Rede von
Lotte
Friese-Korn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach so erregten Debatten der Männer und nach schlichtenden Worten des Herrn Innenministers muß nun eine Frau eingreifen und den Standpunkt der Partei vertreten. Sie muß allerdings angesichts dieses Kampfes der beiden stärksten Parteien ihre eigenen Betrachtungen anstellen und sagen: Wie ist es doch gut, daß dazwischen noch etwas da ist, was die Gemüter beruhigen und etwas ausgleichend wirken kann!
Nun, ich glaube, jeder, der mit Presse- und Runfunkfragen zu tun hat, und alle, die hier in Berlin in den letzten Tagen in die Zeitungen geschaut haben, um zu erfahren, was aus den ewig wiederkehrenden Gesprächen um den Langwellensender herauskommt, werden mit Erstaunen heute morgen in der Presse unter anderem den Artikel gelesen haben, in dem jemand über die heute bevorstehende Debatte und über den noch in letzter Minute eingereichten Antrag der CDU berichtet, der den Eindruck erwecken sollte, als wenn wir unmittelbar vor der Entscheidung für Berlin ständen. Daß wir noch weit davon entfernt sind und daß sich gerade in diesem Plenarsaal deutlich machen mußte, daß auch noch Hinderungsgründe für ein rascheres Arbeiten bestehen, das habe ich vor allen Dingen für die Ohren der Berliner bedauert.
Meine Herren und Damen! Wir wünschen, daß dieser Sender — da stimmen wir mit Herrn Kühn absolut überein, und ich glaube, auch Herr Brookmann hätte das für die CDU hier deutlich aussprechen sollen —, kein Regierungssender wird.
Damit komme ich auf die bisherige Einschaltung des Parlaments. In sämtlichen Entschließungen, die in dieser Sache gefaßt worden sind — und es haben wahrlich genug Ausschüsse in dieser Sache getagt, der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, der Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen und der dafür eingesetzte Unterausschuß haben Entschließungen gefaßt —, wurde immer wieder — fünf Jahre lang — beteuert, daß der Deutschlandsender in Berlin stationiert werden soll. Es ist schwer, dann mit einemmal, nach langem Schweigen der Regierung, diesen Kompromißvorschlag zu hören. Er sieht doch sehr danach aus, als ob trotz einer viereinhalb Jahre langen Vorbereitungszeit nun mit einer Regelung begonnen wird, die ein Übergangsstadium darstellen soll, von dem wir aber nicht absehen können, wann es endet. Im Sommer 1958 sollen wir dann noch einmal vor die Frage gestellt werden — so heißt es in dem Brief des Herrn Vizekanzlers —, ob endgültig Berlin den Langwellensender bekommt. Sommer 1958!
Dennoch habe ich mich über den sachlichen Bericht des Herrn Innenministers gefreut. Es ist leider wahr, daß verfassungsrechtliche Bedenken die
Entscheidung verzögert haben. Es ist von jeher das Anliegen der Freien Demokratischen Partei gewesen, solche Hemmungen zu beseitigen. Es ist traurig und beschämend, daß die Stimme der Bundesrepublik stellvertretend für Deutschland nicht über die Grenzen nach dem Osten und überall in die Welt hinausgestrahlt werden konnte. Es ist unbegreiflich, daß ein solches Vorhaben daran scheitert, daß unser föderalistisches Prinzip das Zustandekommen eines Rundfunkvertrages erschwert. Heute noch nach zehn Jahren sind wir in der bedauerlichen Situation, daß keine repräsentative Stimme über die Grenzen unserer Bundesrepublik hinausdringt.
Ich habe mich sehr gewundert, daß Herr Kollege Kuhn das Schwergewicht seiner Ausführungen so sehr auf die Aufhellung der personalpolitischen Hintergründe gelegt hat.
Wir sind in dieser Beziehung sehr empfindlich, wir hören es nicht gern, daß man schon heute die Vorbesprechungen mit dem Austragen parteipolitischer Gegensätze belastet. Nein, so geht es nicht! Es soll kein Regierungssender werden, weder heute noch morgen. Wenn man diese Forderung aufstellt, sollte man nicht heute schon davon sprechen, wie die Posten auf die Parteien verteilt werden.
Eine Forderung aber stellen wir, meine Herren und Damen: daß das Parlament in die Vorbesprechungen mehr eingeschaltet wird. Bedenken Sie, daß ein dahingehender Antrag der damaligen Koalitionsparteien heute noch nicht abschließend bearbeitet ist. Da muß ich auch dem Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films den Vorwurf machen, daß wir uns da nach zweieinhalb Jahren noch nicht abschließend mit diesem Problem befaßt haben. Immer wieder sind nur Anfragen gestellt worden, immer wieder sind Beschlüsse gefaßt worden, es müsse Berlin sein. Jeder von uns sieht heute, daß die Regierung früher dieses Vorhaben zu einer guten Regelung hätte führen müssen. Hoffen wir, daß nicht der Verlauf der Debatte heute dazu führt, die Lösung noch einmal in die Ferne zu rücken. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Mittel, die jetzt nach den hier geäußerten Absichten für das Provisorium in Hamburg verwandt werden, doch noch verwendet werden könnten, um das Rundfunkhaus an der Masurenallee sobald wie möglich wieder instand zu setzen.
Ich möchte zusammenfassen. Wir sind besorgt, daß jetzt ein Provisorium geschaffen wird, das die Erreichung des Endziels wieder hinausschiebt. Es muß eine Lösung gefunden werden, die es ermöglicht, die Stimme Deutschlands bald über die Grenzen hinausdringen zu lassen. Im Hinblick auf den Verlauf dieser Debatte aber möchte ich noch sagen: wir sind besorgt, daß das Ansehen der parlamentarischen Demokratie leidet, wenn wir vier Jahre lang in den Ausschüssen wie auch im Plenum einstimmige Beschlüsse fassen, diese unsere Beschlüsse hier in dieser Stadt veröffentlichen und uns dann am Ende wieder für ein Provisorium entscheiden. Ich glaube, mit einer solchen Behandlung tun wir der parlamentarischen Demokratie keinen guten Dienst.