Rede:
ID0214603000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956 7697 146. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956. Nachruf für den Abg. Naegel 7698 B Ergänzung der Tagesordnung 7698 D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Maier (Stuttgart) 7699 A Eintritt der Abg. Weber (Untersontheim) und Albrecht (Hamburg) in den Bundestag 7699 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner und Frau Albrecht . . 7699 A Mitteilung über Verzicht des Haushaltsausschusses auf Mitberatung der in der 133. Sitzung überwiesenen Anträge betr Straßenbauvorhaben (Drucksachen 2117 und 2123) 7699 B Beschlußfassung des Bundesrats über Gesetzesbeschlüsse des Bundestags . . . 7699 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 242, 244, 246, 247, 249, 250, 252 (Drucksachen 2285, 2395; 2315, 2404; 2324, 2405; 2325, 2385; 2355, 2394; 2362, 2391; 2375, 2403) 7699 C Vorlage von Berichten über die Gewährung von Zuschüssen zur Gemeinschaftsverpflegung, über die Sozialabkommen der Brüsseler Vertragsstaaten und über die Unterzeichnung des deutsch-amerikanischen Filmabkommens (Drucksachen 2384, 2390, 2393) 7699 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364, Umdrucke 608, 609, 610) . . . 7699 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender . 7 700 A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 7705 A Dr. Mommer (SPD) 7714 D Frau Hütter (FDP) 7717 D Brookmann (Kiel) (CDU/CSU) . . 7718 B Wehner (SPD) 7720 B Lemmer (CDU/CSU) 7725 D Dr. Will (FDP) 7728 A Seiboth (GB/BHE) 7730 A Frau Kalinke (DP) 7732 D Dr. Henn (DA) 7736 B, 7738 D Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . . 7739 D Annahme des Antrags Umdruck 609 . . . 7740 A Ausschußüberweisungen der Anträge Um- drucke 608 und 610 7740 A Begrüßung einer Gruppe von Mitgliedern des englischen Unterhauses 7738 D Große Anfrage der Abg. Mellies, Dr. Reif, Feller u. Gen. betr. Verfassungsklage wegen des Reichskonkordats (Drucksache 2258 (neu]) 7698 C, 7740 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 7698 C Dr. Arndt (SPD), Anfragender . . . 7 740 B Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen 7749 B Cillien (CDU/CSU) 7751 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) 7754 B, 7757 A Schütz (CDU/CSU) 7756 D Dr. Reif (FDP) 7757 D Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 7759 D Eickhoff (DP) 7762 A Dr. Schneider (Lollar) (DA) . . . 7762 C Hoogen (CDU/CSU) 7763 C Dr. Welskop (CDU/CSU) 7766 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 2327) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 7766 C Erste Beratung des von den Abg. Lenz (Brühl), Dr. Hesberg, Lücke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Drucksache 2321) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Rechtsausschuß 7766 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Pflanzenschutzabkommen (Drucksache 2346) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 7766 D Erste Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (WBO) (Drucksache 2359) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7766 D Nächste Sitzung 7766 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7767 A Anlage 2: Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 608) 7767 C Anlage 3: Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 609) 7768 A Anlage 4: Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 610) 7768 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Altmaier 2. 6. Arnholz 30. 5. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Bartram 31. 5. Blachstein 30. 6. Dr. Blank (Oberhausen) 30. 5. Frau Dr. Bleyler (Freiburg) 30. 5. Brese 30. 5. Dr. Brühler 16. 6. Dannebom 5. 6. Dopatka 30. 5. Dr. Eckhardt 30. 5. Frehsee 30. 5. Friese 30. 5. Frau Friese-Korn 30. 5. Gedat 30. 6. Gefeller 2. 6. Geiger (München) 30. 5. Frau Geisendörfer 9. 6. Dr. Gille 16. 6. Heiland 30. 5. Dr. Hellwig 16. 6. Dr. Horlacher 2. 6. Hübner 1. 6. Jacobi 30. 5. Jacobs 30. 5. Dr. Jaeger 9. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Kahn 1. 6. Frau Kipp-Kaule 2. 6. Koenen (Lippstadt) 2. 6. Könen (Düsseldorf) 1. 6. Dr. Kopf 30. 5. Frau Korspeter 9. 6. Kortmann 30. 5. Dr. Kreyssig 30. 5. Kroll 30. 5. Kühlthau 30. 5. Kurlbaum 30. 5. Leibfried 30. 5. Dr. Lindenberg 30. 5. Lulay 9. 6. Maucher 30. 5. Meitmann 15. 7. Merten 30. 5. Dr. Mocker 30. 5. Müller-Hermann 2. 6. Neuburger 31. 5. • Dr. Orth 30. 5. Peters 15. 7. Pöhler 30. 5. Rademacher 30. 5. Raestrup 30. 5. Rasch 4. 6. Richter 2. 6. Runge 16. 6. Dr. Siemer 30. 5. Dr. Starke 31. 7. Frau Welter (Aachen) 30. 5. Dr. Werber 30. 5. Frau Wolff (Berlin) 10. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 30. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Kraft 16. 6. Metzger 9. 6. Moll 23. 6. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Dr. Pferdmenges 9. 6. Siebel 9. 6. Anlage 2 Umdruck 608 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. alles zu tun - wenn nötig einseitig -, was die an der Zonengrenze aufgerichteten Grenzmauern abzutragen geeignet ist. In diesem Sinne muß der freie Verkehr aller Druckschriften über die Zonengrenze ermöglicht werden. Sollte sich ein Abkommen auf Gegenseitigkeit als unerreichbar erweisen, so soll die Bundesregierung den Bezug aller Drucksachen aus der „DDR" auf handelsübliche Weise zulassen; 2. den zuständigen Ausschüssen des Bundestages alle Gründe vorzutragen, die für und gegen eine Amnestie für politische Straftaten in der Bunresrepublik sprechen. Durch diese Amnestie könnte ein Beitrag zur Entspannung der Beziehungen der beiden Teile Deutschlands zueinander geleistet werden; 3. darauf hinzuwirken, daß auf Grund politischer Straftaten inhaftierte Personen in der Bundesrepublik in den Genuß aller Erleichterungen gelangen, die mit der Sicherung gegen Flucht vereinbar sind, und daß die Dauer der Untersuchungshaft sich in vertretbaren Grenzen hält; 4. auf diplomatischem Wege die Regierung der Sowjetunion auf die Verantwortung hinzuweisen, die sie für Verurteilte der sowjetischen Besatzungsbehörden in Deutschland hat, und die Freilassung aller dieser Gefangenen zu verlangen; 5. Wege zu erschließen und zu beschreiten, die geeignet sind, in der „DDR" zu erwirken, daß den aus politischen Gründen inhaftierten Personen alle in einem humanen Strafvollzug üblichen Erleichterungen gewährt werden und die Versorgung der Strafanstalten mit Medikamenten sichergestellt wird; 6. dem Bundestag einen Bericht über Fälle zuzuleiten, in denen von der Regierung der Sowjetunion in der Bundesrepublik lebende Personen als Sowjetbürger reklamiert werden, die angeblich an der Heimkehr gehindert werden; 7. durch den Ausbau der Treuhandstelle für den Interzonenhandel das Verrechnungswesen zur Erleichterung des Personen- und Güterverkehrs über die Zonengrenze und zur Abwicklung aller übrigen Zahlungsverpflichtungen zu normalisieren und durch die Errichtung weiterer Treuhand- stellen die Normalisierung des Personen- und Güterverkehrs zu ermöglichen und in Kultur-und Unterrichtsfragen dem Auseinanderleben der Teile Deutschlands entgegenzuwirken; 8. um diese Ziele zu erreichen, um den Zusammenhalt der Teile Deutschlands zu festigen und da- mit der Wiedervereinigung unter einer frei gewählten deutschen Regierung zu dienen und der Welt zum Bewußtsein zu bringen, daß die Teilung Deutschlands vom deutschen Volke nicht anerkannt wird, unbeschadet der vorbehaltenen Rechte und Verpflichtungen der Vier Mächte gegenüber Deutschland als Ganzem, mit den in der sowjetisch besetzten Zone bestehenden Behörden alle nötigen Besprechungen zu führen. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 609 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen wird beauftragt, die Aufgaben, die sich aus der Großen Anfrage — Drucksache 2364 — und ihrer Beantwortung ergeben, laufend zu verfolgen und zu gegebener Zeit dem Bundestag Bericht zu erstatten. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Anlage 4 Umdruck 610 (Vgl. S. 7717 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, darauf hinzuwirken, daß in weit größerem Umfange als bisher den jungen Menschen in der Bundesrepublik Gelegenheit gegeben wird, die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Teilung Deutschlands ergeben, durch Reisen nach Berlin kennenzulernen. Insbesondere sollten die Abschlußklassen sämtlicher Schulen der Bundesrepublik Gelegenheit haben, die Verhältnisse in der ehemaligen Hauptstadt Deutschlands kennenzulernen. Die dazu notwendigen Gelder sind den Mitteln des Bundesjugendplanes zu entnehmen. Bonn, den 30. Mai 1956 Frau Hütter Dr. Dehler und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Cillien


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung erklärte der Herr Bundestagspräsident, er
    bedauere, daß die Aussprache über das Konkordat am Vorabend eines hohen kirchlichen Festes stattfinde. Dieses selbe Bedauern sei von sehr vielen Mitgliedern des Hauses aus allen Fraktionen geteilt worden. Ich freue mich, daß diese Eröffnung dem Bundestag gemacht worden ist. Das zeugt von einer noblen Gesinnung.
    Auf der anderen Seite ist zugleich mitgeteilt worden, daß eine Verschiebung des Termins nicht möglich gewesen sei. So sind wir gezwungen, heute doch über diese Frage miteinander zu sprechen. Ich vermeide mit Absicht das Wort „zu diskutieren" oder „zu streiten". Allerdings glaube ich, daß uns eine Aufgabe von besonderer Verantwortung gestellt ist. Ich hoffe, daß wir ihr gerecht werden, und bin in dieser meiner Meinung bestärkt worden durch die Ausführungen des Kollegen Arndt, die er vorhin gemacht hat. Ich selbst wünsche, daß meine Ausführungen ein Beitrag in der gleichen Richtung sein möchten.
    Es ist nicht meine Aufgabe, die juristische Seite zu behandeln. Soweit das etwa aus der Diskussion heraus noch erforderlich sein sollte, wird einer meiner juristischen Kollegen dazu sprechen. Im übrigen teile ich die Auffassung in den Schlußbemerkungen des Herrn Bundesaußenministers. Es ist ungut, am Vorabend der gerichtlichen Verhandlung juristische Ausführungen im höchsten Parlament der Bundesrepublik zu machen.
    Wenn ich eben gesagt habe, Herr Kollege Arndt, daß ich Ihre Ausführungen wegen des Inhalts und wegen des Tones durchaus begrüßt habe, so werden Sie mir nicht verargen, daß ich allerdings etwas überrascht darüber gewesen bin, wie wenig Sie sich an die Große Anfrage gehalten haben. Ihre bedeutsame Rede verdient durchaus als ein Plädoyer bezeichnet zu werden, das auch an jeder anderen Stelle seinen Eindruck gemacht hätte. Wir hatten geglaubt, daß es Ihnen sehr viel mehr auf eine Stellungnahme etwa zu der Ziffer 3 oder zu der Ziffer 4 Ihrer Großen Anfrage ankomme.
    Ich darf darauf hinweisen, daß durch das, was die Anfrage beinhaltet und was auch bislang hier zur Aussprache gestellt worden ist, zwei außerordentlich wichtige, j a vielleicht die entscheidenden Probleme Deutschlands und des deutschen Volkes berührt worden sind. Wir leben seit 400 Jahren in einem konfessionell gespaltenen Volk, und wir leben seit über 10 Jahren in einem politisch gespaltenen Volk. Das ist das Tragische und Schmerzliche, das wir in der Gesamtheit unseres Volkes überhaupt zu tragen haben.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir haben heute morgen über das Problem der Wiedervereinigung gesprochen, und es war doch erfreulich, daß dem eine Anfrage zugrunde lag, die von sämtlichen Fraktionen dieses Hauses unterzeichnet war und deren Diskussion doch auch in einer erheblichen Übereinstimmung verlaufen ist. Es wäre sehr gut, wenn dieses andere Problem, die konfessionelle Spaltung, mit derselben Einmütigkeit und mit derselben Verantwortlichkeit behandelt würde wie das nationale Problem, und zwar überall, nicht etwa nur in diesem Hause. Die konfessionelle Spaltung unseres Volkes ist nicht nur tragisches Schicksal, sondern sie ist auch eine ganz große geschichtliche Aufgabe für uns alle, mit der wir innerlich unbedingt und um jeden Preis fertigwerden müssen. Insofern kann es durchaus einen Dienst erweisen, daß wir uns auch einmal um diese


    (Cillien)

    so ernste Frage des Reichskonkordats sammeln. Denn aus den Worten des Kollegen Arndt ist ja an vielen Stellen deutlich geworden, wie kompliziert diese Angelegenheit ist und wie wenig sie mit einigen Schlagworten etwa in Volksversammlungen gelöst werden kann.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es wäre ein Gewinn, wenn uns allen zum Bewußtsein gekommen wäre, wie stark diese Frage eingeflochten ist in unsere geschichtliche Vergangenheit, aber auch im besonderen in jene tragischen Jahre des Nationalsozialismus

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und wie nun einfach das Problem auf uns zugekommen ist, in einer völlig veränderten rechtlichen und staatlichen Situation und dennoch auch in Achtung vor einem einmal geschlossenen Vertrag bestehen zu können.
    Wir wissen, daß in all den vergangenen Jahren durchaus Spannungen konfessioneller Art in geringerer oder in stärkerer Weise in unserem Volke bestanden haben. Nun kann man Spannungen vergrößern, man kann aber auch dazu beitragen, daß sie geringer werden. Und das darf ich doch einmal ganz offen hier sagen: Es ist seit über zehn Jahren das ernsteste Anliegen meiner Partei, gerade auf dies e m Gebiet einen wesentlichen Beitrag zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist das Bestreben meiner Partei seit ihrer Gründung, unentwegt und auch heute die einfach nicht wegzuleugnenden konfessionellen Unterschiede im politischen Raum, ich unterstreiche: im politischen Raum — wir haben keinerlei Absicht, etwa irgendwelche religiösen Übereinkünfte zu erzielen —, auszugleichen und hier endlich einmal die getrennten Brüder unseres Volkes zu einer gemeinsamen Arbeit zusammenzuführen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist uns eine innere Befriedigung — das spreche ich heute hier aus —, daß unser Bemühen nicht umsonst gewesen ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich füge dem allerdings hinzu: Wir haben auch nicht die Absicht, uns von diesem Wege jemals abbringen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu ist allerdings, wenn wir gemeinsam — und nun spreche ich nicht nur von meiner Union — dieses Ziel wirklich wollen, eine ganz außerordentliche Toleranz notwendig.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Dieses Wort Toleranz ist sehr stark abgegriffen. Es ist überhaupt nicht zweckmäßig, über Toleranz zu reden oder Toleranz zu fordern, sondern es kann sich nur darum handeln, Toleranz zu üben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und dann kann es nicht darauf hinauslaufen, die Forderung zu stellen, daß der andere sich meinen Anschauungen, meinen Überzeugungen anschließt, sondern eine echte Toleranz verlangt gerade die Achtung und den Respekt vor den Überzeugungen, auch glaubensmäßigen Überzeugungen, die ich innerlich nicht teilen kann. Denn nur wenn ich den anderen so mit vollem Ernst nehme, kann ich denselben Respekt auch für meine Person verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    An dieser Stelle muß ich allerdings eine ganz klare und eindeutige Feststellung treffen. Ich bin nicht der Meinung, daß die Antragsteller aktiv legitimiert sind, für den evangelischen Volksteil oder gar für die evangelische Kirche zu sprechen.

    (Abg. Dr. Arndt: Das ist die Toleranz?)

    — Augenblick! Wenn Sie mich nur hätten weitersprechen lassen, Herr Kollege Arndt, hätten Sie das wahrscheinlich nicht gesagt. — Ich füge mit derselben Entschiedenheit hinzu, daß auch die über hundert evangelischen Mitglieder meiner Fraktion nicht dazu legitimiert sind, für den evangelischen Volksteil oder gar für die evangelische Kirche zu sprechen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das ist uns schon deshalb verwehrt, weil der Rat der Evangelischen Kirche und auch die Kirchenkonferenz es ausdrücklich abgelehnt haben, zu diesem Reichskonkordat und der Klage irgendwie Stellung zu nehmen. Aber es entspricht auch durchaus unserer eigenen Überzeugung.
    Wenn wir, was uns ja manchmal vorgeworfen wird, in Anspruch nehmen — allerdings mit allem Zagen —, eine christliche Politik zu betreiben, so ist das in keiner Weise Kirchenpolitik. Einer meiner Freunde hat das vor kurzem mit aller Deutlichkeit so formuliert:
    Die Politik der CDU befaßt sich weder mit den Kirchen noch wird sie von den Kirchen gemacht, befohlen oder dirigiert. Wir sehen in den Kirchen nicht unsere politische, sondern unsere geistige, auf jeden Fall aber unsere geistliche Heimat. Selbstverständlich liegt uns daran, daß uns diese Heimat nicht unleidlich gemacht wird wegen unserer politischen Arbeit. Aber wir verlangen auch nicht, daß die Kirchen sich für uns politisch engagieren. Wir treiben Politik nicht mit dem Mandat der Kirche, sondern mit dem frei errungenen Mandat unseres Volkes. Die CDU ist ein Teil der politischen Organisation unseres Volkes, so wie es andere Parteien in diesem Hause ebenfalls sind.
    In dieser Eigenschaft, als eine politische Organisation, nehmen wir Stellung zu der Frage des Reichskonkordats.
    Meine Herren Antragsteller, Sie sprechen in Ihrer Anfrage von den besonderen Bedenken bei dem evangelischen Volksteil wegen der Gültigkeit des Reichskonkordats. Sie werden mir zugeben müssen, daß solche Feststellungen sehr schwierig und sehr ungenau sind. Auch Stimmen der Gemeinde kann da nicht eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Ich muß es schon sagen, es ist mir gar nicht erwünscht, daß Bedenken aus der Bevölkerung heraus gerade auf kulturpolitischem Gebiete so äußerst selten sind, daß sie sehr viel deutlicher etwa auf rein politischem oder wirtschaftlichem Gebiet und auf steuerlichem Gebiet in die Erscheinung treten. Dabei haben wir gerade auch auf dem kulturpolitischen Gebiet mancherlei Erscheinungen in unserem Volke, die Bedenken erregen und über die man sich eine echte Sorge machen sollte. Ich denke dabei sogar an die wirklich außerordentliche Differenziertheit unseres Schulwesens, in die wir allmählich hineingeraten sind und die nicht durch gute und unaufhebbare föderalistische Traditionen allein voll gerechtfertigt wird. Dabei besteht die Gefahr, daß zu den


    (Cillien)

    zwei Teilungen, die ich vorhin nannte, nun etwa auch noch eine Aufspaltung unserer deutschen Kultureinheit kommt.
    Obwohl in der Großen Anfrage die Gültigkeit oder Nichtgültigkeit des Konkordats nicht angeschnitten wird, ist die Beantwortung gerade dieser Frage natürlich von entscheidender Bedeutung. Darüber wird nach unserer Überzeugung das Bundesverfassungsgericht das entscheidende Urteil abzugeben haben, dem wir in gar keiner Weise vorzugreifen gedenken. Wir haben ein ganz klares und eindeutiges Bekenntnis zu der großen Bedeutung von Recht und Gericht sowohl im persönlichen wie im nationalen und völkerrechtlichen Raum, und es ist doch unser gemeinsames Anliegen in diesem ganzen Hause, daß wir unsere Arbeit unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten tun. Deshalb — verargen Sie es mir nicht — halten wir die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts immerhin für ein mögliches Mittel, einen Rechtsstreit zu klären. Die Opposition hat sich ja auch in den vergangenen Jahren in rein politischen Fragen an dieselbe Instanz gewandt.
    Daß die Bundesregierung sich auch des Verhandlungsweges mit der niedersächsischen Regierung bedient hat, ist durch die Darlegungen des Herrn Bundesaußenministers deutlich geworden. Da sie zu keinem Ziele geführt haben, ist die höchstrichterliche Entscheidung gegeben gewesen. Jedenfalls wie die Dinge in dieser Stunde liegen, bleibt nur übrig, dieses Urteil abzuwarten. Ich darf vielleicht als ein Mann aus Niedersachsen sagen, daß tatsächlich bei der Verabschiedung des Schulgesetzes der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Kopf
    erklärt hat: „Auf diese Klage freue ich mich!" Diese Meinung würde ich mit ihm nicht teilen, denn ich glaube nicht, daß dabei in irgendeiner Weise eine Freude zu ernten ist, da es, wie ich eingangs schon gesagt habe, um eine gemeinsame Frage für uns alle geht.
    Es wäre eine völlig falsche Behauptung, wenn man etwa der Sozialdemokratischen Partei eine unentwegte Konkordatsfeindlichkeit vorwerfen wollte. Das ist völlig falsch. Reichskanzler Bauer und sein Außenminister Herrmann Müller haben bereits 1919 die Errichtung einer deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl gefordert und zur Begründung gerade auf die Notwendigkeit eines Reichskonkordats hingewiesen. Seitdem haben eigentlich alle die verschiedensten und sehr wechselnden Reichsregierungen sich immer wieder darum bemüht, ein solches Reichskonkordat zustande zu bringen. Herr Kollege Arndt hat mich zwar rechtzeitig davor gewarnt, mich etwa auf den ersten Reichspräsidenten Ebert zu berufen. Aber Sie wissen: Zitate werden so und so ausgelegt. Ich möchte dieses Zitat doch zur Kennnis bringen, weil Sie es ja nicht ganz getan haben. Er hat immerhin erklärt:
    Mit Ihnen, Herr Nuntius, gedenke ich die vor uns liegende Aufgabe, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland neu zu regeln. Das soll geschehen auf Grund der Verfassung der Republik, die vollste Gewissensfreiheit verbürgt. Die Reichsregierung ist sich bewußt, daß hier eine die berechtigten Interessen beider Teile dauernd befriedigende Einigung erstrebt werden muß. Sie dürfen des größten
    Verständnisses und Entgegenkommens auf deutscher Seite von vornherein versichert sein.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Unter Beachtung der Grundsätze der Verfassung! Dazu gehören die Grundrechte!)

    — Ja sicher, selbstverständlich!
    Daß in jenen Jahren auch evangelische Männer an der gestellten Aufgabe beteiligt worden sind, Herr Professor Schmid, das werden Sie bezeugen. Es ist damals gar kein Gegensatz gewesen, sondern man hat aus sehr gewichtigen innerpolitischen und außenpolitischen Gründen den Abschluß eines Reichskonkordats durchaus für eine erstrebenswerte Aufgabe gehalten. Auch mit der evangelischen Kirche sind in jenen Jahren mehrere Staatsverträge zustande gekommen, als die Länderkonkordate — mit Bayern 1925 und mit Preußen 1929 — abgeschlossen wurden. Alle diese Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und der Kurie fanden ihren Niederschlag in dem Reichskonkordat von 1933. Da gehen unsere Meinungen natürlich auseinander, Herr Kollege Arndt. Es gibt Leute — auf die ich mich berufe; es ist nicht mein eigenes Urteil —, die eben der Meinung sind, daß da tatsächlich politisches Gedankengut und politische Grundprinzipien der Weimarer Republik ihren Niederschlag gefunden haben. Der „Osservatore Romano" erklärte z. B. dazu:
    Der Text des Reichskonkordats wie der Geist, der es gestaltete, gibt nicht die Idee und die Politik dieses neuen Regimes wieder, sondern im Gegenteil, sie entsprechen getreu den Linien der kirchlichen Politik, die in der Republik von Weimar vor 1933 entwickelt wurden.
    Und ein Mann wie Hausmann betont 1939 im Zentralorgan der NSDAP:
    Das Konkordat steht als ein Abklatsch der Weimarer Verfassung wie ein Petrefakt im Strom der Zeit.
    Auch ein Urteil! Das Urteil von Herrn Professor Weber ist mir leider vorweggenommen worden, sonst hätte ich es zitiert.
    Nun etwas ganz anderes, und da berühren wir uns wieder, Herr Kollege Arndt: Auch nach ergangenem Urteil werden sich manche ernsten und schwierigen Fragen ergeben — gerade auch auf innerstaatlichem Rechtsboden — durch die Veränderungen in den verfassungsrechtlichen Beziehungen und Bestimmungen unserer Bundesrepublik. Sie müssen — und daß Sie das getan haben, Herr Kollege Arndt, habe ich aus Ihren Worten herausgehört, wie ich Ihnen gerne zugestehe — mit außerordentlicher Sorgfalt geprüft werden. Das Reichskonkordat gibt in vielen seiner allgemein gefaßten Bestimmungen der näheren Ausführung einen gewissen Spielraum. Beachtlich hierfür ist Abs. 2 des Art. 33 mit dem Wortlaut:
    Sollte sich in Zukunft wegen der Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung dieses Konkordats irgendeine Meinungsverschiedenheit ergeben, so werden der Heilige Stuhl und das Deutsche Reich in gemeinsamem Einvernehmen eine freundschaftliche Lösung suchen.
    Bei der augenblicklichen Diskussion darf aber vor allem eins nicht übersehen werden; es ist schon berührt worden, auch in der Regierungserklärung: Das ist die nach meinem Dafürhalten große außenpolitische Bedeutung des Reichskon-


    (Cillien)

    kordats. Der Vatikan betrachtet nach wie vor das Konkordat als gültig, trotz aller Vertragsbrüche durch das Hitler-Regime. Dadurch ist es auch heute noch vielleicht die einzige ganz Deutschland umspannende völkerrechtliche Klammer, und durch sein Verhalten hat der Vatikan unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er nach wie vor die uns entzogenen deutschen Gebiete auch heute noch zu dem Bestand des Deutschen Reichs rechnet und vor allem, daß er allein die Bundesrepublik als den legitimierten Sprecher für ganz Deutschland anerkennt. Ich glaube, das ist ein Faktum, das nicht mit leichter Hand weggewischt werden kann. Diese Tatsachen mögen wegen ihrer überragenden Bedeutung manche hier und da bestehenden Einzelbedenken gegen das Konkordat zerstreuen, da in ihm die allein noch bestehende internationale rechtliche Sicherung für den Anspruch auf die uns entzogenen Gebiete, auf das uns entzogene deutsche Land gegeben ist. Ich glaube, daß insofern sowohl für die Vertriebenen wie auch für die Einheimischen gerade diese außenpolitische Bedeutung von großem Belang ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute morgen waren wir uns untereinander völlig einig, daß wir niemals gewillt sein werden, den Anspruch auf jenes deutsche Land aufzugeben, und daß wir alles tun wollen, was zur Wiedervereinigung führen kann. Ich darf zum Schlusse meiner Ausführungen den Wunsch hinzufügen, daß wir uns in der anderen Frage, die wirklich eine notvolle Frage ist — die konfessionelle Spaltung durch Jahrhunderte hindurch — mit derselben Einmütigkeit und Geschlossenheit zusammenfinden und daß wir die Gegensätze nicht vergröbern und vergrößern, sondern überbrücken und mildern — nicht im Sinne der kirchlichen Einheit, das ist eine Sache, die überhaupt nicht in unseren Bereich gehört.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Daß uns das gelingt, ist für das Zusammenleben unseres Volkes von einer geradezu entscheidenden Bedeutung. Dann sind auch die Bedenken unseres Herrn Bundestagspräsidenten und vieler unserer Freunde unberechtigt. Wenn die Aussprache diesen Entschluß fördert, dann ist dieser Tag trotz allem ein guter Tag gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmid (Tübingen).

(Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] und Abg. Kunze [Bethel]: Frankfurt!)

— „Schmid (Frankfurt)", schön; an Tübingen sind wir gewöhnt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Weber, ich höre „Tübingen" ebenso gern wie „Frankfurt".

    (Zurufe von der Mitte: Lieber!)

    — Das darf ich als hessischer Beamter nicht sagen.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, das Grundthema, das in der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion anklingt, gehört zu denen, deren Behandlung zeigen könnte, daß man auch in einem Parlament nicht nur streiten kann, um Recht zu behalten,
    sondern miteinander reden kann, um die Wahrheit zu suchen. Die Reden, die wir bisher gehört haben, beweisen, daß dies möglich ist.
    Es handelt sich im Grunde bei dem, wovon wir reden, um die Frage des richtigen Verhältnisses von Staat und Kirche. Ich sage: des richtigen Verhältnisses; denn daß Staat und Kirche zueinander in engster Beziehung stehen und stehen müssen, darüber brauchen wir nicht zu streiten. Die Frage ist, wie man diese Beziehung zum Nutzen und Frommen beider am besten gestaltet. Am besten sicher, wenn man bei den Formen und Einrichtungen, die man sucht und findet, sich bemüht, dem Wesen beider so gerecht als möglich zu werden. Ich glaube, daß hier Fragen des Opportunismus völlig beiseite bleiben sollten und völlig beiseite bleiben können.
    Das rechte Verhältnis zu finden ist aus einer ganzen Reihe von Gründen ungemein schwer, nicht nur aus den Gründen, die der verehrte Kollege Cillien angeführt hat, sondern aus einem viel weiter zurückliegenden Grund: aus dem Grund, daß Kirche und Staat, beide, Anstalten eigenen Rechtes sind und daß dabei die Kirche die ältere dieser Anstalten ist, daß auf der andern Seite aber der Staat die Anstalt ist, die für einen größeren Umkreis von Menschen als nur die Angehörigen einer Kirche zu sorgen und für sie die Verantwortung zu tragen hat. Das macht das Problem so schwierig, und deswegen laboriert man in Europa, nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern, doch seit Jahrhunderten an diesem Problem herum. Letzten Endes — die Historiker werden mir die Blasphemie verzeihen — ist doch, was wir hier tun, im kleinen mikroskopischen Format etwas wie die Fortsetzung der Diskussion des Investiturstreites.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Ich sage: im mikroskopischen Format. Auch dort hat es sich darum gehandelt, welcher der beiden Anstalten — die sich als Heilsanstalten fühlten —, dem Reich oder der Kirche, in bestimmten Dingen der Primat zukomme.
    Nun, die Kirche umfaßt nicht alle Staatsbürger, sondern nur einen Teil von ihnen. Darum können ihre spezifischen Gebote und Rechtsvorschriften sich nur an einen Teil der Staatsbürger wenden. Auf der andern Seite umfaßt der Staat sehr viel mehr Menschen als die Angehörigen einer Kirche, Angehörige anderer Kirchen und auch Menschen, die keiner Kirche angehören. Darum muß der Staat, der für sie alle verantwortlich ist, für Rechtsnormen sorgen, die den Interessen aller, der Angehörigen der verschiedensten Kirchen und auch den Interessen derer, die keiner Kirche angehören, gerecht werden.
    Die Kirche wiederum hat Rechte und Gebote aus eigenem Recht. Es ist hier nicht der Ort, die von Sohm aufgeworfene Kontroverse zu erneuern, — Sohm, Herr Cillien, der wie Sie ein guter Lutheraner gewesen ist und der der Meinung war, daß es dem Wesen der Kirche widerspreche, eine Rechtsanstalt zu sein und ein Kirchenrecht zu haben. Meiner Meinung nach ist das ein Irrtum dieses großen Gelehrten gewesen. Aber es lohnt sich heute noch, sein großes Buch zu lesen.
    Der Staat hat seine eigenen Rechte, seine eigenen Vorstellungen, die mit denen der Kirche nicht übereinzustimmen brauchen und in manchen Fällen wegen der Pflicht des Staates, gleichermaßen für


    (Dr. Schmid [Frankfurt])

    alle da zu sein, wegen seiner Pflicht, das Leben aller in seiner Gemeinschaft möglich zu machen, gar nicht übereinstimmen können. Das ist zu jeder Zeit in Erscheinung getreten, und man hat dem immer Rechnung getragen, außer in den Zeiten der Religionskriege.
    Welche Möglichkeiten gibt es, aus dieser Antinomie herauszukommen? Und es liegt eine echte Antinomie vor, wenn man diese Dinge schwer genug nimmt, und man kann sie gar nicht schwer genug nehmen! Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die alle in der Geschichte versucht worden sind. Es gibt die eine, daß der Staat erklärt, er bestimme allein und autonom: der laizistische Staat, der sagt: Was innerhalb meiner Grenzen die Rechte der Kirchen und der Angehörigen der Kirchen sind, das bestimme ich allein durch meine Gesetze. So hat es Frankreich seit Beginn dieses Jahrhunderts gemacht, so haben es andere Staaten gemacht. Ich glaube nicht, daß das unter allen Umständen ein nachahmenswertes Beispiel für uns ist. Auf diese Weise kommt man zu einem Staatskirchenrecht, bei dem der Akzent auf „Staat" liegt. In diesem Falle wird die Kirche ausschließlich dem staatlichen Vereinsrecht unterworfen.
    Eine andere Möglichkeit wäre die, daß die Kirche selber autonom bestimmt, was ihre Glieder und auch sie selbst im Staate an Rechten haben sollen. Das ist wohl nur im Kirchenstaat möglich gewesen. Es wäre schließlich — ich sage das ohne jede Ironie und ohne jede Lust zu Invektiven — auch in einem Staat möglich, in dem politische Parteien die Mehrheit haben, die der Meinung sein könnten, ihre Aufgabe sei es, im Staate die Kirche zu vertreten und zu repräsentieren. Das ist bei uns nicht der Fall.
    Manche Länder haben es sich einfacher gemacht. Das Goethesche Wort „Amerika, du hast es besser!" trifft vielleicht auch für das Verhältnis von Staat und Kirche zu. Hier hat der Staat den ganzen kirchlichen Bereich aus dem Gebiet der staatlichen Tätigkeit ausgeklammert. Auf der andern Seite entspricht aber dieser völligen Freiheit der Umstand, daß der Staat verbietet, öffentliche Mittel für kirchliche Zwecke, auch im weitesten Sinne des Wortes, zur Verfügung zu stellen. Das ist eine andere Tradition als unsere; ich glaube nicht, daß es möglich und richtig wäre, diese fremde Tradition bei uns nachzuahmen.
    Die andere Möglichkeit ist, daß Staat und Kirche die Art und Weise ihres wechselseitigen Sichdurchdringens oder ihres Nebeneinander miteinander vereinbaren. Das ist das Konkordatssystem. Konkordate gibt es seit Jahrhunderten. Sie werden auf die verschiedenste Weise aufgefaßt. Es ist vielleicht nicht ganz gleichgültig, sich einmal zu vergegenwärtigen, welche Auffassungen vom Wesen des Konkordats geschichtlich geworden sind. Da gibt es zunächst einmal die alte kuriale Theorie, die Theorie der Kanonisten, der Juristen der Kurie, die sogenannte Privilegientheorie, die da lautet: Die Kirche nimmt das Recht auf die autonome Regulierung bestimmter Lebensgebiete auch dem Staate gegenüber in Anspruch, aber sie erteilt gewissen Staaten das Privileg, vom kanonischen Recht abzuweichen, z. B. bei den Formalien der Bestellung der Bischäfe, beim formellen Eherecht und bei anderen Dingen. Diese Privilegien werden nach dieser kanonischen Theorie nur bestimmten Regierungen erteilt, auf jeden Fall nur bestimmten Regimen. Wechselt das Regime, so gelten nach dieser Theorie die Konkordate als erloschen. Das ist, wenn man das Konkordat als ein Privilegium ansieht, auch durchaus logisch; denn wenn man ein Privileg erteilt, dann möchte man den Mann kennen, dem man es erteilt hat, und wenn dieser Mann wechselt, dann will man sich den Nachfolger ansehen, ob auch er dieses Privilegs würdig ist.
    Die andere Vorstellung ist die Legaltheorie. Das ist im Grunde die Privilegientheorie in ihrem Anderssein. Hier ist es der Staat, der behauptet, daß er der Kirche Privilegien erteilt, nämlich in der Form staatlicher Gesetze, und daß diese Privilegien darum zur Verfügung des Gesetzgebers stehen, auch wenn der Inhalt dieser Gesetze vorher mit kirchlichen Stellen vereinbart worden ist.
    Die dritte Theorie ist die Vertragstheorie. Hier sagen die einen, ein Konkordat sei ein völkerrechtlicher Vertrag. Man kann das in manchen Lehrbüchern lesen. Ich für meinen Teil vermag ein Konkordat nicht als einen völkerrechtlichen Vertrag anzusehen, denn das Konkordat ist kein Vertrag mit einem Staate. In einem Konkordat werden doch nicht die Verhältnisse der Bundesrepublik zur Vatikanstadt geregelt — wenn das der Fall wäre, dann würde es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag handeln —, sondern es handelt sich um einen Vertrag, den der Staat mit der Katholischen Kirche schließt, also nicht mit einem Staat, sondern mit einer Anstalt, die ihm gleichgeordnet ist, deren Reich von einer anderen Welt ist als das seine, zu der er aber rechtlich geordnete Beziehungen unterhalten will. — Ich möchte hier bemerken, daß es doch Botschafter bei der Kurie schon lange vor den Lateranverträgen gab, also lange bevor der Papst ein anerkanntes Hoheitsgebiet hatte.
    Wenn dem so ist, dann ist es meiner Meinung nach unmöglich, ein Konkordat für einen völkerrechtlichen Vertrag und seine Normen für Normen des Völkerrechts zu halten. Dagegen ist es natürlich richtig, daß man auf einen solchen Vertrag sui generis analog Normen anwenden kann, die auch im Völkerrecht gelten. Es gibt ja allgemeine Rechtsnormen, die mehr oder weniger allen Rechten zugrunde liegen, zumindest in unserem Europa, zumindest bei den Völkern, deren juristisches Patrimonium ein Erbe des römischen Rechtes ist.
    Dieser Vertrag hat den Zweck, das Verhältnis des Staates in seinem jeweiligen Sosein mit den Bedürfnissen der Kirche in ein angemessenes Verhältnis zu bringen, in das angemessenste Verhältnis, und der Grad, in dem diese Angemessenheit sich kundtut, kann und wird nach Zeit und Ort wechseln. Es ist gar kein Zweifel — um ein extremes Beispiel zu nehmen —, daß ein Konkordat mit Spanien anders aussehen könnte und würde als eines, das, sagen wir, mit Schweden oder einem anderen im wesentlichen protestantischen Staat, geschlossen würde. Der Inhalt der Konkordate ist ganz wesentlich mit durch die spezifische Struktur des Staates bestimmt, mit dem sie abgeschlossen werden. Ein Konkordat mit einem totalitären Staat wird anders aussehen können als eines, das mit einer demokratischen Republik abgeschlossen wird.
    Wenn man aber davon ausgeht, es handle sich um einen Vertrag, nun, dann muß man diesen Vertrag als ein Ganzes nehmen, dann muß man darauf den allgemeinen Rechtsgrundsatz anwenden, der auch im Bürgerlichen Gesetzbuch gilt und


    (Dr. Schmid [Frankfurt])

    der auch im Völkerrecht gilt — der Haager Gerichtshof hat ihn mehrere Male bestätigt —, daß, wenn ein wesentlicher Bestandteil des Vertrages gegenstandslos wird, der ganze Vertrag das Schicksal dieses seines wesentlichen Bestandteils teilt. Es geht nicht an, daß der eine oder der andere der beiden Partner beim Wechsel des Regimes nur noch die Teile des Vertrages gelten lassen will, die er als für sich günstig hält. Wenn nach Auffassung der Kurie wesentliche Teile des Vertrages gegenstandslos geworden sind — ich nenne nur die Art. 31 und 32 —, dann muß sich die Kirche auch gefallen lassen, daß man die übrigen Teile des Vertrages als gegenstandslos betrachtet. Wenn nicht, nun, dann müßte sie sich gefallen lassen, daß man diese Artikel 31 und 32 — Verbot der politischen Tätigkeit des Klerus, Verzicht auf katholische Vereine, die nicht nur der Seelsorge dienen, usw. — auch heute noch als gültig ansieht.
    Aber unser Grundgesetz würde einen solchen Zustand nicht erlauben. Es würde nicht erlauben, daß dem Klerus politische Tätigkeit verboten und die Bildung katholischer Vereine eingeschränkt wird. Denn wir haben die politische Meinungsfreiheit, wir haben die Koalitionsfreiheit.
    Unter dem Vertragsgesichtspunkt bedeutet das aber, daß nunmehr die Möglichkeit einer vertraglichen Gegenleistung fehlt, der Gegenleistung, um derentwillen die damalige deutsche Regierung den Vertrag geschlossen und ihrerseits Gegenleistungen gewährt hat. Wir wissen doch, daß Hitler als Gegenleistung für seine papiernen Konzessionen die Entpolitisierung im kirchlichen Raum verlangt und erhalten hat. Aus keinem anderen Grund hat er seine Konzessionen gemacht.
    Aber nunmehr haben wir eine staatliche Rechtsordnung, die solche Gegenleistungen verbieten würde; und das, Herr Kollege Cillien, war es wohl, was der Reichspräsident Ebert meinte, als er von Abmachungen „im Rahmen unserer Verfassung" sprach: es dürfe in dem Konkordat nichts stehen, was etwa den Grundrechten der Verfassung widersprechen könnte.
    So ist also dem Konkordat das innere Gleichgewicht genommen. Man könnte sich fragen, ob wir hier nicht vor einem klassischen Fall für die Anwendung der These, des Rechtssatzes von der clausula rebus sic stantibus stehen, der da sagt, daß, wenn sich die Umstände, die für die Schaffung eines Vertrages ursächlich waren, wesentlich geändert haben, der ganze Vertrag nicht mehr gilt.
    Der Rechtsberater der Bundesregierung, mein Lehrer Professor Erich Kaufmann, hat darüber ein sehr bedeutendes, sehr beachtetes und heute noch sehr lesenswertes Buch geschrieben. Er ist leider nicht da; sonst könnte er Ihnen mit einem Kopfnicken sagen, daß dies auch seine Meinung ist.
    Man hat mit der These von der Kontinuität des Staates operiert. Sicher gibt es diese Kontinuität. Aber eine ganz andere Frage ist, ob, wenn sich das Regime in einem Staat in seiner Substanz wesentlich wandelt, dadurch nicht auch die internationalen Verträge, die dieser Staat einst abgeschlossen hat, gegenstandslos werden. Es gibt hierfür ein Beispiel: Als das zaristische Rußland zum sowjetischen Rußland wurde, haben die meisten Staaten erklärt, daß ihre mit dem zaristischen Rußland geschlossenen Verträge nicht mehr gälten, obwohl die Kontinuität des Staates nicht bestritten wurde. Es wurde lediglich gesagt, die
    Staatssubstanz habe sich wesentlich geändert, und dies wirke sich auf die Geltung der Verträge aus.
    Nun will ich nicht sagen, daß dieses Beispiel ohne weiteres auf unser Problem anzuwenden sei. Aber schließlich hat sich doch, Herr Cillien, auch in der Substanz uns er es Staates seit den Zeiten Hitlers, Gott sei Dank, einiges Wesentliche geändert.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das war die Substanz von vorher!)

    — Halten Sie auch Art. 31 und 32 für Substanz von vorher, die verboten, katholische Vereine außer auf rein seelsorgerischem Gebiet zu bilden? Das war doch nicht Substanz der Weimarer Verfassung, das war Drittes Reich und reinstes Drittes Reich.

    (Beifall bei der SPD und FDP.)

    Es wurde auch davon gesprochen, daß das Konkordat die einzige Klammer sei, die das Deutsch- land, das unser Deutschland ist, noch zusammenhält. Nun, wir können uns über jede Rechtseinrichtung freuen, die darauf hinweist, daß Deutschland sich nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Einheit Deutschlands doch wesentlich zusammengehalten wird durch das Bewußtsein der deutschen Nation, eins und unteilbar zu sein.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)

    Was die Gebiete östlich der Oder und Neiße betrifft, so hat die Kurie — das ist ganz selbstverständlich und natürlich — sich den Gegebenheiten akkommodieren müssen.

    (Zuruf des Abg. Schütz.)

    — Nein, sie hat zwar keine neue Zirkumskriptionsbulle erlassen, Herr Kollege Schütz, aber sie hat auch keinen deutschen Bischof in Breslau und in Gnesen ernannt. Sie hat den politischen Veränderungen Rechnung getragen, die dort vor sich gegangen sind. Das ist ihr Recht.

    (Zuruf des Abg. Schütz.)

    — Herr Kollege Schütz, ich erlaube Ihnen gern eine Frage.