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ID0216300300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 163. Sitzung. Berlin - Charlottenburg, Mittwoch, den 10. Oktober 1956 9033 163. Sitzung Berlin - Charlottenburg, Mittwoch, den 10. Oktober 1956. Ansprache zu Beginn der Arbeitstagung in Berlin: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 9033 C Begrüßung einer Delegation des englischen Unterhauses 9034 A Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Abg Gengler 9034 A Abg. Frau Dr. Ganzenberg (CDU/CSU) tritt als Nachfolgerin des Abg. Dr. Orth, der durch Mandatsverzicht ausgeschieden ist, in den Bundestag ein 9034 A Mitteilung über die Beantwortung der Kleinen Anfrage 281 9034 B Änderungen der Tagesordnung 9034 A Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aus den Vertreibungsgebieten ausgesiedelt wurden (Aussiedlergesetz) (Drucksache 2623) . . 9034 B Dr. Kather (GB/BHE), Antragsteller 9034 B, 9039 C Rehs (SPD) 9035 B Kuntscher (CDU/CSU) 9036 C Dr. Czermak (FDP) 9038 D Überweisung an die Ausschüsse . . . 9040 C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Langwellensender in Berlin (Drucksache 2627) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Langwellensender in Berlin (Drucksache 2761) 9040 C Kühn (Köln) (SPD), Antragsteller . 9040 D, 9048 B, 9056 A, 9057 A Brookmann (Kiel) (CDU/CSU), Antragsteller 9046 A, 9048 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 9049 C, 9057 B Frau Friese-Korn (FDP) 9051 A Dr. Strosche (GB/BHE) 9052 A Hübner (FVP) 9053 B Brandt (Berlin) (SPD) . . . . 9053 D, 9059 A Dr. Graf (München) (CDU/CSU) . . . 9057 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . 9058 B, 9059 C Krammig (CDU/CSU) 9060 C Überweisung an die Ausschüsse 9060 C Nächste Sitzung 9060 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 9060 B Die Sitzung wird um 15 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Bauer (Wasserburg) 5. 11. Dr. Bärsch 13. 10. Bauknecht 13. 10. Dr. Bergmeyer 15. 10. Blachstein 27. 10. Frau Dr. Bleyler 13. 10. Böhm (Düsseldorf) 20. 10. Frau Brauksiepe 13. 10. Brockmann (Rinkerode) 15. 10. Cillien 15. 12. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Conring 13.10. Dr. Dollinger 12. 10. Ehren 15.10. Elsner 13. 10. Fassbender 13.10. Frehsee 12. 10. Dr. Friedensburg 13. 10. Dr. Furler 11.10. Dr. Gleissner (München) 13.10. Dr. Greve 17.10. Harnischfeger 11.10. Dr. Höck 13.10. Dr. Hoffmann 11.10. Dr. Horlacher 13.10. Hufnagel 13.10. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann 17. 11. Kemper (Trier) 13. 10. Dr. Kleindinst 13. 10. Knapp 13. 10. Knobloch 13. 10. Dr. Köhler 15. 10. Lahr 13. 10. Dr. Löhr 13. 10. von Manteuffel (Neuß) 11. 10. Mayer (Birkenfeld) 1. 12. Meitmann 22. 10. Moll 13. 10. Morgenthaler 13. 10. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 31. 10. Müser 11. 10. Peters 13. 10. Dr. Pferdmenges 13. 10. Raestrup 11. 10. Richter 13. 10. Ritzel 13. 10. Schill (Freiburg) 11. 10. Schneider (Bremerhaven) 28. 10. Dr. Schöne 11. 10. Schwann 28. 10. Dr. Stammberger 17. 11. Dr. Starke 31. 10. Frau Dr. Steinbiß 13. 10. Sträter 13. 10. Dr. Vogel 13. 10. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Walz 12. 10. Wiedeck 12.10. b) Urlaubsanträge Abgeordnete (r) bis einschließlich Altmaier 27.10. Erler 27.10. Even 27.10. Gerns 27.10. Haasler 27.10. Höfler 27.10. Frau Dr. Ilk 20.10. Kiesinger 27.10. Dr. Kopf 27 10. Lemmer 27 10. Dr. Lenz (Godesberg) 27.10. Lücker (München) 27.10. Marx 27.10. Metzger 27.10. Frau Meyer-Laule 27.10. Miller 20.10. Dr. Oesterle 27.10. Paul 27.10. Frau Dr. Rohling 27.10. Schütz 27.10. Seidl (Dorfen) 27 10. Dr. Wahl 27 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Reinhold Rehs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die Initiative des vorliegenden Antrags, weil damit erneut die Hilfe) maßnahmen für einen Kreis von Personen zur Erörterung gestellt werden, die einer besonderen Fürsorge und Betreuung bedürfen. Es bedarf in der Tat einer eingehenden und umfassenden Prüfung, ob die auf diesem Gebiet bisher getroffenen Maßnahmen ausreichen und wie sie sich für die von dem Herrn Vorredner genannten Gruppen auswirken.
    Ich kann es mir versagen, auf die Lage dieses Personenkreises, das Schicksal, das die Betreffenden hinter sich haben, die Drangsalierungen und Leiden, die sie durchgemacht haben, noch einmal näher einzugehen. Ich brauche auch nichts über die menschliche und politische Verantwortung zu sagen, die wir alle dafür haben, daß die Hoffnungen, die dieser Personenkreis beim Übergang in die Bundesrepublik gehabt hat, erfüllt werden.
    Der Bundestag hat, als er am 28. Juni dieses Jahres den Kreis der Bezugsberechtigten einer Begrüßungsgabe erweiterte und die Notwendigkeit zusätzlicher Wohnungsbaumaßnahmen anerkannte, bereits bewiesen, daß er in dieser Frage eines Sinnes und eines Willens ist. Mit diesen Beschlüssen wurden zwei materiell sehr wichtige Teile des Gesamtproblems der Versorgung der Aussiedler vorangebracht. Denn außer Zweifel ist neben der ersten finanziellen Hilfe beim Übergang in die Bundesrepublik die schnellstmögliche Beschaffung angemessenen Wohnraums das Wichtigste.
    Wegen des Zusammenhangs mit dem Gesamtproblem möchte ich die Gelegenheit benutzen, hierzu einige kritische Bemerkungen zu machen. Wenn zutrifft, was mir berichtet wurde, können wir mit dem Fortgang der wichtigen Maßnahme für die Umsiedler, nämlich mit der Entwicklung des Wohnungsbaus, nicht zufrieden sein. Wir werden den Beschluß vom 28. Juni, der laufende Berichte darüber anforderte, wahrmachen und die Bundesregierung darum bitten müssen, uns einen Zwischenbericht über den Gang dieser Dinge vorzulegen. Nach meiner Kenntnis der Verhältnisse in den Ländern hält der Bau von Wohnungen für die Aussiedler mit der Zahl der Umsiedler auch nicht annähernd Schritt. Das liegt allerdings weniger an den Ländern als an dem Prinzip der nachträglichen Mittelzuteilung durch den Bund, also daran, daß der Herr Bundesfinanzminister genau wie beim Bau von Wohnungen für die Sowjetzonenflüchtlinge die Mittel immer erst nachträglich, also für das Jahr 1955 erst im Jahre 1956 usw., zur Verfügung stellt.
    Bekanntlich vergehen von der Projektierung bis zur Fertigstellung und zum Bezug neuer Wohnungen ohnehin 18 Monate bis zwei Jahre. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bei der Beschaffung erststelliger Hypotheken und der Umstand, daß die bisherigen Förderungsmittel von 1500 DM je Zuwanderer nicht mehr ausreichen. Wenn dann noch die Zahl der Umsiedler zunimmt und das Prinzip der nachträglichen Mittelbereitstellung durch den Bund beibehalten wird, muß zwangsläufig ein Wohnungsrückstand eintreten, der zu einer erneuten hoffnungslosen Überfüllung der Lager führt und der von uns nicht verantwortet werden kann.
    Ich bitte das Hohe Haus daher schon jetzt bei dieser Gelegenheit um die Unterstützung unserer Bitte, das Bundesfinanzministerium möge das Prinzip der nachträglichen Mittelbereitstellung in diesem Fall und für diesen Zweck ändern und den Ländern alle Hilfe zuteil werden lassen, die sie brauchen, um unseren gemeinsamen Willen, den Wohnungsbau für diesen Personenkreis in jeder nur denkbaren Weise zu beschleunigen, verwirklichen zu können.
    Meine Damen und Herren! Was das Anliegen des Antrages im einzelnen anlangt, so werden wir in den Ausschußberatungen eingehend prüfen müssen, ob die materiellen Tatbestände, deren Regelung mit dem vorliegenden Antrag erstrebt wird, ein besonderes Gesetz erfordern oder ob eine Korrektur oder Ergänzung der schon bestehenden Gesetze hierfür ausreicht. Ohne Zweifel weisen die gesetzlichen Regelungen der Fürsorge und Betreuung der Aussiedler erhebliche Lücken auf. So erscheint mir — darauf möchte ich ergänzend zu den Ausführungen des Vorredners hinweisen — eine erweiterte Krankenhilfe und Heilfürsorge notwendig. Ein Erholungsaufenthalt muß ähnlich wie bei den Heimkehrern vorgesehen werden können, um die Menschen, die zum Teil jahrelang fast vitaminlos haben leben müssen, physisch und psychisch überhaupt erst zu befähigen, ihre Angelegenheiten selber in die Hand zu nehmen.
    Einer besonderen Überprüfung bedarf unseres Erachtens auch der Bereich der beruflichen und schulischen Maßnahmen für die Jugendlichen. Diese Frage ist in dem Antrag bisher allerdings nicht berührt. Wir werden uns trotzdem damit beschäftigen müssen; denn gerade hier wird mehr geleistet werden müssen, als zur Zeit möglich ist. Das, was auf diese jungen Menschenkinder einstürmt, die zum Teil noch nicht einmal deutsch sprechen können und die in ihrer Entwicklung zehn bis zwölf Jahre nachzuholen haben, ist so außerordentlich, daß die Jugendlichen einer besonderen Pflege und Betreuung bedürfen.


    (Rehs)

    Vor allem aber sollten wir — diese Anregung möchte ich an die Ministerien richten — die Frage prüfen, was geschehen kann, um eine zentrale Betreuung der Aussiedler wenigstens in den Städten zu gewährleisten. Gewiß, der Herr Bundesvertriebenenminister hat dankenswerterweise in Gestalt des „Wegweisers für Aussiedler" eine Art Fibel für die ersten Schritte und einen Leitfaden über die verschiedenen gesetzlichen Hilfsmöglichkeiten herausgegeben. Das ist aber — ich will damit den Wert nicht schmälern — mehr ein Wegweiser für die Helfer als für diejenigen, die die Hilfe benötigen. Es ist ja schon für einen ein- und ausgewachsenen Bundesbürger sehr schwer, sich in dem Labyrinth der Bestimmungen und Behörden zurechtzufinden. Für den, der jahrelang in Lagern hinter dem Ural leben mußte, ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Da ist auch der Ariadne-Faden dieses „Wegweisers für Aussiedler" zu dünn. Da sollte wirklich ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit geprüft werden, ob eine zentrale Beratung möglich ist, ohne daß deshalb eine neue Institution oder ein neuer Behördenapparat aufgezogen werden muß. Ich denke mir, daß eine Anregung an den Städtetag, in den Sozialämtern eine solche zentrale Stelle zu schaffen, nicht auf unfruchtbaren Boden fallen wird.
    Meine Damen und Herren! Nur eine kurze kritische Bemerkung zum Schluß. Daß die Maßnahmen der Betreuung und Fürsorge für die Aussiedler über die seinerzeit vom Bundestag gefaßten Beschlüsse hinaus einer Ergänzung bedürfen, ist, glaube ich, die Meinung aller. Ich sagte: ob dafür ein besonderes Gesetz notwendig ist, werden die Beratungen im Ausschuß ergeben. Aber ich frage: Warum hat die Bundesregierung, die die Verhältnisse doch kennt und übersehen muß, diese Frage nicht längst von sich aus aufgegriffen

    (Sehr richtig! bei der SPD und beim GB/BHE)

    und im Hause die Vorstellungen entwickelt, die sie von einer ausreichenden Betreuung dieser Aussiedler hat? Oder hat sie noch keine Vorstellungen in dieser Hinsicht? Warum hinkt die Bundesregierung immer hinter den sozialen Problemen nach?

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE; lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Wenn sie der Meinung ist, daß es zur Versorgung eines besonderen Gesetzes nicht bedarf, warum hat sie dann die notwendigen materiellen Maßnahmen nicht schon von sich aus getroffen?

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Muß sie dazu erst immer wieder durch die Initiative dieses Hauses und die Initiative der Opposition angehalten werden?

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Meine Fraktion jedenfalls wird bei den Beratungen im Ausschuß alles tun, um für diesen Personenkreis eine menschlich und sozial wirklich befriedigende Regelung herbeizuführen, und stimmt der Überweisung an den Ausschuß zu.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, es muß unbedingt ruhiger werden! Ich verstehe hier ausgezeichnet die Unterhaltungen, die unten geführt werden, aber ich fürchte, daß
Sie nicht alles verstehen, was der Redner hier sagt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuntscher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Kuntscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie aus der Begründung gehört haben, soll nach diesem Initiativgesetzentwurf eine neue Gruppe im Rahmen der verschiedenen Gruppen von Entschädigungsberechtigten geschaffen werden. Darüber hinaus soll diese neu zu schaffende Gruppe teilweise Sonderrechte erhalten gegenüber anderen, schon bestehenden und durch bereits geltende Gesetze mit Leistungen bedachten Geschädigtengruppen.
    Die Leistungen sollen gegeben werden an den Personenkreis der Aussiedler. Das sind jene deutsche Staats- oder Volkszugehörige, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen die Vertreibungsgebiete verlassen haben und im Bundesgebiet oder West-Berlin ihren Wohnsitz genommen haben. Weiter sollen sie gegeben werden an deren Angehörige, deren Familienernährer sich aber noch im Vertreibungsgebiet befinden. Drittens sollen die Leistungen gegeben werden an Hinterbliebene von Personen, die im Vertreibungsgebiet geblieben und dort verstorben sind.
    Alle Aussiedler sollen in den Genuß der Leistungen nach den Gesetzen über die Kriegsopferversorgung gelangen. Die Versorgung soll also nicht nach individueller Prüfung des Aussiedlers erfolgen, sondern generell-kollektiv an die Angehörigen dieser Personengruppe gegeben werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die ab 1. September 1955 eingetroffenen Aussiedler und die noch eintreffenden Aussiedler sollen in den Genuß der Vergünstigungen gelangen, die für Heimkehrer vorgesehen sind; ich will diese Vergünstigungen nicht alle aufzählen. Zweitens sollen diese Vergünstigungen erhalten die Angehörigen, also Ehefrauen und Kinder, deren Ernährer noch in den Vertreibungsgebieten sind; sie sollen den Angehörigen jener Personen gleichgestellt werden, die sich noch in Kriegsgefangenschaft befinden. Ferner: sofern der sich in den Vertreibungsgebieten noch Aufhaltende einen Rechtsanspruch aus der Invalidenversicherung, der Angestellten- oder der Knappschaftsversicherung hätte, sollen die Angehörigen, die Witwen und Waisen, diese Vergünstigungen und Renten so erhalten, wie wenn der Ernährer bereits verstorben wäre.

    (Abg. Dr. Keller: Das ist doch eine zweite Begründung!)

    Die Hinterbliebenen, Ehefrauen und Kinder von Personen, die in den Vertreibungsgebieten geblieben und dort verstorben sind, sollen Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz bzw. aus der Sozialversicherung erhalten.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD und vom GB/BHE.)

    — Meine Herren, ich weiß, Sie werden nervös, aber ich will Ihnen jetzt noch einen Grund geben dafür, daß Sie nervös werden!
    Herr Kollege Kather hat in seiner Begründung gesagt: Es wird soviel über diesen Personenkreis gesprochen, aber es geschieht wenig. Ich bedaure, daß Herr Dr. Kather diese Formulierung wählt,

    (lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



    (Kuntscher)

    ich bedaure dies um so mehr, als gerade Herr Dr. Kather wissen müßte, daß dieser Personenkreis auf weiten Gebieten bereits in die Versorgung einbezogen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich verweise hier vor allem auf den vom Bundesvertriebenenministerium herausgegebenen „Wegweiser für Aussiedler", in dem die Fundstellen sehr gut zusammengetragen sind und in dem nachgewiesen ist, daß für die Aussiedler alle Vertriebenen- und Entschädigungsgesetze, auch das Bundesversorgungsgesetz, allerdings individuell abgestellt, in Geltung sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen uns doch einmal über die Rechtsstellung des hier genannten Personenkreises klar sein. Die Aussiedler gelten nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes als Vertriebene, wenn sie binnen sechs Monaten nach der Wohnsitznahme in der Bundesrepublik oder Berlin-West ihre Anträge stellen. Sie können alle Rechte und alle Begünstigungen, die im Bundesvertriebenengesetz verankert sind, für sich in Anspruch nehmen. Sie haben ferner alle Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz sowie aus dem Gesetz zu Art. 131, und wenn in der Person des einzelnen Aussiedlers die Bedingungen und Voraussetzungen zutreffen, die das Bundesversorgungsgesetz verlangt, hat auch der einzelne Aussiedler das Recht auf alle Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz, aus dem Heimkehrergesetz, aus dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und dem Häftlingshilfegesetz.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Probleme, die auf das Gebiet der Sozialversicherung hinüberspielen, sind gleichfalls durch das Fremdrentengesetz geregelt. Allerdings muß die Voraussetzung vorhanden sein, daß der Betreffende sozialversichert, also Arbeitnehmer, gewesen ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wo hier noch eine Lücke besteht, die bisher schmerzlich empfunden worden ist, nämlich daß die Wartezeit für die Gewährung von Leistungen aus der Rentenversicherung unter Umständen nicht erreicht war, ist, wie ich weiß, im Sozialpolitischen Ausschuß jetzt bei der Beratung der Rentenreform auch diese Frage bereits in der ersten Lesung befriedigend gelöst, und die Lücke wird geschlossen werden,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    so daß die Wartezeit, soweit sie nicht auf Grund von Beitragsleistungen erreicht ist, durch Nacherwerb von Beitragszeiten aus Bundesmitteln erreicht werden soll.
    Diese kritischen Bemerkungen mußte ich machen. Ich habe nun noch hinzuzufügen, daß der § 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs praktisch nichts anderes bedeutet, als daß der ganze Personenkreis der Aussiedler die Ansprüche aus dem Bundesversorgungsgesetz erhalten soll ohne Rücksicht darauf, ob im Zusammenhang mit direkten oder indirekten Kriegsfolgen gesundheitliche oder körperliche Schäden entstanden sind. Jeder, der gesundheitliche oder körperliche Schäden im direkten oder indirekten Zusammenhang mit Kriegseinwirkungen erlitten hat, hatte das Recht, fristgerecht einen Antrag zu stellen, um individuell Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz zu erhalten. Hier sollen aber einer ganzen Personengruppe ohne Prüfung des Tatbestandes bei dem einzelnen dieses Recht und die Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz eingeräumt werden. Sagen Sie: Wäre das nicht eine wesentliche Besserstellung gegenüber jener Personengruppe, die wir immer in Entschädigungen bevorzugt behandeln wollten, nämlich unseren Kriegsversehrten, wenn wir hier kollektiv, also generell, nicht nach Prüfung des einzelnen Tatbestandes, diese Leistung für eine ganze Personengruppe gesetzlich festlegten?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Dasselbe gilt bei dem Verlangen, daß die Aussiedler generell sämtliche Leistungen nach dem Heimkehrergesetz erhalten sollen.
    Und wenn ich dann noch auf eines hinweisen darf: da ist der § 24 des Heimkehrergesetzes, der bestimmt, daß die Ersatzzeiten der Kriegsgefangenschaft und Internierung Anrechnung finden. Diese Ersatzzeiten werden, wie ich schon vorher sagte, bereits durch das Fremdrentengesetz für die Aussiedler und andererseits durch die zu erwartende neue Fassung bei der Rentenreform gewährleistet. Sehr bedenklich scheint mir aber, daß die sechsmonatige Karenzfrist nach der Einwanderung in die Bundesrepublik und der Wohnsitznahme in der Bundesrepublik nach dem Gesetzentwurf für die Aussiedler wegfallen soll.

    (Abg. Dr. Rinke: Hört! Hört!)

    Hier glaube ich: was für den einen Pflicht ist, müßte auch für den anderen eine Verpflichtung bleiben,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    denn hier wiederum zwei Gruppen zu schaffen, würde schließlich dazu führen, daß diejenigen Personengruppen, für die das Bundesversorgungsgesetz und das Heimkehrergesetz mit den Folgegesetzen geschaffen sind, mit Recht einwenden würden, daß hier eine neue Personengruppe ihnen gegenüber bevorzugt behandelt werde. Sie würden dann mit Recht auf Novellierungen, auf Besserstellungen drängen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ein Wort noch zu den in diesem Gesetzentwurf geforderten Leistungen an die Angehörigen. Alle Entschädigungsgesetze gehen bei der Zuerkennung von Renten aus der Sozialversicherung von der Fiktion aus, daß der Versicherte verstorben ist. In diesem Falle, nach diesem Gesetzentwurf sollen aber Renten an Angehörige gezahlt werden, von denen feststeht, daß sie noch leben, von denen weiter feststeht, daß sie nicht nur noch leben, sondern auch in Arbeit stehen oder Rente beziehen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ich weiß, Sie werden sagen — und der Zwischenruf ist gekommen —: wo leben sie? Sie leben noch im Vertreibungsgebiet, das gebe ich zu; aber Sie (zum GB/BHE) verlangen in diesem Entwurf nicht einmal eine Prüfung, ob der noch im Vertreibungsgebiet lebende Ernährer überhaupt den Willen hat, zu seiner Familie zurückzukehren.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Seiboth: Es gibt Hunderttausende andere!)

    Diesen anderen wollen wir helfen und haben wir geholfen. Und wir wollen die bisherige Hilfe noch


    (Kuntscher)

    verbessern. Uns geht es um etwas ganz anderes. Uns geht es darum, daß wir Mißbräuche verhindern wollen.

    (Sehr richtig!)

    Uns geht es darum, daß hier nicht generell und kollektiv einer ganzen Gruppe etwas gewährt wird, was zu großen Weiterungen führt und gegenüber anderen ein Unrecht bedeutet.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Die Frage, ob die Lagerinsassen, die auf ihrer Flucht aus dem Osten in Dänemark gelandet sind — ich kenne die Situation genau, ich habe in diesen kritischen Monaten in diesem Gebiet gelebt —, als Internierte behandelt werden sollen, war schon oft Gegenstand von Beratungen in den Ausschüssen. Wir haben erst vor wenigen Tagen, und zwar am 28. September 1956 mit der Verabschiedung des Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz in den Ausschüssen, Arbeitskreisen und Fraktionen diese Frage sehr gründlich geprüft, sie aber verneint, und auch das Plenum hat bei der Verabschiedung dieses Zweiten Ergänzungsgesetzes den Willen des Ausschusses einstimmig bestätigt.

    (Sehr richtig! — Abg. Dr. Keller: Das ist Unsinn, Herr Kollege!)

    Diese kritische Stellungnahme, meine Damen und Herren, war notwendig, um erstens einmal aufzuzeigen, daß Sie mit Ihrem Gesetzentwurf weithin offene Türen eingerannt haben,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    weil Sie etwas gesetzlich geregelt haben wollen, was schon lange geregelt war,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    bevor — auch das lassen Sie mich sagen — die Antragsteller noch in diesem Hause vertreten waren.

    (Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Mit diesen Feststellungen soll aber nicht gesagt sein — ich will nicht mißverstanden werden —, daß wir für die Lage der Aussiedler nicht volles Verständnis hätten.

    (Zurufe links.)

    Das haben wir bereits bewiesen. Auf unseren Antrag hat dieses Hohe Haus die Begrüßungsgabe beschlossen. Wir haben durch unseren Antrag erreicht, daß diesem Personenkreis im laufenden Haushalt 15 Millionen für Zwecke des Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt worden sind. Wir haben darüber hinaus erreicht, daß nicht nur diese 15 Millionen zur Verfügung gestellt werden, sondern daß bis zu weiteren 15 Millionen über die Globalsumme unter Kapitel A 25 03 Titel 532 des Haushalts für das Wohnungsbauministerium hinaus in Anspruch genommen werden können, wenn die bewilligten 15 Millionen nicht ausreichen.

    (Bravo! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Aber sie sind nicht gezahlt!)

    — Sie irren, Herr Kollege, sie sind vorhanden und warten auf Abruf.
    Ich möchte ferner aber noch einiges dazu sagen, was für diesen Personenkreis als vordringlich getan werden muß. Es muß geprüft werden, ob die Maßnahmen, die heute zur Wiederherstellung der Gesundheit dieser Personen getroffen werden, nicht ausgedehnt werden müssen, damit diese Menschen so bald wie möglich ihre volle Gesundheit und damit ihre Arbeitseinsatzfähigkeit wiedergewinnen. Es soll geprüft werden, ob neben der Begrüßungsgabe und dem Überbrückungsgeld der Länder nicht ein Weiteres getan werden muß, nämlich dahingehend, daß eine Übergangshilfe, deren Betrag den der Begrüßungsgabe übersteigen muß, diesen Menschen den Anschluß an unsere Verhältnisse erleichtern und beschleunigen wird.
    Wir haben volles Verständnis dafür und werden
    dieses Verständnis nicht nur mit Worten, sondern
    auch mit Taten bekunden, daß besonders zur Dekkung des schulischen und berufsmäßigen Nachholbedarfs mehr getan werden muß als bisher. Sie
    haben die Drucksache 2752 vielleicht noch nicht in
    der Hand; darin kommen wir in einem Antrag gerade auf diese Fragen zu sprechen. Uns allen ist
    bekannt, daß die Kinder dieser Aussiedler meist
    nicht einmal mehr die deutsche Muttersprache beherrschen; wir wissen auch, daß sie in ihrer Berufsausbildung sehr weit zurückgeblieben sind, und
    wir wissen, daß sich diese Jugendlichen unseren
    Jugendlichen gegenüber eben nicht vollwertig fühlen. Dies auszugleichen, ist eine wichtige Aufgabe,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    die wir im Rahmen des genannten Antrages ansprechen und bei unseren Beschlüssen in den Ausschüssen ernst nehmen müssen und lösen werden.
    Ich möchte aber auch noch ein Weiteres sagen: Es ist ernstlich zu prüfen, wie den Angehörigen, den Ehefrauen und den Kindern, deren Männer und Väter noch in den Vertreibungsgebieten sind, verstärkt geholfen werden kann. Es soll ihnen geholfen werden. Aber in der Form, wie Sie es in Ihrem Initiativgesetzentwurf haben möchten, geht es einfach nicht.
    Da in diesem Antrag eine ganze Reihe Fragen aneinanderstoßen, genügt es nicht, diesen Entwurf nur dem Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen. Ich beantrage, ihn auch dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen und dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen, weil in diesem Entwurf eine Reihe von Fragen aufscheinen, die diese beiden Spezialausschüsse zu behandeln haben.