Rede von
Dr.
Heinrich
Deist
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich werde mich bemühen, der SollVorschrift des Herrn Präsidenten Rechnung zu tragen, obwohl es verhältnismäßig schwer ist, auf einen Diskussionsredner, der einundeinhalb Stunden gesprochen hat, auf eine Regierungserklärung von einer Stunde zu antworten und zu gleicher Zeit, in derselben Frist von einer Stunde, auch noch den Entschließungsantrag der Sozialdemokratie zu begründen. Ich werde mich aber bemühen und bitte um Entschuldigung, falls es nicht ganz glücken sollte.
An dem Diskussionsbeitrag des Herrn Kollegen Hellwig schienen mir drei Tatsachen bemerkenswert. Zunächst einmal die erste. Er stellte fest, was zweifellos richtig ist, daß die Wirtschaftswissenschaft in der Vergangenheit, insbesondere in letzter Zeit, nicht zu einer einheitlichen Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation gekommen sei, und er zog daraus den Schluß, daß man infolgedessen auch den Politikern, den Ministern keinen Vorwurf deswegen machen könne, daß sie im Hinblick auf die konjunkturpolitische Beurteilung auch nicht einer Meinung seien.
Meine Damen und Herren, das ist eine gefährliche These. Sie könnte dazu beitragen, daß die Untätigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesregierung auf diese Weise entschuldigt wird. Letzten Endes ist es nicht die Aufgabe der Regierung, der Vollstreckungsbeamte wirtschaftswissenschaftlicher Institute zu sein, sondern Aufgabe der Regierung ist es, unabhängig davon, ob Fragen wirtschaftswissenschaftlich geklärt sind, die politischen Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind. Und gerade das hatten wir in dem letzten halben Jahr oder in den letzten acht Monaten vermißt.
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung an die Darlegungen des Herrn Kollegen Hellwig anschließen. Bei seiner Analyse der wirtschaftlichen Situation sprach er davon, daß wir letzten Endes keine Überhitzung in der Konsumgüterindustrie hätten. Er kam dann darauf, daß wir auch keine zu hohe Investitionsrate hätten. Und letzten Endes war nicht recht klar, ob wir eigentlich einen ganz normalen Wirtschaftsablauf haben oder ob nicht doch irgendwo etwas in der wirtschaftlichen Entwicklung zu wünschen übrigläßt.
Damit komme ich zu einer dritten Bemerkung. Es ist sicherlich richtig, wenn Herr Kollege Hellwig sagt, wir sollten uns davor hüten, Tatbestände zu generalisieren. Aber man darf nun auch nicht alles so weit differenzieren, daß man letzten Endes den gesamten Überblick über die Dinge verliert und nicht mehr recht weiß, welches denn nun eigentlich die entscheidenden Daten der wirtschaftspolitischen Entwicklung sind, die zu beachten sind. Wenn man so vorgeht, dann führt das naturgemäß dazu, daß man vor lauter Relativierung der verschiedenen vorhandenen Tatbestände nicht mehr zu einer politischen Entscheidung kommt.
Deshalb scheint es mir doch wichtig zu sein, einmal zu versuchen, sich die kennzeichnenden Tatsachen der augenblicklichen wirtschaftspolitischen Situation klarzumachen, weil man nämlich erst dann erstens ein Urteil über die Regierungserklärung und ihren Wert und zweitens auch ein Urteil über seine eigenen Vorstellungen von der Konjunkturpolitik erhalten kann. Bei allen Stellen bis auf die Regierungserklärung — ich spreche von den Berichten der Bank deutscher Länder und vor allen Dingen von den Lage-Berichten des Bundeswirtschaftsministers — war man sich darüber einig, daß wir es jedenfalls mit einer ernsten Situation zu tun haben, auch wenn sich jeder davon fernhält, die Lage zu dramatisieren. Das Ergebnis aller Untersuchungen war, daß die Preiserhöhungen ein wichtiges Indiz dafür sind, daß Angebot und Nachfrage sich bei uns seit langem nicht mehr decken und daher die entscheidenden Schwierigkeiten kommen. Mir scheint wichtig zu sein, daß man sich die Tatbestände, die zu dieser Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage geführt haben, einmal kurz vor Augen hält.
Der erste Punkt befaßt sich mit einer Frage, die der Herr Kollege Hellwig behandelt hat. Es ist sicher richtig, daß die Konsumgüterindustrie im Laufe der letzten sechs bis acht Monate aufgeholt hat und wir in der Konsumgüterindustrie eine bessere Beschäftigung haben, obwohl das nur relativ und nur beschränkt richtig ist.
Mir scheint, wir sollten über dieser Feststellung eines nicht übersehen, daß nämlich der Produktionsindex der Investitionsgüterindustrie stets über dem Durchschnittsindex der Industrieentwicklung lag, und zwar wie folgt: 1954 19 %, 1955 27 %, erstes Halbjahr 1956 34 %.
Die Diskrepanz hat sich also erweitert. Die Konsumgüterindustrie — sie ist das Gegenstück — lag unter dem Durchschnitt der Gesamtindustrie: im Jahre 1954 minus 4 %, im Jahre 1955 minus 7 %, im ersten Vierteljahr 1956 minus 5 %. Der Abstand der Entwicklung der Konsumgüterindustrie von der aufsteigenden Entwicklung der Investitionsgüterindustrie hat sich also erhöht.
— Darauf komme ich gleich. Ich stelle zunächst nur diesen Tatbestand fest. Er scheint mir wichtig zu sein.
Zum zweiten zur Investitionsgüterindustrie, Herr Kollege Hellwig. Sie hat im April 1956 mit einem Index von 281 % bereits wieder fast den Höchststand der Produktion vom November 1955 erreicht. Die Konsumgüterindustrie hat in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 10 % unter dem Höchststand des in den Monaten September bis November 1955 ermittelten Index gelegen. Was sich daraus ergibt, ist für die Steuerpolitik und für die Investitionspolitik sowie für sämtliche anderen Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. Die Spannungen, die wir in der Wirtschaft zu verzeichnen haben, liegen, wenn sich die Akzente auch etwas verändert haben, auch heute noch in der Entwicklung der Investitionsgüterindustrie begründet, während in weiten Bereichen der Konsumgüterindustrie, wenn auch nicht mehr in demselben Umfang wie im Sommer vergangenen Jahres — das hat Herr Dr. Hellwig mit seinen Zahlen selbst angegeben —, erhebliche Kapazitätsreserven bestehen. Wir haben allerdings einen Bereich, der sehr stark zunimmt, z. B. die Bekleidungsindustrie. Das ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß diese Industrie in letzter Zeit umfangreiche Großaufträge der Bundeswehr bekommen hat. Wir wissen aber auch, daß z. B. im Zen-
trum der Schuhindustrie in der Pfalz in 60 Fabriken noch 2000 Arbeiter in Kurzarbeit stehen.
Wir müssen daher das Hauptaugenmerk der konjunkturpolitischen Überlegungen zur Zeit auf diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage in der Investitionsgüterindustrie legen. Die Situation in der Verbrauchsgüterindustrie hat noch nicht den Spannungsgrad wie in der Investitionsgüterindustrie erreicht. Das scheint mir die erste wichtige Erkenntnis zu sein.
Das zweite Hauptproblem, die Situation des Außenhandels, ist vom Herrn Bundeswirtschaftsminister in seinen Darlegungen näher gekennzeichnet worden. Wir haben in den ersten fünf Monaten des Jahres 1956 bereits wieder einen Exportüberschuß, der fast genau so hoch ist wie der Exportüberschuß des ganzen Jahres 1955, nämlich 1,1 Milliarden gegen 1,2 Milliarden, und das in fünf Monaten. Der Überschuß zeigt steigende Tendenz. Ich glaube, sowohl die Bank deutscher Länder als auch der Herr Bundeswirtschaftsminister haben in ihren Lageberichten sehr zutreffend ausgeführt, daß das handelspolitisch ein höchst unerwünschter Zustand ist. Wir wissen alle, daß die Umstellung auf Wertzölle im Oktober des Jahres 1951 zu einem überhöhten Zollniveau geführt hat. Diese Erhöhungen waren seinerzeit als Kampfmaßnahme gedacht, weil wir meinten, in den Zollverhandlungen beim GATT Handelsmöglichkeiten zu haben. Letzten Endes sind wir schon in Torquay auf diesen überhöhten Zöllen sitzengeblieben. Auch aus diesen Gründen sollten wir die Notwendigkeit einsehen, auf dem Gebiete der Handelspolitik und des Zollniveaus entscheidende Änderungen vorzunehmen.
Vielleicht darf ich auch daran erinnern, daß z. B. hohe Beamte der OEEC der Bundesregierung offiziell — oder vielleicht auch offiziös — mitgeteilt haben, daß es dringend notwendig sei, von dem überhöhten Zollniveau herunterzukommen, weil sonst die hohe Liberalisierung im OEEC-
Raum gefährdet werde.
Ich brauche dann nur noch hinzufügen, daß dieser Zustand konjunkturpolitisch ebenso wie handelspolitisch nicht nur unerwünscht, sondern gefährlich ist. Er bringt nämlich auf der einen Seite eine Geldvermehrung in Höhe des Exportüberschusses und auf der anderen Seite ein geringeres Angebot auf dem Inlandsmarkt, weil eben der Exportüberschuß in das Ausland geht, ohne daß entsprechende Waren wieder in das Inland hereinkommen.
Meine Damen und Herren, die Konsequenz kann nur sein, daß auf dem Gebiete der Handelspolitik, insbesondere durch Zollherabsetzung, ganz Entscheidendes geschehen muß, wenn diese Diskrepanz beseitigt werden soll.
Dann ein drittes Problem: die Nachfrageseite. Vor uns stehen Rentenerhöhungen. Nach dem Regierungsentwurf, wenn ich mich recht erinnere, von etwa 21/2 bis 3 Milliarden DM, nach dem Vorschlag der Sozialdemokratie von etwa 4 Milliarden DM. Wir haben Steuersenkungen in Aussicht genommen, die ebenfalls Milliardengröße annehmen. Ich glaube, jeder ist sich darüber im klaren, daß es sich hier um die Schaffung neuer Nachfrage handelt, die sich in diesem Falle in erster Linie auf Konsumgüter erstrecken wird.
Daneben kommt von der Nachfrageseite mit großer Gewalt der Aufbau der Rüstungswirtschaft auf uns zu. Meine Damen und Herren, ich glaube, hier brauche ich nicht zu betonen, daß es für die Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen der Aufrüstung nicht darauf ankommt, wieviel effektive Ausgaben aus der Staatskasse bereits gemacht werden oder wievel im Haushaltsplan bereits bewilligt sind. Entscheidend ist, daß bereits wichtige große Grundsatzbeschlüsse gefaßt worden sind:
ein Grundsatzbeschluß über den Aufbau der Flugzeugindustrie, ein Grundsatzbeschluß über das Marineprogramm, ein Grundsatzbeschluß über das Fahrzeugprogramm, ein Grundsatzbeschluß über das Panzerprogramm usw. usw. Meine Damen und Herren, das sind Programme, die insgesamt wiederum mehrere Milliarden zum Gegenstand haben, und jeder Unternehmer in Deutschland, der für Rüstungsaufträge dieser Art in Frage kommt, weiß bereits heute, daß die Bundesregierung selbstverständlich in diesem Bundestage eine gehorsame Mehrheit findet, die diese Beschlüsse durchführen wird. Infolgedessen gehen diese Unternehmungen bereits heute daran, ihre Betriebe entsprechend einzurichten, zu investieren, sich auf Kredit entsprechende Vorräte zu beschaffen und Fachkräfte zu horten.
Das ist der wichtige konjunkturpolitische Aspekt der Rüstungswirtschaft, daß hier, ohne daß überhaupt etwas aus dem Haushalt ausgegeben wird, Nachfrage bereits in Riesenausmaßen vorweggenommen wird. Im übrigen handelt es sich um Nachfrage nach Investitionen, die niemals eine Güterproduktion zum Gegenstand haben werden, die später einmal als Angebot auf den Markt kommt.
Ein vierter Gesichtspunkt scheint mir wichtig zu sein. Ich bedaure außerordentlich, daß, ich glaube, weder der Herr Kollege Hellwig noch die Erklärung der Bundesregierung auf diesen wichtigen Punkt eingegangen ist. Das sind die Kassenreserven des Bundes.
Wir wissen, daß diese Kassenreserven, der sogenannte Juliusturm, zirka 7 Milliarden DM betragen. Diese 7 Milliarden sind aus dem Geldkreislauf im Laufe der letzten Jahre ausgeschieden und nicht als Nachfrage aufgetreten. Ich will nicht davon sprechen, daß das eine gigantische Fehlleistung unserer Steuerpolitik ist. Denn diese Mittel hätten uns auf der einen Seite gut angestanden für Investitionszwecke der Wirtschaft zu einer Zeit, als wir noch nicht diese Hochkonjunktur hatten, und zum anderen zu einer Rentenaufbesserung in einer Zeit, als sie dringend notwendig gewesen wäre und wir sie ohne Schwierigkeiten hätten durchführen können.
Hier handelt es sich — und das scheint mir bei der Aufgabenverteilung und Verantwortungsteilung, die die Bundesregierung in letzter Zeit übt, wichtig zu sein — doch nicht nur um einen Fehler des Herrn Bundesfinanzministers. Die Bundesregierung — das muß ich unterstellen — hat doch wohl
genau gewußt, was in diesen Jahren geschah. Wenn ich die Dinge richtig sehe, hat man geglaubt, hier wie ein guter Hausvater Milliarden aufsparen zu können, um damit eines schönen Tages Rüstungsaufwendungen zu bezahlen, ohne daß das deutsche Volk merkt, wie hoch diese Rüstungsaufwendungen sind.
Da gibt es eine Gesamtverantwortung der Bundesregierung, die alle Mitglieder auf der Regierungsbank bis zum Bundeskanzler hin umfaßt.
Ich will jetzt nicht untersuchen, inwieweit diese Stillegung von öffentlichen Geldern wieder durch Kreditschöpfung wettgemacht worden ist. Sicher ist jedenfalls, daß ein Teil dieser Mittel nicht durch Kreditschöpfung wettgemacht, sondern sterilisiert und damit der Nachfrage entzogen worden ist. Daraus ergibt sich eines: der Teil des Steueraufkommens, der nicht in den Juliusturm kommt und dort sterilisiert wird, wird in Zukunft bereits zusätzlich als Kaufkraft und Nachfrage auf dem Markt erscheinen.
Aber das Wichtigste ist doch wohl, daß jeder Betrag, der aus diesen Kassenreserven genommen wird und auf dem Binnenmarkt als Nachfrage erscheint, genau so viel oder genau so wenig wert ist wie eine Geldschöpfung, eine Schöpfung von Kaufkraft und Nachfrage ohne das entsprechende Güterangebot. Da gibt es nur eine Konsequenz, und ich bedaure sehr, daß sie nicht gezogen worden ist: Keine Ausgaben aus dem Juliusturm, aus den Kassenreserven dürfen auf den inländischen Markt kommen, sei es für Zwecke der Rüstungswirtschaft, sei es auch für Stationierungskosten. Es gibt für die Gelder aus dem Juliusturm genügend andere Verwendungsmöglichkeiten, die konjunkturpolitisch nicht gefährlich sind. Ich denke an die Tilgung von Auslandsschulden, an den Rückkauf von Ausgleichsforderungen und an Einfuhr. Aber entscheidend bleibt: diese Mittel dürfen nicht auf den inneren Markt kommen.
Wenn ich mir jetzt das Programm der Bundesregierung nach diesen vier Punkten ansehe, muß ich sagen: es ist außerordentlich schwierig, in diesem Regierungsprogramm konkrete Maßnahmen zu erkennen. Das Programm ist anspruchsvoller als das vom Oktober. Es hat fünf Abschnitte und 24 Punkte, während das Programm vom Oktober sich mit 11 Punkten begnügte. Aber wenn man die Dinge kritisch betrachtet, ergibt sich: es sind doch sehr viel unverbindliche Meinungsäußerungen und sehr viel ebenso unverbindliche gute Ratschläge in ihnen enthalten. Ich will kurz das Programm durchgehen.
Punkt 1 ist psychologisch — Psychologie ist die starke Seite dieser Bundesregierung — außerordentlich interessant. Er stellt nämlich den Verzicht auf eine konkrete konjunkturpolitische Maßnahme dar. So fängt das Konjunkturprogramm an: Unter der ersten Ziffer wird gesagt, daß die steuerliche Begünstigung der Abschreibungen erhebliche Investitionsimpulse nach sich ziehe und daß das infolgedessen konjunkturpolitisch sehr gefährlich sei. Wer sich nicht so leise über die Gefahr hinwegtäuschen lassen will, der lese den Bericht der Bank deutscher Länder durch. Da wird nämlich wesentlich deutlicher gesagt, was diese degressiven Abschreibungen zu bedeuten haben. Und da sagt der Bundeswirtschaftsminister in seiner Regierungserklärung, daß er zur Zeit auf diesem wichtigen Gebiet, wenigstens zunächst einmal, nichts tun wolle! Das ist der Beginn des konjunkturpolitischen Programms der Bundesregierung.
— Das scheint mir auch, daß das konjunkturpolitisch gesehen ein höchst „positives" Programm ist. Ich weiß nicht, Herr Atzenroth, man kann über vieles verschiedener Meinung sein. Aber ich glaube, es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß durch diese erhöhten zusätzlichen Abschreibungen die Gewinnlage der Unternehmungen und damit ihre Investitionsbereitschaft außerordentlich gestärkt wird. Das aber können wir heute nicht wünschen.
In dem zweiten Punkt befaßt sich das Programm mit den öffentlichen Investitionen. Von den öffentlichen Baugeldern sollen 10 % einbehalten werden, soweit nicht eine Freigabe erfolgt ist, ausgenommen Wohnungsbau und Rüstungsbau. — Meine Damen und Herren, darf ich mal fragen, was dann noch übrig bleibt?
Ich sehe einmal ab von Ministerien, Verwaltungsbauten und Repräsentationsbauten, die wir auch eingeschränkt haben möchten, schon wegen der psychologischen Bedeutung.
Aber materiell hängt in diesen Verwaltungsbauten nicht allzuviel. Und was bleibt dann übrig? Dann bleibt als einziges Objekt der Kürzung von 10 % der Straßenbau übrig. Meine Damen und Herren, ob es eine sehr sinnvolle und zweckmäßige Maßnahme ist, daß man allein den Straßenbau beschränkt, während alle anderen Bauten, insbesondere auch Rüstungsbauten, munter weitergeführt werden, ist mir bei dem Zustand unserer Straßen höchst zweifelhaft.
Ein weiterer Punkt befaßt sich mit der Entlastung des Baumarktes. Die Bundesregierung hat schon gesagt, daß sie wenig Einwirkungsmöglichkeiten habe, und Herr Hellwig hat dann darauf hingewiesen, es sei im Grunde genommen in diesem Frühjahr bereits ein Erfolg gezeitigt worden. Ich will nicht bestreiten, daß nach der Frostperiode die Baumaßnahmen stärker als in früheren Jahren eingesetzt haben, ob auf Grund dieser Einwirkungen, weiß ich nicht. Aber entscheidend scheint mir doch das Folgende zu sein. Wenn es schon geringe Einwirkungsmöglichkeiten für die Bundesregierung gibt, dann muß sie doch ihre Maßnahmen — wegen der geringen Einwirkungsmöglichkeiten — wenigstens prompt und dringlich treffen. Jetzt frage ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister: im Oktober 1955 wurden die gleichen Versprechungen bezüglich der Entlastung des Baumarktes, insbesondere der Einschränkung der öffentlichen Bauten, in der Regierungserklärung gemacht; trifft es eigentlich zu — was mir berichtet worden ist —, daß die Empfehlungen des Wirtschaftskabinetts zu dieser Frage erst am 30. Januar 1956 herausgekommen sind und daß der Brief des Herrn Bundeskanzlers an die Ministerpräsidenten wegen der Einschränkung dieser Bauten erst am 15. März ergangen ist?
Da war dann glücklicherweise der Herbst, den man für die Bauten hatte verwenden können, vorbei!
Das war also keine sehr große Aktivität.
Ein Viertes. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in der Regierungserklärung Maßnahmen vorgeschlagen, die die Spartätigkeit anregen sollen, und Maßnahmen, um Teilzahlungsgeschäfte aus konjunkturpolitischen Gründen zu lenken. Dem letzten der beiden Punkte kann man sicherlich zustimmen. Wir haben einen Vorschlag eingereicht, so daß Sie es also sehr leicht haben, Ihre Wünsche bezüglich der Teilzahlungsgeschäfte erfüllt zu bekommen.
Aber was mir wichtig erscheint, ist folgendes. Dieses Programm zur steuerlichen Begünstigung des Sparens — Festlegung auf drei Jahre usw. — ist hier ganz groß verkündet und in der Öffentlichkeit behandelt worden. Und da lese ich doch gestern eine Mitteilung, ich glaube, der dpa, im Finanz- und Steuerausschuß sei darüber gesprochen worden, das sei aber längst noch nicht so weit, und die Bundesregierung werde sich überlegen, ob sie überhaupt eine solche Vorlage machen könne.
Das läßt auch nicht auf allzu großen Eifer schließen und ist im übrigen wieder eine glänzende Unterstreichung der Einheit von Wirtschafts- und Finanzpolitik bei dem großen Instrumentarium, das der Bundesregierung auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik zur Verfügung steht.
Noch ein weiterer Punkt findet sich! Da wird gesagt, daß die Bundesregierung, um den Sparer anzureizen, Investment-Papiere, und zwar sehr klein gestückelt, herausgeben werde, um diese Sparermassen an den Bundesunternehmungen zu beteiligen. Mit großem Interesse haben wir von dieser Ankündigung gelesen. Allerdings waren wir nicht eigentlich überrascht, daß die Bundesregierung sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, eine solche wahlpolitisch gut gezielte Maßnahme in das Konjunkturprogramm hineinzunehmen. Aber wir haben dann weiterhin mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß ein Mitglied des Kabinetts auf einer Landestagung der CSU erhebliche Bedenken gegen diesen Vorschlag vorgebracht hat und daß auch aus den Kreisen dieser Landesgruppe ein nicht unwichtiges Mitglied dieses Hohen. Hauses auf die Gefahren einer solchen Methode hingewiesen hat. Meine Damen und Herren, mir scheint das höchst merkwürdig zu sein. Offenbar ist es hier wieder so, daß schnell etwas in die Erklärung hineingenommen wurde, was letzten Endes doch nicht bis zum letzten gründlich durchdacht war. Diese Methoden sprechen jedenfalls eine beredte Sprache.
Zur Sache selbst möchte ich folgendes sagen. Ich glaube, es besteht Einverständnis, daß die Bedeutung eines solchen Vorschlages viel weniger auf konjunkturpolitischem als auf anderem Gebiet liegt. Das Problem ist, für breite Massen kleinerer Einkommensempfänger die Möglichkeit des Sparens in Form der Beteiligung an Unternehmungen zu finden, — ein wichtiges Problem. Ich hoffe, ich verrate Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, daß sich die Sozialdemokratie mit diesem Problem seit langer Zeit sehr ernsthaft befaßt. Wir sind gern bereit, die Vorschläge der Bundesregierung in den zuständigen Ausschüssen sachlich und ernsthaft zu prüfen. Hier bietet sich, wenn die Bundesregierung es eilig hat, sehr bald Gelegenheit bei der Behandlung der Gesetzentwürfe über die Investmenttrusts in den zuständigen Ausschüssen.
Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf einige Dinge möchte ich doch aufmerksam machen; wir werden bei diesen Unterhaltungen auf fünf Punkte Wert legen.
Der erste: Die Unternehmungen des Bundes sind
— sonst haben sie keinen Sinn — ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument der Bundesregierung, das sie für wirtschaftspolitische Zwecke einzusetzen hat.
— Ich will dem Herrn Kollegen Atzenroth, der mir zu Hilfe springt,
in diesem Augenblick gern nachsprechen, daß die Bundesregierung, jedenfalls nach den Äußerungen des Herrn Bundesfinanzministers, in bezug auf das Volkswagenwerk diese wirtschaftspolitische, insbesondere preispolitische Aufgabe auch wahrgenommen hat. Wir legen Wert darauf, daß der Vorschlag der Bundesregierung so durchgeführt wird, daß die Bundesunternehmungen auch weiterhin als wirtschaftspolitische Instrumente der Bundesregierung dienen können.
Ein Zweites. In der Erklärung der Bundesregierung ist dargelegt worden, man wünsche eine breite Streuung auf eine große Masse von Sparern. Ich kann nur sagen: bravo! Wir werden darauf achten, daß wirklich eine solche breite Streuung durchgeführt wird.
Was wir bisher an Versuchen der Wirtschaft, etwas aus dem Bundesvermögen zu bekommen, erlebt haben, war nicht das Streben breiter Massen kleiner Sparer. Das waren gewichtige große Unternehmungen zum Teil mit Monopolstellung, die sich lukrative Teile aus diesen Bundesunternehmen herausholen wollten.
Ein Drittes, was wir beachten werden. Bei den bisherigen Untersuchungen und Besprechungen hier im Bundestagsplenum und in den zuständigen Ausschüssen hatten wir — ich glaube, ist ist sehr vorsichtig, wenn ich es so sage — den Eindruck, daß doch häufiger die Gefahr besteht, daß Bundesunternehmen unter Preis verschleudert werden.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie werden wissen, — —
— Moment, Herr Kollege, lassen Sie mich doch einmal ausreden! —, Sie werden wissen, daß die letzte Aktion vom Haushaltsausschuß zurückgestellt wurde, weil auch er der Meinung war, daß der geforderte Preis wohl nicht ganz dem Wert des Unternehmens entsprach.
Einen vierten Punkt, meine Damen und Herren: wir legen Wert darauf, daß nicht etwa mit dieser Methode die guten Unternehmungen zum Teil herausgelöst werden und die schlechten Unternehmungen beim Bund bleiben.
Natürlich bleibt der Kreis der Investmentsparer immer begrenzt. Wir würden also einem begrenzten Kreise des deutschen Volkes die Möglichkeit geben, an den Gewinnen der guten Unternehmungen des Bundes zu partizipieren, während die Kosten der anderen Unternehmungen, der Unternehmungen nämlich, die aus wirtschafts- und sozialpolitischen, häufig auch grenzpolitischen Gründen aufrechterhalten werden müssen, vom gesamten deutschen Volk über den Steuersäckel bezahlt werden müßten.
Ein fünfter Punkt: Die Beteiligung zahlreicher Sparer am Vermögen der Unternehmungen durch Sachbesitz ist ja wohl nicht nur ein Problem der Bundesunternehmungen. Wir werden bei den Beratungen im Ausschuß die Frage aufwerfen: Wie ist es eigentlich mit diesem doch offensichtlich sehr gewichtigen Grundsatz der Beteiligung breiter Massen der Bevölkerung an diesem Sachbesitz bei den großen Privatunternehmungen?
Meine Damen und Herren, wenn ich einmal überblicke, was bis jetzt vom Konjunkturprogramm der Bundesregierung übriggeblieben ist, so muß ich sagen: das waren, wenn ich einmal von dieser Frage der Bundesunternehmungen absehe, die keine konjunkturpolitische Bedeutung hat, im Grunde genommen alles negative Punkte der Regierungserklärung.
Jetzt kommt der erste positive, nämlich die Frage der Förderung der Einfuhr. Meine Damen und Herren, ich habe mit Absicht vorhin dargelegt, welche Bedeutung unsere augenblickliche Außenhandelssituation hat. Ich habe versucht, nachzuweisen, daß es darauf ankommt, wirklich sehr rasante wirksame Maßnahmen zu treffen, weil sonst gar nicht daran zu denken ist, daß wir in größerem Umfang Einfuhren aus dem Ausland hereinbekommen. Der Herr Kollege Hellwig hat das implicite selber zugegeben, als er darauf hinwies, daß durch die Diskrepanz des Preisniveaus die Einfuhr ausländischer Waren auf Grenzen stößt.
Wenn ich damit die Regierungsvorlage mit ihrer völlig ungenügenden Zollsenkung vergleiche, dann weiß ich allerdings nicht, welchen Effekt diese Zollsenkungen haben sollen.
Leider haben Sie auch unseren Vorschlag abgelehnt, der wenigstens in bestimmten Situationen dem Bundeswirtschaftsminister die Möglichkeit geben sollte, Zollherabsetzungen vorzunehmen, ohne lange die Regierung und den Gesetzgebungsapparat beanspruchen zu müssen.
Es ist doch uns allen nicht unbekannt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, der Herr Bundesfinanzminister und der Präsident der Bank deutscher Länder ursprünglich wohl doch radikalere Forderungen gestellt, daß sie nämlich eine 30%ige Senkung verlangt hatten.
Ich entsinne mich, es war die Rede von Erschlagenlassen, Herr Bundeswirtschaftsminister, nicht
wahr? Sie vertraten die Auffassung, es sei sehr fraglich, ob diese 30 °/o überhaupt genügten,
und daß vor allen Dingen auch auf dem Gebiete der Agrarzölle einiges geschehen müsse. Ich muß sagen, Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie lächeln mir freundlich zu und nicken dazu. Das hängt mit Ihrem Erstgeburtsrecht zusammen, ich weiß das. Aber es kommt ja schließlich nicht das Erstgeburtsrecht in Frage, sondern es kommt darauf an, ob etwas getan wird, ob gehandelt oder ob nur geredet wird.
Dann enthält das Regierungsprogramm noch eine verdächtige Formulierung, nämlich die, daß dieses Programm der Zollsenkung ein Mindestprogramm sei. Ich weiß nun nicht, worauf sich das „Mindest" bezieht, ob auf die Senkung der Zölle oder auf die Herausnahme von Agrarerzeugnissen. Aber was ist das eigentlich für eine Regierungserklärung, die die Meinung der Bundesregierung — ich nehme an, auf Grund gründlicher, sorgfältiger Überlegung — ganz offiziell darlegt und dann sagt: Nun ja, ein Mindestprogramm! Wir wollen mal sehen, wie der Kampf der Interessenten bei uns ausläuft; vielleicht können wir es auch noch ändern!? — Das ist doch keine ernst zu nehmende Regierungserklärung, Herr Bundeswirtschaftsminister! Darum möchte ich sagen: wenn es irgend etwas in diesem Regierungsprogramm gibt, das völlig unzulänglich ist und im Grunde genommen bei der Bevölkerung draußen nur den Eindruck erweckt, es geschehe etwas, während in Wirklichkeit nichts geschieht, dann ist es dieses Programm der Zollsenkungen und der Erleichterung der Einfuhr.
Ich komme dann zu dem nächsten Punkt, der von der Bundesregierung behandelt worden ist. Das ist das Problem der Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik. Meine Damen und Herren, wir begrüßen es, daß die Bundesregierung sich in ihrer Erklärung darauf beschränkt hat, den Tarifparteien Vorschläge zu machen, das Schlichtungsverfahren bei Lohnkämpfen nach Möglichkeit auszubauen. Ich weiß nicht, ob das sehr viel Neues ist. Mir ist bekannt, daß zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände eine grundsätzliche Regelung getroffen worden ist und daß auf Grund dieser Regelung dann zahlreiche einzelne Industriegewerkschaften
— fast alle Industriegewerkschaften — entsprechende Schlichtungsvereinbarungen geschlossen haben. Ich möchte annehmen, daß die Bundesregierung nicht voll über das unterrichtet war, was sich hier tut; sonst hätte man auf die Arbeitsfrage und die Lohnfrage jedenfalls nicht so viel Raum in der Regierungserklärung zu verwenden brauchen.
Bei dieser Gelegenheit ein Wort zu Herrn Kollegen Hellwig. Herr Hellwig sagte im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt- und dem Lohnproblem, man dürfe die Bundesregierung wegen der Lohnentwicklung nicht tadeln. Ich weiß nicht, ob das gegen uns gerichtet war. Wir haben die Bundesregierung nie wegen der Lohnentwicklung ge-
tadelt, wir haben sie wegen der Preisentwicklung getadelt!
— Jawohl!
— Ich bin Ihnen dankbar für diesen Zwischenruf. Herr Präsident, es tut mir nur leid, es gehen dann zwei Minuten drauf.