Rede von
Herbert
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei darf ich hier folgendes erklären. Mit der Ratifizierung des Saarvertrages ist ein langer, dornenvoller Weg deutscher Nachkriegsgeschichte jedenfalls in einem Punkte beendet. Wenn ich selbst als geborener Elsässer daran denke, ,daß ich an der Hand meiner Eltern im Jahre 1919 .auf einem elsässischen Bahnhof stand, um die Ausreise nach Deutschland anzutreten — da wir vor die Wahl gestellt waren, entweder für Frankreich zu optieren und Franzosen zu werden oder für Deutschland zu optieren und dann nach Deutschland auszureisen —, dann darf ich wohl feststellen, ,daß inzwischen ein erheblicher Wandel in den Auffassungen eingetreten ist, und zwar ein Wandel, der uns allen Anlaß gibt, hoffnungsfroh in die Zukunft zu schauen.
Als besonders bedeutsam betrachten es meine Freunde, daß hier erstmals ein freundschaftliches Abkommen mit Frankreich getroffen werden konnte, mit Frankreich, mit dem Deutschland in der Vergangenheit oftmals nicht dasbeste Verhältnis gepflegt hat. Ich will dabei die Gründe nicht untersuchen, die zu diesem oftmals schlechten Verhältnis 'geführt haben, auch aus der Freude der Stunde heraus, daß unter diese Dinge nun ein Schlußstrich gemacht ist.
Dieses Saarabkommen, der Saarvertrag, den wir zu behandeln haben, ist aber nach Auffassung meiner politischen Freunde zugleich ein Beweis dafür, daß alle euronäischen Nationen — besonders wir mit unseren Nachbarn — in einem Boote sitzen und daß — wenn auch manchmal die langatmigen Abhandlungen in den parlamentarischen Gremien des Furonarates die Öffentlichkeit in allen europäischen Ländern schier verzweifeln lassen — wir doch die Hoffnung haben können. daß es in solchen Fragen. in denen eine friedliche Regelung gefunden werden kann und gefunden werden muß, auch letztlich zu einem friedlichen Abkommen kommen kann.
Natürlich ist diese Stunde auch ein Anlaß. um der Saarbevölkerung für ihr treues Aushalten in den Jahren nach dem Krieg zu danken.
Ich möchte dies nicht überbetonen, um insbesondere nicht etwa auf der Gegenseite auch ein Gefühl der Bitterkeit aufkommen zu lassen. Aber immerhin verdient es festgehalten zu werden, daß ene Stimmen, die vor der Ratifikation dieses Vertrages behaupteten, daß die saarländische Beyölkerung einen Status der Autonomie oder der Neutralität zwischen Deutschland und Frankreich vorziehe, ad absurdum geführt sind, und hierfür unser Dank! Man kann wahrhaftigen Gottes sagen, daß die Saarbevölkerung, die in den letzten elf Jahren ein Grenzlandlos zu ertragen hatte, sich hervorragend und tapfer geschlagen hat.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhange muß natürlich loyalerweise auch festgestellt
werden — und wenn ich, der ich anläßlich der damaligen Beratung der Saarfrage mich der Stimme enthalten habe, es erkläre, mag es vielleicht noch ein besonderes Gewicht haben —, daß die Europapolitik der Bundesregierung in diesem Punkte einen wichtigen Markstein gesetzt hat, daß diese Europapolitik Erfolg gezeitigt hat, einen vor aller Welt sichtbaren Erfolg. Ich glaube, die Loyalität gebietet es, dies ausdrücklich festzustellen.
Ich darf es aber nicht unterlassen, auch daran zu erinnern, ohne eine parteipolitische Frage aus dem hier zu verhandelnden Gegenstand zu machen, daß meine Freunde von der Deutschen Partei anläßlich der Londoner Konferenz im Jahre 1947 schon schwarz auf weiß gefordert haben, daß Volk und Gebiet an der Saar ein unlösbarer Bestandteil Deutschlands seien und auch bleiben müßten. Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Meinung, daß das jetzt zu ratifizierende Abkommen weder einen Stachel im französischen Volke noch einen Stachel im deutschen Volke zurücklassen sollte oder zurückzulassen braucht. Ich gebe zu, daß uns nach dem demokratischen Bekenntnis der Saarbevölkerung die weitergehenden materiellen Forderungen Frankreichs zweifellos, nun, ich will einmal sagen: aufgefallen sind, und wir betrachten dies als einen Wermutstropfen in dem Becher der Freude, der uns mit diesem Abkommen präsentiert wird. Immerhin, die Welt ist in den letzten zehn Jahren auch anders igeworden, und ich glaube, daß bei der Verwandlung der wirtschaftlichen, sozialen und auch militärischen Strukturen diese Dinge im Rahmen der großen Politik zur Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpfen, noch ,dazu gemessen daran, daß in einem Augenblick, in dem in vielen Teilen der Welt die Waffen klirren, hier ein wahrhaftiger Akt des Friedens vollzogen wurde.
Dieser Akt des Friedens ist kein trennender, sondern erfreulicherweise ein verbindender Akt. Wenn ich betrachte, welche materiellen Forderungen hei der Ratifikation dieses Vertrages unter Umständen an uns gestellt werden, dann bin ich auch bereit, zu sagen, daß bei einem zu erwartenden schweren Opfer wir dieses lieber auf uns nehmen sollten als noch eine weitere, Jahre andauernde Unruhe, wie wir sie in den verflossenen Jahrzehnten leider zwischen dein beiden Völkern gehabt haben.
Ich unterstreiche das, was der Herr Bundesaußenmnisten heute morgen bezüglich der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen in bezug auf das Saargebiet gesagt hat, und möchte es mir wegen der vorgeschrittenen Zeit versagen, auf Einzelheiten, d. h. Forderungen des Verkehrs, der Wirtschaftspolitik, der Sozialpolitik usw. einzugehen, zumal wir noch Gelegenheit haben werden, im Detail über diese Dinge zu sprechen.
Ich kann aber. wenn ich das Fazit aus dem von mir Gesagten ziehe, sagen, daß ein nüchterner Schlußstrich unter eine politische Entwicklung gezogen worden ist, die sich einstmalsnicht — scheinbar nicht — zum Guten wenden sollte. Meine Freunde bedauern dabei allerdings — ich bitte den Herrn Bundesaußenminister, er ist im Augenblick nicht da. es mir nicht zu verübeln —, daß der Außenpolitische Ausschuß nicht in dem erforderlichen Umfang in diese Verhandlungen eingespannt worden ist, wie wir es hätten erwarten müssen. Ich muß loyalerweise auch sagen, daß es nicht genügt, meine Damen und Herren, wenn die Opposition in diesen wichtigen Fragen der Nation lediglich unterrichtet und nicht vorher befragt wird. Wir sind der Meinung, daß in einer Frage wie dieser die breiteste Grundlage, die breiteste parlamentarische Grundlage geschaffen werden muß und daß sich ein solches Objekt wie das hier zu verhandelnde für parteipolitische Streitigkeiten am allerwenigsten eignet.
Die Saarbevölkerung selbst dürfte sehr wenig Verständnis dafür haben, wenn wir uns heute in diesem Saale darüber streiten, wer mehr und wer weniger verdient hat.
Es kommt hier auf die Sache an. Allein staatspolitische Erwägungen können dieser Aktion ihren Stempel aufdrücken, aber nicht parteipolitische.
Meine Damen und Herren, dies gilt wohl vor allen Dingen im Hinblick auf die Aufgaben, die wir bezüglich der deutschen Wiedervereinigung und der künftigen europäischen Politik noch zu läsen haben. Ich möchte in dem Zusammenhang feststellen, daß es mindestens der Geist des Saarvertrages ist, der als Modellfall für die deutsche Wiedervereinigung dienen könnte. Aber es ist noch mehr als der Geist, und zwar insofern, als die Prinzipien von Freiheit und Selbstbestimmung, die in einem Hause wie diesem sehr oft angeführt werden und idie deswegen vielleicht banal klingen, dieaber alles andere als banal sind, für uns alle in diesem Hause unabdingbare Voraussetzung für eine deutsche Wiedervereinigung sind.
Gleichzeitig ist es aber auch ein Modellfall im Sinne des Kontrastes. Wenn man von Freiheit und Selbstbestimmung als den eigentlichen gestaltenden politischen Elementen ausgeht, dann ist auch klar, daß die Sowjetunion mit ihren Kolonialmethoden in Mitteldeutschland versagt hat. Ich glaube, es ist dies auch die Stunde, erneut einen Appell an die Sowjetunion zu richten, unsere Brüder und Schwestern in der sowjetisch besetzten Zone aus dem Zwang und dem Terror zu entlassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bund hat jetzt die Aufgabe, mit Zielstrebigkeit und Klarheit an die Fragen heranzugehen, die sich aus der Ratifikation dieser Verträge ergeben. Meine Fraktion wünscht kein kleinliches Tauziehen. Wir würden der Größe des erreichten Erfolges in dieser Frage nicht gerecht werden.
Ich bedaure, daß der Bundesrat in diesem Zusammenhang, der hier verhandelt wird, eine etwas traurige Rolle gespielt hat.
Nach Auffassung meiner politischen Freunde ist es eine völlige Verkennung der politischen Situation, wenn die Länder glauben, daß sie es sich in dieser Stunde, in der es um ein gesamtdeutsches Anliegen ,geht, herausnehmen können, sich von vornherein einmal von jeglicher, besonders aber von finanzieller Hilfe in dieser Frage freizustellen.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß das föderalistische Prinzip mehr ist als ein Streitobjekt
zwischen dem Bundesfinanzminister und den Ländern oder umgekehrt. Ich möchte feststellen, idaß sich niemand aus der gesamtdeutschen Verantwortung drücken kann. Wer auf der einen Seite, wie es der Bundesrat immer tut, auf seine Eigenständigkeit pocht, muß auch bereit sein, bei einem Vorgang wie diesem der Eingliederung des Saargebietes eine aktivere Rolle zu spielen, als man sie sich selbst zugedacht hat. Sonst sind alle Berufungen auf diese Eigenständigkeit unwahr bzw. sie sind unglaubwürdig. Ich glaube, das muß hier einmal ganz deutlich festgestellt werden.
Wir sind uns alle darüber im klaren, daß die materiellen Belastungen, die im Zuge dieses Vertrages auf uns zukommen, heute wahrscheinlich noch gar nicht voll ausgerechnet und übersehen werden können. Deswegen will ich es mir auch versagen, mit irgendwelchen Zahlen zu operieren. Diejenigen, die es getan haben oder die es noch zu tun gedenken, werden selbst, vielleicht in einem Jahr, vielleicht erst später, feststellen, daß wir uns alle zusammen geirrt haben. Also machen wir uns in dieser Frage nichts vor!
Ich brauche, wie ich vorhin schon sagte, in diesem Zusammenhang nicht zu unterstreichen, welche verkehrspolitischen, wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen und sonstigen Erfordernisse bestehen. Die Rechnung wird uns präsentiert werden, und wir sollten heute schon bereit sein, uns nicht in einem kleinlichen Tauziehen zu erschöpfen, sondern der Saar so zu helfen und ihr die Wiedereingliederung in das westdeutsche Gebiet so zu erleichtern, wie es notwendig ist.
Ich hoffe in diesem Zusammenhang, daß das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen inzwischen auch seine weiteren Erhebungen darüber angestellt hat, welche Belastungen für den Fall einer Wiedervereinigung eventuell auf uns zukommen könnten. Ich glaube — und das ist auch die Auffassung meiner Fraktion —, daß die westdeutsche Bereitschaft zu einem Opfer in diesem Fall gleichzeitig den Gradmesser für den wirklichen Willen der deutschen Öffentlichkeit zur Wiedervereinigung darstellt, und es wird auch ein Test auf unser Staatsbewußtsein schlechthin sein.
Ich darf daran erinnern — ich habe es schon ausgeführt —, daß die Saarbevölkerung vor der Abstimmung oftmals, ich will nicht sagen: verdächtigt wurde. aber daß man oftmals die Meinung hörte, sie würde sieh wohl für einen autonomen Status entscheiden. Ich möchte noch einmal unterstreichen wie glücklich wir uns schätzen, daß wir in dieser Stunde feststellen können. daß die Saar bei deichzeitiger Freundschaft zu Frankreich und zu Deutschland wieder zu uns gehört Wenn der Herr Bundesaußenrninister hier gesagt hat, daß wir für die Beharrlichkeit und Treue mit der diese Bevölkerung zu uns gestanden habe. danken müßten, dann haben wir, glabe ich, die Verpflichtung uns dieser Haltung würdig zu erweisen. Dabei bitte ich, diese Worte gar nicht als hochtrabend zu nehmen, sondern sie so zu verstehen daß jetzt Deutsche zu Teutschen zurückgekommen sind und daß wir ihnen die helfende Hand entgegenstrecken müssen.
In diesem Sinne begrüßen wir mit den übrigen Fraktionen des Hauses die jetzt zwischen Frankreich und Deutschland gefundene Regelung.