Rede von
Dr.
Hermann
Lindrath
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abstimmung über den zur Erörterung stehenden Antrag in den vereinig- Ausschüssen für Finanz- und Steuerfragen und für Geld und Kredit ließ eine notwendige Klarheit vermissen. Sie fand unter einem gewissen Zeitdruck statt. Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß der Antrag Drucksache 2724 bei
*) Siehe Anlage 10.
Stimmgleichheit 8 : 8 der Ablehnung verfiel. Unter Berücksichtigung der Wünsche, ,die in den Ausschüssen vorgetragen wurden, haben die Fraktionen der Regierungskoalition den Änderungsantrag Umdruck 801 eingebracht, um das echte Anliegen verwirklichen zu können, das dem Antrag Drucksache 2724 zugrunde liegt. Ich darf vielleicht den Antrag sogleich im Zusammenhang begründen, damit dann bei der Abstimmung über die einzelnen Paragraphen keine Begründung mehr erforderlich ist.
Worum geht es bei dem Antrag? Ich möchte zunächst feststellen, daß es sich hier keineswegs um ein Steuergesetz im eigentlichen Sinne handelt,
sondern um ein Gesetz, das sich ganz andere Ziele gesetzt hat, vornehmlich die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus,
die Förderung landwirtschaftlicher Interessen und auch die Förderung des Mittelstandes.
— Es ist in die Form eines Steuergesetzes gekleidet, Herr Professor Gülich.
Zunächst, sagte ich, die Förderung der beabsichtigten wohnungspolitischen Maßnahmen. Wir brauchen für den sozialen Wohnungsbau eine gewisse Mittelbereitstellung. Bisher wurden die Mittel in erheblichem Umfang durch die Sozialversicherungsträger bereitgestellt. Die beabsichtigte Neugestaltung des Rentenwesens läßt diese Mittel nicht mehr in dem Umfang für den Wohnungsbau fließen, wie das erforderlich ist.
Es war deshalb daran gedacht, den Erstabsatz von Pfandbriefen hier zu forcieren; denn der hatte ja unter einer gewissen Rückläufigkeit zu leiden. Man dachte also zunächst an eine Hebung des Pfandbriefmarktes. Aber die erststelligen Wohnungsbaudarlehen werden nur zu etwas mehr als 50 % von den Pfandbriefen refinanziert. Man hat deswegen darüber nachgedacht, ob man nicht breitere Quellen in Anspruch nehmen sollte. Aus diesem Grunde sieht der Änderungsantrag eine Ausdehnung auch auf die Sparverträge und die Versicherungsverträge mit Einmalbeitrag vor. Auch die Sparverträge mit Sparkassen haben natürlich in der letzten Zeit eine gewisse Rückläufigkeit gehabt, weil die Sparneigung sich vermindert hatte. Wir glauben aber, daß die Sparneigung durch einen Anreiz doch wohl wieder verstärkt werden kann. Die Bedeutung der Sparkassen für die Wohnungsbaufinanzierung ist sehr groß. Die Neuzusagen sind allerdings, wie ich sagte, in ,den letzten Jahren stark zurückgegangen. In den ersten drei Vierteljahren des vergangenen Jahres betrugen sie noch 1,17 Milliarden DM, in diesen ersten neun Monaten betrugen sie 0,78 Milliarden DM, sie waren also um 400 Millionen DM zurückgegangen. Die Sparkassen gaben üblicherweise 80 % ihrer langfristig anlegbaren Mittel zur Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus.
Es besteht Grund zu der Annahme, daß vor allem das in der Vergangenheit bedeutsame steuerbegünstigte Kontensparen zu einer nachdrücklichen Förderung der Wohnungsbaufinanzierung beitragen kann. Allerdings wird hierzu schon die kürzlich beschlossene Verkürzung der Festlegungsfristen für derartige Sparverträge von 10 bzw. 7 Jahren auf 3 Jahre beitragen. Trotzdem glauben wir, daß es sich positiv auswirken wird, wenn hier eine weitere Verkürzung gegeben wird. Außer den Sparkassen haben wir in dem Änderungsantrag alle übrigen Kreditinstitute angesprochen, außerdem die Versicherungsanstalten mit Versicherungen gegen Einmalbeitrag begünstigt.
Daneben ist das Anliegen des sozialen Wohnungsbaues ganz allgemein. Ich glaube, hier gibt es keine Meinungsverschiedenheiten in diesem Hohen Hause. Wir alle haben den Wunsch, den sozialen Wohnungsbau zu fördern, und sollten ihm infolgedessen auch eine gewisse Möglichkeit geben, das Volumen der Erstellung von sozialem Wohnraum aufrechtzuerhalten. Dabei müssen wir daran denken, daß die Inanspruchnahme von Wohnraum immer noch sehr groß ist und daß die Zahl der Flüchtlinge aller Art keineswegs kleiner wird. Denken Sie allein an die kürzlich durch Kabinettsbeschluß vorgesehene Maßnahmen für die Aufnahme von Flüchtlingen aller Art, u. a. der Flüchtlinge aus Ungarn. Die Finanzierung des Wohnungsbaues für das kommende Jahr muß aber schon jetzt durchgeführt werden. Deswegen hat dieses Gesetz eine gewisse Dringlichkeit. Wir erhoffen auf Grund dieses Gesetzes für erststellige Hypotheken für dieses Jahr noch 200 Millionen und für das nächste Jahr vielleicht 100 Millionen. Die Bedeutung dieser Finanzierung des Wohnungsbaues ist erst vor wenigen Tagen auf dem Verbandstag des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen eindeutig unterstrichen worden, wo man zum Ausdruck gebracht hat, daß weit über 1 Milliarde DM Hypothekenzusagen für das nächste Jahr fehlen. Man hat die Regierungsmaßnahmen für ungenügend erklärt und hat an das Parlament appelliert, den § 7c des Einkommensteuergesetzes in alter Fassung wieder einzuführen. Wir sind diesen Weg nicht gegangen, sondern haben Ihnen diesen Vorschlag zu machen, von dem wir glauben, daß er einfacher, milder und schneller zum Ziele führt.
Daneben ist auch eine Förderung der Landwirtschaft vorgesehen. Der Erlös aus Ersterwerb von festverzinslichen Schuldverschreibungen der Realkreditinstitute soll zu mindestens 90 % zur langfristigen Kreditversorgung der kleinen Landwirtschaft, der nichtbuchführungspflichtigen landwirtschaftlichen Betriebe verwendet werden. Hierzu ist in dem Antrag noch eine kleine redaktionelle Änderung notwendig. Wir müssen auf Seite 2 die Worte „landwirtschaftlichen Rentenbank" durch das Wort „Realkreditinstitute" ersetzen, und in der übernächsten Zeile müssen wir dann schreiben: „daß diese sich verpflichtet haben".
— Es steht in der 18. Zeile von unten, etwa in der Mitte, wo es heißt: „der landwirtschaftlichen Rentenbank gleichgestellt". Da wollen wir schreiben: „Schuldverschreibungen der Realkreditinstitute gleichgestellt, wenn der Steuerpflichtige durch eine Bescheinigung nachweist, daß diese sich verpflichtet haben, die Erlöse . . .". Ich beantrage hiermit diese Änderung und darf die Formulierung vielleicht dem Herrn Präsidenten übergeben.
Neben der Förderung der Landwirtschaft, sagte ich, sind auch Bestimmungen zur Förderung des
Mittelstandes enthalten. Als Sparanreiz ist ja vorgesehen, daß bei den Sparkassen auch die Sparverträge begünstigt sind und dort nur mit 70 % für den sozialen Wohnungsbau in Anspruch genommen werden. Den Überhang für mittelfristige Kredite für den Mittelstand zu verwenden, ist eine Aufgabe, die die Sparkassen zu erfüllen haben.
Weiterhin ist auch eine Erweiterung der Verdoppelungsmöglichkeiten bei über 50 Jahre alten Sparpflichtigen vorgesehen. Sie wissen ja, daß bisher bei über 50 Jahre alten Steuerpflichtigen eine Verdoppelungsmöglichkeit der Höchstbeträge für Sonderausgaben nur dann bestanden hat, wenn die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit oder aus selbständiger Arbeit gekommen sind. Für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus der Landwirtschaft, aus Haus- und Grundbesitz hingegen war eine Verdoppelungsmöglichkeit nur dann gegeben, wenn ein steuerpflichtiges Vermögen von nicht mehr als 40 000 DM vorhanden war. Diese Begrenzung auf 40 000 bzw. 60 000 DM soll jetzt gestrichen werden, so daß in jedem Falle, ganz gleich aus welcher Quelle das Einkommen fließt, über 50 Jahre alte Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, diese Verdoppelung für sich in Anspruch zu nehmen.
Ich darf noch einmal wiederholen, was ich eingangs gesagt habe. Es handelt sich nicht um ein Steuergesetz schlechthin, sondern um ein Gesetz, das volkswirtschaftlich wertvolle und erstrebenswerte Kapitalbeschaffung für den sozialen Wohnungsbau, für die Landwirtschaft und für den Mittelstand durch einen steuerlichen Anreiz anstrebt.
Nun werden Sie die Frage stellen: Ist dafür ein steuerlicher Anreiz notwendig? Gibt es nicht noch andere Möglichkeiten? Wir haben das im Ausschuß sehr sorgfältig geprüft. Es ist die Frage der Vorschußleistungen erörtert worden. Wir haben festgestellt, daß das Bundesfinanzministerium zum sozialen Wohnungsbau für erststellige Hypotheken bereits einen Vorschuß von 200 Millionen DM geleistet hat. Es kann aber doch diesen Vorschuß nur aufrechterhalten, wenn die Abdeckung dieses Vorschusses aus den Rückflüssen aus diesen Darlehen innerhalb der Zeit, in der diese Gelder gebraucht werden, auch gewährleistet ist. Über 200 Millionen DM hinaus ist der Rückfluß eben nicht mehr gewährleistet. Weitere Vorschußleistungen mußten daher außer Betracht bleiben.
Es war angeregt worden, hier eventuell ein Sondervermögen des Bundes zu bilden. Aber für das Sondervermögen gelten die gleichen Einwendungen. Auch hier muß die Amortisation innerhalb der erforderlichen Zeit sichergestellt sein. Darüber hinaus geben Bund und Länder bereits die zweiten Hypotheken, so daß es nicht zweckmäßig erschien, auch die erststelligen Hypotheken vom Bund und von den Ländern anzufordern, wodurch die öffentlichen Haushalte noch mehr in Anspruch genommen würden. Dann könnte der Bund den Wohnungsbau ja praktisch von sich aus durchführen.
Nun kam weiter der Gedanke, ob man nicht eine Anleihe aufnehmen sollte. Meine Damen und Herren, auch mit einer Anleihe kommen wir nicht weiter. Nehmen wir an, daß der Bund heute wie alle anderen auch eine Anleihe zu 7 1/2 % aufnehmen könnte. Das bedeutet doch folgendes. Diese 7 1/2 % wären für den sozialen Wohnungsbau nicht tragbar. Es müßten Zinszuschüsse gezahlt werden. Diese Zinszuschüsse würden dann, auf die Laufzeit der Anleihe verteilt, teurer werden als die steuerlichen Anreize, die wir geben wollen, und letzten
Endes würde auch die steuerliche Gerechtigkeit keineswegs besser wegkommen; denn die Anleihe könnten diejenigen Leute kaufen, die die notwendigen Gelder haben.
Diese würden dann die hohen Zinsen bekommen, und wegen der hohen Zinsen müßten dann allerdings die Zinszuschüsse aus dem allgemeinen Steueraufkommen bezahlt werden. Wir können das Geld, das wir brauchen, nur dort erhalten, wo es vorhanden ist, also bei den Beziehern hoher Einkommen. Zu diesem Zweck müssen wir einen Anreiz geben, wie es die Wirtschaft ebenfalls getan hat. Das Vorgehen ist auch in der Öffentlichkeit sehr stark erörtert worden, und ich darf sagen, daß es die Frankfurter Allgemeine und die Bank deutscher Länder im letzten Oktober-Bericht durchaus für richtig gehalten haben.
Die steuerliche Gerechtigkeit kann hier nicht angesprochen werden. Es handelt sich um Leistung und Gegenleistung. Auch steuersystematisch sind die Dinge besser geworden, weil wir jetzt einen festen Betrag eingesetzt haben.
Unter diesen Umständen sind wir der Auffassung, daß wir den Anreiz geben müssen. Lassen Sie uns Gelder binden, die sich sonst konjunkturell ungünstig auswirken könnten. Wir wollen keine Steuergeschenke geben. Für eine volkswirtschaftlich wertvolle und erstrebenswerte Leistung zugunsten der Wohnraumbeschaffung für breiteste Schichten unseres Volkes und andere förderungswürdige Zwecke wollen wir etwas zahlen. Wir wünschen Konsumverzicht zugunsten des sozialen Wohnungsbaues, der Förderung der Landwirtschaft und des Mittelstandes. Leistung gegen Leistung zur Erreichung der erstrebenswerten volkswirtschaftlichen Ziele — das ist der Inhalt dieser Vorlage.
Namens der Fraktionen der Koalition bitte ich um Annahme des Änderungsantrags Umdruck 801 .