Wenn wir unserer Landwirtschaft, die in ihrer gesamten Struktur gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig ist, nicht über solche Preishilfen eine gesunde Grundlage geben, bleibt uns nichts anderes übrig, als daß wir direkt subventionieren. Wir halten diesen letzten Weg für den schlechteren, da jetzt eine gewisse Konkurrenz in landwirtschaftlichen Erzeugnissen wenigstens auf dem innerdeutschen Markt vorhanden ist. Die innerdeutsche Konkurrenz zwingt also den einzelnen Betrieb, sich rechtzeitig und richtig am Markt zu orientieren. Ich glaube, daß dieser Standpunkt richtiger ist, als wenn wir jetzt wahllos gute oder schlechte Betriebe subventionieren würden. Wir halten überhaupt Subventionen für das schlechteste aller wirtschaftspolitischen Instrumente.
Ein Zweites muß bei den landwirtschaftlichen Preisen berücksichtigt werden. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Weltmarktpreise absolut keine Marktpreise, sondern von den betreffenden Nationalwirtschaften manipuliert sind und zum Teil eben Dumpingpreise darstellen. Nun ist es für den Verbraucher sehr verlockend, sich vorzustellen, daß man immer am Weltmarkt jeweils zu den billigsten Preisen kaufen kann. Ich glaube aber, das ist eine Milchmädchenrechnung; denn wir können nicht verlangen, daß unsere sowieso schon gehandicapte Landwirtschaft mit Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt konkurriert. Das muß einmal klar ausgesprochen werden.
Bei einer richtigen Analyse der Preisentwicklung in den letzten Jahren besteht absolut kein Grund zu irgendwelcher Aufregung, zumal dem die reale Kaufkraftsteigerung für alle Lohn- und Gehaltsempfänger entgegengehalten werden muß. Selbstverständlich: die Preisbewegung gerade auf diesem Sektor des starren Bedarfs trifft diejenigen besonders hart, die nicht mehr im Wirtschaftsleben stehen, die also in ihrem Einkommen keine Steigerung in wesentlichem Umfang zu verzeichnen haben; daher die Notwendigkeit einer Rentenreform. Wir bejahen das. Aber ich will die Diskussion von morgen nicht vorwegnehmen. Ich möchte nur das Problem der Rentenreform im Zusammenhang mit einigen anderen Maßnahmen — mit der Konjunktur — erwähnen.
Der Preisbewegung muß die sogenannte Konjunkturlage in den einzelnen Branchen gegenübergestellt werden, d. h. die sogenannte Überhitzung, die angeblich dasein soll. Es sind hier sehr harte Worte gefallen, auch von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister. Er hat, ich glaube, gesagt, daß er es allmählich nicht mehr anhören möchte, wenn die Leute, denen die gute Konjunktur aus den Nähten platze, klagten, sie hätten an der Konjunktur nicht teilgenommen. Ganz so generell, Herr Bundeswirtschaftsminister, dürfen wir es doch nicht sagen. Sie tun damit der Erkenntnis der wirklichen Lage keinen Dienst. Wir dürfen uns mit so allgemeinen Bemerkungen nicht zufrieden geben. Auch wir sind uns darin einig. In der Tat haben mindestens große Zweige der Konsumgüterindustrie — ich betone es — an dem Aufschwung nicht teilgenommen, und es ist gut so, daß dort noch erhebliche Reserven sind. In denke z. B. an die Ernährungsindustrie, ich denke an die Textilindustrie — das ist hier schon erwähnt worden —; andere Konsumgüterindustrien sind vom Kollegen Hellwig zitiert worden. Ich glaube aber auch, sagen zu können, daß die gesamte Hausratindustrie, ja selbst die Möbelindustrie noch erhebliche Reserven haben; Kollege Atzenroth wird mir darin vielleicht zustimmen können. Selbstverständlich stimmt es, daß einzelne Sparten der Möbelindustrie Lieferzeiten von zur Zeit zwei Monaten haben. Das kommt aber doch daher, daß die Leute heute alles das haben wollen, was gerade nicht am Markt ist, während andere, durchaus gleichwertige Möbel nicht gekauft werden. Das ist ein Teil der Käuferpsychologie. Der Käufer handelt eben leider nicht als Individuum, sondern immer als Gruppe; er ist psychologischen Kontakten ausgesetzt. Insofern stimme ich dem Kollegen Scheel zu, daß der Bundeswirtschaftsminister auf dem richtigen Wege ist, wenn er dieses Gruppenverhalten des Käufers psychologisch richtig anspricht. Es hat auch sein Gutes — wir werden nachher noch darauf zurückkommen —, weil man dann das Verhalten der Käufer in etwa noch voraussehen kann, was ja sonst nicht möglich ist. Ich stimme generell mit Ihnen überein, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß man die Zukunft nicht voraussehen kann. Aber die Gesetze der Psychologie ermöglichen es uns, in etwa doch einen Trend, eine Richtung zu erkennen. Das sei vorweg bemerkt.
Nun zu den eigentlichen Quellen der Konjunkturüberhitzung. Das ist im wesentlichen der Baumarkt. Es stimmt wohl, daß die gesamte Investitionsgilterindustrie, die Maschinenindustrie, die Elektroindustrie usw., auch einen ungewöhnlich guten Auftragsbestand hat; es sei aber nicht verschwiegen, daß die Auftragsbestände sich reduziert haben, daß die Lieferzeiten zum Teil verkürzt und ja außerdem auch sehr unterschiedlich sind. Aber die Quelle allen Übels, wenn ich so sagen darf, ist in der Tat der Baumarkt. Nun wäre es sehr einfach, wenn wir die gesamten öffentlichen Investitionen auf dem Baumarkt streichen könnten. Die vorgesehene Reduzierung des Bauanteils des Bundes ist natürlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Wenn ich von einem Bauvolumen des Bundes — das hier im Bericht mit 240 Millionen angegeben wird — 130 Millionen streiche, dann besagt das bei einem Gesamtbauvolumen von rund 25 Milliarden gar nichts. Wir müssen hier richtig differenzieren. Wir können, wie das schon der Regierungsbericht richtig sagt, unter keinen Umständen Investitionen auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus drosseln, obwohl das sicherlich die wirksamste Maßnahme wäre. Die theoretisch einwandfreieste und richtigste Maßnahme verbietet sich aus sozialen und politischen Gründen. Aber es ist doch die Frage, ob nicht der Bau seitens der
Gemeinden, der Länder und des Bundes, insbesondere aber der der Gemeinden und Länder, stärker gedrosselt werden soll. Ich begrüße ausdrücklich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister den — wahrscheinlich platonischen — Versuch machen wird, das über einen Gemeinschaftsausschuß durch gutes Zureden — denn mehr Mittel hat er ja nicht in der Hand — und durch Appelle an die Vernunft bei den Ländern und Gemeinden zu erreichen. Bei den Ländern mag es möglich sein, weil Sie dort mit wirtschaftspolitisch gut vorgebildeten Menschen zu reden haben. Ich bezweifle aber die Einsicht unserer Kommunalparlamente; denn in den Kommunalparlamenten — das soll hier einmal ganz deutlich gesagt werden — sitzen ja Menschen, die die Steuern im wesentlichen nicht direkt aufbringen — ich betone: nicht direkt aufbringen —, die also in Zeiten der Hochkonjunktur in die Versuchung geraten, möglichst viel auszugeben, um in der Kommunalpolitik ,das, was an und für sich — ich betone es — wünschenswert wäre, ausführen zu können. Ich denke an den Nachholbedarf an Krankenhäusern, Sportplätzen und Verwaltungsbauten. Alles das muß infolge der Zunahme unserer Bevölkerung sein; das gebe ich alles zu. Aber ich glaube auch, es wäre richtig, wenn wir diesen Versuchungen widerstünden und die Sache ein, zwei, selbst drei Jahre hinausschöben. Dann wäre etwas Gutes gemacht. Aber es ist von der Einsicht der Menschen zuviel verlangt, zu hoffen, daß der einfache Appell an die Kommunalparlamente diesen Effekt haben würde.
Daß die Menschen zu allen Zeiten sich nicht sehr einsichtig verhalten haben, kann ich einem Beispiel entnehmen, das in der Konjunkturlehre des verstorbenen Professors Wagemann dargestellt ist. Dort vergleicht er nämlich die öffentliche mit der privaten Bautätigkeit in den Jahren 1885 bis 1913 und stellt fest, daß der private Wohnungsbau sich immer konjunkturpolitisch richtig verhalten hat, d. h. verstärkt dann gebaut hat, wenn ein Wellental da war, daß er also antizyklisch gebaut hat, während der öffentliche Bau stur weitergetrieben warden ist.
Die Konsequenz ist dann, daß die Spitzen in der Konjunktur verstärkt und die Täler, die Depressionen, vertieft werden. Theoretisch ist alles so furchtbar einfach. Aber der Mangel an wirtschaftspolitischer Einsicht derjenigen Menschen, die darüber zu bestimmen haben, ist die Crux. Deswegen glaube ich nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Sie mit einem einfachen Gemeinschaftsausschuß Erfolg haben werden. Ich bejahe, daß Sie überhaupt den Versuch machen sollen. Aber wenn wir wirklich zu Maßnahmen kommen wollen, rühren wir an die schwierigste Seite unserer Verfassung, unseres Grundgesetzes. Wir haben keine Einflußmöglichkeiten auf die Kommunalparlamente, und wir haben wenig Einflußmöglichkeiten auf die Länderparlamente. Deswegen stehe ich diesen Regelungen mit einiger Skepsis gegenüber.
Was ich eben gesagt habe, gilt für den Hochbau. Er ist in der Tat die Quelle unseres Übels. Die Maßnahmen, wie sie die Bundesregierung schon geschildert und eingeleitet hat, mildern das Übel insofern, als wir eine längere Bauperiode bekommen, die Kapazitäten besser ausnutzen und infolgedessen der Arbeitsanfall nicht so groß wird.
Diese Überlegungen sollten nicht für den Verkehrsbau gelten. Ich vermisse in der Regierungserklärung einen deutlichen Hinweis darauf, daß die Verkehrsbauten, insbesondere der Straßenbau, weitergeführt werden sollen. Ja, der Straßenbau muß sogar erst entwickelt werden. Nach meiner Auffassung ist das dreifach begründet.
Erstens. Der Straßenbau — Herr Kollege Hellwig hat das schon ausgeführt; ich brauche es nicht zu wiederholen — verfügt zur Zeit über nicht ausgenutzte Kapazitäten. Er kann also ohne Neuinvestierungen, ohne Neuanschaffung von Maschinen, ohne Neueinstellung von Arbeitskräften — das ist vielleicht noch entscheidender — das Doppelte von dem leisten, was er bisher geleistet hat. Ja, der Herr Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie de le Roi hat dargelegt, daß er sogar das Zweieinhalbfache von 1955 leisten könne. Ich weiß nicht, ob die Zahl stimmt. Bleiben wir bei dem Doppelten, das genügt uns schon.
Die Wichtigkeit des Straßenbaus ergibt sich nicht nur aus rein wirtschaftspolitischen Überlegungen. Denken wir daran, daß jedes Jahr infolge schlechter Straßen eine große Zahl von Verkehrsunfällen entstehen. Bei guten Straßen wären sie sicherlich vermeidbar. Unsere Todesquote durch Verkehrsunfälle liegt mehr als doppelt so hoch wie in England, obwohl die Straßen in England nicht sehr viel besser sind; sie haben eben nur eine bessere Oberflächenbeschaffenheit.
Außer der Zahl der Todesfälle und natürlich außer dem Materialschaden müssen wir vor allen Dingen wegen unseres Arbeitskräftepotentials auch berücksichtigen, wie viele Ausfälle wir durch die Verletzten haben. Die Straßenunfälle bringen eine ungewöhnlich hohe Zahl von Dauerinvaliden mit sich. Der Münchner Chirurgenkongreß hat im vergangenen Jahr die Angabe gemacht, die Unfälle auf den Straßen kosteten dem deutschen Volk jährlich 21/2 Milliarden DM. Wenn es uns gelänge, diesen Betrag durch ein vernünftiges Straßenbauprogramm nur um die Hälfte zu senken, dann würde sich das schon wirtschaftlich auszahlen, abgesehen von all dem menschlichen Leid, das hinter der grausigen Zahl von 12 000 Toten und Zig-tausenden anderer Unfälle steht. Ich glaube also im Namen meiner Freunde fordern zu müssen, daß der Straßenbau weitergeführt wird. Das ist wirtschaftspolitisch und menschlich gerechtfertigt und notwendig.
Deswegen bin ich mit dem im Regierungsentwurf enthaltenen Vorschlag, die Vorfinanzierung öffentlicher Investitionen einzustellen, einverstanden, soweit es sich um öffentliche Investitionen für den Hochbau handelt. Aber ohne eine regelmäßige Vorfinanzierung des Straßenbaues können wir den Straßenbau nicht zügig voranbringen. Wir sind doch nun allmählich in eine solche Zwangslage gekommen, daß wir in den nächsten Jahren mehr tun müssen als bisher.
Nun komme ich zu der Frage der öffentlichen Investitionen überhaupt. Hier weiche ich in meiner Meinung etwas von den Vorschlägen der Regierung ab. Ich bin damit einverstanden, alle öffentlichen Investitionen einzuschränken, soweit das in dem Rahmen, wie ich ihn eben gesteckt habe, vertretbar ist. Ich bin nicht damit einverstanden, daß wir private Investitionen kürzen, daß wir also die privaten Investitionen zum Prügelknaben machen. Private Investitionen — es ist das Verdienst des
Kollegen Hellwig, daß er das ganz klar herausgestellt hat — erhöhen die Produktion. Wir verfügen heute nicht mehr über nennenswerte Arbeitskraftreserven. Die Steigerung unseres Sozialprodukts geht nicht mehr, wie bisher, über die Hereinnahme noch nicht beschäftigter Arbeitskräfte, sondern geht im wesentlichen nur noch über eine Steigerung der Produktivität. Produktivität ist gleichbedeutend mit Einsatz von Maschinen, mit Einsatz von Kapital, d. h. Investitionen. Ich bin also der Auffassung, daß wir gerade in Zeiten der Hochkonjunktur, wo die Probleme der Vollbeschäftigung sichtbar werden, eine Endlösung nur bekommen werden, wenn wir dem Übel an die Wurzel gehen und durch Investitionen den Arbeitskräftemangel beseitigen. Diese Überlegung scheint mir richtig und konsequent zu sein.
Ich stimme mit Ihnen, Herr Professor Erhard, darin überein, daß viele Investitionen in der Privatwirtschaft zu aufwendig gewesen sind und daß wir solche Investitionen nicht fördern sollten. Es gibt aber ein einfaches Mittel, diese Investitionen in der Privatwirtschaft auf das betriebswirtschaftlich Notwendige zu beschränken: wir sollten die überhöhten Steuersätze abschaffen. Es ist doch kein Zweifel darüber, daß unsere Steuerprogression ungewöhnlich hoch ist. Die Träger hoher Einkommen — und das sind im wesentlichen die Firmen — zahlen immer noch Steuersätze, die, wenn ich alles dazuschlage, an 70 % heranreichen. Sie werden verstehen, daß kein Mensch gern so hohe Steuern zahlt. Also ist die Versuchung riesengroß, über Investitionen auch unnötiger Art durch erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten die Steuern zu drücken. Das ist eine ganz zwangsläufige menschliche Reaktion. Wir wollen doch an dem Wesen der Menschen nicht vorbeigehen! Es ist, glaube ich, sehr viel realer, zu sehen, wie der Mensch beschaffen ist, als daß wir hier irgendwelche utopischen Vorstellungen haben. Wenn wir daher die Steuern drastisch senken, wird die Versuchung zu Fehlinvestitionen meiner Meinung nach nicht mehr so stark sein. Da uns Zwangsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen, sollten wir diesen Weg der Steuersenkung gehen. Auch alle diejenigen, die daran nicht teilhaben werden, sollten das notwendige Verständnis für die Richtigkeit dieses Weges aufbringen. Ich glaube daher dem Herrn Finanzminister empfehlen zu sollen, von seinem bisherigen engen fiskalischen Denken abzugehen und etwas mehr die wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten einerseits und die menschlichen Eigentümlchkeiten andererseits zu berücksichtigen.
Noch ein weiteres Wort zur Frage der Investitionen. Unsere jetzige Lage — das ist hier schon gesagt worden, ich kann es daher kurz machen — ist dadurch gekennzeichnet, daß auf der einen Seite ein Arbeitskräftemangel besteht, auf der andern Seite dieser Arbeitskräftemangel natürlich dazu verleitet, daß man erhöhte Lohnforderungen stellt. Wenn etwas alarmierend ist, dann ist es die Zahl in dem Bericht der Bundesregierung, die besagt, daß im ersten Quartal dieses Jahres eine Lohnsteigerung von 9,9 % stattgefunden hat gegenüber einer echten Produktivitätssteigerung von nur 3,5 %.
Ich will diese Zahl gar nicht mal als typisch annehmen. Aber Tatsache ist, daß in dem vergangenen Jahr 1955 insgesamt gesehen die Lohnsteigerung 7,5 % betragen hat und daß die Produktivitätssteigerung nur bei etwa 5,5 % gelegen hat. Es ist selbstverständlich, daß das zu Preissteigerungen führen muß. Wenn die Löhne stärker steigen und damit auch die Kaufkraft stärker steigt als das Warenangebot, die Warenerzeugung, erfolgen notwendigerweise Preissteigerungen.
Das ist mit einem Wort die gegenwärtige Situation. Da hilft uns kein Rufen nach Preisstopp, kein Rufen nach dem Wirtschaftsstrafgesetz. Wir alle haben eine jahrzehntelange Erfahrung mit solchen Instrumenten. Der Gesetzgeber ist weiß Gott durch noch so drakonische Strafgesetze nicht in der Lage, an dem einfachen Spiel von Angebot und Nachfrage irgend etwas zu regeln. Es gibt in dieser Lage nur einen Weg: wir müssen unsere Gütererzeugung noch verstärken. Ich meine, daß dort noch gewisse Reserven sind. Deswegen vorhin meine Beispiele aus der Ernährungsindustrie, der Textilindustrie usw. Vor uns steht also die Aufgabe, die Investitionen zu differenzieren und sie in stärkerem Umfange in die Konsumgüterindustrie zu lenken.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir eine großartige Möglichkeit hätten, hier die unausgenutzten Kapazitäten Berlins ins Spiel zu bringen. Ich glaube, daß das die beste Berlin-Hilfe ist, die dieses Haus unserer Hauptstadt angedeihen lassen kann.
Das ist besser als irgendwelche Subventionen. Ich hoffe daher, daß der Wirtschaftsminister gerade diesem Zusammenhang nachgehen und versuchen wird, die Reserven sowohl an Arbeitskräften als auch an Konsumgüterkapazität der Hauptstadt Berlin ins Spiel zu bringen, aber ohne daß nun ein Abzug von Arbeitskräften aus Berlin nach hier erfolgt; denn das wäre selbstverständlich witzlos. Gerade in dieser Zeit der Hochkonjunktur hätten wir hier eine der verdienstvollsten Aufgaben unserer Wirtschaftspolitik.
Nachdem Herr Kollege Hellwig hier die großen Gesichtspunkte mit vollkommener Klarheit vorgetragen hat — ich bin ihm nicht gram darum, daß er mir das vorweggenommen hat, sondern sehr dankbar —, möchte ich noch auf einige Einzelheiten eingehen, die mir besonders am Herzen liegen. Das erste ist die Frage der bundeseigenen Betriebe. Wenn ich eingangs gesagt habe, das vielleicht Treffendste, was hier gesagt worden sei, sei, daß wir unsere Lage nicht dramatisieren sollten, so möchte ich nunmehr sagen: das Beste, was der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Bericht gesagt hat, ist, daß nunmehr das Problem der bundeseigenen Betriebe in einem gewissen Umfang — wie ich bescheiden sage — gelöst werden soll.
Ich begrüße ausdrücklich, daß der Versuch gemacht werden soll, über Investmentgesellschaften und Klein-Zertifikate den Begriff des Eigentums all den Kreisen des deutschen Volkes wieder nahezubringen, die bislang keine Möglichkeit hatten, direktes Eigentum, sei es an Grund und Boden oder an Hausbesitz, zu erwerben. Ich halte das für einen ausgezeichneten Weg, und es ist wahrscheinlich der einzige Weg, den eine Industriegesellschaft gehen kann.
Nun genügt es aber glaube ich, nicht, das Problem der bundeseigenen Betriebe mit Hilfe der Investmentgesellschaften zu lösen. Es ist bekannt, daß die Investmentgesellschaften immer nur 5 bis 6 % ihres Kapitals in einem Werk anlegen können. Das würde also, da wir, glaube ich, fünf Invest-
mentgesellschaften haben, bestenfalls zu einer Privatisierung von 25 % der bundeseigenen Betriebe führen.
Greifen wir doch einmal ein konkretes Beispiel heraus, ein Beispiel, das nicht nur mich, sondern wohl das gesamte deutsche Volk seit langem beschäftigt. Das ist das Beispiel des Volkswagenwerks. Es gibt kein besseres Objekt zur Reprivatisierung als das Volkswagenwerk. Wenn wir das Volkswagenwerk reprivatisieren, wenn wir also heute Kleinaktien etwa im Werte von 50 bis 500 DM ausgeben, dann bin ich überzeugt, daß morgen die Aktien aufgekauft sind, und zwar von den Werktätigen selber. Denn jeder Werktätige, nicht nur die Fahrer von Volkswagen, hat ein Interesse daran, an diesem beispielhaften Werk beteiligt zu sein.
Nun hat der Herr Bundesfinanzminister, wie heute bereits erwähnt wurde, aus dem fernen Bayreuth einige Torpedos losgelassen. Ich bin nicht mit ihm der Meinung, daß sie ihr Ziel getroffen haben. Der erste Einwand ist, daß selbstverständlich nicht unter Preis verkauft werden dürfe. Wer spricht denn davon? Niemand! Ich war allerdings der Auffassung. daß das Volkswagenwerk nicht gerade eine Milliarde D-Mark wert ist. Aber ich will mich, gern belehren lassen und würde mich freuen, wenn es diesen Wert hätte. Ich darf hier ein Bonmot unseres Kollegen Scharnberg aufgreifen, der einmal gesagt hat, daß ihm beim Herrn Bundesfinanzminister manchmal eine merkwürdige Differenz zwischen Geldwert und Briefwert aufgefallen sei. Wenn ich mich recht erinnere, steht das Volkswagenwerk im Bundesvermögen mit ganzen 60 Millionen DM zu Buch. Ich hatte mir vorgestellt, daß es wahrscheinlich einen Betrag von 600 bis 800 Millionen DM wert sei. Aber nehmen wir an, es sei eine Milliarde; wir wollen uns nicht darüber streiten. Der Einwand, daß wir unter Preis verkaufen wollten, trifft einfach nicht zu. Der Preis wird durch den Marktwert der Aktien bestimmt.
Der zweite Einwand: Überfremdung. Ich glaube nicht, daß eine ausländische Überfremdung so gefahrdrahend ist. Gerade im Zeichen des gemeinsamen Marktes sollte uns das nicht so schwer drücken. Aber zugegeben, auch ich bin der Auffassung, daß wir kein Interesse daran haben, daß große Kapitalgruppen ausländischer oder inländischer Provenienz eine Überfremdung vornehmen. Nun, Herr Bundesfinanzminister — es gibt doch einen sehr einfachen Weg, das zu verhindern. Sie brauchen doch nur 50 oder 60 % der Aktien als vinkulierte Namensaktien auszugeben; d. h. auf deutsch gesagt, daß die Veräußerung der Aktien nur mit der Zustimmung der Geschäftsleitung möglich ist; dann wissen Sie ganz genau, daß eine Überfremdung durch unerwünschte Aufkäufer nicht möglich ist. — Also der Einwand sticht bestimmt nicht.
Eine Veräußerung eines solchen bundeseigenen Betriebes — es wird nicht der erste und wird hoffentlich nicht der letzte sein - hätte einen großen Vorzug gerade in der jetzigen konjunkturpolitischen Lage; und deswegen bringe ich ihn als Beispiel. Er würde bedeuten, daß die Konsumkraft um mindestens 1 Milliarde DM — wenn wir den Kaufpreis akzeptieren — abgeschöpft wird. Denn wenn jemand Aktien kauft, kann er das Geld nicht für Konsumgüter ausgeben. Diese Aktien würden zweifellos auf dem Kapitalmarkt angelegt werden können.
Ich habe vergessen, vorhin bei den Einwänden des Herrn Bundesfinanzministers einen dritten aufzuzählen. Das ist die Frage des Eigentums. Nun, der ist am wenigsten überzeugend. Wenn wir den Erlös aufteilen zwischen den vermutlichen Eigentümern — sei es der Bund, sei es das Land Niedersachsen ganz oder teilweise —, spielt es gar keine Rolle, ob das Objekt als Fabrik dasteht oder der Gegenwert in Form des Erlöses der Aktien. Dieser Einwand geht also meiner Meinung nach völlig daneben.
Ich glaube also, daß wir hier wirklich sowohl aus dem Begriff des Eigentums, den wir ja alle, soweit wir der Koalition angehören, unterstützen, als auch aus der gegenwärtigen konjunkturpolitischen Lage diesen Versuch machen sollten, unnötige Kaufkraft abzuschöpfen.
Ich mache Ihnen diesen Vorschlag deswegen, weil im Augenblick noch die große Sorge besteht, daß wir durch Lohnsteigerungen — ich weiß nicht, ob wir sie verhindern können; Herr Kollege Hellwig hat das Seinige dazu gesagt, ich will das nicht wiederholen — und durch Rentensteigerungen voraussichtlich eine Kaufkrafterhöhung um rund 8 Milliarden DM haben werden, ohne daß ein entsprechend großes Warenangebot dagegensteht.
Nun ist der Vorschlag gemacht worden — volkswirtschaftlich durchaus richtig —: „Nun, dann drosseln wir die Exporte." Selbstverständlich wirken sich die Exporterlöse preissteigernd aus; sie bringen über die Löhne Kaufkraft, ohne daß eine entsprechende Warenmenge dagegensteht, weil die Warenmenge ja ins Ausland gegangen ist.
Ich bin der Auffassung, daß die Exportdrosselung der schlechteste Weg wäre, und freue mich, daß auch der Bundeswirtschaftsminister darauf hingewiesen hat, daß nicht daran gedacht werden könne, in der gegenwärtigen deutschen Lage den Export als solchen zu drosseln. Ich bin mit ihm einer Meinung, daß wir keine Subventionierung des Exports mehr vornehmen dürfen. Eine solche wäre auch unfair gegenüber unseren Handelspartnern. Aber den Export selber auch nur im geringsten aus innerwirtschaftlichen Gründen zu drosseln, wäre nach meiner Auffassung Selbstmord. Wir wollen doch eine Grundtatsache nicht vergessen; das ist die, daß Deutschland so gut wie gar keine eigenen Rohstoffe hat, daß es also, wenn es seinen hohen Standard halten will, darauf angewiesen ist, industrielle Rohstoffe und auch Ernährungsgüter aus dem ausländischen Markt hereinzunehmen. Das kann es nur, wenn die deutsche Wirtschaft in der Lage ist, mit Devisen zu bezahlen; und das können wir nur, wenn wir unsere aus den Rohstoffen gefertigten Fertigerzeugnisse wieder dem Ausland zur Verfügung stellen. Ich glaube, daß an dieser Binsenwahrheit niemand vorbeigehen kann. Es wäre verhängnisvoll, in der gegenwärtigen Situation einen anderen Weg zu beschreiten. Denn das ist sicher — die Erfahrungen von zwei Weltkriegen haben uns das gelehrt —: es ist unheimlich schwer, auf dem Weltmarkt wieder Fuß zu fassen. Wir haben Glück gehabt, daß unsere Wirtschaft nach Ausbruch der Koreakrise in einem so ungewöhnlichen Maße wieder auf dem Weltmarkt hat Fuß fassen können. Ich glaube, diese Grundtatsache sollte nicht vergessen werden.
Ich komme zu einem anderen Problem: Steuern und Kapitalmarkt. Ich begrüße ausdrücklich, daß
in der Regierungsvorlage vorgeschlagen ist, den Kapitalmarkt zu fördern. Wer 10 % seines Einkommens spart, soll 5 % von der Steuer absetzen können. Ich hätte allerdings gewünscht, daß dieser Satz höher wäre, zumindest 20 % und 10 %. Das würde eine viel wirksamere Hilfe sein. Unsere Wirtschaft ist, wie ich eingangs gesagt habe, dadurch charakterisiert, daß der Kapitalmarkt nicht in Ordnung ist. Es ist bekannt, daß wir seit Monaten überhaupt keinen Kapitalmarkt mehr haben. Wenn wir diesen Kardinalfehler unserer wirtschaftlichen Situation beheben wollen, müssen wir Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarkts treffen. Das kann man nur durch Steuersenkungen einerseits und durch direkte Förderungen andererseits auf dem Wege, den die Bundesregierung vorsieht. Aber ich glaube, daß dieser Kompromiß, der zwischen Wirtschaftsminister und Finanzminister geschlossen worden ist, ein zu kläglicher Kompromiß ist und daß die Quote wesentlich heraufgesetzt werden muß.
Ich komme auf einen weiteren Punkt, über den in der Regierungserklärung noch nicht gesprochen worden ist, der aber im Zusammenhang mit dem vorherigen steht, mit dem Sparen. Unsere jetzige Situation ist auch deswegen so ernst, weil die Sparquote dauernd zurückgeht. Daß sie zurückgeht, mag zum Teil daran liegen, daß wir aus einer falschen Psychologie unseren Staatsbürgern ewig von einer Inflation erzählt haben. Ich bin dem Kollegen Scheel, der jetzt in Opposition zur Regierung steht, sehr dankbar, daß er gleich zu Beginn darauf hingewiesen hat, daß von einer Inflation überhaupt nicht die Rede sein kann, wenn auch Preissteigerungen auf der ganzen Linie von 2 bis 3, sagen wir selbst 5 % im letzten Jahr vorgekommen sind. Von einer Inflation kann man dann weiß Gott nicht reden. Wie unsinnig das Gerede von der Inflation ist, geht doch am besten aus der Bemerkung hervor, daß wir eigentlich vor dem Problem der Aufwertung stehen, daß wir, international gesehen, im Grunde genommen einen viel zu niedrigen Kurs haben, daß wir das Verhältnis zwischen D-Mark und Dollar aufwerten müssen. Das ist doch genau das Gegenteil von Inflation. Ich glaube, das sollte auch ganz klar ausgesprochen werden.
Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß die Sparrate zurückgegangen ist, wahrscheinlich nicht nur durch das Gerede von der Inflation, sondern auch deswegen, weil erst jetzt der Konsument dem Druck, dem Anreiz zum Konsum, der auch aus unserer amtlichen Wirtschaftspolitik hervorgeht, allmählich folgt. Da sehen Sie, wie schwerfällig im Grunde genommen die Menschen reagieren. Eine Parole, die vor drei Jahren sicherlich noch richtig war, kommt jetzt bei den Konsumenten allmählich an, mit einer Spätzündung, wenn Sie wollen, und jetzt hat sie konjunkturpolitisch gerade den ungünstigsten Effekt. Es kommen nicht genug Gelder auf den Kapitalmarkt. Das Ergebnis ist wahrscheinlich, daß wir den Wohnungsbau gefährden, weil die Sparkassen nicht mehr in der Lage sind, erste Hypotheken im gewünschten Umfange auszuzahlen. Es ist daher dringend nötig, daß wir das Sparen fördern.
Nun frage ich die Regierung: Glaubt sie, daß der Wille zum Sparen gefördert wird, wenn wir bei einer Rentenreform eine automatische Koppelung mit den Löhnen vornehmen und Renten in einer Höhe gewähren wollen, die jedem Arbeitnehmer den Gedanken nahelegt: Wozu soll ich noch sparen? Für mein Alter ist ja regierungsseitig gesorgt. Mir kann nichts passieren; ich bin über alle Inflationsgefahren hinaus.
Also gespart wird nicht mehr, es wird nur noch konsumiert. Das ist doch ein verhängnisvoller Kreislauf. Ich glaube, daß hier der Herr Bundeswirtschaftsminister seinem Kollegen aus dem Arbeitsministerium nicht den auf volkswirtschaftliche Erkenntnisse gegründeten Druck entgegengesetzt hat. Ich fühle mich verpflichtet, auf diese Zusammenhänge in diesem Rahmen hinzuweisen; das andere wird die morgige Rentendebatte ergeben.
Das bedeutet nicht, daß meine Freunde von der Deutschen Partei etwa gegen Rentenerhöhungen sind. Wir wenden uns nur gegen ein volkswirtschaftlich nicht vertretbares Maß und gegen eine automatische Bindung an Löhne statt einer alleinigen Bindung an die Produktivitätsquote, die ein vergleichsweise objektiver Maßstab ist. Ich darf daran erinnern, daß ich ähnliche Vorschläge in diesem Hause schon wiederholt gemacht habe. Wir sind daher konsequent, wenn wir dem Regierungsentwurf in diesem Punkt nicht zustimmen.
Nun komme ich zu dem Problem Konjunkturbeirat. Ich bin kein Freund von Institutionen. Ich glaube, daß wir in dem Wirtschaftskabinett ein Instrument haben, das die Aufgabe eines Konjunkturbeirats lösen kann. Wünschenswert wäre natürlich — Herr Kollege Hellwig hat es auch gesagt —, daß wir die amerikanischen Erfahrungen benutzten, daß wir so etwas wie einen brain trust von Wirtschaftswissenschaftlern schaffen, der der Regierung zur Verfügung steht. Aber das hilft alles nicht, wenn wir nicht in der Lage sind, den Trend unserer wirtschaftlichen Entwicklung rechtzeitig zu erkennen. Ich unterstütze daher die Ansicht von Kollegen Hellwig. Wir brauchen ein ökonometrisches Institut, wo mit Hilfe der modernsten Elektronenrechenmaschinen die Veränderungen volkswirtschaftlicher Daten so kurzfristig wie möglich erfaßt werden, damit man nicht mehr nur auf die psychologische Beeinflussung des Konsumenten angewiesen ist, sondern rechtzeitig konkrete Maßnahmen planen kann.
Nun kann es sein, daß wir auf Grund von Ereignissen auf dem Weltmarkt, die wir gar nicht beeinflussen können, in eine gewisse recession, also in ein Konjunkturtal kommen. Wenn wir die Konjunkturzyklen richtig ausgleichen wollen, müssen wir rechtzeitig Maßnahmen bereit haben. Das Parlament ist meines Erachtens zu schwerfällig, rechtzeitig konjunkturpolitisch notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Wir müssen also, um für diesen Fall gerüstet zu sein, einen Reservehaushalt haben und die Bundesregierung ermächtigen, im Einvernehmen mit der Bank deutscher Länder aus Mitteln dieses Haushalts zur Steuerung der Konjunkturzyklen konjunkturpolitisch notwendige Ausgaben zu machen, ohne daß der schwerfällige Weg über das Parlament beschritten wird. Ich glaube, das ist ein vernünftiger Lösungsvorschlag; die spätere Diskussion wird das noch zeigen.
Ich darf zum Schluß wieder einmal die Ausgabe des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts vom Juni zitieren. Dort wird im ersten Absatz des einleitenden Aufsatzes folgendes gesagt:
Die westdeutsche Wirtschaft hat heute alle
Chancen, das reale Wachstum fortzusetzen,
allerdings unter der einen Bedingung, daß alle
Beteiligten sich wirtschaftspolitisch richtig verhalten.
Darüber, was wirtschaftspolitisch richtig ist, setzt die Diskussion ein. Ich darf in wenigen Punkten ganz kurz zusammenfassen, was meine Freunde unter einem wirtschaftspolitisch richtigen Verhalten verstanden wissen wollen.
Das erste ist natürlich eine richtige Preispolitik. Man muß der Versuchung widerstehen — der Appell geht im wesentlichen an die Unternehmer —, aus der jetzigen günstigen Konjunkturlage Gewinne erzielen zu wollen, die nicht berechtigt sind. Das ist ein ernstes Anliegen. Gerade in diesen Kreisen sollte soviel wirtschaftspolitische Einsicht vorhanden sein, daß dieser Appell nicht ins Leere geht.
Das zweite betrifft die Gegenseite bzw. die Löhne der Arbeiter. Ich bin der Überzeugung, daß wir einen Lohnstopp nicht einführen sollten und nicht einführen können. Wir haben damit zu schlechte Erfahrungen gemacht. Der Lohnstopp ist nicht notwendig. Es gibt für das Maß der Lohnsteigerung einen ganz objektiven Maßstab, der allerdings nicht ganz einfach anzuwenden ist: das ist die Produktivitätssteigerung. Wenn wir die Löhne nur im Rahmen der Produktivitätssteigerung erhöhen, dann besteht volkswirtschaftlich und währungspolitisch absolut keine Gefahr. Das bedeutet selbstverständlich auch eine gewisse Mäßigung in der Frage der Verkürzung der Arbeitszeit, denn sie steht damit im Zusammenhang.
Zu einem wirtschaftspolitisch richtigen Verhalten gehört weiter, daß das Verhältnis der Steuern zu den Investitionen richtig gestaltet wird, d. h. daß man nicht durch überhöhte Steuern die Investitionstätigkeit anreizt.
Ferner gehört dazu, daß wir die Exporterlöse richtig verwenden. Ich habe mich zuvor schon gegen eine Verringerung der Exporte ausgesprochen. Eine volkswirtschaftlich unerwünschte Wirkung der Exporterlöse ließe sich nach Meinung meiner politischen Freunde dadurch verhindern, daß wir die Exporterlöse, die jetzt in Form der Währungsreserven in Höhe von 14 Milliarden DM an Gold und Devisen vorliegen, dazu verwendeten, unsere Schuldverpflichtungen gegenüber dem Ausland zu erfüllen. Wir sehen uns immer nur als Gläubiger in bezug auf die Länder, nach denen wir exportieren. Wir sehen aber niemals, daß wir von früher her Schulden haben, die rund 25 Milliarden DM betragen. Es wäre daher sinnvoll, wenn wir die einmalige günstige Situation unserer Währungsreserven und unseres Exports dazu benutzten, endlich diese Verpflichtungen, die wir übernommen und anerkannt haben, einzulösen. Das würde uns meiner Meinung nach auch endlich den Zutritt zum internationalen Kapitalmarkt sichern. Solange wir ein so schlechter Schuldner sind, so lange wird uns kein Mensch nennenswerte Kapitalien zur Verfügung stellen. Diese Konsequenz muß einmal ganz deutlich gesehen werden.
Ich will über die Frage der Importe nicht mehr sprechen; dazu ist schon zuviel gesagt worden.
Über die Frage der Sozialpolitik im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik habe ich bereits gesprochen.
Ich glaube also sagen zu können, daß wir absolut keinen Grund haben, unsere wirtschaftspolitische Situation irgendwie zu dramatisieren. Wir haben keinen Anlaß, sie zu bagatellisieren; aber bei vernünftigem wirtschaftspolitischen Verhalten können wir getrost in die Zukunft blicken. Die Ergebnisse der Produktivitätssteigerung in den uns benachbarten Ländern und in Amerika sollten uns eigentlich sehr hoffnungsvoll stimmen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. So sehr ich davon überzeugt bin, daß die Wirtschaftspolitik in Deutschland noch längst nicht am Rande ihrer Möglichkeiten ist, daß wir also unser Sozialprodukt, den Standard des einzelnen Menschen ganz erheblich steigern können, so daß in wenigen Jahren von einer wirklichen materiellen Not deutscher Menschen nicht mehr gesprochen werden kann, sollte doch in allen wirtschaftspolitischen Diskussionen auf eine Grenze unserer Wirtschaftspolitik hingewiesen werden: Das Glück der Menschen macht der wirtschaftliche, materielle Standard nicht aus. Das ist eine Frage, die die Wirtschaftspolitik nicht lösen kann.