Rede von
Wilmar
Sabaß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich danke dem Herrn Präsidenten. Ich will in diesem Sinne fortfahren.
Die Bundesregierung hat sich daher schon vor dem 31. März 1953 eingeschaltet, und die Unternehmervertreter des Bergbaus haben aus der gleichen Erkenntnis die Zusage abgegeben, daß sie sich vor weiteren Preiserhöhungen ab 1. April mit der Bundesregierung ins Einvernehmen setzen würden, weil die Bundesregierung im Interesse der gesamten Wirtschaft selbstverständlich daran interessiert war, über die Preisentwicklung bei der Kohle laufend unterrichtet zu sein bzw. darauf Einfluß zu nehmen. In Verbindung mit der Freigabe der Höchstpreise und der Einführung freier Preise ab April hat die Hohe Behörde dem deutschen Bergbau eine Preiserhöhung von im Durchschnitt 2 DM je Tonne gestattet, womit eine Unterkostendeckung ausgeglichen war, die von der Hohen Behörde selbst festgestellt wurde und die sie durch elf Wirtschaftsprüfer hat nachprüfen lassen, davon zwei holländische, die unabhängig voneinander etwa zum gleichen Ergebnis kamen; danach betrug die Unterkostendeckung im Bergbau damals 2,15 DM/t absatzfähiger Produktion.
Am 10. Juli dieses Jahres hat dann der Ruhrkohlenbergbau — auch wieder im Einvernehmen mit der Bundesregierung — eine kleine Preisanhebung für Steinkohlenbriketts und Brechkoks von 5 Pf/t vorgenommen. So hat sich das im Schnitt über alle 75 Sorten der drei Ruhrkohleverkaufsgesellschaften ausgewirkt.
Die entscheidende Preiserhöhung, über die sowohl der Herr Bundeswirtschaftsminister als auch der Herr Wohnungsbauminister sprachen, erfolgte am 20. Oktober dieses Jahres. Dabei wurden die Preise für die Steinkohle um 4,10 DM/t angehoben, der Preis für Brechkoks um 5,90 DM/t und der Preis für Hochofenkoks um 6,60 DM/t.
Wie ist es nun zu dieser erheblichen Preiserhöhung gekommen, und wie haben sich dabei Bundesregierung und die Unternehmensverbände verhalten? Der Grund, weshalb diese Preiserhöhung durchgeführt wurde, ist in der verkürzten Arbeitszeit im Bergbau zu suchen, die ab 1. Oktober dieses Jahres eingeführt wurde. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat schon auf das Arbeitszeitabkommen vom 4. Mai dieses Jahres in Bremen hingewiesen, wo zunächst zwischen der eisenverarbeitenden Industrie und der Industriegewerkschaft Metall eine Arbeitszeitverkürzung vereinbart wurde, die die Industriegewerkschaft Bergbau veranlaßte, eine ähnliche Regelung für den Bergbau unter Tage zu verlangen.
Es war klar, daß bei den besonderen Verhältnissen unter Tage die Schichtzeit nicht weiter verkürzt werden konnte, und so haben sich die beiden Tarifpartner in einem sogenannten Dreistufenplan, dessen Durchführung auf mehrere Jahre verteilt sein soll, darauf geeinigt, eine Arbeitszeitverkürzung derart vorzunehmen, daß am Ende der dritten Stufe der Bergmann unter Tage eine Wochenschicht von 35 Wochenstunden verfährt. In der ersten Stufe, die am 1. Oktober dieses Jahres begann und bis zum 31. Dezember 1958 Gültigkeit haben soll, sind dem Bergmann unter Tage zusätzlich zu seinen tariflichen Urlaubstagen 12 Arbeitstage pro Jahr als bezahlter Urlaub zu gewähren; in dem letzten Vierteljahr 1957 sollen 2 bezahlte Urlaubstage gewährt werden, wobei. der Förderausfall des einen Urlaubstags durch eine Nachholschicht an einem Feiertag, die mit 150 % Lohnaufschlag bezahlt wird, wieder ausgeglichen werden soll.
Durch diese Arbeitszeitverkürzung ist wirklich nachweisbar eine Erhöhung der Lohnkosten im Bergbau eingetreten, die zwangsläufig zu einer Preiserhöhung führen mußte. Insoweit kann man also die am 20. Oktober dieses Jahres erfolgte Preiserhöhung anerkennen.
Anders liegt es aber bezüglich der von den Unternehmern erhobenen Bergarbeiterwohnungsbauabgabe. Ich komme jetzt zu diesem Kapitel und darf zunächst auf die Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers verweisen, wobei ich allerdings bemerke, daß wir mit den Maßnahmen der Regierung nicht in allen Punkten einverstanden sein können.
Der Bergbau hat Jahrzehnte hindurch bis zum Jahre 1951 die notwendigen Bergarbeiterwohnungen aus eigenem gebaut. Er hat dabei Hervorragen-. des geleistet. Ich erinnere an die großen Siedlungen von Krupp und anderen großen Gesellschaften, die im Ruhrgebiet bekannt und mustergültig sind. Im Jahre 1951 hat man auf einmal den Standpunkt vertreten, daß man dem Unternehmer diese selbstverständliche Aufgabe nicht mehr anvertrauen könne und aus Sondermitteln bzw. öffentlichen Mitteln den Bergarbeiterwohnungsbau zu finanzieren habe. So kam es zunächst zum Bergarbeiterwohnungsbaugesetz vom 23. Oktober 1951 mit der ersten Novelle, die eine Halbierung der Abgaben brachte. Dann hat die Bundesregierung am 1. Juli 1955 durch Anordnung des Bundesfinanzministers die Bergarbeiterwohnungsbauabgabe um 90 % für den Verbraucher gestundet, d. h. der Verbraucher brauchte diesen Teil der Bergarbeiterwohnungsbauabgabe im sogenannten Anhängeverfahren nicht mehr abzuführen, sondern die 90 Pf gingen zugunsten der Unternehmer in den Preis. Hierzu liegt Ihnen die 2. Novelle vor, über die vorhin der Herr Bundeswohnungsbauminister gesprochen hat.
Es muß klar gesagt werden, daß diese Methode, einen wesentlichen Bestandteil eines Gesetzes durch Verwaltungsanordnung außer Kraft zu setzen, nicht die Billigung des Parlaments finden kann. Es war ursprünglich die Absicht der Bundesregierung, durch die Vorlage der zweiten Novelle diese Maßnahme vom 1. Juli 1955 zu sanktionieren. Das ist nun nicht mehr notwendig, weil wir auf Grund der selbständigen Maßnahme der Unternehmer, in den erhöhten Preis 2 Mark Bergarbeiterwohnungsbauabgabe einzubeziehen, vor veränderten Tatsachen stehen.
Es ist heute so — damit komme ich auf einen hier vorliegenden Antrag zurück —, daß wir den Bergarbeiterwohnungsbau aus vier Quellen finanzieren:
Die Hohe Behörde in Luxemburg hat eine Untersuchung über den Bedarf an Bergarbeiterwohnungen in der Gemeinschaft durchgeführt. Dabei ist von den Bergbauunternehmen ein Bedarf von 10 000 Wohnungen angegeben worden, und in dem ersten Versuchsprogramm, das von der Hohen Behörde durchgeführt wird, sind von ihr 50 Millionen DM für die Durchführung dieses Programms zur Verfügung gestellt worden.
Die zweite Methode ist das Bergarbeiterwohnungsbaugesetz.
Die dritte Möglichkeit der Finanzierung von Bergarbeiterwohnungen besteht jetzt — ab 20. Oktober dieses Jahres — über den Preis.
Schließlich hat die sozialdemokratische Fraktion jetzt dem Hohen Hause noch die Drucksache 2858 vorgelegt, nach der 150 Millionen aus Haushaltmitteln zur Finanzierung des Bergarbeiterwohnungsbaues zur Verfügung gestellt werden sollen.
Diese vier Möglichkeiten der Finanzierung machen es notwendig, daß sich der Ausschuß für Wohnungsbau mit dieser Frage erschöpfend beschäftigt und wieder gesetzliche Grundlagen schafft, die von Bundesregierung und Unternehmern im Bergbau anerkannt werden, damit dann wieder eine einheitliche Linie zur Deckung des Bedarfs an Bergarbeiterwohnungen vorhanden ist.
Ich darf hier einschalten, daß ich aus diesem Grunde den Herrn Präsidenten bitte, diesen Antrag an den Ausschuß für Wohnungsbau überweisen zu lassen.
Nun eine abschließende Bemerkung zur Frage der Preise. Ich muß darauf hinweisen, daß alle Preise, über die wir sprechen, Preise ab Zeche sind, Preise der Erzeuger, und daß sich der Preis für den Verbraucher — und das ist ja die Hauptsache — natürlich ganz anders ausnimmt, weil in ihm zusätzlich die Handelsspannen aus dem Handel erster und zweiter Hand, aus dem Kohleneinzelhandel, die Saison-Ab- und Zuschläge und vor allen Dingen die Frachten in Erscheinung treten. So ist es auch zu erklären, daß der Verbraucher frei Keller einen erheblich höheren Preis bezahlt; denn er muß beispielsweise bei der letzten Erhöhung von 4,10 DM pro Tonne Steinkohle einen Mehrpreis frei Keller von etwa 35 bis 40 Pf pro Zentner zahlen.
Nun ist es klar — und die bisherigen Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers und auch des Kollegen Bleiß haben das bestätigt —, daß wir im Augenblick mit unserer heimischen Förderung den Verbrauch in Deutschland nicht decken können und gezwungen sind — da wir die vorhandenen wirtschaftlichen Verflechtungen, Ein-und Ausfuhr von Kohle im Raum der Gemeinschaft und von dritten Ländern, weiterführen müssen —, laufend zusätzliche Mengen an Steinkohle nach Deutschland einzuführen. Wir führen einen Teil — aber nur einen geringen Teil — dieser Steinkohlenmengen aus Polen, der Tschechoslowakei und der Zone ein, worauf vorhin schon kurz verwiesen wurde. Die Hauptmenge kommt aber aus Amerika, und diese Einfuhr hat sich — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlesen — von 1951 bis 1955 wie folgt entwickelt: Von 5,8 Millionen t ist sie auf 7,3 Millionen t gestiegen, 1953 auf 3,4 Millionen t gefallen, im Jahre 1954 brauchten wir nur 1,8 Millionen t und 1955 7 Millionen t. In diesem Jahre werden wir voraussichtlich 12 Millionen t aus den USA einführen, und die Menge wird im nächsten Jahr vermutlich 20 Millionen t betragen.
Nun sind die Preise für amerikanische Kohle — und das ist eine entscheidende Frage für den Verbraucher — weit höher als die Preise für die Kohle aus unserer Förderung; sie liegen im Durchschnitt um 35 bis 40 DM die Tonne höher als für Kohle entsprechender Sorten in Deutschland. Beim Koks beträgt der Mehrpreis bis zu 70 DM die Tonne. Diese zwei unterschiedlichen Preise sind wohl die wichtigsten. Es ist nun klar, daß wir mit allen Mitteln versuchen müssen, eine so breite Preisspanne zu verringern, da wir ja die Gewißheit haben, in den nächsten Jahren laufend amerikanische Kohle einführen zu müssen. Wie die Verringerung geschehen soll, weiß im Augenblick —
das bekenne ich offen — keiner. Die Hohe Behörde behandelt dieses Problem seit Wochen. Den Ausschuß für Fragen des Gemeinsamen Marktes in Luxemburg hat das Problem auch beschäftigt, und wir haben sowohl die Ausgleichskasse wie einen gelenkten Import an bestimmte Verbraucher neben der Versorgung bestimmter Gebiete behandelt. Aber in der gestrigen Debatte des Montanparlaments, wo dieses Mißverhältnis behandelt wurde, das in allen Ländern der Gemeinschaft besteht, konnte sowohl von den Mitgliedern wie auch von den Vertretern der Hohen Behörde kein eindeutiger Vorschlag gemacht werden. Wir begrüßen und unterstützen aber jede Maßnahme, die die große Preisspanne, von der ich eben sprach, beseitigt und den Preis von Importkohle dem Preis der deutschen Kohle annähert.
Auf die Bedarfsdeckung, d. h. die Versorgung des deutschen Verbrauchers, brauche ich im einzelnen nicht einzugehen, da der Herr Bundeswirtschaftsminister eingehende Zahlen gegeben hat. Ich verweise in diesem Zusammenhang aber auch auf die Drucksache 2824, die der Bundeswirtschaftsminister am 30. Oktober dieses Jahres vorgelegt hat, worin er erschöpfende Angaben über die Entwicklung der deutschen Förderung, die allgemeine Kohlenversorgung und die Kohleneinfuhren machte. Ich möchte nur zu den schon gegebenen Zahlen über die Bestände bei den deutschen Verbrauchern besonders 'darauf hinweisen, daß der deutsche Hausbrandverbraucher fast überhaupt keine amerikanische Kohle bezieht oder erhält. Wir haben tatsächlich die erfreuliche Erscheinung, daß bis Ende Oktober dieses Jahres die Lieferungen an den Hausbrand 1,9 Millionen t mehr betrugen als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Wo diese Mengen stecken, kann man mit Eindeutigkeit nicht sagen. Man kann nur feststellen, daß die Lager der Händler und Einzelhändler diese Bestände nicht aufweisen, sondern überwiegend leer sind, und muß daraus folgern, daß sich die Verbraucher aus den Erfahrungen des vergangenen harten Februar und auch wegen der kalten Witterung im vergangenen Sommer mit diesen Mehrmengen eingedeckt haben. Dabei ergibt sich die weitere Frage, ob diese Mengen für einen zusätzlichen Verbrauch im kommenden Winter noch zur Verfügung stehen oder schon in den kalten Sommermonaten verbraucht worden sind. Hierüber haben wir keine Unterlagen; auch die Gemeinschaft und die Bundesregierung können diese Feststellungen nicht treffen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus meinen Ausführungen über die Preisentwicklung für deutsche Kohle und die wachsenden Kohlenimporte mit höheren Preisen sehen Sie, daß wir bei einer weitsichtigen Kohlenwirtschaftspolitik, die sich streng an die Bestimmungen des Montanvertrages hält, automatisch dazu kommen können — —