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    2. Deutscher Bundestag — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. Juni 1958 8321 15 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. Juni 1956. Eintritt des Abg. Baier (Buchen) in den Bundestag 8324 C Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Bundesministers der Justiz betr. Maßnahmen zur Überprüfung des Genossenschaftsrechts (Drucksache 2557) 8324 C Erweiterung der Tagesordnung 8334 C Geschäftliche Mitteilungen 8354 B Fragestunde (Drucksache 2548): 1. Frage des Abg. Dr. Rinke (CDU/CSU) betr. strahlendosimetrische Überwachung der Bevölkerung und 30. Frage des Abg. Maier (Freiburg) (SPD) betr. Verseuchung der Atmosphäre mit radioaktiven Zerfallsprodukten als Folge von Atombombenexplosionen: Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 8324 D, 8325 B, C Dr. Rinke (CDU/CSU) 8325 B, C Maier (Freiburg) (SPD) 8325 C 2. und 3. Frage zurückgestellt 8325 C 4. Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) (DP) betr. Errichtung eines deutschen Langwellensenders in Berlin: Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 8325 D Vizepräsident Dr. Schmid 8326 A 5. Frage des Abg. Bock (CDU/CSU) betr Nichtzulassung von im Rotaprintverfahren hergestellten Zeitschriften als Drucksachen: Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen 8326 A, C Bock (CDU/CSU) 8326 B, C Frage zurückgestellt 8326 C 6. Frage des Abg. Dr. Stammberger (FDP) betr. Aufgaben des Bundesministers Dr. Schäfer: Dr. Schäfer, Bundesminister für besondere Aufgaben . 8326 D, 8327 C Dr. Stammberger (FDP) 8327 C 8. Frage zurückgestellt 8328 A 9. Frage des Abg. Wittrock (SPD) betr Erstattung eines Verdienstausfalles bei Hausfrauen für eine Tätigkeit als Schöffinnen oder Geschworene: Neumayer, Bundesminister der Justiz 8328 A, B Wittrock (SPD) 8328 B 10. Frage des Abg. Rademacher (FDP) betr. Fernverkehrskonzessionen: Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 8328 C 11. Frage des Abg. Rademacher (FDP) betr. Verwendung der Lichthupe am Tage: Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . . 8328 C, D, 8329 A, B Rademacher (FDP) 8328 D, 8329 A 12. Frage des Abg. Funk (CDU/CSU) betr. Forderung der Möbelfabrik Fey in Wiesentheid gegenüber den amerikanischen Besatzungstruppen: Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8329 B Funk (CDU/CSU) 8329 D 13. Frage des Abg. Wittrock (SPD) betr Maßnahmen zur Behebung der Schwierigkeiten der Zimmerbeschaffung für Studenten: Blank, Bundesminister für Verteidigung 8330 A, C Wittrock (SPD) 8330 B 14. Frage des Abg. Faller (SPD) betr Beförderungsteuer für ausländische Omnibusse: Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8330 C, D Faller (SPD) 8330 D 15. Frage des Abg. Arnholz (SPD) betr Anwendung der Sätze der Erziehungsbeihilfen nach der Anordnung zur Vereinheitlichung der Erziehungsbeihilfen usw. an Lehrlinge und Anlernlinge in der privaten Wirtschaft vom 25. Februar 1943: Storch, Bundesminister für Arbeit 8331 A, B Arnholz (SPD) 8331 A, B 16. Frage des Abg. Dr. Schellenberg (SPD) betr. Gesetz über Krankenversicherung der Rentner: Storch, Bundesminister für Arbeit 8331 C, D Dr. Schellenberg (SPD) 8331 D Vizepräsident Dr. Schmid 8331 D 17. Frage des Abg. Dr. Schellenberg (SPD) betr. durchschnittliche Jahresarbeitsentgelte: Storch, Bundesminister für Arbeit 8332 A, B Dr. Schellenberg (SPD) 8332 B 18. Frage des Abg. Dr. Schellenberg (SPD) betr. Jahresbericht des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen: Storch, Bundesminister für Arbeit 8332 C, D Dr. Schellenberg (SPD) 8332 D 19. Frage der Abg. Frau Döhring (SPD) betr. Nachzahlung von Witwenrenten: Storch, Bundesminister für Arbeit 8333 A, B Frau Döhring (SPD) 8333 B Vizepräsident Dr. Schmid 8333 C 20. Frage der Abg. Frau Döhring (SPD) betr. Richtlinien und Durchführungsverordnung zur Erledigung von Feststellungsverfahren bei Kriegssachgeschädigten: Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8333 D Frau Döhring (SPD) 8333 D 21. Frage der Abg. Frau Hütter (FDP) betr. noch festgehaltene deutsche Kriegsverurteilte: Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8334 A, B Frau Hütter (FDP) 8334 B 22. bis 29., 31. und 32. Fragen zurückgestellt 8334 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten (Rentenversicherungsgesetz — RtVG —) (Drucksachen 2437, zu 2437) . . 8334 C Storch, Bundesminister für Arbeit . . 8334 C, 8335 B, 8353 A, B, D, 8365 A, C, 8366 A, 8377 C, 8385 A Vizepräsident Dr. Schmid 8335 B, 8354 A, 8384 A Dr. Schellenberg (SPD): zur Sache 8339 C, 8353 D, 8384 B zur Abstimmung 8385 C Unterbrechung der Sitzung . 8354 A Horn (CDU/CSU) 8354 B Dr. Dehler (FDP) 8362 A, C Vizepräsident Dr. Jaeger . . 8365 A, 8366 C Dr. Atzenroth (FDP) 8366 A Frau Kalinke (DP) 8366 B, C, D Dr. Berg (FDP) 8377 D Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 8380 A Ruf (CDU/CSU) (zur Abstimmung) 8385 B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 8385 C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der Knappschaftsversicherung (Drucksache 2560) 8385 C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 8385 D Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksache 1479); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 2486, Umdruck 707) 8385 D Freidhof (SPD) : als Berichterstatter . . . . 8385 B, 8386 A Schriftlicher Bericht 8402 A Vizepräsident Dr. Schmid 8386 D Becker (Pirmasens) (CDU/CSU) . . 8387 A Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . . 8388 B Storch, Bundesminister für Arbeit . . 8390 A Regling (SPD) 8390 A Held (FDP) 8391 C Abstimmungen 8386 C, 8392 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache 2397) 8392 B Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß 8392 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Abkommen vom 2. September 1949 über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (Drucksache 2398) 8392 C Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß 8392 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst (Drucksache 2400) . . . . 8392 C Überweisung an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und an den Ausschuß für Kulturpolitik 8392 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst (Drucksache 2401) . . 8392 D Überweisung an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und an den Ausschuß für Kulturpolitik . 8392 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (Drucksache 2402) 8392 D Oberweisung an den Rechtsausschuß . 8392 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 10 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. November 1921 über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft (Drucksache 1991); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 2424) . . 8393 A Engelbrecht-Greve (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 8405 A Beschlußfassung 8393 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 56 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Oktober 1936 über die Krankenversicherung der Schiffsleute (Drucksache 2334); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 2488) . . . . . . . . . 8393 B Freidhof (SPD), Berichterstatter . 8393 B Beschlußfassung 8393 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache 2301); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 2487, zu 2487) 8393 D Schütz (CDU/CSU) : als Berichterstatter 8393 D Schriftlicher Bericht 8405 C Abstimmungen 8394 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur. Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden (Drucksache 2189); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanzund Steuerfragen (Drucksache 2491) . . . 8394 C Dr. Eckhardt (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . 8406 B Beschlußfassung . . . . . . . . .. . . 8394 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes (Drucksache 2340); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 2447) 8394 D Bauereisen (CDU/CSU), ' Berichterstatter 8394 D Frau Keilhack (SPD) 8395 D Abstimmungen 8395 C, 8396 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. Qualitätsbestimmungen für Brotgetreide, Abzüge wegen Überfeuchtigkeit und Besatz (Drucksachen 2485, 2239) 8396 C Dr. Horlacher (CDU/CSU): als Berichterstatter 8396 C als Abgeordneter 8398 B Frau Strobel (SPD) 8398 A Kriedemann (SPD) 8398 D, 8399 D Schwarz (CDU/CSU) 8399 C, D Beschlußfassung 8400 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betr. Maßnahmen nach dem Grünen Beriet (Drucksachen 2484, 2320) 8400 B Richarts (CDU/CSU), Berichterstatter 8400 B Beschlußfassung 8400 C Beratung der Übersicht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2439) . . . 8400 C Beschlußfassung 8400 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Wehr (Drucksachen 2507, zu 2507) 8400 C Dr. Klötzer (GB/BHE), Bericht- erstatter (Schriftlicher Bericht) . 8406 C Beschlußfassung 8400 D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abg. Könen (Düsseldorf) (Drucksachen 2508, zu 2508) 8400 D Dr. Wahl (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . 8407 A Dr. Mommer (SPD) 8400 D Beschlußfassung 8401 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Preiß (Drucksachen 2509, zu 2509) 8401 B Beschlußfassung 8401 C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 688) . . . . 8401 C Beschlußfassung 8401 C Nächste Sitzung 8401 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 8401 B Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Aus- schusses für Sozialpolitik über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksache 2486) . . . 8402 A Anlage 3: Änderungsantrag der Abg. Ruf, Freidhof, Eickhoff, Dr. Berg u. Gen. zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Umdruck 707) 8404 D Anlage 4: Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Umdruck 703) 8405 A Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 10 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. November 1921 über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft (Drucksache 2424) 8405 A ' Anlage 6: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache zu 2487) 8405 C Anlage 7: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf eines Dritten 'Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden (Drucksache 2491) 8406 B Anlage 8: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zur Strafvollstrekkung gegen den Abg. Wehr (zu Drucksache 2507) 8406 C Anlage 9: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zur Strafvollstrekkung gegen den Abg. Könen (Düsseldorf) (zu Drucksache 2508) 8407 A Anlage 10: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Preiß (zu Drucksache 2509) 8407 C Anlage 11: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 688) 8408 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 11. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Albrecht (Hamburg) 27. 6. Dr. Becker (Hersfeld) 17. 7. Blachstein 7. 7. Brandt (Berlin) 27. 6. Brockmann (Rinkerode) 27. 6. Dr. Bucher 27. 6. Frau Dietz 30. 6. Dr. Dittrich 30. 6. Elsner 27. 6. Erler 28. 6. Feldmann 30. 6. Gedat 30. 6. Gerns 30. 6. Dr. Gleissner (München) 27. 6. Dr. Greve 30. 6. Frau Heise 5. 7. Heiland 28. 6. Dr. Höck 27. 6. Jacobi 27. 6. Jahn (Frankfurt) 27. 6. Frau Dr. Jochmus 7. 7. Frau Kipp-Kaule 7. 7. Dr. Köhler 7. 7. Könen (Düsseldorf) 27. 6. Koenen (Lippstadt) 30. 6. Dr. Königswarter 27. 6. Kraft 2. 7. Dr. Leverkuehn 27. 6. Lücker (München) 30. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 29. 6. Lulay 30. 6. Marx 30. 6. Mayer (Birkenfeld) 23. 7. Meitmann 15. 7. Metzger 29. 6. Dr. Miessner 27. 6. Dr. Moerchel 27. 6. Morgenthaler 7. 7. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Onnen 27. 6. Paul 27. 6. Peters 15. 7. Rademacher 27. 6. Dr. Reif 30. 6. Frhr. Riederer von Paar 27. 6. Schmitt (Vockenhausen) 28. 6. Dr. Schneider (Lollar) 30. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Dr. Starke 31. 7. Stauch 27. 6. Stiller 27. 6. Sträter 30. 6. Teriete 27. 6. Trittelvitz 28. 6. Wullenhaupt 28. 6. Anlage 2 Drucksache 2486 (Vgl. S. 8385 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksache 1479). Berichterstatter: Abgeordneter Freidhof Der vorliegende Gesetzentwurf bezweckt, die nach dem Zusammenbruch 1945, besonders seit der Währungsumstellung 1948 und der Beitragserhöhung in der Angestelltenversicherung durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz 1949 in der Altersversorgung des Deutschen Handwerks eingetretene Unsicherheit zu beseitigen und den Schwebezustand, in dem sich die Mehrzahl der Versicherungsverhältnisse seitdem befindet, zu beheben. Er will einer künftigen endgültigen Gestal) tung der Altersversorgung der Handwerker nicht vorgreifen, andererseits aber durch Einführung besonderer Marken und Versicherungskarten sowie durch das Gebot getrennter Führung der Vorgänge die Grundlage zum Erhalt von Unterlagen für die endgültige Gestaltung schaffen. Der Gesetzentwurf beschränkt sich daher im wesentlichen auf die Regelung der Versicherungsverhältnisse und der getrennten Führung der Versicherung der Handwerker von der der übrigen Angestellten-Versicherten. I. Geschichtliche Darstellung Das Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk - HVG - vom 21. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1900) hat für alle Handwerker und Handwerkerinnen, die in die Handwerksrolle eingetragen sind, für den Fall der Berufsunfähigkeit und des Alters sowie zugunsten der Hinterbliebenen ab 1. Juni 1939 die Verpflichtung zur Versicherung eingeführt. Die Versicherung ist der Rentenversicherung der Angestellten (AV) angeschlossen worden. Die Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) sind für entsprechend anwendbar erklärt worden, soweit das HVG nicht etwas anderes bestimmt hat. Das ist verschiedentlich geschehen. So können u. a. Handwerker die Versicherungsfreiheit geltend machen, wenn und solange sie einen Versicherungsvertrag für sich und ihre Hinterbliebenen für den Fall des Todes und des Erlebens des 65. oder eines niedrigeren Lebensjahres abschließen und dafür mindestens ebensoviel aufwenden, wie sie zur AV zu zahlen hätten, oder die Befreiung von der halben Beitragsleistung beantragen, wenn und solange die Lebensversicherung auf die Hälfte dessen abgeschlossen ist, was zum Erreichen der Versicherungsfreiheit erforderlich ist. Die im Jahre 1948 eingetretene Währungsumstellung brachte durch das Dritte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. Juni 1948 (§ 24) und die Dritte Durchführungsverordnung (Versicherungsordnung) eine Abwertung der Lebensversicherungen und gleichzeitig die Berechtigung der Versicherungsnehmer, durch Zahlung des erforderlichen Betrages in Deutscher Mark ihre Lebensversicherung bis zu dem ursprünglichen Reichsmarkbetrag wiederherzustellen. Das Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherstellung (Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG) vom 17. Juni 1949 (WiGBl. S. 99) erhöhte mit Wirkung vom 1. Juni 1949 unter anderem auch die Beiträge in der AV. § 16 der Verordnung zur Durchführung des SVAG vom 27. Juni 1949 schrieb als Übergangsregelung vor, daß Handwerker, welche die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit in der AV auf Grund eines Lebensversicherungsvertrages bis zur Währungsumstellung erfüllt hatten, danach jedoch infolge der Abwertung des Lebensversicherungsanspruchs oder infolge der Beitragserhöhung nach dem Gesetz nicht mehr erfüllten, längstens bis zum 30. September 1949 von der Versicherungspflicht in der AV frei bleiben. Durch Erlaß der Verwaltung für Arbeit des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (IV b 1 - 331/49) vom 19. September 1949 wurde den Länder-Arbeitsministern empfohlen, die Rentenversicherungsträger anzuweisen, bei der Prüfung der Versicherungspflicht der Handwerker längstens bis zum 31. Dezember 1949 entgegenkommend zu verfahren. Diese Frist wurde durch Erlaß des Bundesarbeitsministers (IV a 207/50 vom 22. Februar 1950 - Bundesarbeitsblatt 1950 S. 246) bis längstens 30. Juni 1950 verlängert. Durch Erlaß vom 30. März 1951 (IV a 5 - 664/51 - BABl. S. 158) empfahl der Bundesminister für Arbeit, weiterhin bis zum Inkrafttreten eines Änderungsgesetzes zum HVG im Sinne seines Erlasses vom 22. Februar 1950 zu verfahren. Die Mehrzahl derjenigen Handwerker, die für ihre Altersversorgung die Lebensversicherung gewählt hatten, konnte innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist ihren Lebensversicherungsvertrag aus finanziellen Gründen nicht aufstocken. Obwohl diese Handwerker damit in der Angestelltenversicherung versicherungspflichtig waren, entrichteten sie vielfach keine Beiträge zur Angestelltenversicherung, weil sie nach wie vor für ihr Alter durch eine Lebensversicherung vorsorgen wollten und beabsichtigten, ihren Lebensversicherungsvertrag sobald als möglich aufzustocken. Die Handwerker, die keinen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen hatten, entrichteten vielfach entsprechend der in der Handwerkerschaft nur langsam einsetzenden wirtschaftlichen Erholung keine oder zu geringe Beiträge. Dies wurde unterstützt durch das nach 1945 auftretende Bestreben der Handwerkerschaft, sich von der Zwangsversicherung des Handwerker-Versorgungsgesetzes zu lösen und zu einer freieren Gestaltung der Altersversorgung zu kommen. Auf Grund eines Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP - Drucksache 1620 - vom 16. November 1950 beschloß der Bundestag unter dem 17. Januar 1951 - Drucksache 1746 -: „Die Bundesregierung wird ersucht, spätestens bis zum 30. Dezember 1950 im Sinne einer weitgehenden Auflockerung der Versicherungspflicht einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes (Freidhof) über die Altersversorgung für das )Lutsche Handwerk vom 21. Dezember 1938 vorzulegen." Daraufhin legte die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk — Drucksache 3598 — vor. Der Bundestag verwies in der 229. Plenarsitzung am 11. September 1952 den Entwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik. Dieser hörte zunächst die sachverständigen Vertreter der beteiligten Organisationen. Wegen des Ablaufs der 1. Wahlperiode konnte eine abschließende Beratung des Entwurfs nicht mehr durchgeführt werden. Die Bemühungen um eine gesetzliche Regelung wurden auch in der 2. Wahlperiode fortgesetzt. Es zeigte sich jedoch, daß die Auffassungen über die künftige Gestaltung der Altersvorsorge der Handwerker im Rahmen der Angestelltenversicherung erheblich auseinandergingen. Hinzu traten die inzwischen angelaufenen Arbeiten an der Neuordnung der sozialen Sicherung, die erwarten ließen, daß im Rahmen der Regelung für die Selbständigen auch eine endgültige Ordnung für die Handwerker geschaffen werde. Dieser sollte nicht vorgegriffen werden. Andererseits aber wurden die Verhältnisse bei den Handwerkern mit dem weiteren Zeitablauf immer unsicherer. Die geschuldeten Beiträge liefen weiter auf, und im Versicherungsfall konnten oft wegen Nichterfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine Leistungen gewährt werden. Für die Angestelltenversicherung galt das gleiche. Das Beitrags-Soll lief weiter auf. Leistungen mußten auch bei nicht hinreichend entrichteten Beiträgen gewährt werden, wenn nur Wartezeit und Anwartschaft (einschließlich der Halbdeckung) erfüllt waren. Beitreibungen der rückständigen Beiträge sollten möglichst nicht durchgeführt werden. So wurde der Eindruck erweckt, daß die Handwerker die Leistungen zum Teil auf Kosten der eigentlich in der Angestelltenversicherung Versicherten erhielten. II. Der Entwurf Um der eintretenden Unsicherheit abzuhelfen, ohne aber gleichzeitig der kommenden Neuordnung der Altersversorgung des Deutschen Handwerks im Rahmen der Sozialreform vorgreifen zu wollen, brachte die Fraktion der CDU/CSU den Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk — Drucksache 1479 — ein. Dieser Entwurf wurde in der 96. Plenarsitzung am 8. Juli 1955 im Anschluß an die erste Beratung dem Ausschuß für Sozialpolitik (federführend) und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zur Mitberatung überwiesen. 1. Die zunächst vorgesehene Regelung Dieser Entwurf strebte in der zunächst vorgelegten Fassung die Einführung der Jahresarbeitsverdienstgrenze — wie sie in der Angestelltenversicherung gilt — auch für die Handwerker an und beabsichtigte, die Halbversicherung für die Zukunft aufzuheben. In den Übergangsvorschriften sollte zunächst für Teile des Bundesgebietes, in denen zeitweilig keine Verpflichtung zur Eintragung in die Handwerksrolle bestand, die Handwerkereigenschaft mit Hilfe des § 14 der Gewerbeordnung festgestellt werden. Weiterhin sah der Entwurf in den bergangsvorschriften vor, daß die Handwerker, die die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit oder die Halbversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten auf Grund eines Lebensversicherungsvertrages bis zur Währungsumstellung erfüllt hatten, danach jedoch infolge der Abwertung und infolge der Erhöhung der Beiträge in der Angestelltenversicherung diese nicht mehr erfüllten, von der vollen oder halben Versicherungspflicht bis zum 31. Dezember 1955 frei bleiben sollten. Die während der Befreiung entrichteten Beiträge sollten als wirksame Beiträge gelten und die Anwartschaft aus den bis zum 31. Dezember 1955 entrichteten Beiträgen bis zu diesem Tage grundsätzlich erhalten bleiben. Handwerker, die das 60. Lebensjahr beim Inkrafttreten des Gesetzes vollendet hatten, sollten auf Antrag auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1955 von der Versicherungspflicht befreit werden. Für die Handwerker, die ihre Altersversorgung nicht durch den Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages geregelt hatten, war in den Übergangsvorschriften eine Befreiung von der Beitragspflicht in der Angestelltenversicherung bis zum 31. Dezember 1953 vorgesehen, soweit die Beiträge nicht oder nicht ausreichend gezahlt worden waren. Die Anwartschaft aus Beiträgen dieser Handwerker, die bis zum 31. Dezember 1953 entrichtet worden waren, sollte bis zu diesem Tage grundsätzlich als erhalten gelten. Die seit dem 1. Januar 1954 bis zum Inkrafttreten des Entwurfs fällig gewordenen Beiträge sollten nicht vor dem 31. Dezember 1955 gefordert werden können. Die über 60 Jahre alten Handwerker sollten auf Antrag von der Versicherungspflicht für die Zeit nach dem 31. Dezember 1953 befreit werden. 2. Die vorliegende Regelung a) Die Beratungen in den beteiligten Ausschüssen In einer gemeinsamen Sitzung der beteiligten Ausschüsse am 2. Februar 1956 wurde eine Reihe von Sachverständigen gehört. Bei den folgenden Beratungen des Ausschusses für Sozialpolitik legten die Vertreter der CDU/CSU Änderungsanträge zu der genannten Drucksache vor. Diese wurden damit begründet, daß die antragstellende Fraktion sich entschlossen habe, keinerlei grundsätzliche Fragen in diesem Gesetzentwurf zu behandeln; es solle lediglich eine Bereinigung des zur Zeit bestehenden Schwebezustandes erzielt werden, um den Handwerkern den Anschluß an die bestehende gesetzliche Regelung zu ermöglichen. Dem Beratungsergebnis der ersten Lesung des Ausschusses für Sozialpolitik stimmte der mitberatende Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes im wesentlichen zu. Die von ihm gegebenen Anregungen wurden im federführenden Ausschuß eingehend erörtert. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat daraufhin die vorliegende Fassung mit großer Mehrheit beschlossen. b) Die Einzelergebnisse der Ausschußberatungen Zu Artikel 2 Absatz 4 Es ist lediglich die Erhöhung der Beiträge in der Angestelltenversicherung auf Grund des RentenMehrbetrags-Gesetzes zusätzlich berücksichtigt worden und weiterhin die Anwendung des § 21 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vom 13. Juni 1939 zum Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk. Die Termine sind — wie auch in den übrigen Vorschriften — wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs im allgemeinen um ein Jahr hinausgeschoben worden. (Freidhof) Absatz 5 Nr. 1 Die Regelung des vorgelegten Entwurfs ist dahin ergänzt worden, daß die entrichteten Beiträge nur im Falle des Eintritts der Versicherungspflicht am 1. Januar 1957 als wirksame Beiträge gelten sollen. Nr. 2 Hinzugefügt worden ist, daß die am 1. Januar 1957 versicherungspflichtig werdenden Handwerker sich bis zum 31. März 1957 eine Handwerker-Versicherungskarte haben ausstellen zu lassen. Nr. 3 Das für den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht im Entwurf vorgesehene Lebensalter von 60 Jahren ist auf das 50. Lebensjahr herabgesetzt worden. Absatz 6 Es sind nur redaktionelle Änderungen vorgenommen worden. Absatz 7 Nr. 1 Die beteiligten Ausschüsse sprechen sich entgegen der ursprünglichen Fassung, die vorsah, daß die Anwartschaft aus Beiträgen, die bis zum 31. Dezember 1953 entrichtet worden sind, als erhalten gilt, dafür aus, daß dies nur für Beiträge gelten soll, die für die Zeit bis zum 31. Dezember 1953 wirksam entrichtet worden sind. Nr. 2 Der Ausschuß einigte sich darauf, daß die Rückstände wohl gefordert, aber grundsätzlich nicht vor dem 1. Januar 1957 beigetrieben werden können. Um Härten zu vermeiden, wurde die hier vorgesehene Übergangsregelung beschlossen. Nr. 3 Es wurde beschlossen, das Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht derjenigen angestelltenversicherungspflichtigen Handwerker, die das 60. Lebensjahr beim Inkrafttreten des Gesetzes vollendet haben, dahin zu beschränken, daß dies nur für solche Handwerker gelten solle, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs die Wartezeit für das Altersruhegeld nicht mehr erfüllen können. Der Ablauf der Antragsfrist wurde auf den 31. Dezember 1956 hinausgeschoben. Zu Artikel 2 a Um die Beschaffung genauerer Unterlagen über die Altersversorgung des Deutschen Handwerks, soweit sie in der Angestelltenversicherung durchgeführt wird, sowohl auf der Beitragsseite als auch auf der Leistungsseite zu ermöglichen, beschloß der Ausschuß, vom 1. Januar 1957 an besondere Beitragsmarken und Versicherungskarten für die Handwerker einzuführen. Weiterhin soll die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte alle Vorgänge, die im Rahmen der Altersversorgung für das Deutsche Handwerk bei ihr anfallen, besonders kenntlich machen. Außerdem sind die Einnahmen und Ausgaben gesondert nachzuweisen. Zu Artikel 2 b Um der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Ersatz für die Ausfälle, die durch die Regelung dieses Gesetzes entstehen, zu geben, ist die in diesem Artikel vorgesehene Entschädigung beschlossen worden. Zu Artikel 3 Absatz 1 Da die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach Artikel 2 a Abs. 3 bei nicht rechtzeitigem Umtausch der Versicherungskarten berechtigt sein soll, die Rückstände unverzüglich beizutreiben, soll der Bundesminister für Arbeit ermächtigt werden, die Umtauschfrist in einzelnen Härtefällen, jedoch längstens bis zum 31. Dezember 1957 zu verlängern. Absatz 2 Da der Entwurf in der vorliegenden Fassung von einer Änderung des Handwerkerversorgungsgesetzes absieht, war eine Ermächtigung des Bundesministers für Arbeit zur Anpassung des Handwerkerversorgungsgesetzes an die Vorschriften dieses Gesetzes nicht mehr erforderlich. Demgegenüber hat der Ausschuß beschlossen, den Bundesminister für Arbeit zu ermächtigen, die Stellen für den Verkauf der besonderen Marken und die Ausgabe der Handwerker-Versicherungskarten sowie die Höhe der von der Bundesversicherungsanstalt zu übernehmenden Vergütung festzusetzen. Zu Artikel 5 Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften, die für die Handwerker besondere Marken und Versicherungskarten sowie die besondere Führung der Vorgänge bei der Bundesversicherungsanstalt vorsehen, ist auf den 1. Januar 1957 festgesetzt worden. Im übrigen soll das Gesetz am Ersten des auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten. Bonn, den 14. Juni 1956 Freidhof Berichterstatter Anlage 3 Umdruck 707 (Vgl. S. 8386 D) Änderungsantrag der Abgeordneten Ruf, Freidhof, Eickhoff, Dr. Berg und Genossen zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksachen 2486, 1479). Der Bundestag wolle beschließen: In Art. 2 wird dem Abs. 6 folgender Satz angefügt: Das gleiche gilt für halbversicherte Handwerker. Bonn, den 27. Juni 1956 Ruf Arndgen Becker (Pirmasens) Franzen Sabel Stingl Varelmann Freidhof Regling Eickhoff Dr. Berg Anlage 4 Umdruck 703 (Vgl. S. 8389 D, 8392 A) Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksachen 2486, 1479). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hält eine abschließende Neuregelung der Altersversorgung für das Deutsche Handwerk im Rahmen der anstehenden Sozialreform für vordringlich. Er fordert die Bundesregierung auf, alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die besondere Lage des Handwerks als eines Berufszweiges von Selbständigen berücksichtigt und eine selbständige Handwerkerversicherung vorsieht. Bonn, den 26. Juni 1956 Dr. Dehler und Fraktion Anlage 5 Drucksache 2424 (Vgl. S. 8393 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (27. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 10 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. November 1921 über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft (Drucksache 1991). Berichterstatter: Abgeordneter Engelbrecht-Greve Der Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 10 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. November 1921 über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft wurde vom mitberatenden Ausschuß für Jugendfragen in der Sitzung am 21. März 1956 und vom federführenden Ausschuß für Arbeit in der Sitzung am 20. April 1956 beraten. Dieses Übereinkommen besagt in Artikel 1 bis 3, daß Kinder unter 14 Jahren in öffentlichen oder privaten landwirtschaftlichen Betrieben nur außerhalb der für den Schulunterricht bestimmten Stunden beschäftigt werden oder arbeiten dürfen. Diese Beschäftigung darf den Schulbesuch nicht beeinträchtigen. Zum Zwecke praktischer Berufsausbildung dürfen die Unterrichtszeiten in den Schulstunden so geregelt werden, daß die Kinder bei leichter landwirtschaftlicher Arbeit, und besonders leichter Erntearbeit, beschäftigt werden können. Der Schulbesuch während des ganzen Jahres darf jedoch nicht weniger als 8 Monate betragen. Ausnahmen sind für die Arbeit von Kindern in Fachschulen vorgesehen. Das Übereinkommen wird in der Bundesrepublik durch die Schulvorschriften der Länder bereits praktisch durchgeführt. Diese Schulvorschriften besagen im wesentlichen: a) Die Verpflichtung zum Besuch der Volksschule geht jeder Beschäftigung vor. Die Erfüllung der Schulpflicht ist durch Androhung von Strafen und die Möglichkeit der zwangsweisen Zuführung zur Schule gesichert. b) Lehrherren und Arbeitgeber haben dem Schulpflichtigen die zur Erfüllung der Schulpflicht erforderliche Zeit zu gewähren und ihn zur Erfüllung der Schulpflicht anzuhalten. c) Auch, soweit bei der Festsetzung der Unterrichtszeiten und der Schulstunden Rücksicht auf die in landwirtschaftlichen Betrieben zu leistenden Arbeiten genommen wird, beträgt die Gesamtzeit des jährlichen Schulbesuches mindestens 8 Monate. Zu Artikel 3 des Übereinkommens ist zu bemerken, daß sich in den landwirtschaftlichen Fachschulen der Bundesrepublik keine Kinder unter 14 Jahren befinden. Alle Bundesländer haben sich mit der Ratifikation des Übereinkommens einverstanden erklärt. Der Ausschuß für Arbeit hat ebenso wie der mitberatende Ausschuß für Jugendfragen der Regierungsvorlage — Drucksache 1991 — zugestimmt. Bonn, den 30. Mai 1956 Engelbrecht-Greve Berichterstatter Anlage 6 zu Drucksache 2487 (Vgl. S. 8393 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache 2301). Berichterstatter: Abgeordneter Schütz Nach der derzeitigen Fassung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Fremdrenten der Sozialversicherung an Berechtigte im Bundesgebiet und im Land Berlin, über Leistungen der Sozialversicherung an Berechtigte im Ausland sowie über freiwillige Sozialversicherung (Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz — FAG —) vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 848) ist Voraussetzung für die Anerkennung von Ansprüchen aus nichtdeutschen Versicherungen, daß der Versicherte entweder Deutscher nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes oder früherer deutscher Staatsangehöriger ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind demnach Ansprüche auf Renten von Hinterbliebenen in allen jenen Fällen ausgeschlossen, in denen Volksdeutsche aus dem ehemaligen Protektorat Böhmen-Mähren, der Slowakei, Ungarn, Jugoslawien usw., die in den dortigen Sozialversicherungen versichert waren, nach 1945 aber nicht mehr in die Bundesrepublik kamen, weil sie vorher gestorben oder für Deutschland gefallen sind. Diese Deutschen waren Staatsangehörige nichtdeutscher Staaten. Den Status eines Deutschen im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, der erst mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, also demnach erst ab 1949, besteht, hätten sie erst mit ihrer Wohnsitznahme im Bundesgebiet erwerben können, zu der es ihres Todes wegen nicht mehr gekommen ist. Die Nichtanerkennung von Ansprüchen Hinterbliebener in solchen Fällen, zu der die Versiche- (Schütz) rungsträger im Bundesgebiet erst in letzter Zeit übergegangen sind, ist unhaltbar. Sie entspricht nicht der grundsätzlichen Anerkennung solcher Ansprüche, die im § 90 des Bundesvertriebenengesetzes ausgesprochen ist und zu dessen Durchführung das Fremdrentengesetz erlassen wurde. Es lag auch weder in der Absicht der Bundesregierung noch des Sozialpolitischen Ausschusses des 1. Bundestages, Hinterbliebene aus den vorgenannten Vertreibungsgebieten schlechter zu stellen als solche aus den übrigen deutschen Ostgebieten. Die im interfraktionellen Antrag — Drucksache 2301 — vorgeschlagene und vom Sozialpolitischen Ausschuß gebilligte Neufassung, welche dem Hohen Hause als Drucksache 2487 vorliegt, trägt durch die Änderung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Fremdrentengesetzes dem Rechnung. In Zukunft soll es genügen, wenn eine Witwe oder eine Waise eines auch in den vorgenannten Vertreibungsgebieten gewesenen Mannes die im Gesetz vorgesehene Voraussetzung, Deutscher nach Artikel 116 des Grundgesetzes zu sein, in ihrer Person erfüllt. Eine sofortige Änderung des Fremdrentengesetzes durch ein Zweites Änderungsgesetz wurde deshalb notwendig, um diese Härtefälle nicht noch zahlreicher werden zu lassen. Aus eben diesem Grunde wird daher beantragt, die vorgeschlagene Änderung rückwirkend mit dem Inkrafttreten des Fremdrentengesetzes wirksam werden zu lassen. Dadurch sollen die bisher von den Trägern der Rentenversicherungen bewilligten Anträge gedeckt werden; für jene wenigen, die in den letzten Monaten unter Hinweis auf die Gesetzeslücke abgelehnt wurden, soll die Möglichkeit der Bewilligung vom Tage der Antragstellung gesichert sein. Außerdem beschloß der Ausschuß, den Buchstaben d des § 1 Abs. 2 Nr. 2 deshalb zu streichen, weil er nunmehr überflüssig geworden ist. Der Ausschuß hat die vorgelegten Beschlüsse einstimmig gefaßt. Bonn, den 15. Juni 1956 Schütz Berichterstatter Anlage 7 zu Drucksache 2491 (Vgl. S. 8394 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden (Drucksache 2189). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eckhardt Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich in seiner Sitzung am 6. Juni 1956 mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden befaßt. Der Gesetzentwurf füllt insofern eine Lücke in den Entschädigungsbestimmungen des Ausführungsgesetzes zum Schuldenabkommen im Zusammenhang mit der Behandlung der Goldmarkverbindlichkeiten spezifisch ausländischen Charakters aus, als nach der vorgeschlagenen Fassung der Entschädigungsanspruch nicht nur um die Beträge vermindert wird, die der Schuldner als Hypothekengewinnabgabe oder Kreditgewinnabgabe mehr zu zahlen hätte, wenn die Verbindlichkeit nach dem Zweiten Teil des Umstellungsgesetzes zu behandeln gewesen wäre, sondern auch um den entsprechenden Betrag der Vermögensabgabe. Ferner werden einige Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren geändert. Der Finanzausschuß hat den Entwurf unter Einfügung von zwei auch von der Bundesregierung gebilligten Änderungsvorschlägen des Bundesrates einstimmig angenommen und empfiehlt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. Bonn, 27. Juni 1956 Dr. Eckhardt Berichterstatter Anlage 8 zu Drucksache 2507 (Vgl. S. 8400 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität (1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Wehr gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz (AZ 1044/1 E — 55027/54) vom 11. Mai 1956 (III/45). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Klötzer Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität hatte sich in seiner Sitzung vom 6. Juni 1956 mit einem über das Bundesjustizministerium gestellten Ersuchen betreffend Entscheidung über Genehmigung des Bundestages zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Wehr zu befassen. Auf Grund einer vorangegangenen Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Wehr war gegen diesen ein Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 6. Juli 1955 wegen Übertretung nach § 2 Abs. 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung ergangen, durch welches der Abgeordnete Wehr zu 5 Tagen Haft verurteilt worden war. Es war ihm im amtsgerichtlichen Urteil Strafaussetzung auf die Dauer von 3 Jahren gewährt mit der Auflage, daß er eine Buße von 200 DM an das Deutsche Rote Kreuz zahlt und sich innerhalb der dreijährigen Bewährungsfrist straffrei führt. Gegen dieses Urteil hatte der Oberstaatsanwalt Bonn Berufung eingelegt. Durch Urteil des Landgerichts Bonn vom 5. Oktober 1955 wurde der Angeklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu einer Haftstrafe von 5 Tagen, jedoch unter Versagung einer Bewährungsfrist verurteilt. Dieses letztere Urteil ist rechtskräftig geworden. Der Immunitätsausschuß war einstimmig der Meinung, daß eine Verweigerung der Genehmigung zur Strafvollstreckung nur aus einem einzigen Grunde gerechtfertigt erscheine, und zwar dann, wenn die Arbeitsfähigkeit des Hauses beeinträchtigt wird. Er war weiterhin der Meinung, daß die Aufhebung der Immunität auch die Möglichkeit einer Verurteilung des Abgeordneten, dessen Immunität aufgehoben wurde, in sich schließe und daß die Aufhebung der Immunität zur Strafverfolgung zu einer Farce werden würde, wenn man in notwendiger Konsequenz nicht auch die Möglichkeit zur Strafvollstreckung geben würde. Der Ausschuß gelangte daher einstimmig zu dem Beschluß, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Wehr innerhalb der Parlamentsferien (9. Juli bis 9. September 1956) zu erteilen. Bonn, den 27. Juni 1956 Dr. Klötzer Berichterstatter Anlage 9 zu Drucksache 2508 (Vgl. S. 8400 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität (1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Könen (Düsseldorf) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz (Az. 1044/1 E — 55005/54) vom 6. Januar 1956 (II/19). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl Der Deutsche Bundestag hatte auf Grund einer Vorentscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität vom 8. Mai 1954 die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Könen wegen Verkehrsvergehens mit fahrlässiger Tötung erteilt. Der Abgeordnete Könen war am 5. August 1953 mit seinem Personenkraftwagen auf einer Straßenkreuzung in Düsseldorf mit einem andern Personenkraftwagen zusammengestoßen, wobei er eine Kopfverletzung und eine Gehirnerschütterung davontrug, während die weitere Insassin seines Personenkraftwagens einen Schädelbasisbruch und eine schwere Gehirnerschütterung erlitt, an deren Folgen sie am 12. August 1953 verstorben ist. Der Kraftfahrer des andern Personenkraftwagens wurde nicht verletzt. Beide Fahrzeuge wurden erheblich beschädigt. Der Abgeordnete Könen wurde durch ein seit dem 18. Oktober 1955 rechtskräftiges Urteil des erweiterten Schöffengerichts in Düsseldorf vom 15. Dezember 1954 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten verurteilt. Da die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen einen Abgeordneten nach Art. 46 Abs. 3 des Grundgesetzes einer besonderen Genehmigung des Bundestages bedarf, ersuchte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Düsseldorf mit Schreiben vom 29. November 1955 über den Bundesminister der Justiz eine Entscheidung des Bundestages darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Könen erteilt wird. Da es sich um das erste Ersuchen um Genehmigung zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in dieser Legislaturperiode handelt, hat der Ausschuß eingehend über den Fall beraten. Dabei kam zunächst das Bedauern darüber zum Ausdruck, daß der Kollege Könen den Testfall wegen eines Verkehrsdelikts abgeben mußte, das nur durch eine tragische Verkettung von Umständen als fahrlässige Tötung zu qualifizieren ist. Als das Hohe Haus seinerzeit bei der Amnestie auch die fahrlässige Tötung in den Kreis der zu amnestierenden Delikte durch einen besonderen Beschluß einbezog, war hier mit Recht ausgeführt worden, daß das Verschulden des Täters im Augenblick der Tat bei einem Verkehrsunfall nicht größer ist, wenn der Verletzte am Leben bleibt oder hinterher an den Unfallfolgen stirbt. Die Genehmigung zur Strafvollstreckung hat nach dem Grundgesetz Art. 46 auch die Geschäftslage des Parlaments zu berücksichtigen. Der Immunitätsausschuß wandte sich deshalb zunächst an die Vorsitzenden der Ausschüsse, denen Abgeordneter Könen angehört, mit der Bitte um Stellungnahme, ob der Abgeordnete Könen vier Monate lang in den Ausschüssen entbehrt werden kann. Alle befragten Vorsitzenden haben mit Rücksicht auf die Geschäftslast ihrer Ausschüsse und die eifrige und wertvolle Mitarbeit des Abgeordneten Könen diese Frage verneint. Da andererseits bei allen Verkehrsdelikten die Strafverfolgung grundsätzlich freigegeben wird und aus dieser Bereitschaft des Hohen Hauses, den Abgeordneten gerade auf diesem Sektor den übrigen Bürgern gleichzustellen, sich auch bei der Strafvollstreckung notwendige Folgerungen ergeben, galt es eine Lösung zu finden, die sowohl mit den Interessen des Parlaments wie mit denen der Justiz vereinbar erschien. Der Immunitätsausschuß schlägt deshalb vor, die Genehmigung zur Strafvollstreckung während der Parlamentsferien vom 9. Juli bis 9. September dieses .Jahres zu erteilen. Aus der Vorschrift des Art. 46 Abs. 4 des Grundgesetzes, nach der der Bundestag die Aussetzung einer Strafverfolgung vertagen kann, ergibt sich, daß die vorgeschlagene Befristung der Genehmigung rechtlich zulässig ist. Bonn, den 26. Juni 1956 Dr. Wahl Berichterstatter Anlage 10 zu Drucksache 2509 (Vgl. S. 8401 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität (1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Preiß gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 30. April 1956 (Drucksache 2509). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Zimmermann In dem vorliegenden Falle handelt es sich um eine Klage gegen den Abgeordneten Dr. Preiß wegen Beleidigung nach den §§ 186 und 185. Nach einer Strafanzeige des Professors Dr. Abendroth aus Marburg (Lahn) vom 9. März 1956 hat der Abgeordnete Dr. Preiß vor einer Konferenz führender hessischer Politiker der FDP im Kurhaussaal von Bad Nauheim folgende Ausführungen gemacht: „Nur einen Grund wolle er anführen, warum er diese Schwenkung nicht mitmachen könne: Die Ansicht der SPD über die Übernahme der „sozialistischen Errungenschaften" der DDR nach der Wiedervereinigung. Ich würde mich schämen, jemals vor die Bewohner Mitteldeutschlands hinzutreten, wenn ich da mithielte. Und, so fuhr er fort, ich muß es erleben, daß in Marburg ein Professor amtiert, der die Lynchjustiz mitbegründete"! Zum Beweis, daß die vorstehenden Ausführungen auf der Bad Nauheimer Tagung der FDP vom 25. Februar 1956 gemacht worden sind, hat der Anzeigeerstatter Professor Dr. Abendroth die Nr. 49 der „Kasseler Post" vom 27. Februar 1956 vorgelegt. Aus diesem Pressebericht ergibt sich, daß es sich um die innere Auseinandersetzung der FDP gehandelt habe und daher verständlicherweise die Wogen der Erregung auf beiden Fronten außerordentlich hoch gingen. Die gespannte Situation findet in dem Pressebericht einen deutlichen Niederschlag und wird wohl am treffendsten gekennzeichnet durch die Kapitelüberschrift: „Zwischen den Schlachten!" In den beanstandeten Ausführungen hat der Abgeordnete Dr. Preiß keinen Namen herausgestellt, sondern nur von einem Pro- (Dr. Zimmermann) fessor der Universität Marburg ohne Namensnennung gesprochen. Der Staatsanwalt hat das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Sinne des § 376 StPO bejaht. Er hat jedoch keinen Gebrauch davon gemacht, dem Abgeordneten Dr. Preiß die Anschuldigung mitzuteilen und ihm anheimzustellen, hierzu Stellung zu nehmen. Er ging davon aus, daß durch diese Maßnahme eine Klärung der Frage, ob das Verfahren einzustellen sei, kaum erwartet werden könne. Da es sich um eine sehr bewegte Aussprache politischer Art gehandelt hat, kommt der Beleidigung politischer Charakter zu, und der Ausschuß hat dementsprechend einstimmig beschlossen, die Immunität nicht aufzuheben. Namens des Ausschusses habe ich die Ehre, das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag zu bitten, der Ihnen auf Drucksache 2509 vorliegt. Dr. Zimmermann Berichterstatter Anlage 11 Umdruack 688 (Vgl. S. 8401 C) Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Evakuiertenrückführung (Drucksache 2410) an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung; 2. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Ausbildungsbeihilfen für jugendliche Evakuierte (Drucksache 2411) an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (federführend) und an den Ausschuß für Jugendfragen; 3. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steuervergünstigungen für Kriegssachgeschädigte (Drucksache 2412) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend) und an den Ausschuß für Heimatvertriebene; 4. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Investitionshilfe für Kriegssachgeschädigte und Evakuierte (Drucksache 2413) an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, an den Ausschuß für den Lastenausgleich; 5. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Neuregelung der Gewerbesteuer bei kriegssachgeschädigten Betrieben (Drucksache 2414) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), an den Ausschuß für Kommunalpolitik, an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, an den Ausschuß für Heimatvertriebene; 6. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Gleichberechtigung aller Geschädigtengruppen in der Lastenausgleichsbank (Drucksache 2415) an den Ausschuß für Heimatvertriebene; 7. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zollfreie Einfuhr von Kaffee und Tee im Reiseverkehr (Drucksache 2443) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; 8. Antrag der Abgeordneten Günther, Even, Nellen, Mühlenberg und Genossen betreffend Unwetterkatastrophe in der Eifel am 29. Mai 1956 (Drucksache 2489) an den Haushaltsausschuß. Bonn, den 26. Juni 1956 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    — Herr Professor Schellenberg, ich würde Sie doch bitten, mich ebenso anzuhören, wie ich vor einiger Zeit Sie angehört habe, als Sie Ihren Plan vortrugen. Ich habe mir damals keine Mühe gegeben, Sie durcheinanderzubringen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die grundsätzlichen Fragen waren in der vorausgegangenen Diskussion weitgehend geklärt worden, so daß diese Abschlußarbeiten nur die gesetzliche Formulierung der vorliegenden Grundsatzerkenntnisse gebracht haben.
    Ich sagte bereits, daß die Diskussion um die Sozialreform sich vor allem mit dem Funktionswandel beschäftigte, den das System der sozialen Sicherung in der jüngsten Vergangenheit durchgemacht hat. Wenn wir an die Zeit zurückdenken, in der unter der Schirmherrschaft von Bismarck die deutsche Sozialversicherung geschaffen wurde, dann stellen wir fest, daß damals im sozialpolitischen Raum andere Voraussetzungen, von denen


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    der Gesetzgeber auszugehen hatte, gegeben waren als die, die wir heute finden. Zu jener Zeit war der Mensch im allgemeinen in dem Sicherheitsverband der Familie eingebettet. Diese Familiengemeinschaft beruhte auf andersartigen wirtschaftlichen und gesellschaftsstrukturellen Voraussetzungen als heute, wo der Besitz von Haus und Hof als wirtschaftliche Grundlage für die Familie nur noch für einen kleinen Teil der Bevölkerung von Bedeutung ist.
    Seit der Zeit der Schaffung der deutschen Sozialversicherung ist die Mehrheit der Bevölkerung von der ländlichen Lebens- und Arbeitsweise zu einer städtisch und industriell geprägten Lebensführung übergegangen. Wir müssen hier die realen Tatbestände klar sehen und dürfen uns nicht auf irgendwelche ideellen Vorstellungen verlas-. sen. Im sozialpolitischen Raum gilt einfach der Tatbestand und nicht das, was man gerne hätte. Es entsprach also den damaligen Gegebenheiten, wenn man die Rente aus der sozialen Rentenversicherung entsprechend der Vorstellungswelt, wie sie um die Jahrhundertwende herrschte, als einen Zuschuß zur Lebenshaltung ansah.
    Inzwischen ist aus der damaligen Minderheit der abhängigen Beschäftigten eine überwiegende Mehrheit geworden. Die Menschen haben sich vereinzelt. Die wirtschaftliche Einbettung in den Schoß der Familie kann nicht mehr als Regel gelten. Auch hohe und wachsende Einkommen schützen den Menschen nicht mehr vor der Unsicherheit des Daseins. Eher ist sogar das Gegenteil richtig. Je besser man verdient, um so härter empfindet man den Verlust eines regelmäßigen Arbeitsentgeltes.
    Wir können also feststellen, daß sich mit zunehmendem Wohlstand auch ein zunehmendes Sicherheitsbedürfnis geltend macht. Aus diesem Grunde haben wir allen Anlaß, das geltende System der sozialen Sicherheit daraufhin zu prüfen, ob es auf alle diese gesellschaftlichen und ökonomischen Wandlungen, die sich in den vergangenen 70 Jahren vollzogen haben, noch ausreichend Rücksicht nimmt. Wir haben hierbei nicht nur an die Millionenzahl derer zu denken, die heute schon Renten beziehen, sondern auch an diejenigen, die in der Zukunft auf Renten angewiesen sein werden. Deshalb gilt es, eine gesellschaftspolitische Entscheidung zu fällen. Es entspricht unserer heutigen Auffassung von der Würde des Menschen und seiner Arbeit, wenn wir uns bemühen, ein Auseinanderfallen von Verdienenden und Nichterwerbstätigen zu beseitigen und für die Zukunft zu verhindern. Wir müssen dabei helfen, daß sichergestellt wird, daß jeder Rentenbezieher am Aufstieg seines Standes oder seines Berufes teilnimmt, und zwar nach Maßgabe seiner individuellen Position im Sozialgefüge, die er sich und den Seinen während der Dauer seines Arbeitslebens erarbeitet hat.
    Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die alten Menschen in der Zeit, als sie selbst noch im arbeitsfähigen Leben standen, das Ihrige zur Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse beigetragen haben und daß die gegenwärtig schaffende Bevölkerung zum Teil von ihren Vorleistungen zehrt, dann ist es, glaube ich, selbstverständlich, daß auch sie im Ruhestand an den Früchten der gemeinsamen Anstrengungen der Generationen teilhaben. Die Sicherstellung des einmal erworbenen Lebensstandards ist dann nicht ein Akt der Barmherzigkeit seitens der jeweils Erwerbstätigen oder gar des Staates, sondern die Erfüllung einer geschuldeten Pflicht und der Ausdruck einer von den Umständen begründeten Solidarität zwischen den Generationen. Auf diesem Wege wird es uns gelingen, den Riß, der sich in unserer Gesellschaft zwischen den Verdienenden und den nicht mehr Verdienenden abzuzeichnen droht, zum Verschwinden zu bringen. So wie die Gemeinschaft das Eigentum des einzelnen schützt, muß sie auch das Arbeitseinkommen schützen. Unser Ziel muß sein, den Menschen das Bewußtsein zu geben, daß sie sich auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben den Lebensunterhalt selbst verdient haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich hoffe, hiermit deutlich gemacht zu haben, daß es uns um mehr als um die Lösung des Problems des Alters- und Invalidenrentners und der Hinterbliebenen geht.
    Wir haben uns bei der Erarbeitung dieses Gesetzes von dem Gedanken leiten lassen, daß es nicht nur Hilfe für diejenigen bringen soll, die alt und invalide geworden sind oder den Ernährer verloren haben, sondern daß auch eine Stärkung des Lebensgefühls für jeden Arbeitenden während seines ganzen Arbeitslebens erreicht werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie bei der Schaffung der Sozialversicherungsgesetze diese staatspolitische Grundeinstellung das Fundament der ganzen Gesetzgebung war, so hat sich auch diesmal über alle vordergründigen Argumente hinweg diese Grundauffassung von der Verpflichtung der Staatsführung durchgesetzt. Das Vertrauen des einzelnen in die Gemeinschaft, in die er geboren und in die er mit seiner Arbeit hineingestellt ist, soll dadurch gestärkt werden, daß die Menschen für einen wichtigen Abschnitt ihres Lebens nicht von der Entwicklung der gesamten Gemeinschaft ausgeschlossen werden. So wie es eines unserer vornehmsten Ziele ist, die Freiheit der Einzelperson im Rahmen der Gesamtheit zu stärken und zu schützen, so muß auch diese Sicherheit gestärkt und geschützt werden. Diese gesellschaftspolitische Grundentscheidung, die jedem Arbeiter und Angestellten das Vertrauen in die Stabilität seiner Alters- und Invaliditätssicherung gibt, will damit zugleich das Vertrauen des Bürgers zu der Gemeinschaft, die ihm diese Sicherheit gewährt, stärken.
    Von hier aus versteht sich auch die Entscheidung der Kernfrage des Entwurfs, nämlich der Frage nach der Rentenformel. Die Rentenberechnung erfolgte bisher nach einer starren, d. h. lediglich den Nennwert der Beiträge berücksichtigenden Rentenformel. Bei der Festlegung dieser Formel am Ende des vergangenen Jahrhunderts konnte man noch nicht übersehen, daß die Fortschritte der Technik und der Produktivität, die durch menschliche Energie und Erfindergeist erfolgten, solche stürmischen Ausmaße annehmen würden. Der technische Fortschritt führte zu einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität und damit zu einer Produktionsausweitung, die sich ganz allgemein in dem fortlaufend steigenden Lebensstandard niederschlägt. Die gestiegene Produktivität hat steigende Löhne und Gehälter zur Folge.
    Die gegenwärtige Rentenformel erwies sich als ungeeignet, den Rentner an dieser Gesamtentwicklung in entsprechender Weise teilnehmen zu lassen. Wiederholte Rentenerhöhungsgesetze mit lebhaften Auseinandersetzungen führten zu unsystematischen, unübersichtlichen und beim Fortgang


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    der Entwicklung sehr bald unbefriedigenden Teillösungen. Der durch die Entwicklung hervorgerufenen unbefriedigenden Rentenerhöhung steht auf der anderen Seite die Tatsache gegenüber, daß sich die Einnahmen der Rentenversicherungsträger infolge prozentualer Bemessung der Beiträge im Einklang mit den Lohn- und Arbeitsverhältnissen entwickelten und zu ständig wachsenden Vermögensüberschüssen führten.
    Auf seiten der Bundesregierung besteht Einmütigkeit darüber, daß eine schematische Versorgung, die jeden Menschen unabhängig von seiner Lebensleistung auf ein Einheitsrentenniveau herabdrückt, für unser Volk nicht in Frage kommen kann. Deshalb geht die neue Rentenformel von dem Gedanken aus, daß das Einkommen des einzelnen seinen Beitrag zur Erstellung des Sozialprodukts der jeweiligen Periode zum Ausdruck bringt. Die für den Rentner so nachteilige Veränderung der Löhne und Gehälter im Laufe eines längeren Arbeitslebens ließ sich dadurch abfangen, daß man zum Maßstab der Beiträge eine von solchen Veränderungen unabhängige Größe herangezogen hat. Auf diese Weise konnte die Höhe der Renten dem jeweiligen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden.
    Der Grundgedanke einer elastischen Rentengestaltung ist inzwischen auch in denjenigen Kreisen anerkannt worden, die sich zunächst den soeben angedeuteten Erkenntnissen zu verschließen suchten. Die Meinungsverschiedenheiten beschränken sich gegenwärtig ,auf die Frage nach dem Ausmaß der Rente. Der Grundgedanke des neuen Rentenbemessungsverfahrens ist also der folgende: Wenn durch eine Erhöhung des Sozialprodukts die Gesamtmasse dessen, was unserem Volk zum Verzehr zur Verfügung steht, vergrößert wird, so sollen an dieser Erhöhung der Verbrauchsgütermenge auch die Rentner teilnehmen.
    Ich darf noch einmal betonen, daß es sich hierbei nicht um ein Geschenk an die alten Menschen handelt. Wir vollziehen vielmehr lediglich einen Akt der Gerechtigkeit, weil die alten Menschen in früheren Jahren mit die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß gegenwärtig mehr Güter erzeugt werden und zur Verfügung gestellt werden können.
    Seit die Beschlüsse der Bundesregierung über die Alters- und Invaliditätssicherung bekanntgeworden sind, macht man sich an vielen Stellen Gedanken über die wirtschaftlichen Auswirkungen. Natürlich sind wir alle daran interessiert, daß die sozialpolitisch für notwendig gehaltene Regelung und der daraus sich ergebende zusätzliche Rentenaufwand keine schädlichen Folgen für unsere Wirtschaft haben. Doch kann ich keineswegs einsehen, welche schädlichen Auswirkungen von der vorgeschlagenen Neuregelung ausgehen könnten.
    Man hat zuweilen von inflationistischen Wirkungen gesprochen. Da jedoch die Renten sich in der Zukunft stets und immer nur in Abhängigkeit von der Lohnentwicklung bewegen und sich ihr mit zeitlicher Verzögerung anpassen werden, ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet davon eine Inflationsgefahr ausgehen sollte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Rentner niemals mehr für Konsumzwecke ausgeben können, als die arbeitende Generation vorher in Form von Beiträgen an Konsumverzicht auf sich genommen hat. Bedenken Sie bitte bei solchen Überlegungen, daß die Gesamtsumme der Renten, die wir in der sozialen Rentenversicherung zahlen, stets nur einen
    Bruchteil der Gesamtsumme ausmacht, die für den privaten Verbrauch aller Menschen des Volkes ausgegeben wird.
    Ebenso scheinen mir Besorgnisse bezüglich der Stabilität unserer Währung im Zusammenhang mit einer Neuordnung der Renten nicht begründet zu sein. Man kann doch kaum anerkennen, daß eine ungerechte Rentenordnung bestehen müsse, weil die Möglichkeit bestehe, daß sich die Preis--und Lohnentwicklungen nicht im Rahmen des vernunftmäßig Gebotenen hielten. Ich kann nur nochmals betonen, daß es sich bei den Renten um abgeleitetes Einkommen handelt, von dem keine schädlichen Wirkungen ausgehen können, solange diejenigen richtig handeln, die für Löhne und Preise verantwortlich sind. Letzten Endes hängt natürlich jede Art der sozialen Sicherung, sei sie nun modern oder weniger modern, in ihrem Erfolg von der Stabilität der Preise und der Sicherung der Währung ab. Ich glaube, wir können in diesem Punkt den Hütern unserer Währung weithin vertrauen.
    Lassen Sie mich noch ein Wort zum Finanzierungsverfahren sagen. Die soeben geschilderten Fortschritte fallen naturgemäß nicht vom Himmel, sie wollen erarbeitet und bezahlt sein. Bezahlen kann sie stets nur die arbeitende Bevölkerung, unabhängig davon, über welche Konten man diese Gelder verrechnet. Ich glaube, daß es gerade zur Festigung der Freiheit der Einzelperson in unserem Wirtschaftsleben führt, wenn wir die erhöhte Sicherheit nicht als ein Geschenk, sondern als das Ergebnis eigener Arbeit und eigenen Verzichts ansehen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Eine Abhängigkeit vom Staate sollte bei einer Neuordnung der sozialen Sicherheit im Interesse aller Menschen soweit wie möglich vermieden werden. Dies läßt sich gegenwärtig nicht in vollem Umfange vermeiden. Doch soll die Alterssicherung auf jeden Fall ohne eine staatliche Beteiligung allein aus Beiträgen finanziert werden. Es ist für den Versicherten wertvoll, die rechnungsmäßige Beziehung zwischen seinem Beitragsaufkommen und der Rentenleistung klar zu übersehen. Hierin liegt für die Versicherten auch die Sicherheit, daß der Rechtsanspruch auf Rente unangefechten bleibt, so daß hier eine Bedürftigkeitsprüfung niemals eingeschaltet werden kann. Auch das trägt zur Stärkung und Wiederherstellung der Würde des Alters im Rahmen der Gesamtgesellschaft bei. So werden auch die Versicherten eine Beitragshöhe als gerecht empfinden, die eine auskömmliche Rente verspricht und finanziert.
    Für den Fall der Invalidität liegen die Verhältnisse anders, so daß hier auch die Leistungsgestaltung unterschiedlich sein muß. Wenn ein Versicherter noch vor Erreichung der Altersgrenze wegen einer Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit aus dem Arbeitsleben ausscheiden muß, so wird auch dann, wenn er bis dahin schon eine gute Einkommensposition erworben hat, die Versicherungsdauer oft nicht dazu ausreichen, eine angemessene Rentenhöhe zu gewährleisten. Der Entwurf sieht eine wesentliche Verbesserung der Leistungen im Falle der Invalidität vor. Es gilt, solche Familien, die von dem Unglück einer vorzeitigen Invalidität des Ernährers betroffen werden, in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu sichern und insbesondere für die Fälle vorzusorgen, in denen noch Kinder zu unterhalten sind. Das Risiko der vorzeitigen Invalidität


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    muß von der Gesamtheit der Staatsbürger mit getragen werden. Aus diesem Grunde sind für solche Fälle Staatszuschüsse notwendig, berechtigt und in der Gesetzesvorlage vorgesehen.
    Der Entwurf unterscheidet bei der Rentenbemessung zwischen Invalidität und völliger Erwerbsunfähigkeit. Die Rente für völlig erwerbsunfähige Personen soll in ihrer Höhe der Altersrente entsprechen.
    Die Hilfe bei vorzeitiger Invalidität ist noch aus einem anderen Grunde ein gesellschaftspolitisches Anliegen, dem wir unsere ganze Aufmerksamkeit schenken müssen. Die Krankheitshäufigkeit der Bevölkerung hat sich gesteigert, die körperlichen und seelischen Anspannungen haben Abnutzungserscheinungen zur Folge, so daß trotz der verlängerten Lebenserwartung die Arbeitsfähigkeit in den vorgerückten Lebensjahren nicht in gleichem Umfange gestiegen, sondern eher geringer geworden ist. Es kann jedoch nicht unser einziges sozialpolitisches Ziel sein, die Lebenserwartung der Menschen zu erhöhen, sondern wir müssen auch dafür Sorge tragen, daß sie dieses verlängerte Leben in Gesundheit durchleben können. Eine wirkliche Lebensfreude kann sich nur in einem gesunden Körper entwickeln.
    Dieses Anliegen hat natürlich auch die angenehme Auswirkung, daß wir mit Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Menschen wieder Menschen der Produktion zuführen können, die vorher zur Untätigkeit verurteilt waren. Damit werden der Produktionskraft unseres Volkes wie auch der Beitragsleistung der Versicherungsgemeinsch aft erhöhte Beiträge zugeführt und die gesamte Rentenlast vermindert. Aber Sie alle werden mit mir darin einig sein, daß wir hierin nicht den vornehmsten Zweck dieser Maßnahmen erblicken. Es geht uns vor allem darum, die Menschen gesund und froh zu machen. Hierbei dürfen wir sicherlich von der gemeinsamen Auffassung ausgehen, daß ein Leben erst durch Arbeit seinen wahren Sinn erhält.
    Die Bedeutung, die die Bundesregierung diesem Komplex beigemessen hat, ersehen Sie bereits daraus, daß in den Vorschriften des Entwurfs die Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Gesundheit und damit der Erwerbsfähigkeit als selbständige Aufgabe der Rentenversicherungsträger der Gewährung von Renten und sonstigen Leistungen vorangestellt werden. Aus einzelnen Formulierungen des Entwurfs ergibt sich, daß solche Maßnahmen auch dann durchgeführt werden können, wenn sie nicht zur Einsparung oder zum Wegfall einer Rente führen, also auch zur Herstellung der Gesundheit der Rentner, die bereits eine feste Rente beziehen. Die Rentenversicherungsträger werden hier ein reiches und ausbaufähiges Arbeitsfeld vorfinden. Sie werden sich dieser Aufgabe, entsprechend der Grundtendenz des Gesetzentwurfs, daß Vorbeugung und Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit wichtiger sind als die Gewährung von Rente, in stärkerem Maße zuwenden können, als es bisher der Fall war.
    Hierbei ist auch dafür Sorge zu tragen, daß der Erfolg der medizinischen und berufsfördernden Hilfen nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß der Betreute während der Dauer der Wiederherstellungsmaßnahmen für sich und seine Familie von wirtschaftlichen Sorgen belastet ist. Als neuartige
    Leistung wird deshalb ein sogenanntes Übergangsgeld vorgesehen.
    Es ist klar, daß der Erfolg der wiederherstellenden Maßnahmen im wesentlichen davon abhängt, daß gesundheitliche Schäden möglichst frühzeitig erkannt werden. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß die Träger der Krankenversicherung und die Arbeitsverwaltung dem Rentenversicherungsträger sofort mitteilen müssen, wenn ihnen Fälle bekannt werden, in denen vorbeugende oder wiederherstellende Maßnahmen angezeigt erscheinen.
    Zusammenfassend darf ich sagen, daß das neue Sicherungssystem unvollkommen wäre ohne die geschilderten Maßnahmen mit dem Ziel einer planmäßigen Zurückdämmung und Einschränkung der vorzeitigen Invalidität. Schließlich ist es die Gesellschaft ihren Mitgliedern auch schuldig, daß sie das Möglichste auf diesem Gebiet nicht ungetan läßt. Ich vertraue hier für die Zukunft auf eine langfristig angelegte Gemeinschaftsarbeit der Ärzte, der Psychologen, der Berufsberater und der Arbeitsvermittler, für die wir versucht haben, in dem vorliegenden Entwurf eine solide Grundlage für ihre weitere Arbeit zu schaffen.
    Ich kann im Augenblick nur versuchen, Ihnen die wesentlichen Anliegen des Entwurfs vor Augen zu führen. Neben den bereits bekannten Punkten bringt der Entwurf für Witwen und Waisen eine Besserung der sozialen Sicherung in mehrfacher Weise. Die Witwenrenten werden auf 6/10 der Versichertenrente heraufgesetzt. Damit wird dem Sachverhalt Rechnung getragen, daß der Lebensbedarf für eine Person mehr erfordert als den Betrag, der bei einem Haushalt von mehreren Personen auf den einzelnen entfällt. Die Waisenrenten werden auf einen Betrag erhöht, der sich ebenfalls mit der wirtschaftlichen Entwicklung verändert. Damit wird auch für die heranwachsende Generation besser gesorgt werden können, als es bisher möglich war. Mit all dem fördert der Entwurf die wirtschaftliche Lage der Familienhaushalte, in denen eine Witwe für Kinder zu sorgen hat.
    Wesentliche Änderungen des bisherigen Systems werden weiterhin auch dadurch bewirkt, daß in Zukunft allen Arbeitnehmern, also Arbeitern und Angestellten, im wesentlichen die gleiche Sicherung gegeben wird. Damit werden zugleich Ungerechtigkeiten, die insbesondere in der bisherigen Rentenformel für Angestellte mit längerem Arbeitsleben hervorgetreten sind, ausgeglichen, wie andererseits eine Angleichung von Arbeitern und Angestellten dadurch erfolgt, daß die Leistungen für Arbeiter an diejenigen der Angestellten herangehoben werden. Eine systematische Gleichstellung wird schon deshalb vermieden, weil die neue Rentenformel das individuelle Arbeitsleben des einzelnen getreu widerspiegelt.
    Doch aus dieser Rechtsangleichung darf nicht geschlossen werden, daß damit irgendwelche Vereinheitlichungstendenzen gefördert werden sollen. Das Angestelltenversicherungsgesetz wird als besonderes Gesetz aufrechterhalten bleiben. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bleibt nicht nur als selbständiger Versicherungsträger für die Angestellten erhalten, sie kann vielmehr gerade in dem erweiterten Aufgabenbereich der Prävention und Rehabilitation die besonderen, für ihre Versicherten speziell erforderlichen und auf deren Wesensart und Bedürfnisse abgestellten


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    Maßnahmen und Hilfen medizinischer und berufsfördernder Art gestalten und ausbauen.
    Abschließend darf ich noch auf ein weiteres wesentliches Anliegen des Entwurfs eingehen. Er bringt eine Wiederherstellung der Rechts- und der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete der Rentenversicherung. Die unterschiedliche Anwendung des am Kriegsende erlassenen Rechts sowie der Erlaß von Länder- und Zonenregelungen von 1945 bis 1949 brachten es mit sich, daß bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik unterschiedliches Recht angewandt wird. Noch wichtiger war vielleicht die Aufgabe der Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete der Rentenversicherung. Das bedeutet eine Übernahme der in vielen Gesetzen, Verordnungen und Erlassen getroffenen Regelungen in ein Gesetz. Infolge der Kriegs- und Nachkriegsgesetzgebung wurden die maßgebenden und von der Praxis anzuwendenden Vorschriften immer unübersichtlicher. Deshalb erstrebt der Entwurf auch eine übersichtliche Gestaltung des gesamten Rechtsgebiets.
    Die soziale Sicherung berührt eine der wichtigsten Existenzbedingungen der modernen Gesellschaft. Sie beeinflußt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ebenso wie die Lebenshaltung der gesamten Bevölkerung. Es liegt in ihrer Macht, Einzel-und Massennotstände zu verhindern, produktive Kräfte zu wahren und zu entfalten und für die Herstellung und Wahrung eines geordneten Gemeinwesens unter dem Prinzip sozialer Gerechtigkeit einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Dieses Ziel rechtfertigt nicht nur die langjährige, vielfältige und weithin andauernde Bemühung der verantwortlichen Stellen, sondern auch die lebhafte Teilnahme der breitesten Öffentlichkeit.
    Zu einer umfassenden Sozialreform gehören sicherlich neben der Alters- und Invaliditätssicherung noch viele andere Gebiete, von denen ich nur die Versorgung, die Fürsorge, die Unfallversicherung, die Krankenversicherung, die Familien- und die Jugendhilfe sowie die soziale Sicherung der Selbständigen erwähne. Ich glaube jedoch, wir sind uns darüber einig, daß nicht so lange gewartet werden kann, bis für alle diese Komplexe die gesetzgeberische Gesamtlösung gefunden ist. Die Bundesregierung war der Auffassung, daß Einzelmaßnahmen, deren innerer Zusammenhang keineswegs verkannt werden soll, von verschiedener Dringlichkeit sind. Auf dem Gebiete der Rentenreform ist die Meinungsübereinstimmung am weitesten gediehen. Also hielten wir es für richtig, dieses Problem, das mir persönlich ein Herzensanliegen ist, bevorzugt zu behandeln und einer beschleunigten gesetzlichen Regelung zuzuführen. Eine Modernisierung der Alters- und Invaliditätssicherung wird ihre heilsame Wirkung auf unsere gesellschaftliche Verfassung nicht verfehlen. Wir alle wollen daran mithelfen, daß die Alten, Invaliden und Hinterbliebenen künftig gleichberechtigte Mitglieder der Gesamtheit sind. Ich hoffe, daß unser Vaterland mit diesem Werk wieder eine führende Stellung auf dem Gebiete der Sozialpolitik in der Welt einnimmt, wie es ehemals gewesen ist.

    (Lebafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Anton Storch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache in erster Lesung.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sicher das Gegebene, hier bei der ersten Lesung des Gesetzes zur Neuregelung der Rentenversicherung auf die Gesamtsituation bezüglich der Sozialreform einzugehen. Nachdem dies mein Kollege Preller bei der Haushaltsberatung in der letzten Woche getan hat, kann ich davon Abstand nehmen, um so mehr, als bei dieser Beratung der Herr Bundesarbeitsminister meines Wissens erstmalig zugegeben hat, daß er sich bezüglich der Vielfalt der Probleme, die in Zusammenhang mit der Sozialreform geordnet werden müßten, geirrt und getäuscht habe. Wir wollen deshalb heute davon absehen, die vielen Versäumnisse und Versprechungen der Bundesregierung in bezug auf die Sozialreform wieder ins Gedächtnis zurückzurufen.

    (Abg. Ruf: Dias haben Sie bis zum Überdruß oft genug getan!)

    — Dazu läßt sich sehr viel sagen, und darüber könnte ich allein mehrere Stunden sprechen, Herr Kollege Ruf.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Ruf: Es wäre doch bloß die alte Platte! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber es ist genug zu diesem Gesetz zu sagen, und
    ich möchte die Zeit hierfür in Anspruch nehmen.
    Ich nehme auch davon Abstand, was noch näher läge, den sogenannten Grundentwurf, den die Bundesregierung bzw. das Bundesarbeitsministerium offenkundig unter dem Druck des SPD-Gesetzentwurfs vorgelegt hat, — —

    (Lachen und Aha-Rufe von CDU/CSU. — Beifall bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, ich werde auf diese Dinge im einzelnen noch eingehen, und Sie werden manches daraus entnehmen können, was Ihnen vielleicht noch nicht bekannt ist.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Das ist alles bekannt!)

    Ich nehme davon Abstand, hier die Unterschiede zwischen dem Grundentwurf vom April — angeblich nach eingehender Vorarbeit erarbeitet — und dem Regierungsentwurf vom Mai im einzelnen darzulegen.

    (Abg. Ruf: Das ist auch nicht Aufgabe der ersten Lesung!)

    Ich stelle lediglich fest, daß das Bundesarbeitsministerium jedenfalls teilweise unserer Bitte entsprochen hat, nämlich bei nochmaliger Bearbeitung der Materie den Gesetzentwurf der SPD zu Rate zu ziehen, und einige, wenn auch viel zu wenige Gedanken noch nachträglich in den Grundentwurf hineingearbeitet hat,

    (Beifall bei der SPD) viel zu wenige!

    Ich setze mich also heute lediglich mit der Frage auseinander, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung der Zielsetzung, die sie selbst in der Einleitung zur Begründung darlegt, entspricht, nämlich, wie es dort wörtlich heißt, „die . . . soziale Sicherung für die Alten und Invaliden, Witwen und Waisen entsprechend den geselLschaftlichen Erfordernissen und den wirtschaftlichen Gegeben-


    (Dr. Schellenberg)

    heiten unserer Zeit neu zu gestalten". Das ist die
    Zielsetzung, von der die Bundesregierung spricht.
    Der Aufbau und die weitere Gestaltung des Gesetzes entsprechen aber nicht dieser Zielsetzung und dieser Ankündigung, schon unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik. Durch Art. 1 des Gesetzentwurfs werden einige Abschnitte des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 abgeändert, die §§ 1226 bis 1234, 1240 bis 1318 usw. Das scheint uns gesetzessystematisch kein guter Weg zu sein; denn nach unserer Auffassung muß eine Neuordnung der Rentenversicherung auch das geltende Sozialrecht vereinfachen und übersichtlicher gestalten. Wenn in dem vorliegenden Gesetzentwurf einzelne Abschnitte eines 45 Jahre alten, sehr kompliziert und unübersichtlich gewordenen Gesetzes eine neue Fassung erhalten, so führt das nach unserer Auffassung nicht zu der ersten Voraussetzung einer Sozialreform, nämlich einer Vereinfachung des Sozialrechts.
    Man soll gewiß die gesetzgeberische Arbeit darauf abstellen, daß im Zusammenhang mit dieser Neuordnung später einmal eine Bundesversicherungsordnung entstehen soll und alles in diesem neuen zusammenfassenden Gesetz kodifiziert wird; aber das wird wegen der Versäumnisse der Bundesregierung noch sehr lange auf sich warten lassen. Bis dahin wäre es notwendig und richtig gewesen, ein Gesetz wenigstens für die Rentenversicherung zu schaffen, damit 'derjenige, der über Angelegenheiten der Rentenversicherung unterrichtet sein will, dieses Gesetzbuch zur Hand nehmen kann.
    Durch Art. 2 dieses Gesetzes werden einzelne Abschnitte des Angestelltenversicherungsgesetzes
    — nicht das ganze Angestelltenversicherungsgesetz
    — vom Dezember 1911 neu gefaßt. Von den 48 Paragraphen dieses neuen Gesetzes bestehen 43 Paragraphen im wesentlichen aus Verweisungen auf die Reichsversicherungsordnung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber damit nicht genug! Wenn jemand etwas über die Rentenversicherung der Angestellten wissen will, dann genügt es nicht, daß er die zwei Gesetze — das Angestelltenversicherungsgesetz neuer Fassung, wie es Ihnen vorschwebt, und die Reichsversicherungsordnung mit den Änderungen des Vierten Buches — zur Hand nimmt, sondern er muß noch ein drittes Gesetz heranziehen, nämlich das Gesetz über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Wir meinen, daß das schon in der Anlage keine glückliche und sinnvolle Konzeption ist.

    (Abg. Arndgen: Aber nur nach Ihrer Meinung!)

    — Aber hören Sie doch einmal! Wie der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat, hat man lange Zeit gründlicher Vorbereitung benötigt, um eine neue Konzeption zu gewinnen, und jetzt ist die Sache schon zu Beginn bei der Einbringung so kompliziert, daß jeder Angestellte, der etwas über Angestelltenversicherung wissen will, nach Ihrem eigenen Vorschlag mit drei verschiedenen Gesetzbüchern arbeiten muß. Wir halten das nicht für sinnvoll.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal diese Vorlage, die vor Ihnen liegt, an. Da haben wir außer den Artikeln 1 und 2 noch die
    Artikel 3 und 4, und auch diese Artikel beginnen mit einer neuen Nummernfolge, wie sich das aus dieser Systematik ergibt, mit den §§ 1, 2, 3, so daß man bei diesem Gesetz dreimal mit den §§ 1, 2, 3 usw. zu arbeiten hat. Ob das eine Vereinfachung und sinnvolle Neugestaltung ist, möchten wir doch sehr bezweifeln.
    In diesem Zusammenhang ein Wort zur Rentenversicherung der Angestellten. Die SPD hat in ihrem Gesetzentwurf, der die Rentenversicherung der Angestellten weiter bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beläßt und diese Rentenversicherung finanziell von der der Arbeiter trennt, durchaus die soziologische Eigenständigkeit der Angestellten anerkannt. Es ist aber ein unabdingbarer Grundsatz sozialdemokratischer Politik — und da wissen wir uns sowohl mit den Arbeitern wie den Angestellten einig —, daß gleiche soziale Pflichten auch gleiche soziale Rechte bedingen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das heißt also, daß Arbeiter und Angestellte, wenn sie die gleichen Beiträge zu leisten haben, auch den Anspruch auf die gleichen Leistungen erhalten sollen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, das entspricht den Grundsätzen der Gerechtigkeit, und dem trägt, wie der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat, der Gesetzentwurf nur „im wesentlichen" Rechnung, nämlich in einem wichtigen Punkte, auf den ich noch eingehen werde, nicht. Das halten wir für eine sehr unglückliche Regelung.
    Nun zu der Frage des Kreises der Arbeitenden, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf in die Rentenversicherung einbezogen werden sollen. Der Gesetzentwurf 'der Regierung sieht in gleicher Weise wie der der SPD die Einbeziehung aller Arbeiter und Angestellten vor. Wir begrüßen es, daß die Regierung endlich zu dieser Auffassung gekommen ist und daß damit eine Ungerechtigkeit gegenüber den Angestellten beseitigt wird, die für kürzere oder längere Zeit über der Einkommensgrenze liegen und ihre Alterssicherung bisher ohne den Beitragsanteil des Arbeitgebers zu bestreiten hatten. Die Regierung setzt als Einkommens- und Leistungsgrenze im Gesetzentwurf den Betrag von 750 DM fest. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß dieses Haus bereits im Jahre 1952 durch das Gesetz über die Erhöhung der Einkommensgrenzen die gleiche Beitrags- und Leistungsgrenze festgesetzt hat. Da der Gesetzentwurf jedenfalls bezüglich des Umfangs der Beiträge eine Dynamik festlegt, wäre es konsequent gewesen, nun auch diese Beitrags- und Leistungsgrenze der Entwicklung seit 1952 anzupassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dann wäre die Regierung auf die Beitrags- und Leistungsgrenze gekommen, die die Sozialdemokraten mit 1000 DM in ihrem Gesetzentwurf festgelegt haben.
    Der Gesetzentwurf beschränkt die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung. Hiervon werden vor allen Dingen die Hausfrauen betroffen. Die SPD sieht in dieser Einschränkung der freiwilligen Versicherung einen bedauerlichen Rückschritt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nun zu den Leistungen. Als erste Leistungsart führt der Gesetzentwurf Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Er-


    (Dr. Sdiellenberg)

    werbsfähigkeit durch Heilbehandlung und Berufsförderung an. Der Ausdruck findet sich in unserem Gesetzentwurf und ist — um Ihnen nur ein Beispiel zu geben — aus ihm übernommen worden. Die erstrangige Position dieser Leistungen im Regierungsentwurf kann aber nicht über den völlig unzureichenden Inhalt der Leistungen hinwegtäuschen. Dafür möchte ich Ihnen nur drei Beispiele geben.
    Erstens werden nur Leistungen zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit gewährt, nicht zur Erhaltung der Gesundheit des Menschen. Lediglich der Schutz der Erwerbsfähigkeit soll im Sinne einer Möglichkeit der Verhütung späterer Rentenleistungen Inhalt des Gesetzes sein. Das ist nach den großartigen Ankündigungen über Prävention, Rehabilitation usw. eine Enttäuschung; denn Inhalt und Sinn aller solchen Maßnahmen muß der ganze Mensch sein. Es geht um die Erhaltung seines Gesundheitszustandes und nicht nur um Maßnahmen, die auf einen Teilbereich, die Erwerbsfähigkeit, abgestellt sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese Maßnahmen werden — und das ist der zweite Einwand — grundsätzlich nur für Versicherte, aber nicht im Prinzip für Familienangehörige und Rentner gewährt. Wir sind der Überzeugung, daß es auf diese Weise bei dem heute sehr unerfreulichen und unbefriedigenden Zustand weiterhin bleiben würde, daß der Mensch, der die Altersgrenze von 60 Jahren erreicht hat, für ein Heilverfahren, für gesundheitliche Maßnahmen als zu alt bezeichnet wird, wie das die gegenwärtige Praxis ist.

    (Sehr richtig! links.)

    An diesem Grundsatz hält der Gesetzentwurf fest und bringt keinen Fortschritt. Wir meinen, daß ein Gesetz, das unter dem großen Motto einer besseren Alterssicherung steht, in dieser Form eine gesundheitspolitische Fehlkonstruktion ist.
    Unser dritter Einwand gegen diese Leistungen ist, daß sie nach wie vor Kann-Leistungen bleiben, also in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt sind und selbst dann, wenn die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen ärztlich nachgewiesen wird, kein Rechtsanspruch auf sie besteht. Das war schon bisher für die Maßnahmen des Heilverfahrens der Sozialversicherung ein empfindlicher Nachteil, der nun weiter beibehalten werden soll.
    Im übrigen mache ich schon darauf aufmerksam, daß im Hinblick auf den Gesamtbereich der gesundheitlichen Leistungen dieser Gesetzentwurf nicht dazu geeignet ist, die Spannungen zwischen den Bereichen der Renten- und der Krankenversicherung zu mildern und ihr Verhältnis sinnvoller zu gestalten, sondern daß in diesem Gesetzentwurf ein Zündstoff liegt für sehr unerfreuliche Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen beiden Bereichen.
    Der Entwurf schafft ferner Gefahren für Spannungen zwischen den Trägern der Rentenversicherung und den freiberuflich tätigen Xrzten, denn in diesem Gesetz sind Vorschriften enthalten, die praktisch in die Belange der freiberuflich tätigen Arzte eingreifen. Die Sozialdemokraten haben in ihrem Gesetzentwurf gesagt: Der behandelnde Arzt ist beratend hinzuzuziehen. Die Bundesregierung sagt das nicht nur nicht, sondern sie greift in den Bereich des Arztes des Vertrauens des Versicherten in vielfältiger Weise ein. Das im einzelnen darzulegen, wird vielleicht Angelegenheit der hier anwesenden Damen und Herren sein, die Ärzte sind. Aber ich möchte namens der Sozialdemokraten schon hierauf aufmerksam machen.
    Im übrigen sind wir der Auffassung, daß es der Gesetzentwurf in diesem Bereich der gesundheitlichen Leistungen unterläßt, ,die notwendigen, ich möchte sagen: psychologischen Voraussetzungen für die Weckung eines aktiven Interesses — einer inneren Bereitschaft — des Versicherten an diesen gesundheitlichen und berufsfürsorgerischen Maßnahmen zu schaffen. Denn ohne die innere Bereitschaft des einzelnen Menschen sind diese Maßnahmen zum Scheitern verurteilt. Typisch hierfür ist eine Überschrift im Grundentwurf bei § 1248.

    (Zuruf rechts: Das ist doch ein Regierungsentwurf!)

    — Ja, ja, Regierungsentwurf! Der Grundentwurf ist hier übernommen, Herr Kollege! — Diese Überschrift lautet: „Folgen der Verweigerung von Maßnahmen durch Betreute." Schon allein diese Formulierung zeigt also, wie die Richtung geht. Wir sagen, das ist eine falsche Richtung. Man muß versuchen, für all diese Maßnahmen die aktive, die innere Bereitschaft der betreffenden gesundheitsgefährdeten Menschen zu gewinnen. Sonst ist die Sache von vornherein zum Scheitern verurteilt.
    Wir sind der Meinung, daß die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften über diesen gesamten Bereich der Erhaltung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit in keiner Weise den hieran geknüpften Erwartungen entsprechen. Sie sind kein wichtiger Schritt, noch nicht einmal ein erster Schritt zur Neuordnung dieser gesundheitlichen Leistungen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, zu den Renten. Der Regierungsentwurf geht wie der Entwurf der Sozialdemokraten von einer Beitragsrente aus. Mit Interesse stellen wir fest, daß die Regierung in bezug auf die Berücksichtigung der Zeiten des Kriegsdienstes, der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, der Schul- und Berufsausbildung seit jenem Grundentwurf unter Eindruck des sozialdemokratischen Entwurfs neue und bessere Formulierungen gefunden hat.

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Ach, wissen Sie, ich weiß noch viel mehr, als Sie denken. Ich weiß — um es Ihnen zu sagen —, daß an dem Abend, an dem der sozialdemokratische Gesetzentwurf vorlag, im Bundesarbeitsministerium Nachtarbeit geleistet wurde, um auf Grund der Vorschriften des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs die entsprechenden Formulierungen für den Grundentwurf zu prägen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Und das, nachdem Sie jahrelang versucht haben, mit der „großartigen" sozialpolitischen Konzeption Vorschußlorbeeren zu gewinnen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    So sind die Realitäten! Sie haben geredet, und wir haben an der Sozialreform aktiver gearbeitet als Sie.

    (Wiederholter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)



    (Dr. Schellenberg)

    Nun zu dem Kernstück der Ordnung; das ist die Altersrente. Wir sind der Auffassung, daß die Altersrente das Kernstück der sozialen Neuordnung in dem Sinne sein soll, daß der Mensch, der ein Leben lang gearbeitet hat, auf Grund dieses gesamten Arbeitslebens eine Rente in einem Zeitpunkt erhalten soll, in dem es ihm möglich ist, noch einige Jahre seines Lebens ohne den wirtschaftlichen Zwang zu Erwerbstätigkeit zu verbringen. Deshalb stellt nach Auffassung der Sozialdemokraten die Altersgrenze von 65 Jahren ein unbedingtes Maximum dar. Wir sind der Auf f as-sung, daß alle Bestrebungen darauf gerichtet werden müssen, diese Altersgrenze nach Möglichkeit, mindestens für besondere Gruppen, noch herabzusetzen.
    Wir haben deshalb mit großer Sorge von der Erklärung des Sozialkabinetts vom 18. Januar Kenntnis genommen, daß es — wie es heißt —„dem Versicherten durch Weiterarbeit nach Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren freistehen soll, eine Erhöhung seiner Rente zu bewirken". Meine Damen und Herren, eine Erhöhung einer Rente, von der Sie und der Herr Minister sagen, sie soll völlig ausreichend werden! Die Erhöhung einer „voll ausreichenden Rente" durch Weiterarbeit über das 65. Lebensjahr hinaus scheint uns ein innerer Widerspruch zu sein. Wir haben deshalb, als diese Erklärung der Bundesregierung herauskam, mit großem Ernste vor derartigen Plänen gewarnt und haben mit Interesse davon Kenntnis genommen, daß der vorliegende Gesetzentwurf keinen Anreiz, ich möchte sagen, keinen indirekten Zwang zu einer Weiterarbeit über das 65. Lebensjahr hinaus enthält.
    Aber um so mehr waren wir überrascht, als der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Regierungserklärung zur Konjunkturpolitik am vergangenen Freitag ankündigte, daß die Regierung
    — wie es heißt — „bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs Vorschläge zur Begünstigung der Beschäftigten zur Erörterung stellen will, die über die Altersgrenze hinaus arbeiten wollen".
    In den Erklärungen des Herrn Bundesarbeitsministers habe ich nichts Konkretes über diese Pläne der Regierung, die das Kabinett hier vorgeschlagen hat, gehört. Vielleicht besteht also auch hier eine Disharmonie innerhalb der Regierung, indem der Herr Bundeswirtschaftsminister namens der Regierung etwas anderes verkündet, als der Herr Bundesarbeitsminister wenige Tage später bei der Debatte dieses Gesetzes erklärt, auf das der Herr Wirtschaftsminister ausdrücklich Bezug genommen hat. Wir sind der Auffassung, daß dadurch in der Frage der Altersgrenze eine sehr ernste Situation geschaffen worden ist, und ich möchte dringend bitten, daß der Herr Bundesarbeitsminister nachher noch klar und präzise zu dieser Frage Stellung nimmt.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube, die gesamte Öffentlichkeit hat ein Recht
    darauf, von dem dafür verantwortlichen Minister
    — und das ist der Herr Bundesarbeitsminister — zu hören, welches die Auffassungen der Bundesregierung über die Frage der Altersgrenze und die sogenannte Förderung der Weiterarbeit über das 65. Lebensjahr hinaus sind.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Das ist doch erst ein Vorschlag!)

    — Aber, hochverehrte Frau Kollegin, (Abg. Kunze [Bethel]: Freiwilligkeit!)

    — ich will nicht etwas Böses sagen —: wenn Sie einen wirtschaftlichen Anreiz zur Weiterarbeit schaffen, dann bringen Sie die Menschen, die vor dieser Altersgrenze stehen, in einen schweren Konflikt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach was! — Abg. Ruf: Die wollen gern arbeiten!)

    Dann wird sich jede Familie überlegen: „Vater, beantragst du jetzt die Rente, dann reicht sie nicht aus; oder arbeitest du weiter, um eine höhere Rente zu erhalten?" Das wird die Frage von Hunderttausenden von Menschen sein, die bei der Altersgrenze von 65 Jahren angelangt sind. Das ist doch die Situation des praktischen Lebens. Geben Sie sich, hochverehrte Frau Kollegin Weber, in dieser Hinsicht keiner Täuschung hin!

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb bringt man die Menschen in eine unmögliche Lage, wenn man als Anreiz sagt: Durch Weiterarbeit kannst du höhere Steigerungbeträge erreichen.

    (Abg. Stingl: Gibt's ja gar nicht!)

    — Aber das ist doch der Inhalt. Weshalb erklärt denn der Herr Bundeswirtschaftsminister so etwas. Dem liegen doch Gedanken und Pläne zugrunde. Und wenn Sie sie heute nicht aussprechen, dann werden Sie uns in den Ausschußberatungen damit überraschen.

    (Abg. Ruf: Natürlich reden wir darüber!)

    Hierüber müssen wir Klarheit haben. Nachdem diese Erklärung des Wirtschaftsministers abgegeben worden ist, wollen wir eine Antwort haben; darauf haben wir einen Anspruch.
    Die SPD hält, wie Sie wissen, die Herabsetzung der Altersgrenze nicht nur für Männer in gefährdeten Berufen für erforderlich, sondern auch für Frauen. Die SPD hat deshalb mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat unter Hinweis auf die Empfehlungen der ersten europäischen Regionalkonferenz des Internationalen Arbeitsamts vorschlug, wenigstens für die Frauen, die in den letzten zehn Jahren erwerbstätig waren, die Altersgrenze von 60 Jahren einzuführen. Die Bundesregierung hat bedauerlicherweise diese Empfehlung des Bundesrates abgelehnt

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    mit einer sehr interessanten Begründung, nämlich daß ein erheblicher Teil der versicherten Frauen angeblich eine solche Regelung wegen der damit verbundenen Gefahr — so heißt es wörtlich
    — vorzeitiger Verdrängung vom Arbeitsplatz nicht wünscht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wie ist die Situation? Als einziges Land der Bundesrepublik besteht eine diesbezügliche Regelung in Berlin, die wir dem Wirken unserer verehrten Frau Kollegin Louise Schroeder verdanken.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wird bestätigen — ich sehe Frau Kollegin Dr. Lüders im Augenblick nicht im Saal, auch sie würde es in gleicher Weise bestätigen —: Keine der über 50 000 Frauen, die diese Vergünstigung in Berlin erhalten, hat sich jemals darüber be-


    (Dr. Schellenberg)

    schwert, sondern sie sind in Sorge, daß möglicherweise jetzt durch eine bundesgesetzliche Regelung die Altersgrenze für nicht mehr erwerbstätige Frauen in Berlin von 60 auf 65 Jahre heraufgesetzt wird.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das ist die Situation. Ich bedaure deshalb eine
    solche Erklärung, in der die Bundesregierung ein
    solch ernstes Anliegen mit einigen Sätzen abtut.

    (Zuruf rechts: Sehr richtig!)

    Ich nehme der Regierung diese Begründung nicht ab. Nicht das scheint entscheidend zu sein, was in der Stellungnahme der Bundestagsdrucksache steht, sondern das, was der Bundesarbeitsminister im Bundesrat dazu ausgeführt hat, indem er nämlich laut Protokoll diesem Vorschlag, die Altersgrenze für Frauen herabzusetzen, im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen widersprochen hat.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten in einer solchen Angelegenheit doch wenigstens mit offenen Karten spielen.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Sehr wahr!)

    Es ist eine schlechte Sache, wenn der Herr Minister in der Bundesratssitzung eine derartige Erklärung im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen abgibt und dann die Regierung in ihrer offiziellen Mitteilung sagt, die Frauen selbst wünschten eine solche Regelung nicht.
    Mit dem weiteren Hinweis der Regierung, daß, soweit bei Frauen — so heißt es in der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates — in stärkerem Umfang als bei Männern vor Erreichung der Altersgrenze Invalidität eintrete, die Gewährung der Invalidenrente den Ausgleich bringe, wird doch nichts anderes gesagt, als daß die Frauen zwischen 60 und 65 Jahren die Rente erst erhalten sollen, wenn sie gesundheitlich verbraucht sind. Das ist doch mit verhüllten Worten der Tatbestand, auf auf den die Bundesregierung Bezug nimmt. Wir glauben, daß ist eine unsoziale und eine sehr bedenkliche Begründung.
    Im Zusammenhang mit dieser Frage der Altersgrenze muß die SPD auch schwere Bedenken dagegen erheben, daß die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates, auch Arbeitern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und ein Jahr arbeitslos sind, eine bedingte Altersrente zu gewähren, mit der Begründung abgelehnt hat, für Arbeiter sei ein Bedürfnis für eine solche Regelung nicht gegeben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das ist doch wirklich fadenscheinig. Denn wenn tatsächlich kein Bedürfnis bestehen sollte, würde von der gesetzlichen Möglichkeit, eine solche Altersrente in Anspruch zu nehmen, kein Gebrauch gemacht werden.
    Wir bitten doch, ernsthafte sozialpolitische Anliegen etwas gründlicher und etwas sorgsamer zu würdigen und sich mit ihnen ernsthafter auseinanderzusetzen

    (Beifall bei der SPD)

    als mit solchen allgemeinen hingeworfenen Bemerkungen. Das entspricht nicht der Schwere des Problems. Wenn die Bundesregierung prinzipielle Ausführungen zur Altersgrenze gemacht oder gesagt hätte, was sie bezüglich der älteren Arbeitslosen an Konstruktivem tun wollte, dann wäre das für uns auch noch nicht befriedigend. Aber man kann nicht einfach sagen: Die Frauen wollen nicht die niedrige Altersgrenze, oder wie der Herr Bundesarbeitsminister — er trägt die politische Verantwortung, deshalb muß ich den Herrn Bundesarbeitsminister immer ansprechen — im Ausschuß des Bundesrats erklärt hat: den Arbeitern ist mit einer solchen Altersrente von 60 Jahren bei Arbeitslosigkeit nicht gedient, weil — so sagte er wörtlich — diese Rente dann niedriger ist als die Arbeitslosenunterstützung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist eine sehr interessante Begründung in einem Augenblick, in dem die Bundesregierung erklärt, die Invalidenrenten seien höchst wirksam. Sie sollen also nach der eigenen Erklärung des Bundesarbeitsministers niedriger sein als die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung; denn nur bei längerer Arbeitslosigkeit kommt eine solche Leistung in Frage. Ich muß ernsthaft bitten, alle diese Anliegen mit einem größeren sozialen Veranwortungsbewußtsein zu beurteilen und nicht kurze Abweisungen zu erteilen.
    Nun zu der Frage der Höhe der Renten! Die Altersrente soll nach dem Regierungsentwurf einen Steigerungsbetrag von 1,5 vom Hundert gewährleisten. Diese Rente ist — das möchte ich im Hinblick auf die Erläuterungen in der Begründung hier sehr nachdrücklich erklären — nicht ausreichend, vor allen Dingen deshalb nicht, weil in dem Regierungsentwurf die Fehlzeiten beispielsweise der Arbeitslosigkeit und Krankheit nicht voll ausgeglichen werden. Im ganzen ergibt sich unter Berücksichtigung der Fehlzeiten eine unzureichende Rente. Ich beziehe mich dabei nicht auf die Worte, die in der Begründung stehen, sondern auf das Zahlenmaterial. Es ist zwar sehr dürftig, aber einiges kann man daraus entnehmen. Aus dem Zahlenmaterial ist ersichtlich, daß die Bund esregierung selbst unterstellt, daß das Arbeitsleben eines Arbeiters im normalen Ablauf infolge der Fehlzeiten nur zu 79 vom Hundert, vom 15. Lebensjahr an, mit Beitragszeiten belegt ist. Wenn Sie also Berechnungen anstellen, dann kommen Sie für die Zeit vom 15. Lebensjahr bis zur Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren nicht, wie in der Begründung zu lesen ist, auf 50 mal 1,5 %, sondern nach dem Inhalt Ihres eigenen Zahlenmaterials nur auf 39,5 mal 1,5 % des Arbeitsverdienstes als Rente. Also selbst wenn ein Mensch vom 15. Lebensjahr normal bis zum 65. Lebensjahr gearbeit hat, beträgt die Rente 59 % des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes, in dem natürlich auch der Arbeitsverdienst der Lehrlingsjahre oder der absinkende Verdienst in den Krisenzeiten oder im Alter einbegriffen sind. Wenn Sie diese Dinge berücksichtigen, dann kommt die Altersrente unter 50 vom Hundert dessen, was ein Mensch normalerweise verdient, selbst wenn er vom 15. bis zum 65. Lebensjahr im Arbeitsleben gestanden hat. Wir Sozialdemokraten halten eine solche Rente sozialpolitisch für unzureichend. Deshalb haben wir gesagt, daß die Steigerung höher sein muß und daß alle Fehlzeiten ausgeglichen werden sollen, um das sozialpolitische Ziel einer wirklich ausreichenden Sicherung des alten Menschen zu erreichen.
    In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu weiteren Auführungen in der Begründung. Die Re-


    (Dr. Schellenberg)

    gierung bringt Beispiele und unterstellt, ein Mensch habe im Arbeitsleben ständig die durchschnittliche Verdienstgrundlage erzielt. Wenn das ein Versicherter liest und das auf sich wirken läßt, dann denkt er und rechnet sich aus: Mein durchschnittlicher Arbeitsverdienst ist jetzt in der allgemeinen Bemessungsgrundlage 340 DM, und ich erhalte für jedes Jahr, in dem ich gearbeitet habe, 1,5 % von 340 DM. Das ist falsch. Es gibt keinen Menschen, der in seinem ganzen Arbeitsleben immer diesen Höhepunkt erreicht hat. Das ist unmöglich; denn der Mensch beginnt in der Ausbildungszeit, und es gab auch Krisenzeiten. Deshalb führt es einfach zu Irrtümern — ich glaube, es ganz vorsichtig zu sagen —, wenn man rechnet, die allgemeine Bemessungsgrundlage werde für das gesamte Arbeitsleben zugrunde liegen. So etwas soll man nicht tun; es führt irre. Wir wollen hier Sozialpolitik machen und den Menschen im Zusammenhang mit den Gesetzesberatungen Erklärungen geben, die den Realitäten entsprechen oder ihnen ganz nahe kommen und nicht bei ihnen Illusionen erwecken. Im Zusammenhang damit rechnen sich nämlich die Leute jetzt schon aus, sie erhielten eine Rente von 60 oder 75 % des Höhepunktes. Nach dem Regierungsentwurf nicht! Deshalb ist es unser Anliegen, eine bessere Leistung zu erreichen.
    Die Regierung hat auch einen wichtigen sozialen Grundsatz nicht beachtet: daß wir, wenn wir zu einer ausreichenden Alterssicherung kommen wollen, den Arbeitsverdienst des Menschen, der früher als Landarbeiter oder Heimarbeiter unzureichend entlohnt worden ist, auf einen Mindestarbeitsverdienst aufstocken müssen. Das tut die Regierung nicht. Die Sozialdemokraten haben gefordert, von einem Mindestarbeitsverdienst von 200 Mark auszugehen, um zu erreichen, daß der alte Mensch, der ein ganzes Leben gearbeitet hat, dann ohne Fürsorgeunterstützung leben kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist durch Ihren Gesetzentwurf leider nicht gewährleistet.
    Nun zu den Renten wegen vorzeitiger Berufsunfähigkeit. Die Regierung führt einen neuen Begriff der Invalidität ein. Er ist gewissermaßen eine Mischform der Begriffe der Invalidenversicherung für Arbeiter und der Berufsunfähigkeit der Angestellten. Damit wird der Begriff der Berufsunfähigkeit für die Angestellten — das müssen wir nachdrücklich feststellen — verschlechtert. Die Sozialdemokraten lehnen eine solche Verschlechterung ab.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir fordern gleiche Behandlung der Arbeiter und Angestellten. Wir wollen aber nicht die Neuordnung zu Lasten der Angestellten durchführen. Deshalb haben wir gefordert, den in der Angestelltenversicherung bewährten Begriff der Berufsunfähigkeit auch auf Arbeiter anzuwenden und hier nicht eine Nivellierung zuungunsten der Angestellten herbeizuführen.
    Zur Höhe der Invalidenrente! Der Steigerungsbetrag der Invalidenrente beträgt im allgemeinen 1 %. Das bedeutet gegenüber der bisherigen Rente eine Verschlechterung, denn einschließlich der Zulagen erhält der Arbeiter jetzt eine Steigerung von 1,5 %.

    (Abg. Ruf: Und die Zurechnung?) — Auf die Zurechnung komme ich noch, Herr Kollege Ruf. Ich kann nicht alles erörtern, aber das will ich noch erwähnen. — Das bedeutet, daß der Steigerungsbetrag für den vorzeitig arbeitsunfähigen Menschen — unabhängig von der Zurechnung, auf die ich noch eingehen werde — um 50 % gesenkt wird, nämlich von 1,5 auf 1 %, und daß der Rentner außerdem den Grundbetrag, den festen Teil der Rente von 40 Mark in der Rentenversicherung der Arbeiter und von 70 Mark bisher in der Rentenversicherung der Angestellten verliert. Ich muß ein wenig auf Zahlen eingehen; das ergibt sich leider aus der Materie. Der Herr Ministerialdirektor hat gestern in einem anderen Zusammenhang ein sehr großes Wort gesprochen. Er hat erklärt, nach diesem neuen Gesetzentwurf könne sich jeder Arbeiter und Angestellte seine Rente selbst errechnen. Ich empfehle Ihnen, es selbst einmal zu versuchen. Bitte, unternehmen Sie es! Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!


    (Sehr gut! rechts.)

    Diese Dinge sind außerordentlich kompliziert; vielleicht liegt das in der Materie. Aber man soll nicht die Öffentlichkeit über die sogenannte Vereinfachung irreführen. Das, was ein Repräsentant des Arbeitsministeriums gesagt hat, ist eine Irreführung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Um in dieser Hinsicht noch etwas zu sagen: Es stimmt nicht und es kann nicht stimmen, daß Sie im Arbeitsministerium Tausende von Modellfällen durchgerechnet haben. Das kann nicht stimmen! Dazu sind die Grundlagen des Gesetzes viel zu schlecht und viel zu unausgegoren. Wer Tausende von Fällen durchgerechnet hätte, der wäre auf Probleme gestoßen, von denen Sie vielleicht heute noch nichts wissen; aber wir werden Ihnen dies im Sozialpolitischen Ausschuß darlegen.
    Ich kann nicht auf alle diese Einzelheiten eingehen. Aber das Entscheidende ist, daß trotz der Zurechnung bei der Versicherungsdichte von 79 %, wie im Regierungsentwurf steht, der Invalide im allgemeinen auf eine Rente von 31 % seines durchschnittlichen Arbeitsentgeltes kommt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist Tatsache, und andere Zahlen, die Sie draußen verkünden, stimmen nicht, Das muß und soll ganz klargestellt werden. Es gibt zwar, wie Sie sagen werden — der Herr Minister hat darauf hingewiesen —, auch eine Rente für Vollerwerbsunfähige. Vollerwerbsunfähig ist aber derjenige, der praktisch überhaupt nicht mehr imstande ist, etwas zu verdienen. Das werden noch nicht 10 % aller Berufsunfähigen sein. Darüber haben wir Unterlagen aus der Kriegsopferversorgung und aus anderen Bereichen, z. B. aus der Unfallversicherung. Da wissen wir genau Bescheid. Wir halten deshalb die Zurechnung für eine schlechte Sache.
    Im übrigen ist die Konstruktion — um Ihre Frage, Herr Kollege Ruf, bezüglich der Zurechnung zu beantworten — fehl angelegt, um es bescheiden zu sagen. Es wird nämlich das Arbeitsleben zugrunde gelegt, als ob der Versicherte bis zum 55. Jahre gearbeitet hätte. Das hört sich für denjenigen, der sich nicht ernsthaft mit der Sache beschäftigt hat, großartig an. Was ist der Tatbestand? Von 180 000 Menschen, die jährlich arbeitsunfähig werden, sind über 100 000 im Alter von über 55 Jahren. Sie erhalten also Ihre „berühmte" Aufstockung überhaupt nicht, weil sie im Alter von


    (Dr. Schellenberg)

    über 55 Jahren arbeitsunfähig werden. Das scheint uns keine glückliche Regelung zu sein.
    Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel darlegen, das Ihnen das Arbeitsministerium vielleicht noch nicht mitgeteilt hat. Ich nehme die Zahlen des Regierungsentwurfs. Da sind zwei Menschen; der eine wird im Alter von 60 Jahren invalide, der andere im Alter von 30 Jahren. Beide haben einen völlig gleichen Arbeitsverdienst. Der 30jährige hat 15 Jahre gearbeitet — vom 15. Lebensjahr ab —, der 60jährige hat die doppelte Zeit, 30 Jahre gearbeitet. Wie wird die Rente sein? Unterstellt wird ein durchschnittlicher Arbeitsverdienst mit einer allgemeinen Bemessungsgrundlage, um es für denjenigen, den es interessiert, technisch zu sagen. Die Rente wird für den 60jährigen mit 30jähriger. Arbeitszeit monatlich 102 DM, für den 30jährigen, der die Hälfte der Zeit gearbeitet hat, 136 DM betragen. Das heißt: derjenige, der doppelt so lange gearbeitet hat wie der andere mit dem gleichen Arbeitsverdienst, erhält eine Rente, die um 25 % niedriger ist als die dessen, der kürzere Zeit gearbeitet hat.

    (Zurufe von der SPD.)

    Das ist der Inhalt Ihrer Zurechnung, Herr Kollege Ruf, auf die Sie so besonders stolz sind. Bitte, überlegen Sie sich die Fälle genauer, denn die Regierung hat es offenbar leider vorher nicht getan, vielleicht nicht tun können, weil sie zum sozialdemokratischen Entwurf etwas auf den Tisch des Hauses legen mußte; einen anderen Grund kann ich mir hier nicht denken.
    Ich komme damit zu einem Gedanken, den wir, wie ich hoffe, bisher gemeinsam vertreten haben. Wir sagen: je älter der Mensch ist und je länger er gearbeitet hat, je mehr Beiträge er gezahlt hat, um es auch versicherungstechnisch zu sagen, desto höher soll seine Rente sein. Das ist bei Ihrem Zurechnungssystem nicht der Fall, sondern das Gegenteil. Wir glauben, daß das unerfreuliche Wirkungen sind.
    Nun werden Sie mit dem Beispiel kommen: Ja, aber der voll Erwerbsunfähige, der erhält, wenn er diesen Arbeitsverdienst gehabt hat — das können Sie leicht nachrechnen —, über die 102 DM hinaus noch 50 % zusätzlich.
    Für den schwerstkranken Menschen aber, für den gelähmten, für den blinden, für den Menschen, der ständig fremder Wartung und Pflege bedarf, für den wir Sozialdemokraten ein Pflegegeld beantragt haben, hat die Regierung die Anregung des Bundesrats abgelehnt, Pflegegeld zu gewähren.

    (Abg. Arnholz: Hört! Hört!)

    Sie tat es mit folgender Begründung: Nach Ansicht der Bundesregierung kann die Gewährung von Pflegegeld nicht Aufgabe der Rentenversicherung sein, weil die Rentenversicherung generelle Tatbestände, nicht aber solche erfaßt, die eine laufende individuelle Prüfung der Umstände erforderlich machen. — Das ist nicht überzeugend. Die Konstruktion der Invalidenversicherung mit ihrer sogenannten Rente auf Zeit erfordert eine laufende tberprüfung des Gesundheitszustandes. Diese Begründung ist also an den Haaren herbeigezogen. Wir bedauern, daß die Regierung nicht in der Lage war, das Problem des Pflegegeldes, das sich in der Unfallversicherung und in der Kriegsopferversorgung als notwendig erwiesen hat, im
    Zusammenhang mit der Rentenreform ernsthafter zu behandeln.
    Nun zur Hinterbliebenenrente. Der Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen. Was ist der Inhalt dieser Witwenrente, von der Sie sprechen? Der Inhalt der Regelung ist, daß für die Witwe im allgemeinen ein Steigerungsbetrag von nur 0,6, also 60 % von 1 % gegenüber der jetzigen Regelung gewährt wird, die sich im gewogenen Durchschnitt im Grundbetrag auf 0,9 % stellt. Das bedeutet, daß Sie bei dieser Regelung die Witwe allgemein ungünstiger stellen.
    Aber bezüglich der Regelung für die Witwen ist noch eine andere Frage wichtig. Ich meine die Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten. Wir haben jetzt den unerfreulichen Zustand für die Frau, die gearbeitet, die selbst Beiträge gezahlt hat und dann Witwe wird; der Mann hatte auch gearbeitet und Beiträge entrichtet. Dann tritt nach den gegenwärtigen Vorschriften eine Kürzung der niedrigeren Rente um gegenwärtig 25 % ein. Das wurde bisher mit dem sogenannten Grundbetrag begründet. Wir Sozialdemokraten haben vor zwei Jahren die Beseitigung dieser Kürzungsvorschriften verlangt. Darauf hat die Regierung geantwortet: das liegt am Grundbetrag, und deswegen können wir die Kürzung nicht aufheben; ein Mensch solle nicht zweimal einen Grundbetrag erhalten, wenn auch aus zwei verschiedenen Versicherungen.
    Jetzt wird der Grundbetrag abgeschafft, jetzt gibt es eine reine Beitragsrente. Und was macht die Regierung? Die Regierung schafft folgende Regelung — man muß sie dreimal lesen, um sie zu verstehen, selbst wenn man sich etwas mit Sozialversicherungsdingen beschäftigt —: die Rente beträgt aus beiden Arbeitsverdiensten zusammen 60 % des der eigenen Versichertenrente und des der Witwenrente zugrunde liegenden Lebensarbeitsverdienstes. Inhalt dieser Regelung ist, daß eine Frau, die ihr Leben lang gearbeitet und, was heute mitunter vorkommt, mehr als ihr Mann verdient hat, nach Ihrer Konstruktion überhaupt keine Witwenrente erhält, weil sich nämlich dann aus beiden Arbeitsverdiensten so viel ergibt, daß die eigene Rente über 60 % des Gemeinsamen liegt. Wir meinen, daß das, wirtschaftlich gesehen, im System einer rein durch Beiträge erworbenen Rente eine Enteignung darstellt.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das kann man wohl sagen!)

    Wir machen Sie darauf aufmerksam.
    Witwenabfindung. Im Prinzip ist Ihr Vorschlag unserem Vorschlag sehr ähnlich.
    Wiederaufleben der Witwenrente. Sie machen das Wiederaufleben der Witwenrente davon abhängig, aus welchem Grunde die nachfolgende Ehe aufgelöst wurde. Ich wiederhole: aus welchem Grunde die nachfolgende Ehe aufgelöst wurde. Beim Pflegegeld erklärten Sie, Sie wollten keine individuelle Nachprüfung der Pflegebedürftigkeit aus allgemeinen Erwägungen, und hier beauftragen Sie den Versicherungsträger, individuelle Nachprüfungen darüber anzustellen, aus welchem Grunde eine Ehe aufgelöst wurde.

    (Zurufe von der SPD: Unerhört!)

    Ich glaube, es ist keine Funktion der Sozialversicherung, mit moralischen Begriffen zu werten, weshalb die Ehe einer Frau aufgelöst wurde.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Dr. Schellenberg)

    Wir haben es in der Rentenversicherung mit einem Bereich zu tun, der sich, wie der Bundesarbeitsminister gesagt hat, auf Rechtsansprüche gründen soll und nicht auf moralische Bewertungen.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Ist das etwa der Beitrag des Familienministeriums? — Weitere Zurufe von der SPD. — Gegenruf des Abg. Sabel. — Unruhe.)

    — Herr Kollege Sabel, wir wollen hier gemeinsam versuchen, uns in die Probleme zu vertiefen; sie sind ziemlich kompliziert. Ich muß leider auf diese Dinge eingehen, weil sie das Lebensschicksal vieler Menschen berühren.
    Waisenrente. Sie haben vorhin etwas höhnisch dazwischengerufen oder gelächelt, als ich sagte, Sie hätten nach Ihrem Grundentwurf den SPD-Entwurf herangezogen und aus ihm Erkenntnisse geschöpft. Das gilt auch für die Waisenrente. Ihr ursprünglicher Entwurf lautete, daß eine Waisenrente bei Schul- und Berufsausbildung über das 18. Lebensjahr hinaus nur für das dritte und weitere Waisenkind gewährt werden soll, daß also beim Tode des Vaters die beiden ersten Kinder ihre Schul- und Berufsausbildung abbrechen sollen und nur für das dritte Kind eine weitere Waisenrente gewährt werden soll.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das entsprach wahrscheinlich Ihrer Kindergeld-„Konzeption" — Konzeption in Gänsefüßchen! Jetzt, einen Monat später, haben Sie sich erfreulicherweise zu unserem Entwurf bekannt

    (Abg. Arnholz: Bravo!)

    — wir freuen uns darüber und haben in mancher Beziehung noch gute Hoffnung —, und Sie haben die allgemeine Waisenrente ohne Begrenzung auf das dritte und folgende Kind eingeführt. Aber Sie sind dabei zu einem Gedankengang gekommen, der im Bereich dieser Rentenversicherung für uns neuartig ist. Sie führen nämlich eine einheitliche Waisenrente unabhängig von den geleisteten Versicherungsbeiträgen ein. Meine Damen und Herren, wir befinden uns hier nicht im Bereich der Staatsbürgerversorgung. Gerade Sie sind es immer gewesen, die auf den Versicherungsgrundsatz so besonderen Wert gelegt haben. Deshalb ist es erstaunlich, daß Sie sich hier zu dem Gedanken der Statsbürgerversorgung bekennen. Dann müßten Sie aber einen Schritt weitergehen; dann müßten Sie diese gleiche Waisenrente nicht aus Versicherungsbeiträgen, sondern aus allgemeinen Steuermitteln finanzieren. Darüber wollen wir uns gern im Ausschuß weiter unterhalten.
    Elternrente. Die SPD hat eine Elternrente gefordert und fordert sie aus wohlerwogenen Gründen. Im Bundesrat wurde diese Frage ebenfalls erörtert. Dabei hat der Herr Vertreter des Bundesarbeitsministeriums erklärt, die Einführung von Elternrenten sei in der Rentenversicherung fehl am Platze. In der Unfallversicherung besteht sie, in der Kriegsopferversorgung besteht sie auch. Weshalb soll es dort, wo die Tochter die Mutter oder die Eltern ernährt hat, Beiträge geleistet hat, wegen der Kriegsverhältnisse nicht zur Eheschließung gekommen ist, dem Wesen der Rentenversicherung widersprechen, an Stelle einer Witwenrente eine Elternrente zu gewähren? Das ist uns Sozialdemokraten unerfindlich und wahrscheinlich auch all den Frauen, die mit ihren Müttern und Eltern zusammenleben und sie unterhalten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Jetzt zu dem zentralen Problem, wie der Herr Bundesarbeitsminister sagte: der Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwickung. Die Worte, die darüber in der Begründung zum Gesetzentwurf stehen, können wir Sozialdemokraten unterschreiben. Dort steht nämlich, daß aus sozialen und volkswirtschaftlichen Gründen die Renten an die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt werden sollen. Das ist das Programm der Bundesregierung. Aber in der Verwirklichung befolgt die Bundesregierung diesen Grundsatz nicht. Während wir Sozialdemokraten systematisch für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft diese Anpassung vollziehen wollen, ist die Regelung der Bundesregierung, wie ich im einzelnen noch nachweisen werde, nicht sehr folgerichtig, — um mich erst einmal sehr zurückhaltend ausdrücken. Die Regierung war bisher nicht imstande, in dieser Hinsicht eine Konzeption zu entwickeln. Das geht schon daraus hervor, daß die Bundesregierung in diesem Jahre jeden Monat — wörtlich genommen — über diese Anpassung der Renten eine andere Auffassung vertreten hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, und deshalb muß ich ihn kurz begründen. Im Januar: Kernstück „dynamische Rente". Im Februar: da der Ausdruck „dynamische Rente" falsch ist, „Produktivitätsrente". Im März habe ich den Herrn Bundesarbeitsminister hier in der Fragestunde aus sozialpolitischem Interesse auf dieses Problem angesprochen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat geantwortet: Anpassung der Renten an Teuerungsindex oder Veränderung der Löhne in Zeitabständen von drei oder fünf Jahren. Das war im März. Im April erhalten wir unter besonderer Eilbedürftigkeit den Grundentwurf der Regierung. Was steht in diesem Entwurf? — Automatische Anpassung mittels jenes Sozialversicherungsbeirats! Da steht nichts mehr von drei oder fünf Jahren Verzögerung, sondern dann, wenn dieser Beirat es beschlossen hat, sollte die Anpassung erfolgen. Das war die Konzeption vom April. Im Mai erhalten wir als Regierungsvorlage auf dem besonderen Wege, den der Bundesrat schon beanstandet hat, die Bundesratsdrucksache gleichzeitig als Bundestagsdrucksache, und darin heißt es: Anpassung in Abständen von jeweils fünf Jahren nach der Steigerung des Volkseinkommens. Anfang Juni erklärt dann die Bundesregierung, das Wort „Steigerung des Volkseinkommens" sei ein Druckfehler;

    (Lachen und Hört! Hört! bei der SPD)

    es müsse heißen: „Veränderung des Volkseinkommens"; es müsse also auch eine Abwärtsentwicklung eingeschlossen werden. Ein sehr merkwürdiger Druckfehler! In dem Gesetzentwurf stehen noch ganz andere Druckfehler. Ich kann Ihnen allein in den Tabellen zehn Druckfehler nachweisen,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    die auf die besondere Hast zurückzuführen sind, mit der der Gesetzentwurf fertiggestellt worden ist. Schieben Sie es nicht auf den Drucker! Das steht sicherlich so im Konzept.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wollen die Dinge klar sehen. Der Bundesarbeitsminister hat von einer lange geplanten,


    (Dr. Schellenberg)

    gründlichen Arbeit gesprochen und sich dagegen gewehrt, daß man den Vorwurf „überhastet" erhebt. Meine Damen und Herren, das ist kein Widerspruch. Man kann eine Sache sehr hinauszögern und verspätet zu einem Abschluß bringen und dennoch zuletzt überhastet arbeiten. Der Gesetzentwurf ist ein beredter Beweis dafür. Die Bundesregierung hat seit sechs Jahren Ankündigungen gemacht und schließlich doch außerordentlich überhastet gearbeitet. Das werde ich im einzelnen noch nachweisen. Wir müssen diese Dinge hier klar aussprechen, um die sozialpolitische Konzeption der Bundesregierung und ihrer Praxis einander gegenüberzustellen.
    Es handelt sich hier — um das deutlich zu sagen — um ein Gesetz, das rund 61/2 bis 7 Millionen Menschen betrifft und einen Aufwand von 13,2 Milliarden DM erfordert, und ich glaube, über diese Dinge haben wir eingehend zu sprechen. — Herr Kollege Kunze, darauf möchte ich aufmerksam machen, und davon lasse ich mich durch Ihren Blick auf die Uhr nicht abhalten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie haben es am 4. Mai fertiggebracht, von 9 Uhr morgens bis 7 Uhr abends das Wehrpflichtgesetz zu beraten,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und der sozialdemokratische Gesetzentwurf kam unter „Ferner liefen" in den Abendstunden heran. Hier wird jetzt die Diskussion zumindest über Ihren Gesetzentwurf geführt,

    (Beifall bei der SPD)

    nachdem Sie es schon verhindert haben, daß über unsern Gesetzentwurf ausreichend hier gesprochen werden konnte. Jedenfalls haben Sie nichts dazu gesagt. Der Herr Minister hat eine Erklärung über die Regierungskonzeption abgegeben, aber kein Wort zu unserm Gesetzentwurf gesagt. Die einzigen, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben, sind die Kollegen der FDP, und Frau Kollegin Kalinke hat auch des öfteren, was ich hier durchaus mit Dank zur Kenntnis nehme, die grundsätzlichen Fragen herausgestellt. Wir sind in manchem anderer Auffassung; aber es ist durchaus anzuerkennen, daß man sich mindestens auf einer Seite der Regierungsparteien mit den grundsätzlichen Problemen auseinandersetzt. Diese Auseinandersetzung haben wir heute hier zu führen.
    Die Regierung hat also in diesem Jahre in jedem Monat eine andere Vorstellung zur Dynamik der Renten geäußert. Ich bin gespannt, was bei den Ausschußberatungen noch herauskommen wird. Vielleicht dreht man sich noch einmal oder dreimal im Kreise; ich weiß es nicht.
    Die Anlage der Anpassung der Renten, die so wichtig ist, hat die Bundesregierung von vornherein nach einem zweigleisigem System geplant. Für die Festsetzung der Renten wird der Lohn unter Berücksichtigung des Durchschnitts der letzten drei Jahre zugrunde gelegt, womit Verzögerungen eingebaut werden, die sich nachteilig für die Rentner auswirken. Die Anpassung der laufenden Renten soll nicht nach dem Lohn, sondern nach dem Volkseinkommen nach dem „berüchtigten" Fünfjahreszeitraum erfolgen.
    So kommt man also zu völlig unterschiedlichen Renten. Das ist auch durch die Fachpresse gegangen. Man kommt zu verschiedenen Renten für Menschen, die das völlig gleiche Arbeitsleben haben; nur beginnt die Rente bei dem einen am 31. Dezember, so daß diese Rentenzahlung in den Rhythmus der laufenden Rente eingeht, beim anderen wird sie am 1. Januar neu beantragt. In der Zeitschrift „Soziale Sicherheit" hat mein Freund Dr. Auerbach praktische Beispiele angeführt, die unter den tausend Modellfällen der Bundesregierung offenbar nicht vorhanden waren. Das führt dazu, daß die Renten bei Menschen mit gleichem Arbeitsleben, aber einem Altersunterschied von nur einem Tag um 25 % voneinander abweichen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Schon das zeigt die ganze Widersinnigkeit Ihres zweigleisigen Systems! Man kann zur Dynamik dieses und jenes sagen, aber man soll doch in einem Gesetz eine Richtung durchhalten. Das ist doch die primitivste Anforderung, die man stellen kann. Ich spreche nicht vom sozialen Inhalt dieser Anpassung, sondern überhaupt erst einmal von den Grundlagen, auf denen man eine solche Anpassung aufbauen muß.
    Die Anpassungsvorschriften sind eine Wissenschaft. Ich schätze den glücklich, der sie in allen Einzelheiten verstanden hat. Es wird auch Ihnen schwergefallen sein. Sie haben eine besondere Arbeitstagung — mehrtägig — zur Einführung und zur Vorbereitung für die heutige Debatte abhalten müssen, um die Dinge einigermaßen zu verstehen.

    (Abg. Horn: Wir folgen Ihrem Beispiel!)

    — Nein, wir haben gearbeitet, um unser Gesetz zu machen, und Sie, um ein Gesetz, das die Regierung gemacht hat, verstehen zu lernen. Das ist ein fundamentaler Unterschied,

    (Beifall und Lachen bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Das System des Entwurfs ist, daß für die Festsetzung der Renten der sogenannte individuelle Arbeitsverdienst des Versicherten in eine Beziehung zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten gesetzt wird. Bei Erstellung dieser Grundlage Ihrer Rentenberechnung setzen Sie sich — das hat die Öffentlichkeit schon beanstandet — über die einfachsten Regeln der Arithmetik hinweg. Sie addieren die verschiedenen Prozentzahlen zu einer Summe und dividieren diese Summe durch die Anzahl der Prozentsätze.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist ein grober Rechenschnitzer, und auf diesem Rechenschnitzer beruht Ihr System der Rentenanpassung und Dynamik. Die Rechenmethode führt dazu — man kann das an vielen Beispielen nachweisen, das werden wir in den Ausschußsitzungen sehen —, daß Menschen mit dem gleichen Arbeitsverdienst und einem gleichartigen Arbeitsleben zu einer unterschiedlichen Rente kommen. Das aber widerspricht jedem Erfordernis der Gerechtigkeit, die Sie durch dieses Gesetz doch verwirklichen wollen und die wir hier gemeinsam verwirklichen sollten. So kann man nicht vorgehen!
    Abgesehen von dem Grundfehler, daß Sie, um zu einem Durchschnitt zu kommen, Prozentsätze addieren, die nicht addiert werden dürfen, stellen Sie für bestimmte Zeiträume Tabellen auf. Diese Tabellen sind von entscheidender Bedeutung. Nach den Tabellen wird die Rente berechnet. Hier aber handelt es sich um den Lebensbedarf unserer alten Menschen, also nicht etwas, was nur theoretisches Interesse hat. Im Gegenteil, das ist eine eminent wichtige soziale Frage, wichtiger als jede Ausein-


    (Dr. Schellenberg)

    andersetzung um Lohn, weil Renten für das ganze Leben festgesetzt werden und nicht mehr abgeändert werden können,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn sie rechtskräftig festgestellt sind.
    Das Gesetz gliedert die Tabellen nach Vom-Hundert-Sätzen, Verhältniszahlen für bestimmte Zeiträume. Man kann in mühseliger Arbeit versuchen, diese Verhältniszahlen nachzuprüfen. Sie müßten, wenn sie richtig wären, für den gleichen Zeitraum zu dem gleichen durchschnittlichen Arbeitsverdienst führen. Wenn man aber Ihre Tabellen nachrechnet, so stellt man fest, daß sie nicht richtig sind. Sie können uns hier nicht sagen, das sei in Unterversicherung und sozialen Notwendigkeiten begründet. Wir werden Ihnen im Ausschuß im einzelnen nachweisen, daß Sie Fehler gemacht haben, die unverantwortlich sind. Wir führen das nur auf die Hast zurück, und wir bezweifeln, ob Sie alle zur Verfügung stehenden Sachverständigen bei diesen Dingen herangezogen haben. Diese Tabellen sind etwas so Einmaliges in unserer Sozialgesetzgebung, daß ich sie nicht anders als „skandalös" bezeichnen kann. Wir haben uns oft mit Gesetzentwürfen auseinandersetzen müssen und haben die finanziellen Berechnungen der Regierung für überhöht gehalten. Aber was hier gemacht worden ist, entspricht nicht den Anforderungen, die an eine ernste und sachliche Arbeit gestellt werden müssen. Wir werden von Ihnen fordern, daß Sie in den Ausschußberatungen jede einzelne Zahl Ihrer Tabellen nachweisen, und wir werden Ihnen dann beweisen, wie manipuliert wurde — anders kann ich es nicht sagen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was ich hier sage, ist der Öffentlichkeit bereits bekannt. Die „Deutsche Zeitung" hat diese Dinge in einem Artikel unter der Überschrift „Das falsche Renteneinmaleins" dargelegt. Ich habe volles Verständnis, wenn das Bundesarbeitsministerium nicht auf jeden Presseangriff antwortet. Aber auf eine sachlich so fundierte Stellungnahme muß die Regierung antworten. Ich kenne den Verfasser, Herrn Dr. Hellwig, nicht.

    (Zuruf von der Mitte: Nicht unser Hellwig!)

    Er versteht zweifellos etwas von der Sache. Wenn hier der Regierung vorgeworfen wird, nicht daß sie eine falsche sozialpolitische Konzeption hat — darüber können wir uns unterhalten —, sondern daß sie entscheidende Rechenfehler macht, dann muß die Regierung antworten, insbesondere da sich der Herr Minister und seine leitenden Mitarbeiter in Fragen der Sozialreform in bezug auf Ankündigungen, Versprechungen und Propaganda wahrlich keine Zurückhaltung auferlegt haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es wäre die Pflicht des Bundesarbeitsministeriums gewesen, zu einem so fundierten massiven Angriff auf das Gebäude des Entwurfes Stellung zu nehmen. Das ist nicht geschehen.
    Je eingehender man sich mit der Materie beschäftigt, auf um so mehr unmögliche Dinge stößt man. Menschen mit gleichem Lohn und gleicher Arbeitszeit werden völlig unterschiedlich behandelt, je nachdem ob sie ihre Beiträge durch Kleben von Marken oder im sogenannten Lohnabzugsverfahren entrichtet haben. Diejenigen, die im Jahre 1956 den gleichen Arbeitsverdienst gehabt und den gleichen Beitrag gezahlt haben, müssen doch zu den gleichen Renten kommen. Das ist aber nach Ihrem Entwurf nicht der Fall. Je nachdem, ob der Betreffende Marken geklebt hat oder seine Beiträge im Lohnabzugsverfahren einbehalten worden sind, erhält er eine unterschiedliche Rente. Das ist eine Unmöglichkeit.
    Etwas anderes: Wenn Sie die Tabellen für Arbeiter und Angestellte vergleichen, ergeben sich unmögliche Disharmonien. Die Dinge sind unüberlegt und undurchdacht. Jeder, der sich mit der Materie beschäftigt hat, wird Ihnen das bestätigen.
    Der Entwurf bringt auch Aufstellungen durchschnittlicher Arbeitsverdienste. Wer das liest, der meint, danach berechne sich seine Rente. — Meine Damen und Herren, wenn Sie die Zahlen mit anderen Zahlen vergleichen, dann geraten Sie in Schwierigkeiten. Vergleichen Sie diese Zahlen mit den Zahlen, die das Bundesarbeitsministerium vor wenigen Jahren —1954 — in der Durchführungsverordnung zum Fremdrentengesetz herausgegeben hat — also den Grundlagen für die Renten, die für alle Heimatvertriebenen und für alle Menschen gelten, die durch Kriegseinwirkungen ihre Unterlagen verloren haben —, stellen Sie fest, daß dort für ,die gleichen Zeiträume Arbeitsverdienste angesetzt sind, die um 25 bis 30 % niedriger sind als die Arbeitsverdienste für die gleichen Zeiträume, mit denen der Entwurf operiert. Das ist doch ein Widerspruch und eine Unmöglichkeit. Das Ministerium kann es doch nicht verantworten, daß heute die Renten nach Tabellen für den Arbeitsverdienst der Heimatvertriebenen z. B. der Jahre 1938 oder 1940 berechnet werden. Jetzt liefert man uns für die gleichen Zeiten ganz andere Arbeitsverdienste, unter dem Eindruck des SPD-Gesetzentwurfs, muß ich Ihnen sagen. Das hat Sie zu kühnen Leistungen beflügelt.

    (Heiterkeit.)

    Die Zahlen sind aber nicht durchdacht; das ist der Fehler. Sie hätten sich früher mit den Dingen beschäftigen sollen, dann wäre etwas Sinnvolleres herausgekommen.
    In diesem Zusammenhang muß ich zitieren, was über dieses Thema im Bundesrat gesagt wurde. Der Berichterstatter des Bundesrates hat laut Protokoll folgendes erklärt:
    Ich muß noch darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik sich mit den §§ 1258 ff., die die Berechnungsgrundlage der Renten regeln, nicht näher beschäftigen konnte, weil u. a. auch von den Vertretern des Bundesarbeitsministeriums die Korrektheit der Tabellen in Zweifel gezogen wurde.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das Arbeitsministerium ist das federführende Ministerium. Die Regierung bringt eine Vorlage mit Tabellen ein, und dann äußern die eigenen Vertreter des Ministeriums Zweifel an ihren Tabellen! Und der Herr Bundesarbeitsminister schweigt im Bundesrat dazu!

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Er hat das Ziel der Klasse nicht erreicht!)

    Das ist eine unmögliche Lage. Sie werden verstehen, daß wir uns mit einer solchen Regelung einfach nicht abfinden können.
    Meine Damen und Herren, Sie sagen, das sei der erste große Schritt zur Sozialreform. Der Herr Bundeskanzler selbst macht sich die Mühe, zum


    (Dr. Schellenberg)

    Vortrag seines Ministers hier zu erscheinen; die Ausführungen der Opposition sind ihm nicht so wichtig. Sie demonstrieren die Bedeutung dieser Angelegenheit und stützen sich dabei auf eine Arbeit, die nicht die Voraussetzung eines durchgearbeiteten Gesetzentwurfs erfüllt.
    Die 61/2 Millionen laufender Renten sollen also auf das neue Gesetz umgestellt werden. Das ist eine schwierige Arbeit; darüber sind wir uns klar. Nachrechnen kann man Ihre Umrechnungstabellen nicht, weil kein Wort der Begründung dazu gesagt ist. Man muß raten, wie die Regierung zu den Bewertungen gekommen ist. Läßt man die Zahlen auch nur oberflächlich auf sich wirken, so ergibt sich etwas Bedauerliches. Der Grundsatz, den wir alle bisher gemeinsam als Ziel der Sozialreform bezeichnet haben, daß nämlich in erster Linie der alte Mensch im Mittelpunkt der Sozialreform stehen soll, wird durch Ihre Umrechnungstabellen verletzt. Wir stellen nämlich fest, daß die Umrechnungswerte für viele Gruppen jüngerer Menschen weit höher sind als für die älteren. Daraus ergibt sich, daß eine Rente, die bisher nach den gleichen Beiträgen, nach den gleichen Arbeitsverdiensten berechnet wurde, für einen jüngeren Menschen durch eine pauschalierte Zurechnung viel höher sein, das Drei- oder Vierfache der Rente eines alten Menschen betragen wird.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das halten wir für das Gegenteil einer gezielten und wirksamen Rentenreform. Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf in seinen Tabellen den Anforderungen, die man an eine Rentenreform stellen muß, nicht entspricht. Die Durchführung war überhastet und unüberlegt, und dadurch sind die Dinge zustande gekommen. Diese Übergangsregelung wirkt deshalb so katastrophal, weil keine Möglichkeit besteht, daß eine Rente, die auf Grund dieser Tabellen berechnet ist, nach den tatsächlich gezahlten Beiträgen überprüft werden kann.
    Meine Damen und Herren, wir haben darüber beim Renten-Mehrbetrags-Gesetz mit der pauschalierten Umrechnung schon einige Auseinandersetzungen gehabt.' Sie hatten damals das Argument: Das ist nur eine vorläufige Regelung. Es kommt die große Rentenreform; dann wird das alles wieder ausgebügelt und glattgemacht. Jetzt ist die Rentenreform da. Sie führen völlig ungerechtfertigte Tabellen und damit Renten ein, und Sie geben keinem alten Menschen die Möglichkeit zu einer Rente, die sich nach seinem früheren Arbeitsverdienst und nach seinen Beiträgen bestimmt. Wir meinen, daß das all dem, was man als Versicherungsgerechtigkeit bezeichnet, geradezu ins Gesicht schlägt.
    Nun, meine Damen und Herren, der schwerstwiegende Fehler ist in der Öffentlichkeit bereits lebhaft erörtert worden, nämlich die Anpassung in Abständen von fünf Jahren. Der Bundesrat hatte drei Jahre vorgeschlagen. Mit zwei Sätzen lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates ab,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    der doch wirklich von großer sozialpolitischer und wirtschaftspolitischer Tragweite ist, indem die Regierung sagt, daß mit Rücksicht auf mögliche Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwicklung eine Anpassung in kürzeren Zeiträumen nicht angebracht erscheine. Das ist die Erklärung der Bundesregierung. Aber das ist doch sehr widerspruchsvoll. Denn gerade wenn die wirtschaftliche Entwicklung schwankt, dann ist doch eine Anpassung der Rentenleistung an die wirtschaftliche Entwicklung notwendig.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, bitte überlegen Sie sich doch einmal ganz nüchtern die Konsequenzen dieser fünfjährigen Anpassung. Nehmen Sie doch das Beispiel der Vergangenheit; es ist vielleicht noch instruktiver, als wenn wir in die Zukunft hinein irgendwelche Erwägungen anstellen. Wie wäre eine Rente, die am 1. Januar 1956 gezahlt worden ist, nach Ihrem Gesetz festgestellt und angepaßt worden? Sie wäre nach Ihrem eigenen Gesetzentwurf zuletzt am 1. Januar 1951 angepaßt worden, und zwar auf Grund des durchschnittlichen Volkseinkommens der Jahre 1948, 1949 und 1950. Die Rente des 1. Januar 1956 würde also im Mittel auf das Volkseinkommen des Jahres 1949 bezogen sein.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist Ihre Dynamik! Wir haben seitdem fünf Rentenzulagengesetze gemeinsam verabschiedet, verabschieden müssen, können wir wohl sagen — ich will nicht sagen, auf Grund wessen Initiative —: Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, Rentenzulagengesetz, Grundbetragserhöhungsgesetz, Renten-Mehrbetrags-Gesetz, Sonderzulagengesetz. Fünf Gesetze waren in dieser Zeit notwendig, und Sie wollen jetzt eine Anpassung so vornehmen, daß Sie — das ist doch der Inhalt — sechs Jahre zurückbleiben.
    Meine Damen und Herren, der Herr Bundesarbeitsminister hat bei der Haushaltsberatung erklärt, das sei ein revolutionärer Schritt, und er hat im Bulletin geschrieben, es sei die größte Errungenschaft seit der Bismarckschen Sozialreform. Wenn Sie diese Ankündigung mit dem Inhalt des Entwurfes in Beziehung setzen, dann zeigt sich die ganze Tragik dieses Gesetzes. Mit einer solchen Dynamik werden wir Sozialdemokraten uns nicht abfinden. Das scheint selbst der Vertreter des Bundesfinanzministeriums schon im Gefühl gehabt zu haben. Er hat nämlich bei den Beratungen des Bundesrats, als er dieses System verteidigen wollte, den freundlichen Rat erteilt, wenn sich extreme Situationen ergäben, brauche der Gesetzgeber diese Fünfjahresfrist nicht einzuhalten, sondern er könne — sehr liebenswürdig — intervenieren. Das bedeutet nichts anderes, als daß selbst nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums die Rentendynamik weitere Zulagengesetze nicht ausschließen würde. Wir möchten gar keinen Zweifel darüber lassen, daß die Sozialdemokraten, wenn keine automatische Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung erfolgt, zu jedem Zeitpunkt die entsprechenden Anträge und Gesetzesvorlagen in diesem Hause einbringen werden,

    (Abg. Arndgen: Am besten jeden Monat!)

    um die Renten an die Lohn-, Gehalts- und Preisentwicklung anzupassen. Ich glaube, das ist eine Verpflichtung, die wir bei einer solchen gesetzlichen Regelung haben, und wir wollen Sie schon im ersten Stadium der Beratungen mit allem Nachdruck darauf aufmerksam machen.

    (Abg. Ruf: Sehr gefährlich!)

    Sozialpolitisch gefährlich ist Ihr Gesetz. Wenn Sie
    eine derartige Regelung treffen, erweisen Sie der


    (Dr. Schellenberg)

    Öffentlichkeit wahrlich einen schlechten Dienst. Bei jeder weiteren Lohn- und Preisentwicklung — von der ich nicht weiß, ob sie kommen wird — haben wir die Verpflichtung, auch an den Rentner zu denken.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist unsere hervorragende Aufgabe in diesem Hause.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Das tun wir ja genauso!)

    — Lohnpolitik machen wir in diesem Gesetzentwurf nicht, meine Damen und Herren. Sie wollen die Verwirklichung Ihrer konjunkturpolitischen Gedanken in Form der fünfjährigen Verzögerung praktisch zu Lasten des Rentners gehen lassen. Gestern hat das eine Persönlichkeit, die Ihnen eher nähersteht als mir, Herr Staatssekretär Dr. Krohn, bei der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft ähnlich gesagt.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.

    (Zurufe von der Mitte: Zum Schluß?)

    — Ja, wenn Ihr Gesetz besser gewesen wäre, hätten wir uns darüber nicht lange zu unterhalten brauchen.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Das liegt doch nicht an uns. Ich habe doch nicht diese Vorlage zu vertreten, sondern wir Sozialdemokraten haben als Opposition die Verpflichtung, nachdem die Reform so großartig angekündigt war, vor der Öffentlichkeit klarzustellen, welches der wirtschaftliche und soziale Inhalt ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zur Finanzierung! Der Gesetzentwurf enthält bezüglich der Finanzierung den Grundsatz: Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und Bundeszuschüsse. Er bringt, wie der Bundesarbeitsminister mitgeteilt hat, die Neuerung, daß die Zuschüsse des Bundes in Zukunft nicht mehr für die Leistungen der Altersversicherung gewährt werden sollen.
    In diesem Zusammenhang eine kleine Einschaltung, die zeigt, wie wenig sorgfältig das Gesetz gearbeitet ist. Im Angestelltenversicherungsgesetz heißt es — § 33 — „Alterssicherung" und in der Reichsversicherungsordnung heißt es „Altersversicherung". Man war sich also wahrscheinlich noch nicht darüber klar, wie man es nennen sollte. Schieben Sie es nicht wieder auf den Drucker!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Für Altersrenten sollen also keine Zuschüsse mehr gewährt werden, sondern nur noch für Renten, die keine Altersrenten sind. Die Bundesregierung gibt keine klare Begründung dafür. Aber man kann auf Grund der dürftigen Zahlenangaben darüber einige Vermutungen anstellen. Aus den Zahlenangaben dieses Gesetzentwurfs geht nämlich hervor, daß die Zahl der Renten, die keine Altersrenten sind, sich in den nächsten zehn Jahren um 850 000 vermindern, daß sich aber die Zahl der Altersrenten um 920 000 erhöhen wird. Aus dieser Entwicklung kann man Schlüsse auf die Gründe ziehen, die die Bundesregierung zu ihrem Vorschlag bewogen haben. Sie will sich in Zukunft an der sinkenden Last beteiligen, aber nicht an der steigenden Last.
    Sie will sich offenbar durch dieses Gesetz von der steigenden Last der Zuschüsse für Altersrenten befreien. Es kann berechnet werden, wann der Zeitpunkt kommen wird, in dem die Zuschüsse für die Nichtaltersrenten höher sein werden als der gesamte Aufwand. Dann wird der Finanzminister sagen: Ich kann doch nicht mehr zahlen, als gesetzlich verankert ist. Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Entwicklung der Altersrenten müssen wir gegen diese Regelung, nach der ohne entsprechende Sicherungen die Zuschüsse für die Altersrenten eingestellt werden sollen, ernsthafte Bedenken erheben.

    (Sehr richtig! bei ,der SPD.)

    Noch etwas anderes ist im Hinblick auf die Bundeszuschüsse interessant. Nach dem Gesetzentwurf soll jährlich ein fester Betrag als Bundeszuschuß gewährt werden. Setzt man diesen festen Betrag zu den Rentenausgaben in Beziehung, dann ergibt sich, daß der Bundeszuschuß, der gegenwärtig 42 % der Rentenausgaben beträgt, im Jahre 1957 nur etwa 31 % betragen soll,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    daß also der Anteil des Bundes im Verhältnis zur Gesamtausgabe sinken soll. Das halten wir unter sozialen Aspekten nicht für eine sehr sinnvolle Finanzpolitik.
    Und noch etwas anderes sei klargestellt, auch aus der Begründung: Von den Rentenerhöhungen werden 4,3 Milliarden aus Beitragsmitteln gedeckt und 750 Millionen aus Bundeszuschüssen. Das heißt auf deutsch gesagt: nach Ihrer Vorstellung sollen 85 % der Erhöhungen aus Beitragsmitteln und nur 15 % aus zusätzlichen Bundeszuschüssen finanziert werden. Wir meinen, daß das keine gute Regelung ist, und erheben hiergegen ernste Bedenken. Denn der Bundeszuschuß ist einmal ein Ausgleich für die durch Krieg und Währungsumstellung verlorengegangenen Vermögenswerte, er ermöglicht eine Erstattung für die Rentenverluste beispielsweise der Heimatvertriebenen, er dient weiter einem teilweisen Ausgleich der zusätzlichen Kriegslasten der kriegsbeschädigten Rentner. Deshalb sind wir der Auffassung, daß eine solche Methode, den Bundeszuschuß im Verhältnis zum Rentenaufwand zu reduzieren, nicht angebracht ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Aber nun zu den sonstigen finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfes! Die finanzielle Begründung ist mehr als dürftig. Für einen Gesetzentwurf, der einen Aufwand von 13,2 Milliarden vorsieht, muß man von der Regierung eine ganz andere, eine gründlichere Begründung verlangen. Wie oft haben wir hier Auseinandersetzungen über Beträge von wenigen Millionen! Nun wird uns hier eine Vorlage gemacht, die einen derartigen Aufwand erfordert. Es ist nur sehr schwer möglich, sich über die finanziellen Auswirkungen überhaupt ein Urteil zu bilden, weil gar nicht gesagt wird, wie die Zahlen gewonnen wurden. Aber was man entnehmen kann, ist außerordentlich bedenklich und fragwürdig. Man hat den Eindruck, daß die Regierung versucht, eine Klärung und Überprüfung zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen. Wegen der vorgeschrittenen Zeit möchte ich Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen. Ich habe eine ganze Mappe mit solchen Beispielen, aber das können wir dann im Ausschuß noch erörtern.
    Nur einen Tatbestand: es werden für das erste Jahr 1957 und für die folgenden Jahre 1960 und


    (Dr. Schellenberg)

    1963 keine Angaben über die Zahl der Renten aber über den Rentenaufwand gemacht, so daß man nicht die Möglichkeit hat, die Zahl der Renten dem Rentenaufwand gegenüberzustellen. Wenn man Einblick in die Finanzierung gewinnen und sich ein Bild über die gesamten Auswirkungen machen will, muß man doch für das gleiche Jahr mindestens die Zahl der Renten und den Rentenaufwand kennen. Das ist eine primitive Forderung, aber die erfüllt der Gesetzentwurf nicht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man kann sich — das muß ich mit aller Deutlichkeit noch einmal sagen — des Eindrucks nicht erwehren, daß man eine fachliche Nachprüfung erschweren will. Deshalb müssen wir das im Ausschuß nachholen. Wir Sozialdemokraten jedenfalls legen hierauf besonderen Wert. Was wir jetzt schon feststellen können, ist fehlerhaft und ungenau. Ein Beispiel, das Sie selbst nachprüfen können! Herr Kollege Horn, Sie schauen so kritisch. Schlagen Sie bitte § 33 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Regierungsfassung auf! Da wird für 1957 ein Bundeszuschuß von 755 Millionen Mark festgelegt. Hinten auf der letzten Seite — Frau Kollegin Kalinke, ich bedauere, daß ich Ihnen die „Rosinen" schon vorwegnehme; aber es bleibt auch für Sie noch sehr viel dazu zu sagen — sind die Bundeszuschüsse für die Angestelltenversicherung für 1957 um 73 Millionen DM niedriger eingesetzt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie sind aber nicht etwa der Rentenversicherung der Arbeiter zugeflossen, um da jeden Verdacht zu vermeiden.
    Es scheint den Ausarbeitern dieses Gesetzentwurfs einfach auf Beträge von ... zig Millionen nicht anzukommen. Auch dafür möchte ich Ihnen noch einen deutlichen Beweis geben. Was ich hier sage, ist wirklich tragisch. Am 19. April hat die Regierung jenen Grundentwurf herausgegeben. Sie fügte diesem Gesetzentwurf auf einem Blatt eine Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben nach diesem Gesetz und der weiteren Entwicklung bei. Der Aufwand für das erste Jahr der Geltung dieses Gesetzes betrug nach dem Grundentwurf 11,2 Milliarden DM. Die Bundesregierung brachte einen Monat später einen Regierungsentwurf, der materiell seinem entscheidenden Inhalte nach nicht verändert war, der die gleiche Zahl der Renten erfaßte. Am 23. Mai beschloß das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, der einen Aufwand von 12,5 Milliarden DM aufwies. Innerhalb eines Monats ist die Angabe über den Aufwand, ohne daß der Leistungsumfang erweitert, ohne daß die Zahl der Renten erhöht wurde, von 11,2 Milliarden DM auf 12,5 Milliarden DM gestiegen; das sind 1,3 Milliarden DM mehr bei einem dem materiellen Inhalt nach gleichen Gesetzentwurf.
    Was soll denn das bedeuten? Das kann doch nur den Verdacht erwecken, daß die Zahlen des Gesetzentwurfs manipuliert sind. Das ist ein schwerer Vorwurf. Aber ich kann ihn nicht eher zurücknehmen, als bis die Regierung erklärt hat, worauf — es ist das gleiche Gesetz, der gleiche Leistungsinhalt — dieser Unterschied von 1,3 Milliarden DM zurückzuführen ist. Ich kann nicht anders als annehmen, daß man offenbar versucht hat, mit dem Regierungsentwurf an den der SPD heranzukommen und, jedenfalls der Form nach, einen ähnlichen Leistungsaufwand zu erreichen. — Herr Kollege Horn, Sie schütteln den Kopf.

    (Zuruf von der Mitte: Mit Recht!)

    Als ich die Zahlen gesehen habe, habe ich auch mit dem Kopf geschüttelt und habe mich gefragt, wo wir uns denn eigentlich befinden. Ist es denn überhaupt möglich, daß die Regierung, eine Regierung, die eine verantwortungsvolle Sozialpolitik betreiben will, hier Gesetze vorlegt, in denen innerhalb eines Monats mit Beträgen über eine Milliarde operiert wird? Das ist ein Skandal!

    (Rufe von der Mitte: Au! — Abg. Kunze [Bethel]: Daß Sie so etwas sagen!)

    — Darauf kann ich nur sagen: Der Ermordete ist schuld!
    Das Zahlenmaterial ist so widerspruchsvoll, daß wir die Notwendigkeit einer Beitragserhöhung von 12 auf 14 % nicht anerkennen können. Sie ist finanziell nicht begründet. Wir haben in unserem Gesetzentwurf erklärt, daß bei höheren Leistungen eine Beitragserhöhung nicht nötig ist. Es ist an Ihnen, zu beweisen, daß Ihre Zahlen höher und die von Ihnen errechneten Beiträge nötig sind.
    Zum Schluß noch ganz wenige Bemerkungen. Der Bundesrat hat eine Nachversicherung der Heimatvertriebenen und der Kriegssachgeschädigten angeregt. Die Bundesregierung hat diese Nachversicherung mit der Begründung abgelehnt, daß sie dem System der Rentenversicherung widerspreche. Nach dem Gesetzentwurf gibt es aber Möglichkeiten der Nachversicherung. Die Sozialdemokraten machen sich im Interesse der Heimatvertriebenen und Kriegssachgeschädigten den Wunsch des Bundesrates zu eigen.
    Meine Damen und Herren, bei Einbringung des Gesetzentwurfes der SPD habe ich erklärt, daß die Sozialreform im Hinblick auf ganz Deutschland gestaltet werden muß. Wir bedauern außerordentlich, daß der Entwurf der Bundesregierung diesen Gesichtspunkt nicht beachtet hat. Der Regierungsentwurf erkennt nicht automatisch die Arbeitszeiten an, die bei einem deutschen Versicherungsträger, auch des Heimatgebietes, von Vertriebenen zurückgelegt sind, sondern er beläßt es praktisch bei der Regelung des Fremdrentengesetzes, ohne zu erklären, daß das Fremdrentengesetz in entsprechender Weise mit diesem neuen Gesetz zusammengefaßt werden muß. Wir bedauern das im Interesse der Heimatvertriebenen und im Interesse der Menschen hinter der Zonengrenze.
    Der Gesetzentwurf beseitigt auch nicht den Mißstand, daß Menschen, die in Berlin oder in der Bundesrepublik leben und arbeiten, aber drüben wohnen, die hier die Beiträge zahlen, zur Leistungsgewährung an den Versicherungsträger in der Sowjetzone verwiesen werden. Das ist ein schlechter Dienst an einer gesamtdeutschen Politik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Regierungsentwurf sieht vor, daß das Gesetz am 1. Januar in Kraft tritt. Nach den Absichten der Bundesregierung soll sich also das vollziehen, was die Sozialdemokraten befürchtet haben: das Wehrpflichtgesetz wird in wenigen Wochen und Tagen erledigt, und für das Rentenversicherungsgesetz braucht man nach der eigenen Konzeption der Bundesregierung die entsprechende Anzahl von Monaten.

    (Zurufe von der Mitte: Unerhört! — Abg. Horn: Sehr schlecht! — Abg. Arndgen: Von Ihnen haben wir nichts anderes erwartet!)

    — Das ist eine schlechte Sache.

    (Erneute Zurufe von der Mitte.)



    (Dr. Schellenberg)

    Sie hätten einen solchen Sozialgesetzentwurf mit Ihrer Regierung und mit Ihrem Apparat schon vor uns vorlegen können; so sind doch die Dinge.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind doch wirklich nicht daran schuld, daß dieses Gesetz erst heute zur Beratung kommt

    (erneute Zurufe von der Mitte)

    und daß es hinter der Wehrpflichtgesetzgebung steht. Wir haben wohl das Recht und die Pflicht, diese Tatsachen auszusprechen. Sie zeigen, welches für die Regierung die erstrangigen und was die zweitrangigen Fragen sind.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte. — Abg. Sabel: Das ist doch billige Demagogie! — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Wahrheiten sind das! Die Wahrheit ist bitter! — Abg. Sabel: Ganz billig!)

    — Aber hören Sie mal, Herr Sabel, hier geht es um den Lebensunterhalt für 61/2 Millionen Menschen, der zu regeln ist.

    (Zurufe von der Mitte. — Gegenrufe links. -— Abg. Schütz: Um Sicherheit und Freiheit aber auch!)

    Meine Damen und Herren, das Sonderzulagengesetz, das letzte Erhöhungsgesetz, läuft zum 1. Oktober aus,

    (erneute Zurufe von der Mitte) und wenn die Rentenneuordnung — —


    (Abg. Arndgen: Im Dezember!) — Wie bitte?


    (Zuruf des Abg. Stingl und weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ich kann es Ihnen schriftlich geben; es ist von Mitarbeitern des Bundesarbeitsministers in Zeitschriften geschrieben worden, Herr Kollege Stingl, die Sie vielleicht nicht gelesen haben. Ich gebe sie Ihnen nachher.
    Wenn das Gesetz am 1. Januar in Kraft tritt, ergibt sich, daß für die Monate Oktober, November und Dezember — —

    (Abg. Arndgen: Das stimmt ja nicht; nur für Dezember! — Zuruf des Abg. Stingl.)

    — Aber, lieber Kollege, — —

    (Abg. Stingl: 2 mal 6 ist 12! — Weitere Zurufe von der Mitte.)