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ID0214604000

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    2. Deutscher Bundestag — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956 7697 146. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956. Nachruf für den Abg. Naegel 7698 B Ergänzung der Tagesordnung 7698 D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Maier (Stuttgart) 7699 A Eintritt der Abg. Weber (Untersontheim) und Albrecht (Hamburg) in den Bundestag 7699 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner und Frau Albrecht . . 7699 A Mitteilung über Verzicht des Haushaltsausschusses auf Mitberatung der in der 133. Sitzung überwiesenen Anträge betr Straßenbauvorhaben (Drucksachen 2117 und 2123) 7699 B Beschlußfassung des Bundesrats über Gesetzesbeschlüsse des Bundestags . . . 7699 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 242, 244, 246, 247, 249, 250, 252 (Drucksachen 2285, 2395; 2315, 2404; 2324, 2405; 2325, 2385; 2355, 2394; 2362, 2391; 2375, 2403) 7699 C Vorlage von Berichten über die Gewährung von Zuschüssen zur Gemeinschaftsverpflegung, über die Sozialabkommen der Brüsseler Vertragsstaaten und über die Unterzeichnung des deutsch-amerikanischen Filmabkommens (Drucksachen 2384, 2390, 2393) 7699 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364, Umdrucke 608, 609, 610) . . . 7699 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender . 7 700 A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 7705 A Dr. Mommer (SPD) 7714 D Frau Hütter (FDP) 7717 D Brookmann (Kiel) (CDU/CSU) . . 7718 B Wehner (SPD) 7720 B Lemmer (CDU/CSU) 7725 D Dr. Will (FDP) 7728 A Seiboth (GB/BHE) 7730 A Frau Kalinke (DP) 7732 D Dr. Henn (DA) 7736 B, 7738 D Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . . 7739 D Annahme des Antrags Umdruck 609 . . . 7740 A Ausschußüberweisungen der Anträge Um- drucke 608 und 610 7740 A Begrüßung einer Gruppe von Mitgliedern des englischen Unterhauses 7738 D Große Anfrage der Abg. Mellies, Dr. Reif, Feller u. Gen. betr. Verfassungsklage wegen des Reichskonkordats (Drucksache 2258 (neu]) 7698 C, 7740 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 7698 C Dr. Arndt (SPD), Anfragender . . . 7 740 B Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen 7749 B Cillien (CDU/CSU) 7751 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) 7754 B, 7757 A Schütz (CDU/CSU) 7756 D Dr. Reif (FDP) 7757 D Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 7759 D Eickhoff (DP) 7762 A Dr. Schneider (Lollar) (DA) . . . 7762 C Hoogen (CDU/CSU) 7763 C Dr. Welskop (CDU/CSU) 7766 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 2327) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 7766 C Erste Beratung des von den Abg. Lenz (Brühl), Dr. Hesberg, Lücke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Drucksache 2321) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Rechtsausschuß 7766 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Pflanzenschutzabkommen (Drucksache 2346) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 7766 D Erste Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (WBO) (Drucksache 2359) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7766 D Nächste Sitzung 7766 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7767 A Anlage 2: Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 608) 7767 C Anlage 3: Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 609) 7768 A Anlage 4: Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 610) 7768 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Altmaier 2. 6. Arnholz 30. 5. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Bartram 31. 5. Blachstein 30. 6. Dr. Blank (Oberhausen) 30. 5. Frau Dr. Bleyler (Freiburg) 30. 5. Brese 30. 5. Dr. Brühler 16. 6. Dannebom 5. 6. Dopatka 30. 5. Dr. Eckhardt 30. 5. Frehsee 30. 5. Friese 30. 5. Frau Friese-Korn 30. 5. Gedat 30. 6. Gefeller 2. 6. Geiger (München) 30. 5. Frau Geisendörfer 9. 6. Dr. Gille 16. 6. Heiland 30. 5. Dr. Hellwig 16. 6. Dr. Horlacher 2. 6. Hübner 1. 6. Jacobi 30. 5. Jacobs 30. 5. Dr. Jaeger 9. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Kahn 1. 6. Frau Kipp-Kaule 2. 6. Koenen (Lippstadt) 2. 6. Könen (Düsseldorf) 1. 6. Dr. Kopf 30. 5. Frau Korspeter 9. 6. Kortmann 30. 5. Dr. Kreyssig 30. 5. Kroll 30. 5. Kühlthau 30. 5. Kurlbaum 30. 5. Leibfried 30. 5. Dr. Lindenberg 30. 5. Lulay 9. 6. Maucher 30. 5. Meitmann 15. 7. Merten 30. 5. Dr. Mocker 30. 5. Müller-Hermann 2. 6. Neuburger 31. 5. • Dr. Orth 30. 5. Peters 15. 7. Pöhler 30. 5. Rademacher 30. 5. Raestrup 30. 5. Rasch 4. 6. Richter 2. 6. Runge 16. 6. Dr. Siemer 30. 5. Dr. Starke 31. 7. Frau Welter (Aachen) 30. 5. Dr. Werber 30. 5. Frau Wolff (Berlin) 10. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 30. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Kraft 16. 6. Metzger 9. 6. Moll 23. 6. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Dr. Pferdmenges 9. 6. Siebel 9. 6. Anlage 2 Umdruck 608 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. alles zu tun - wenn nötig einseitig -, was die an der Zonengrenze aufgerichteten Grenzmauern abzutragen geeignet ist. In diesem Sinne muß der freie Verkehr aller Druckschriften über die Zonengrenze ermöglicht werden. Sollte sich ein Abkommen auf Gegenseitigkeit als unerreichbar erweisen, so soll die Bundesregierung den Bezug aller Drucksachen aus der „DDR" auf handelsübliche Weise zulassen; 2. den zuständigen Ausschüssen des Bundestages alle Gründe vorzutragen, die für und gegen eine Amnestie für politische Straftaten in der Bunresrepublik sprechen. Durch diese Amnestie könnte ein Beitrag zur Entspannung der Beziehungen der beiden Teile Deutschlands zueinander geleistet werden; 3. darauf hinzuwirken, daß auf Grund politischer Straftaten inhaftierte Personen in der Bundesrepublik in den Genuß aller Erleichterungen gelangen, die mit der Sicherung gegen Flucht vereinbar sind, und daß die Dauer der Untersuchungshaft sich in vertretbaren Grenzen hält; 4. auf diplomatischem Wege die Regierung der Sowjetunion auf die Verantwortung hinzuweisen, die sie für Verurteilte der sowjetischen Besatzungsbehörden in Deutschland hat, und die Freilassung aller dieser Gefangenen zu verlangen; 5. Wege zu erschließen und zu beschreiten, die geeignet sind, in der „DDR" zu erwirken, daß den aus politischen Gründen inhaftierten Personen alle in einem humanen Strafvollzug üblichen Erleichterungen gewährt werden und die Versorgung der Strafanstalten mit Medikamenten sichergestellt wird; 6. dem Bundestag einen Bericht über Fälle zuzuleiten, in denen von der Regierung der Sowjetunion in der Bundesrepublik lebende Personen als Sowjetbürger reklamiert werden, die angeblich an der Heimkehr gehindert werden; 7. durch den Ausbau der Treuhandstelle für den Interzonenhandel das Verrechnungswesen zur Erleichterung des Personen- und Güterverkehrs über die Zonengrenze und zur Abwicklung aller übrigen Zahlungsverpflichtungen zu normalisieren und durch die Errichtung weiterer Treuhand- stellen die Normalisierung des Personen- und Güterverkehrs zu ermöglichen und in Kultur-und Unterrichtsfragen dem Auseinanderleben der Teile Deutschlands entgegenzuwirken; 8. um diese Ziele zu erreichen, um den Zusammenhalt der Teile Deutschlands zu festigen und da- mit der Wiedervereinigung unter einer frei gewählten deutschen Regierung zu dienen und der Welt zum Bewußtsein zu bringen, daß die Teilung Deutschlands vom deutschen Volke nicht anerkannt wird, unbeschadet der vorbehaltenen Rechte und Verpflichtungen der Vier Mächte gegenüber Deutschland als Ganzem, mit den in der sowjetisch besetzten Zone bestehenden Behörden alle nötigen Besprechungen zu führen. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 609 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen wird beauftragt, die Aufgaben, die sich aus der Großen Anfrage — Drucksache 2364 — und ihrer Beantwortung ergeben, laufend zu verfolgen und zu gegebener Zeit dem Bundestag Bericht zu erstatten. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Anlage 4 Umdruck 610 (Vgl. S. 7717 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, darauf hinzuwirken, daß in weit größerem Umfange als bisher den jungen Menschen in der Bundesrepublik Gelegenheit gegeben wird, die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Teilung Deutschlands ergeben, durch Reisen nach Berlin kennenzulernen. Insbesondere sollten die Abschlußklassen sämtlicher Schulen der Bundesrepublik Gelegenheit haben, die Verhältnisse in der ehemaligen Hauptstadt Deutschlands kennenzulernen. Die dazu notwendigen Gelder sind den Mitteln des Bundesjugendplanes zu entnehmen. Bonn, den 30. Mai 1956 Frau Hütter Dr. Dehler und Fraktion
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    Rede von Dr. Hans Reif


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß meine Fraktion in dieser Aussprache nicht von einem Juristen vertreten wird, liegt in unserer Ansicht über den Gegenstand dieser Aussprache begründet. Wir sind der Meinung, daß vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Parlament dieses Landes eine Diskussion der Rechtslage nicht durchführen sollte, ganz abgesehen von der Frage, ob Parlamente, die ja politische Entscheidungen treffen sollen, überhaupt eine Rechtslage klären können. Ich möchte also auch darüber nichts sagen und muß nur mit Rücksicht darauf eine Bemerkung machen, daß der Herr Bundesaußenminister in


    (Dr. Reif)

    seiner Beantwortung der Anfrage auf die Kleine Anfrage 151 und auf die Begründung dieser Anfrage durch die Vertreterin unserer Partei, Frau Dr. Ilk, Bezug genommen hat. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß Frau Dr. Ilk am 10. November 1955 in dieser Begründung mit Zustimmung unserer Fraktion hier erklärt hat, daß wir die Rechtsgültigkeit des Konkordats nicht ohne Bedenken betrachten. Wir haben also in sehr vorsichtiger Form angedeutet, worum es sich für uns handelt.
    Hier aber, meine Damen und Herren, geht es in diesem Hause nicht um Fragen der Toleranz. Es geht nicht um Fragen des Glaubens; es geht nicht einmal um die Frage — verzeihen Sie, Herr Kollege Schmid, wenn ich das sage — des Verhältnisses von Staat und Kirche in seiner grundsätzlichen Bedeutung. Es geht erst recht nicht um die Frage unserer Stellung zu der verehrungswürdigen Einrichtung der Kurie, sondern es geht im Grunde genommen um das Verhalten der Bundesregierung, zu dem Stellung zu nehmen und das unter Umständen zu kritisieren Aufgabe eben dieses Parlaments ist.
    So ist, das möchte ich vorausstellen, sowohl bei der Begründung der Anfrage als auch jetzt wieder vom Herrn Kollegen Schmid durchaus mit Recht darauf hingewiesen worden, daß es die Aufgabe der Bundesregierung gewesen wäre, einen politischen Weg zu suchen in der Auseinandersetzung mit dem Land Niedersachsen, aber auch einen politischen Weg zu betreten in Verhandlungen mit der Kurie. Das ist die Frage, um die es sich für uns handelt; denn alles das, was vom Herrn Kollegen Arndt in so überzeugender Weise über die Entstehungsgeschichte des Konkordats gesagt worden ist, berührt uns als Demokraten gar nicht als eine Kirchenangelegenheit, sondern als eine politische Frage. Ich kann mich dabei auf die nach meinem Dafürhalten ausgezeichnete Darstellung meines Berliner Kollegen Dr. Bracher berufen, aus der doch nun wirklich eines ganz klar und deutlich hervorgeht: Das Ermächtigungsgesetz, die Rechtsbasis für die Verhandlungen und für den Abschluß des Konkordats durch die Regierung Hitler, ist keine im historischen Raum isoliert stehende Tatsache, sondern das Ergebnis von Machtkämpfen gewesen. Der Verabschiedung dieses Gesetzes in der Kroll-Oper gingen Rechtsbrüche voraus, wie z. B. die Verordnung zum Schutze von Volk und Staat, die Reichstagsbrand-Verordnungen und vor allen Dingen, worauf ich auch noch einmal hinweisen möchte, die im letzten Augenblick vorgenommene Änderung der Geschäftsordnung des Reichstages, die den Reichstagspräsidenten ermächtigte, Abgeordnete. die nicht anwesend waren, für 60 Tage auszuschließen, gleichzeitig aber sie selbst bei der Berechnung des Quorums mit in Ansatz zu bringen. Diese Maßnahme hatte man doch gerade getroffen, um zu verhindern, daß Parteien des Hauses durch Nichterscheinen eine Verfassungsänderung unmöglich machten. Diese und andere Voraussetzungen waren notwendig, und immer wieder muß betont werden, daß die NSDAP in Deutschland damals keine Mehrheit und auch keine Aussicht auf eine Mehrheit hatte und daß sie dieser Rechtsbrüche bedurfte, um sich durchzusetzen.
    Auch unter diesen Voraussetzungen wäre die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz niemals
    möglich gewesen ohne die deutsche Zentrumspartei.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wiederum geht doch aus dem Wortlaut der Erklärungen des Herrn Prälaten Kaas, des damaligen Sprechers der Zentrumspartei in dieser, wenn ich so sagen darf, denkwürdigen, dramatischen Reichstagssitzung hervor, daß die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz für die deutsche Zentrumspartei nur deshalb möglich war, weil man ihr den Abschluß des Konkordats in Aussicht stellte,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    desselben Konkordats, das für Herrn Hitler dazu dienen sollte, diese selbe Zentrumspartei umzubringen.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube nicht, daß die deutsche Zentrumspartei das damals gewußt hat. Man darf nicht unterstellen, daß sie sich gern und freiwillig umbringen ließ, sondern dies ist ein Beweis mehr für die Hinterhältigkeit, mit der von deutscher Seite diese Verhandlungen mit der Kurie geführt wurden.
    Meine Damen und Herren, es ist doch wohl nicht zu bestreiten, daß das Interesse, das Hitler an dem Zustandekommen des Konkordats hatte, ein rein politisches Interesse war. Es war einmal das Interesse an der Anerkennung der sogenannten nationalsozialistischen Revolution — die im übrigen ja keine war — durch eine Macht, die nicht nur als eine ausländische Macht, sondern mit Recht als eine moralische Macht in der Weltgeschichte gilt. Ich kann mich jedenfalls an jene Tage erinnern, in denen wir verzweifelt in Berlin saßen und mit unseren jüdischen und unseren katholischen Freunden über das Entsetzliche sprachen, was nach unserer Meinung damals geschehen war, als die Anerkennung Hitlers, sicherlich nicht in der Absicht der Kurie, aber in der Absicht Hitlers durch die Kurie erfolgt war. Das zweite war, daß Hitler auf diese Weise die Zustimmung ides Vatikans zum Verbot, zur Auflösung nicht nur der deutschen Zentrumspartei, sondern, wie schon gesagt wurde, auch der nicht rein seelsorgerischen. katholischen Organisationen, darunter auch der christlichen Gewerkschaften, bekam.
    Der Herr Kollege Schmid hat mit besonderem Nachdruck auf die Artikel 31 und 32 des Konkordats hingewiesen. Das waren für Adolf Hitler die entscheidenden Artikel, und es existiert ja — der Herr Kollege Arndt hat darauf hingewiesen — eine Anweisung an den deutschen Unterhändler, daß ohne dieses Zugeständnis das Konkordat für die Reichsregierung uninteressant sei. Es ist also gar kein Zweifel, daß, wenn überhaupt eine Bestimmung von der einen Vertragsseite her als wesentlicher Bestandteil, ja, als Conditio sine qua non betrachtet wurde, es gerade die Bestimmungen der Artikel 31 und 32 waren. Und das sind die Artikel, die heute nicht mehr gelten.
    Ich erwähne das nicht, um das, was der Herr Kollege Arndt schon in so ausgezeichneter Weise dargelegt hat — die historische Brüchigkeit der juristischen Rechtfertigung des Konkordats aus dem Ermächtigungsgesetz usw. —, zu wiederholen, sondern weil ich sagen möchte, daß die Bundesregierung, wenn sie den Weg, den wir für einen unheilvollen Weg halten, beschritten hat,


    (Dr. Reif)

    vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, verpflichtet ist, in der rein juristischen Argumentation die Rechtmäßigkeit des Konkordats zu unterstellen. Und diese Rechtmäßigkeit kann rein formaljuristisch nur auf das Ermächtigungsgesetz gestützt werden. Das ist ein Zeichen dafür, daß in gewissen historischen Verhältnissen das Formaljuristische allein nicht ausreicht, sondern daß die historischen Kräfte, daß die Ereignisse — und es handelt sich ja nicht um Kleinigkeiten, sondern es handelt sich um gewaltige und gewalttätige Ereignisse, die sich hier abgespielt haben — dabei mit beachtet werden müssen.
    Ich darf vielleicht noch erwähnen, daß auch die Frage der Seelsorge nach der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht von Herrn von Papen dem damaligen Reichskanzler Adolf Hitler triumphierend mitgeteilt wurde als ein ganz großer Erfolg der deutschen Politik, der zwar geheimgehalten werden müsse. Auch das, meine Damen und Herren — ich will Sie jetzt nicht mit Zitaten langweilen, ich habe sie hier —, ist doch wieder ein Beleg dafür, daß jene Regierung nur politische Absichten hatte, die mit einer wirklichen Konkordanz überhaupt nicht das geringste zu tun hatten.
    Nun möchte ich eine Frage stellen, ich bitte sie mir nicht übelzunehmen, meine Damen und Herren. Ist es nicht eigentlich etwas bedrückend, ist es nicht wirklich etwas bedrückend, daß man, wenn man es mit dem Verhältnis von Politik und Moral ernst nimmt und wenn man überzeugt ist von der großen Bedeutung der christlichen Kirchen für die Geltung eines gesunden Verhältnisses zwischen Politik und Moral oder — sagen wir ruhig besser — für die Durchdringung der Politik mit Moral in der Praxis des Volkslebens, uns gewissermaßen zumutet, etwas so Unmoralisches, etwas so Hinterhältiges wie diese Verhandlungen Hitlers und des Herrn von Papen in ihren Resultaten heute noch anzuerkennen?

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Das ist doch etwas, was uns alle tief bewegt. Es geht doch hier nicht um Anerkennung der Kirche oder um Glaubensdinge. Es gibt nun mal hier, es gibt auch in diesem Hause Gott sei Dank noch Leute, die sich innerlich dagegen aufbäumen, daß man zugeben soll, daß Hitler überhaupt irgendwelches Recht hat schaffen können.

    (Erneuter Beifall bei der FDP und der SPD — Zustimmung in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich spreche hier als ein Mitglied des Wiedergutmachungsausschusses. Ich weiß, daß die Dinge juristisch auf verschiedenen Ebenen liegen. Aber es gibt vielleicht doch auch in unserem Volke Leute, die fragen werden, wie denn sonst von uns Verbindlichkeiten behandelt werden,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    nicht nur unsere Verpflichtungen gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus, auch andere. Ich bin zufällig auch im Ausschuß für Geld und Kredit, und wir sprechen dort über das Kriegsfolgenschlußgesetz. Es gibt Reichsverbindlichketiten, bei denen wir anerkennen, daß es ein ultra posse nemo obligatur gibt, daß es Verhältnisse gibt, die niemand übersehen darf, daß es eine clausula rebus sic stantibus in all den Dingen gibt. Warum nun nicht auch hier? Gerade
    deshalb, weil es letzten Endes doch um das Moralische geht, weil man uns nicht zwingen soll, etwas anzuerkennen, was unmoralisch entstanden ist, weil man uns nicht zwingen soll, die Folgen des Willens, eines bösartigen und hinterhältigen Willens Adolf Hitlers und seiner Regierung in irgendeiner Weise noch für uns gelten zu lassen!
    Ich kann mir gar nicht denken, daß man darüber nicht mit der Kurie soll reden können. Ich bin doch fest überzeugt, daß man das kann. Ich weiß doch selbst, wie katholische Freunde, mit denen ich damals in Berlin zusammengelebt habe, zum Kardinalstaatssekretär gefahren sind — der heute der Heilige Vater ist — und ihm ihre Sorgen anvertraut haben. Ich kenne diese ganzen Dinge. Glaubt man denn wirklich, daß das nicht geht? Heißt das nicht eigentlich, der Kirche unrecht tun, wenn man unterstellt, daß sie für solche ernste seelische Nöte eines deutschen Demokraten nach der Hitlerzeit kein Verständnis hätte? Ich kann mir das nicht denken.
    Das ist das, was wir nun eben in der Auseinandersetzung mit unserer Regierung zu sagen haben. Unsere Regierung sollte das doch wissen. Unsere Regierung sollte doch, ehe sie die Dinge durch einen Prozeß, durch eine Entscheidung klären läßt, die doch letzten Endes immer nur formaljuristisch sein wird und die nicht einmal praktische Folgen haben kann, den politischen Weg gehen, den politischen Weg innerhalb Deutschlands und den politischen Weg, der zur Kurie führt. Das ist nach unserer Auffassung das Gebot der Stunde. Ich möchte nicht — das möchte ich noch einmal betonen —, daß alle diese Fragen belastet werden mit Vorstellungen des Verhältnisses von Staat und Kirche, der Frage etwa des Zusammenlebens beider Konfessionen usw. Das steht alles gar nicht auf der Tagesordnung, sondern es steht auf der Tagesordnung: Warum ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter Führung eines Bundeskanzlers, der der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union ist, nicht auf diese natürlichste Weise auf den natürlichen Weg gekommen, in diesem Falle nun einmal wirklich echte Politik anzufangen, statt einfach zum Kadi zu gehen?

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht für die Fraktion der FDP; ebensowenig handelt es sich bei dieser Großen Anfrage um eine Angelegenheit der Fraktion. Es liegt hier ein Fall vor, in dem ein jeder nach seiner eigensten Überzeugung und unter eigener politischer Verantwortung entscheiden muß. So spreche ich auch nicht nur im eigenen Namen, sondern gleichzeitig für eine große Anzahl meiner politischen Freunde.
    In aller Klarheit möchte ich gleich zu Beginn meiner Darlegungen herausstellen, daß ich aus rechtlichen und politischen Gründen anderer Meinung bin als die Unterzeichner der Großen Anfrage. Ich sehe im Reichskonkordat gültiges Staats- und Völkerrecht, und überdies liegt hier ein gesamtdeutsches Interesse vor. Wir im Deutschen Bundestag als einzigem frei gewählten Parlament sind gehalten, dieses Interesse zu wahren. Es handelt sich nicht um irgendwelche konfessionelle Probleme; es ist besonders glücklich, daß in der gesamten


    (Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

    Diskussion nichts dergleichen mitklang. Es geht lediglich um politische und rechtliche Fragen. Über andere könnte der Deutsche Bundestag ja auch gar nicht entscheiden.
    Ich meine sagen zu dürfen, daß ich sehr objektiv über diesen Komplex urteilen kann. Ich habe seinerzeit als sehr junges Mitglied der Zentrumspartei in Wort und Schrift keinen Zweifel daran gelassen, daß ich dem Abschluß des Konkordats mit ganz großen Bedenken entgegensehe. Ich darf hinzufügen, daß ich im Jahre 1935 diese Bedenken — also zwei Jahre nach dem Abschluß des Konkordats — auch bei den zuständigen Stellen in Rom mit großer Deutlichkeit vorgetragen habe. Ich habe hingewiesen — und ich tat es immer wieder — auf den Gewissenskonflikt, der für viele dadurch entstehen konnte. Tatsache ist zweifellos, daß der Vatikan über die damalige Lage in Deutschland durch Herrn von Papen und durch andere nicht richtig informiert worden ist. Ich weiß dies aus allererster Quelle. Dennoch wird man sagen dürfen und sagen müssen, daß das Konkordat ein positives Ziel gehabt hat und daß dieses Ziel in gewissem Maße auch erreicht wurde. Es ging darum, zumindest den Versuch zu machen, dem totalitären Staat gewisse Grenzen zu setzen. Wenn es gelungen wäre, den totalitären Staat Hitlers dazu zu zwingen, die religiöse und die Gewissensfreiheit zu achten, dann wäre die Totalität selber eingeschränkt gewesen.
    Ich darf auf das Zusatzprotokoll zum oft zitierten Art. 32 hinweisen, in dem ganz ausdrücklich festgestellt wird, daß in keiner Weise eine Einengung der dogmatischen und sittlichen Lehrfreiheit, Lehrpflicht der Kirche beabsichtigt ist. Es ist vielleicht heute noch zu früh, mit letzter Deutlichkeit zu entscheiden, welche Rolle diese Garantie, wenn sie auch nur auf dem Papier stand und von der verbrecherischen Hitler-Regierung natürlich nie ernst gemeint war, dennoch gespielt hat, um in Deutschland die ganzen Jahre des „Dritten Reiches" hindurch ein gewisses Minimum an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Immerhin, wir wissen von der großen Rolle, die beide Kirchen im Kampf gegen den totalitären Staat gespielt haben. Wir wissen, daß das Wohl der einen Kirche gleichzeitig das Wohl der anderen ist und daß die Freiheit der einen gleichbedeutend ist mit der Freiheit der anderen Kirche. Alle Bekenntnisse in Deutschland sind in guten und in bösen Zeiten untrennbar miteinander verbunden. Es ist in diesem Konkordat auch nichts enthalten, das irgendwie nationalsozialistischen Ungeistes wäre. Natürlich ist im Konkordat keine Anerkennung des Nationalsozialismus enthalten. Das ist von allen Seiten auch heute mit letzter Klarheit herausgestellt worden.
    Die Frage nach dem rechtmäßigen Zustandekommen des Konkordats ist eine sehr komplexe. Ich darf vielleicht dazu kurz bemerken, daß ich selber zu denen gehört habe, die bis zum Schluß auf das leidenschaftlichste gegen das geplante Ermächtigungsgesetz Stellung genommen haben. Noch in den letzten großen politischen Versammlungen, die schon unter dem Schatten des Terrors und unter dem Schatten möglicher Konzentrationslager in Berlin stattfanden, haben meine Freunde und ich gegen dieses sogenannte ..Gesetz" plädiert, von dem wir wußten, daß es das Ende der deutschen Demokratie bedeuten würde. Ich glaube, daß wir da alle einer Meinung sind. Ich möchte dennoch vom juristischen Standpunkt eins hinzufügen. Das Reichskonkordat bedarf meiner Meinung nach zu
    seiner Gültigkeit gar nicht der nichttragfähigen Krücken des Ermächtigungsgesetzes.
    Die Vorfrage, ob das Reich überhaupt ein Konkordat abschließen konnte, ist sehr einfach zu beantworten. Die Berechtigung ergab sich aus Art. 10 Nr. 1 und Art. 135 ff. der deutschen Reichsverfassung. Die Kollegen Arndt und Schmid haben in sehr dankenswerter Weise auf die verschiedenen Theorien hingewiesen, die einem Konkordat zugrunde liegen. Gestatten Sie mir, daß auch ich einige Worte dazu sage; sie sind vielleicht von praktischer Bedeutung. Und über die unmittelbar praktische Bedeutung hinaus meine ich, daß ein solches Parlament auch Hüter der historischen Bildung, des Geschichtsbewußtseins sein sollte. Die Privilegientheorie der späten mittelalterlichen Kirche ist heute zweifellos überwunden. Dabei ist es interessant, festzustellen, wie geschichtskrisenfest bestimmte Begriffe und Grundprobleme der geistigen und politischen Ordnung geblieben sind, geschichtskrisenfest durch die Jahrhunderte hindurch. Eine sehr kluge und zweifellos mit großem historischen Wissen verfaßte Streitschrift gegen das Konkordat, die wohl jedem Abgeordneten zugesandt wurde, nimmt zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung auf diese geschichtliche Entwicklung und die kirchliche Staatslehre Bezug. Daher muß einiges dazu gesagt werden. Die sogenannte Zwei-Schwerter-Theorie des Mittelalters ist etwas, was wir als geschichtskrisenfest bezeichnen dürfen. Sie geht nämlich durch die Jahrhunderte, und seit Papst Leo XIII., seit der Enzyklika „Immortale Dei" des Jahres 1885 ist die ursprünglich ghibellinische Zwei-Schwerter-Theorie schlechthin zur Grundlage der kirchlichen Staats- und Gesellschaftsauffassung geworden. Das ist von großer Bedeutung; denn durch die Annahme dieser Doktrin der zwei gleichgeordneten Gesellschaften, beide in unmittelbarer Beziehung zu Gott, einander nicht unterworfen, ist die Entwicklung der modernen Vertragstheorie für Konkordate überhaupt erst möglich geworden.
    Nun ist es interessant, festzustellen, daß jene Enzyklika „Immortale Dei" erging, nachdem der Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck mit Papst Leo XIII. Verhandlungen über die Beendigung des so verhängnisvollen Kulturkampfes eingeleitet hatte. Unmittelbar darauf fielen in Deutschland die letzten Überbleibsel der Maigesetze, und es entstand ein harmonisches Verhältnis zwischen Kirche und Reich.
    Verträge — darüber wird es keinen Zweifel geben — müssen auch im völkerrechtlichen Raum nach Treu und Glauben ausgelegt werden. Hierauf besteht ein Anspruch des Vertragspartners. Schon das ist ein wichtiges Argument für die Gültigkeit des Konkordats.
    Aber ich möchte mich nicht allein darauf berufen. Ich deutete schon an, daß meiner Meinung nach die Krücken des Ermächtigungsgesetzes gar nicht gebraucht werden. Nach Art. 45 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reiches schloß der Reichspräsident im Namen des Reiches Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Mächten. Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten, die Gegenstand der Reichsgesetzgebung waren, bedurften der Zustimmung des Reichstags. In Art. 78 Abs. 1 der Reichsverfassung wird der Ausdruck „auswärtige Staaten" verwendet. Kein geringerer als Georg Anschütz, auf den ich mich ausdrücklich berufe, stellt nun fest, daß beide Begriffe, „auswärtige


    (Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

    Staaten" und „auswärtige Mächte", dasselbe bedeuten. Die Lehre von Anschütz — das ist ganz entscheidend — wird von der überwiegenden Mehrheit aller deutschen Rechtslehrer geteilt, daß nämlich der Vatikan unter keinen dieser beiden Begriffe fällt, daß er weder auswärtiger Staat noch auswärtige Macht ist. Unmittelbare Konsequenz ist, daß die deutschen Länder Konkordate abschließen konnten ohne die Zustimmung des Reiches, was nach Art. 78 Abs. 2 der Reichsverfassung sonst nicht möglich gewesen wäre. Das war auch der Standpunkt der Reichsregierung, dargelegt in der heute schon einmal zitierten Sitzung, die sich mit dem bayerischen Konkordat befaßte: Reichstagssitzung vom 17. Juni 1925.
    Durch den Abschluß der Lateranverträge hat sich nichts geändert; denn es handelt sich, worauf Kollege Carlo Schmid zu Recht hingewiesen hat, nicht um einen Vertrag zwischen dem Staat X und dem Staat Citta del Vaticano, sondern mit der Kirche als einer universalen Institution. Also auch im ungestörten Verfassungsleben wäre meiner Meinung nach — ich darf mich noch einmal auf Anschütz und alle Quellen berufen, die auch er angibt — eine formelle Zustimmung des Reichstags nicht nötig gewesen. Vielmehr war der Reichspräsident nach Art. 45 Abs. 1 der Reichsverfassung berechtigt, dieses Konkordat als Regierungsabkommen abzuschließen.
    Von großer und entscheidender Bedeutung für unsere heutige Betrachtung ist der Fortbestand des Deutschen Reiches über den 8. Mai 1945 hinaus, der ja heute auch nicht mehr bezweifelt wird. Ich darf auf das erste Rechtsgutachten von Smend und Kraus in der „Göttinger Erklärung" der „Deutschen Aktion" vom Januar 1950 mit dem Titel „Das Deutsche Reich hat nicht kapituliert" hinweisen, eine Meinung, geteilt von Laun, Stödter und eigentlich sämtlichen deutschen Rechtslehrern. Das Reich besteht weiter. Daher bestehen auch jene Verträge weiter, die nicht offensichtlich mit einem nationalsozialistischen Makel behaftet sind. Die einzige Instanz, die die Möglichkeit gehabt hätte, Verträge oder Gesetze für das Reich aufzuheben, waren die Vier Mächte als zeitweilige Verwalter der deutschen Souveränität. Die Vier Mächte haben eine ganze Reihe von Verträgen und sogenannten Gesetzen Hitlers aufgehoben, aber nicht das Reichskonkordat. Da diese Aufhebung nicht erfolgt ist, gibt es heute gar keine Instanz, die das überhaupt tun könnte.
    Dies ist — und das ist von verschiedenen Rednern zum Ausdruck gebracht worden — ein entscheidender Gesichtspunkt, daß es eben ein Reichs konkordat ist und daß im Ringen um die deutsche Einheit, über die wir heute morgen gesprochen haben, eine Kraft da ist, die diese Einheit anerkennt, daß der Apostolische Nuntius in Bonn nicht Nuntius bei der Bundesrepublik ist, sondern Nuntius in Deutschland, daß der deutsche Botschafter beim Vatikan deutscher Botschafter ist und nicht nur Botschafter der Bundesrepublik. Ich habe vor einigen Wochen den Ausdruck geprägt „die Klammer des Reiches". Ich freue mich, daß dieser Ausdruck sich durchgesetzt hat. Wenn ein Mann wie Ministerpräsident Hubert Ney in Saarbrücken, wenn der Landtagspräsident Heinrich Schneider ausdrücklich auf das Konkordat Bezug nehmen als eine Klammer der Reichseinheit, dann hat das schon eine Bedeutung. Wenn wir einige Monate zurückblicken, meine Damen und
    Herren: Das Reichskonkordat hat mitgewirkt in der Abwehr ganz bestimmter Bedrohungen, denen das Saargebiet ausgesetzt war.
    Der Herr Bundesaußenminister hat mit Recht auf das Päpstliche Jahrbuch von 1956 hingewiesen, in dem ohne irgendwelche Einschränkungen die deutschen Ostgebiete als zu Deutschland gehörig verzeichnet sind. Ich sehe hier etwas von größter außenpolitischer Bedeutung. Denn wir wissen, daß die Weltgeschichte nicht nur durch Divisionen bestimmt wird und daß es nie ein törichteres Wort, ein platteres Wort gegeben hat als das, das Stalin in Jalta verwandt hat, als er rhetorisch-höhnisch fragte: Wieviel Divisionen hat der Papst? Die Weltgeschichte wird durch andere Kräfte bestimmt.
    So also ist die heutige Lage. Ich bin der Meinung — um zu der Großen Anfrage einiges zu sagen —, daß ein Urteil Karlsruhes durchaus ein geeignetes Mittel darstellt, eine so schwierige Frage genauer zu klären. Sie ist eine Rechtsfrage, aber natürlich auch eine politische; sie ist eine politische, aber auch eine Rechtsfrage.
    Es ist das Problem der Autonomie der Länder aufgetaucht. Ich sehe da keinen unzulässigen Eingriff. Auch hier sind sich alle Kommentatoren einig: daß nämlich der Satz, daß höheres Recht, daß gesamtdeutsches Recht, daß Reichsrecht Landesrecht bricht, auch bei Konkordaten gilt. Freuen wir uns doch, daß es ein solches Recht gibt, das auch heute noch über allen deutschen Teilungen und Teilstaaten steht!
    Zu Unrecht wird manchmal vorgetragen, das Reichskonkordat verschärfe die unglückseligen konfessionellen Spannungen in unserem Volke. Das Gegenteil ist richtig. Ich habe schon gesagt, daß erfahrungsgemäß das Wohl beider Konfessionen auf das engste miteinander verbunden ist. Je freier die eine, desto freier auch die andere. Ich würde wünschen und hoffen, daß es bald zu großen Abmachungen mit den evangelischen Kirchen Deutschlands kommt. Selbstverständlich dürfen die evangelischen Kirchen Deutschlands in keiner Weise anders oder gar schlechter gestellt sein als die Katholische Kirche in Deutschland.
    Es ist ein Wort von Amerika gefallen. Ich glaube, es war Herr Kollege Schmid, der, das Goethe-Wort zitierend, gesagt hat, Amerika habe es auch in dieser Beziehung besser. Das kann ich aus vielen Jahren der Erfahrung voll bestätigen. Dort ist es schon so, daß die Christen in allen Parteien drin sind und aktiv mitarbeiten, daß es niemals vorkommt, daß eine Gruppe oder eine Partei die Ansicht vertritt, nur sie sei christlich. Wie schön wäre es, wenn wir in Deutschland zu einer ähnlichen Lage kämen, zu einer Entgiftung der Gesamtatmosphäre! Wie sehr würde der Staat, wie sehr würden die geistigen Kräfte in Deutschland daraus Nutzen ziehen können!
    Zum Schluß nur noch eines. Als Treuhänder von Gesamtdeutschland ist die Bundesrepublik meiner Meinung nach im übrigen gar nicht befugt, Abänderungen zu treffen, die sich im gesamtdeutschen Rahmen durch Lockerung der Klammern negativ auswirken könnten. Was Verhandlungen anlangt, so bin ich durchaus der Meinung, daß man sie führen kann, sogar führen sollte, aber mit höchster Vorsicht. Ich möchte nicht — und ich bin überzeugt, daß über alle Parteien hinaus diese Meinung


    (Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

    vertreten wird —, daß damit ein Teilkonkordat zustande kommt. Ich möchte nicht, daß etwas Größeres zugunsten eines Teiles aufgegeben wird. Man müßte solche Verhandlungen mit großer Vorsicht, mit großem Takt führen, immer mit der Betonung, daß kein Präjudiz geschaffen werden soll, das sich irgendwie gegen die Anerkennung des Deutschen Reiches in seinen Grenzen vom 31. Dezember 1937 auswirken würde, also kein Präjudiz in bezug auf jene Anerkennung, die heute von seiten des Vatikans gegeben ist. Auf jeden Fall scheint es mir von ausschlaggebender Bedeutung zu sein, daß wir das gegebene Recht für Gesamtdeutschland auch hier wahren und daß wir keinen Zweifel aufkommen lassen an unserer Vertragstreue gegenüber sittlich und politisch durchaus zu bejahenden internationalen Abmachungen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)