Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ich nur einige kurze Bemerkungen machen.
Ich möchte mich hier nicht mit der sehr interessanten Theorie auseinandersetzen, die der Herr Abgeordnete Prinz zu Löwenstein entwickelt hat; er steht damit wohl beinahe allein. Ich möchte bloß einiges zu dem sagen, was der Herr Kollege Arndt ausgeführt hat. Er hat heute — das kann man ihm nicht bestreiten; das sage ich sogar als Jurist — ein geradezu vorzügliches Plädoyer gehalten, das er wahrscheinlich demnächst in Karlsruhe wiederholen wird.
Ich will mich auch nicht weiter mit dem auseinandersetzen, was Herr Kollege Schmid gesagt hat. Er hat die verschiedenen Theorien erläutert und dann gesagt, daß, wenn man schon nach der Vertragstheorie geht, man eben anerkennen muß, daß der völkerrechtliche Grundsatz zu gelten hat: Wenn wesentliche Teile des Vertrages — solche sieht er und auch der Herr Kollege Arndt in den Art. 31 und 32; man wird als Jurist das noch gar nicht einmal ernstlich bestreiten können — fallen, dann fällt der ganze Vertrag, und im übrigen wird die clausula rebus sic stantibus gelten. Aber ich bin der Meinung, wir sollten uns hier — und ich glaube, das Plenum dieses Hohen Hauses eignet sich in gewissem Sinne gar nicht dazu, derartige Rechtsfragen tiefschürfend und abschließend zu erörtern — darauf beschränken, die Problematik anzudeuten, aber, da sie doch juristischen Inhalt hat und da die Klage nun einmal anhängig ist, die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht zu überlassen.
Der Herr Kollege Arndt sagt: aus den verschiedensten Gründen kann das Konkordat nicht gültig sein, einmal weil das Ermächtigungsgesetz keine rechtsverbindliche Grundlage ist, zum andern, weil der Ratifikationsakt das nicht ersetzen konnte, ferner weil keine Transformierung in innerstaatliches Recht erfolgte, und viertens, weil das Reichskonkordat in entscheidenden Teilen geheimgehalten und gar nicht verkündet wurde. Das alles sind juristische Fragen, juristische Probleme, die zur Entscheidung anstehen und über die das Bundesverfassungsgericht entscheiden muß. Ich will mich deshalb einer eigenen juristischen Stellungnahme zu diesen Problemen enthalten.
Auch die Frage: Ist hier eine Generalzuständigkeit nach Art. 93 gegeben, wie sie die Bundesregierung in Anspruch nimmt, oder hätte nach Art. 84 Abs. 4 als lex specialis verfahren werden müssen? kann authentisch und wirklich für alle verbindlich nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Der Herr Vorredner, Herr Kollege Eickhoff, hat darum gefleht, daß das Bundesverfassungsgericht in letzter Weisheit einen Ausweg finden möge, daß nichts passiere, wenn ich das einmal ins Unreine sagen darf. Dieser Ausweg ist ihm geradezu hingehalten, wenn es auf die Theorie geht, die der Herr Kollege Arndt bezüglich der Anwendung des
Art. 84 Abs. 4 hier entwickelt hat. Denn dann wäre das tatsächlich eine echte Verfahrensvoraussetzung, die hier nicht erfüllt wäre, und dann würde die Klage schon aus diesen formellen Gründen das entsprechende Schicksal erleiden. Vielleicht wäre das der Ausweg, von dem sich der Herr Kollege Eickhoff so sehnlich wünschte, daß ihn die Weisheit des Bundesverfassungsgerichts findet. Aber, wie gesagt, ich möchte mich jeder juristischen Stellungnahme dazu enthalten, weil ich meine, wir sind dazu nicht berufen, nachdem nun einmal das Bundesverfassungsgericht angegangen worden ist.
Ich bin auch der Meinung, wir müssen uns der Bedeutung bewußt sein, die gerade dieses Konkordat als eine der letzten Klammern um das Reich noch darstellt. Aber all das sind Dinge, die eben doch von uns letztlich nicht entschieden werden können.
Nur in einem bin ich mit den meisten Rednern, die vor mir gesprochen haben, einig: ich bezweifle, ob der Weg nach Karlsruhe der richtige Weg war. Ich habe ganz erhebliche Zweifel. Denn was passiert, wenn — unterstellen wir es einmal — Karlsruhe entscheidet, das Konkordat sei noch gültig? Das kann es aber nicht direkt — denn es ist ja kein Normenkontrollverfahren —, sondern diese Entscheidung kann nur inzidenter fallen. Dann gibt es keinerlei Möglichkeiten, gegen die Länder, namentlich gegen die beklagten Länder, von Bundes wegen zu vollstrecken, sondern dann versteifen sich nur die Fronten. Entscheidet das Bundesverfassungsgericht anders, dann hat das nur innerstaatliche Bedeutung. Denn eine Entscheidung eines Partnergerichts — wenn ich mich schon auf den Boden der Vertragstheorie stelle und sage, ein Konkordat sei ein völkerrechtlicher Vertrag — wirkt nur im innerstaatlichen Bereich und berührt nicht den anderen Partner. Das verärgert dann, das schafft dann wieder Unruhe bei uns.
Deshalb bin ich diesmal der gleichen Meinung wie der Herr Kollege Arndt — ich bin das ja nicht sehr oft, aber in diesem Punkte bin ich es —: Wir müssen doch erkennen, daß sich die Dinge seit 1933 entschieden gewandelt haben. Wir müssen miteinander sprechen, diese Dinge müssen eine echte demokratische Legitimation erfahren, und wir dürfen dieser heiklen Frage — Gestaltung des Schulwesens usw. — einfach nicht länger ausweichen. Was vielleicht doch eine kleine Unruhe in manchen Bevölkerungskreisen schafft, das ist der ganz leise Verdacht, der sich da einzuschleichen anfängt, als ob man bei der Bundesregierung den Weg nach Karlsruhe in diesem Fall nur gewählt hätte, um für einen bestimmten Bevölkerungsteil einen Rechtsstatus, der eben besser wäre als der für den anderen, unter allen Umständen zu erhalten. Diesen Verdacht sollte man erst gar nicht aufkommen lassen, sondern wir müssen uns zusammenfinden, wir müssen über diese Dinge sprechen und müssen sie regeln. Auch die Kurie hat durchaus erkannt, daß sich hier etwas geändert hat und daß man über manche Dinge, auch über Änderungsvorschläge, sprechen müßte. Ich freue mich, daß Herr Kollege Arndt hierauf schon hingewiesen hat.
Wir alle haben die Pflicht, die Kluft nicht zu vertiefen, sondern die Dinge in demokratischer Toleranz zu behandeln. Ich freue mich über Art und Ton der heutigen Aussprache über dieses heikle Thema. Denn unser Volk ist schon politisch
gespalten, und es wäre ein Unglück schlimmster Art, wenn wir alle miteinander, die wir dazu aufgerufen sind, nicht alles täten, dazu beizutragen, daß wir nicht auch noch eine unüberbrückbare konfessionelle Spaltung heraufbeschwören. Wir alle sind aufgerufen, das zu vermeiden, und ich glaube. wenn das Ergebnis der heutigen Diskussion das wäre, daß diesem Anliegen aller Sprecher wirklich der Erfolg beschieden ist, dann wäre es trotz allem, trotz aller Differenzen ein glücklicher Tag gewesen. Wir können nicht eine neue Spaltung unseres Volkes gebrauchen, wenn wir die nationalen Probleme, die noch vor uns stehen, wirklich mit Aussicht auf Erfolg anpacken und lösen wollen. Deshalb müssen wir zusammen sprechen, deshalb müssen wir dem demokratischen Prinzip der Toleranz auf alle Fälle huldigen.