der Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet wurde, entsprach sie — das muß ich noch einmal ausdrücklich feststellen — noch in vollem Umfange den Verhältnissen.
Herr Kollege Deist, ich darf weiter darauf aufmerksam machen, daß die Vorlage des Zweiten Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus wegen der zur Zeit reduzierten Angaben des Wohnungsbedarfs auf nur noch 40 000 eine Halbierung der Abgabe des ersten Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes vorsah. Dementsprechend war die Finanzierung im Steinkohlensektor auf einen Gesamtbetrag von 240 Millionen DM abgestellt.
Mir als dem für die Durchführung des Wohnungsbaus Verantwortlichen blieb doch gar nichts anderes übrig, wenn schon die gesetzgeberischen Maßnahmen nicht weiter beraten werden konnten, als nach Mitteln und Wegen zu sinnen, damit keine Einbußen im Wohnungsbau stattfinden würden. Es sind dementsprechend auch die 108 Millionen als Jahresrate, die nach dem Gesetz sonst im Anleihewege, d. h. vom Kapitalmarkt her, hätten aufgebracht werden müssen, im Vorfinanzierungswege von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden. Es ist also zumindest dafür Sorge getragen worden, daß der durch das Gesetz im anderen Falle beabsichtigte Zweck in vollem Umfang erreicht worden ist und daß die entsprechenden Wohnungen auch tatsächlich finanziert und gebaut worden sind. Ich glaube, daß das eines der wesentlichsten Anliegen überhaupt gewesen ist, die den Bundestag bewegt haben und die gleichzeitig auch den Bundeswohnungsbauminister haben leiten müssen.
Sie haben zum Schluß selber noch einmal darauf hingewiesen, daß es ursprünglich ein einstimmiges Anliegen gewesen ist, zur Finanzierung des Bergarbeiterwohnungsbaus in der Form der Kohlenabgabe beizutragen. Sie haben gleichzeitig darauf hingewiesen — Herr Professor Erhard hat es Ihnen schon entgegengehalten —, daß Sie mit der Bundesregierung der Meinung sind, eine Finanzierung über den Preis sei nicht erwünscht. Sie haben aber nun den Vorschlag wieder aufgenommen, 150 Millionen DM aus Mitteln des Bundeshaushalts zur Verfügung zu stellen, um dieser Finanzierung eine andere Basis zu geben als bisher. Herr Kollege Deist, Sie stammen ebenso wie der Kollege Bleiß aus dem hauptsächlich Kohlebergbau treibenden Land Nordrhein-Westfalen, und es ist vielleicht kein Zufall, wenn Sie von vornherein unterstellen, alle übrigen Länder, insbesondere die nur Kohle verbrauchenden Länder, würden sofort bereit sein, einer Verwendung von zusätzlichen 150 Millionen DM aus Haushaltsmitteln ausschließlich zugunsten des Bergarbeiterwohnungsbaus zuzustimmen. Leider ist das nicht so. Bereits bei der Diskussion der letzten Novelle hat sich eindeutig erwiesen, wie schwer es ist, die Interessen der verschiedenen Länder auf einen Nenner zu bringen. Es war keineswegs gewiß, daß der Bundesrat schon dem damaligen novellierten Gesetz zustimmen würde. Um wieviel schwieriger ist dann noch Ihr Vorschlag! Denken Sie daran, daß es eine große Zahl von Bedarfsträgern aus anderen Wirtschaftsgruppen, auch im Sektor des Wohnungsbaus, gibt, die mindestens für sich in Anspruch nehmen, in gleicher Weise ein Anrecht auf besondere Förderung zu haben.
Seit ich im Amt bin, führe ich zusammen mit dem Fachausschuß einen verzweifelten Kampf gegen das, was man „Kästchenwirtschaft" nennt. Ich bitte Sie, einmal zu mir herauszukommen und sich die Anträge anzusehen, die ständig von den Gruppen, z. B. Krankenschwestern, von den innerhalb der Länder Evakuierten und Zurückzuführenden, von den Aus- und Einpendlern — ich habe jetzt gar nicht einmal von Wirtschaftsgruppen, sondern nur von Bevölkerungsgruppen gesprochen —vorgelegt werden, um eine besondere Förderung durch Haushaltsmittel zu erreichen. Schaffen Sie dann obendrein noch das Präjudiz, daß eine Wirt-
schaftsgruppe eine solche haushaltsmäßige Berücksichtigung findet, dann, Herr Kollege Deist, möchte ich dafür garantieren, daß daraus entweder ein solcher Rattenschwanz von Berufungsfällen entsteht, daß sich das überhaupt nicht machen läßt, oder aber wahrscheinlich für niemanden auch nur ein einziger roter Heller herausschaut.
Gerade deshalb glauben wir eben, daß es gut wäre, den unzweifelhaft aus den gleichen Gründen von der Bundesregierung bejahten besonderen Bedarf an Bergarbeiterwohnungen, die eine der Voraussetzungen für die Beseitigung der Lücke in der Kohlenversorgung darstellen, in der bisherigen Weise der Sonderabgabe über den Verbraucher zu decken.
Sie spielten darauf an, daß jetzt bereits eine zwischenzeitliche Leistung des Kohlenbergbaus im Hinblick auf die zu erwartende gesetzliche Fixierung der Abgabe erfolgt sei. Auch das hat nichts mit einem Privatakkord zu tun, sondern ist ausschließlich darauf zurückzuführen, daß in dem jetzt nun einmal notwendigen vertraglichen Ablauf der Einreichung von Preislisten bei der Montanunion mit der Zurückführung dann wieder um 2 DM je Tonne oder 2,60 DM beim Koks ein Zeitintervall überbrückt werden muß, da es ja unmöglich ist, daß im Wege des Aufschlags auf den gegenwärtigen Preis die grundsätzlich von der Bundesregierung bereits beschlossene Wiederaufhebung der Stundung und die volle Wiederinkraftsetzung ab 20. Oktober praktiziert wird. Ich glaube, daß wir auch hier nur wiederum im Interesse des Verbrauchers gehandelt haben. Der hätte nämlich im andern Fall noch zusätzlich zu den zur Zeit 2 DM so lange, bis die gesetzliche Klärung erfolgt ist, 1 DM oder, genau genommen, 0,90 DM zu tragen.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch eine Berner-kung. Ich bin ansonsten wirklich bemüht gewesen, Ihre Argumente sehr ernst zu prüfen und auch ernst zu nehmen. Aber, Herr Kollege Deist, wenn einwandfrei feststeht, daß in der Bundesrepublik — unter sämtlichen bergbautreibenden Ländern in Europa — bei weitern das meiste geschehen ist, um die Bergarbeiter mit Wohnungen zu versorgen, wenn wir da bei weitem an der Spitze stehen und wenn wir obendrein auch im allgemeinen Wohnungsbau und im sozialen Wohnungsbau bei weitem an der Spitze aller Länder stehen, Gott sei Dank stehen, dann, glaube ich, ist wohl der Vorwurf der Konzeptionslosigkeit einer solchen Wohnungsbaupolitik nicht berechtigt.
Im Gegenteil, ich darf Ihnen versichern, wir werden in derselben Weise fortfahren, damit wir nach unserer Konzeption weiterhin an der Spitze der Leistungen bleiben.