Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben geglaubt, daß es nützlich wäre, die Debatte, die gleich folgen wird, nicht ohne Verabschiedung einiger Anträge zu beschließen.
Was wir in dieser Debatte vertreten, kann nicht damit erreicht werden, daß wir sporadisch, von Zeit zu Zeit einmal über diese vielen konkreten Fragen sprechen, die da anstehen. Wir müssen ständig daran arbeiten, daß, wo immer es möglich ist, auf jedem einzelnen Gebiet Fortschritte, und seien es noch so kleine, erzielt werden. Dazu bedarf es einer ständigen Arbeit.
Deswegen haben wir den Antrag auf Umdruck 609*) eingebracht, in dem wir das Haus darum bitten, den Komplex der Fragen, den wir heute behandeln, dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur weiteren Beratung zu überweisen.
Aber wir glauben, daß es darüber hinaus auch nötig ist, einige besondere Probleme als Hauptpunkte unserer Debatte herauszustellen, um sie zu ringen und uns zu den beantragten Maßnahmen zu bekennen oder vielleicht auch nicht zu bekennen. Deshalb haben wir den weiteren Antrag auf Umdruck 608**) eingereicht, der zur Debatte steht, den wir aber heute nicht zu verabschieden brauchen; wir bitten, ihn dem Ausschuß zur weiteren Beratung zu überweisen.
Ich darf nun kurz einige Worte zu den verschiedenen Punkten dieses Antrags sagen. Ich gestehe offen, daß es sich da in einigen Fällen um recht heiße Eisen handelt. Ich werde mich bemühen, mit diesen heißen Eisen vorsichtig zu hantieren.
Wir ersuchen im ersten Punkt darum, daß die Bundesregierung alles tun möge — wenn nötig einseitig —, um die an der Zonengrenze aufgerichteten Grenzmauern abzutragen. Das Prinzip ist heute allgemein anerkannt. Wir haben mit ihm an unseren In- und Auslandsgrenzen die besten Erfahrungen gemacht.
Es ist aber noch ein Gebiet, ein wichtiges Gebiet vorhanden, auf dem nach unserer Meinung diese Methode auch angewandt werden sollte: es handelt sich um den Verkehr mit Druckschriften über die Zonengrenze hinweg. Wir wissen, wie der heutige Zustand ist. Nur technische und wissenschaftliche Literatur findet in kleiner Zahl den Weg über die innerdeutsche Grenze. Es ist selbstverständlich, daß wir anstreben müssen, diesen Verkehr in beiden Richtungen von allen Fesseln zu befreien; darin stimmen wir mit den zu diesem Thema von dem Herrn Bundesminister Kaiser gemachten Ausführungen überein.
Freilich, meine Damen und Herren, müssen wir uns vor Illusionen hüten. Wir haben in der Frage des Personenverkehrs auch einseitig alle Hindernisse abgeschafft. Als wir es taten, wußten wir im voraus, daß wir kaum hoffen konnten, die andere Seite würde voll nachziehen. Aber wir hatten richtig berechnet, daß die andere Seite gezwungen sein würde, doch etwas zu tun, doch Konzessionen zu machen. Es hat sich gezeigt, daß wir mit dieser Vorausberechnung recht hatten, und heute ist das einseitige Vorgehen auf diesem Gebiet ja allgemein gebilligt.
Wir erwerben uns, wenn wir so handeln, immer eine starke moralische Position. Und es ist doch so gut, in allen politischen Gesprächen sagen zu können, daß die Hemmungen, die es da gibt, ausschließlich von der anderen Seite ausgehen und daß es auf unserer Seite die Freiheit und die ganze Freiheit gibt. Wenn wir die Personen frei ohne jede Kontrolle zu uns hereinlassen, dann lassen wir dabei auch die überzeugten und fanatischen Anhänger der SED in unser Gebiet hinein. Bisher hat niemand behauptet, daß sie eine ernsthafte Gefährdung unserer inneren staatlichen Sicherheit bedeuten könnten. Ich glaube, daß die Druckerzeugnisse dieser selben SED-Leute für uns ebensowenig eine ernsthafte Gefährdung der inne*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 2.
ren Sicherheit bedeuten wie diese Personen selbst, wenn sie zu uns einreisen. Außerdem können wir das, was in diesen Druckerzeugnissen an politischer Propaganda steht und an staatsgefährdenden Thesen enthalten ist, hier in legal erscheinenden kommunistischen Zeitungen am Kiosk kaufen. Die ganze Jagd auf die Literatur von der anderen Seite ist eine sehr gespenstische Jagd. Wenn wir, nachdem wir alle Versuche gemacht haben, die wir machen können, um möglichst viele Konzessionen auch gegenseitig einzuhandeln, einseitig die Druckerzeugnisse der anderen Seite hereinlassen, dann werden die in der Bundesrepublik ebensowenig reißenden Absatz finden, wie die kommunistischen Zeitungen reißenden Absatz finden.
Auf dem Gebiet der gegenseitigen Ausschließung der Presseerzeugnisse haben sich bei uns Mißstände eingenistet, die wir nicht mehr lange dulden sollten. Sie sind beschämend und unerträglich. In einer Auslegung der Gesetze, die mein Freund Arndt z. B. für völlig ungesetzlich und gesetzlos hält, wird da Jagd auf Zeitungen und Druckschriften gemacht, die von drüben nach hier versandt werden. Es ergeben sich dabei sonderbare Zustände. Zwei unserer Kollegen in diesem Hause, einer von meiner Fraktion, aber ein anderer von der CDU-Fraktion, sind doch neulich mit einem Ermittlungsverfahren belästigt worden, weil sie wie wir alle in großer Menge Propagandaliteratur von der anderen Seite der Zone her zugeschickt bekamen.
Sehen Sie, wo so etwas hinführt! Man kommt da in die Psychologie hinein, die die Hexenverfolgung charakterisiert.
Ich glaube, daß auf diesem Gebiet etwas getan werden muß.
Auch die rein sachliche Unterrichtung über das, was auf der anderen Seite passiert, ist schwierig geworden. Abonnieren Sie mal eine Zeitung, die drüben erscheint, wenn sie sich hier im Bundestag politisch und sozusagen beruflich mit den Ereignissen drüben zu befassen haben! Dann werden Sie sehen, wie schwierig es ist, sich rein sachlich über das zu unterrichten, was drüben vor sich geht. Ich hörte von einem Fall, daß ein Gelehrter, der für die Kultusminister die Entwicklung der Schulbücher drüben zu untersuchen hat, sich jedes Mal mit Dienststellen der Polizei und des Zolls herumschlagen muß, ehe er in den Besitz der Bücher kommt, die er analysieren muß, damit man hier vernünftig auf das reagiert, was drüben geschieht. Diese Praxis, meine Damen und Herren, beweist doch einen sehr großen Kleinmut
und einen Mangel an demokratischem Selbstvertrauen, den wir nicht vertragen können. Diese Praxis beweist auch, daß bestimmte Stellen in unserer Regierung die Urteilskraft unserer Bevölkerung gewaltig unterschätzen. Wir stehen nicht allein mit der Forderung, daß da Remedur geschaffen wird. Wir wissen uns einig mit vielen Kräften außerhalb der Sozialdemokratie. Namentlich hat das Kuratorium „Unteilbares Deutschland" vor einiger Zeit auch gefordert, daß man einseitig hier wie auf den anderen Gebieten handle und dem Verkehr der Druckschriften keine Hemmnisse mehr in den Weg lege.
Das zweite heiße Eisen hat schon unser verehrter Herr Kollege Lemmer vor mir angepackt, und man hat den Eindruck, daß er sich dabei ein wenig verbrannt hat; ich meine das Problem der Amnestie für politische Straftaten in der Bundesrepublik.
— Nicht verbrannt, Herr Kollege Lemmer? Nun, Sie werden uns das gleich sicher in Ihrer Rede sagen.
Wir wissen sehr wohl, wie schwierig dieses Problem ist. Wir werden nicht in den Fehler verfallen, die Verurteilung von einigen Dutzend Kommunisten hier in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu Strafen, deren höchste, soviel ich sehen konnte, fünf Jahre beträgt, gleichzusetzen mit der Willkürjustiz auf der anderen Seite, die zur Verurteilung von vielen Tausenden zu Todesstrafe, lebenslänglichem Zuchthaus und anderen Strafen geführt hat. Aber immerhin, wir haben in der Bundesrepublik auch einige Gefangene, die wegen politischer Straftaten Gefangene sind, und nach unserer Meinung kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Erwägung einer Amnestie der Auflockerung, der Entkrampfung und der Entspannung des Verhältnisses der beiden Teile Deutschlands zueinander dienen würde. Wir sind überzeugt, daß ein Handeln auf diesem Gebiet aus eigener Initiative hier auch der Befreiung der Gefangenen auf der anderen Seite dienen würde, ohne daß wir im mindesten eine Koppelung etwa unseres Handelns hier mit einem entsprechenden Handeln auf der anderen Seite fordern wollten.
Auch der Punkt 3 unseres Antrags Umdruck 608 verzichtet auf Selbstgerechtigkeit — jene Selbstgerechtigkeit, die gern meint, daß auf der eigenen
Seite alles so gut sei und nichts mehr zu verbessern sei. Wir sollten, glaube ich, aus unserem besseren humanitären und demokratischen Gewissen heraus anerkennen, daß politische Straftaten Straftaten besonderer Art sind und daß eine politische Haft eine Haft besonderer Art sein kann. Es wäre nicht opportun, wenn ich hier über Einzelfälle sprechen wollte. Wir haben eine besondere Sache herausgestellt, nämlich die übermäßige Dauer der Untersuchungshaft bei solchen Gefangenen, die in einem Falle jetzt bald das dritte Jahr erreicht hat.
Unsere Forderung, die wir im Punkt 5 stellen, nämlich nach Haftentlassung und Verbesserung der Haftbedingungen auf der anderen Seite der Zonengrenze — diese unsere Forderung zugunsten der Gefangenen drüben hat um so mehr moralisches Gewicht, als wir im eigenen Strafvollzug humanitär beispielhaft sind; und das ist der Punkt, um den es hier geht.
Ich darf zuerst weiter zu dem Punkt 5 unseres Antrags einiges sagen. Wir haben gehört, wie schlimm drüben die Lage der Gefangenen ist und wie sie sich in letzter Zeit sogar verschlechtert hat. Die Hilfe für sie ist dringend, und wir sollten alle Wege beschreiten, die beschritten werden können, um unseren Gefangenen zu helfen. Wir sollten dabei auch nachdenken, ob die nichtstaatlichen Organisationen, etwa die Kirchen und das Rote Kreuz, auf diesem Gebiet in Zukunft vielleicht noch mehr tun könnten, als sie schon getan haben.
Durch die Heimschaffung der von sowjetischen Tribunalen verurteilten Gefangenen aus der Sowjetunion ist ja die sonderbare Situation entstanden — sie ist hier schon geschildert worden —, daß diejenigen, die von den Verurteilenden als die schwereren Verbrecher angesehen wurden, jetzt frei sind, während an die 1200 leichtere Fälle jetzt noch nicht durch die Freilassung der Verurteilten erledigt sind. Hier können wir nicht ruhen und nicht rasten, und hier sollten wir auch die Sowjetregierung selbst nicht aus der Verantwortung entlassen. Wir sollten an sie herantreten — wir haben die diplomatischen Beziehungen —, sie auf diese Verantwortung immer wieder hinweisen und die Freilassung dieser Gefangenen aus der Haft in der Zone verlangen.
In diesem Zusammenhang haben wir dann auch unter Punkt 6 eine Frage aufgegriffen, die zu Spannungen in den Beziehungen der Bundesrepublik zur Sowjetunion geführt hat. Wir ersuchen in diesem Punkt 6 die Regierung, dem Bundestag einen Bericht über Fälle zuzuleiten, in denen von der Regierung der Sowjetunion in der Bundesrepublik lebende Personen als Sowjetbürger reklamiert werden, die angeblich an der Heimkehr gehindert werden. Meine Damen und Herren, wir stehen sicher alle ohne Ausnahme dazu, daß jeder, der aus der Bundesrepublik irgendwohin ausreisen will, daran nicht gehindert werden darf, und das gilt genauso für Sowjetbürger. Aber wir stehen auch alle zu dem anderen Prinzip, daß niemand, der sich auf das Asylrecht beruft, gezwungen werden darf, in das Land zurückzukehren, aus dem er geflüchtet ist. Da, meine ich, handelt es sich natürlich um einen Kapitalpunkt, um einen grundsätzlichen Punkt. In keinem Falle dürfen wir einem Druck nachgeben, der darauf abzielt, gegen ihren Willen bestimmte Personen in die Sowjetunion zurückzuführen.
Ich komme damit zu Punkt 7 unseres Antrags. Nach 1945 bestand bekanntlich der Plan, durch Staatssekretariate die Verwaltung für das ganze besetzte Deutschland zusammenzuhalten. Statt dessen haben wir die Teilung bekommen, und wir haben heute nur eine Stelle als Institution, die sich mit der Aufrechterhaltung der Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands systematisch befaßt, nämlich die Treuhandstelle für den Interzonenhandel. Ich glaube, wir sollten trotz aller Fehlschläge bei früheren Bemühungen es nicht aufgeben, zu versuchen, diese Treuhandstelle auszubauen, namentlich auf dem Gebiet des Verrechnungswesens, wo noch viel zu tun ist. Wir sollten auch nicht auf den Versuch verzichten, weitere Stellen, weitere Treuhandstellen für spezielle _Verwaltungsfragen zu schaffen, insbesondere für Verkehrsfragen, aber möglicherweise auch für Kultur-und Unterrichtsfragen, in denen der Vertiefung der Teilung Deutschlands zumindest entgegengewirkt werden könnte.
Schließlich komme ich zum politisch heikelsten Punkt unseres Antrags, zu Punkt 8, den ich mit der Wiedergabe einer wahren Geschichte aus dem Bundestag beginnen möchte. Vor etwa Jahresfrist kam es in einem Ausschuß des Bundestages zu einer Diskussion über Beziehungen, die die Bundesregierung zu einer anderen deutschen Regierung ohne demokratische Legitimation angeknüpft hatte, nämlich zu der Saarregierung Johannes Hoffmanns, und auf Fragen der Opposition hin erklärte ein hoher Regierungsvertreter schließlich, wenn es der Sache der Wiedervereinigung Deutschlands dienlich sei, dann müsse man auch mit dem Teufel verhandeln. Worauf wir gefragt haben: Gilt das nur für schwarze Teufel, oder gilt das auch für rote Teufel? Wir haben auf diese Frage keine eindeu-
tige Antwort bekommen; aber wir haben bei diesen Verhandlungen — bei diesen Verhandlungen mit „schwarzen Teufeln" — immer den Standpunkt vertreten, daß ihre Bewertung die Frage der Abwägung von Für und Wider sei, daß Verhandlungen, die z. B., wie damals, dem Abbau der innerdeutschen Saargrenze, der Einführung des Inlandstarifs für Postsendungen oder der Abschaffung der Paßkontrolle an dieser innerdeutschen Grenze dienen, der Wiedervereinigung nicht schadeten, im Gegenteil, ihr nützten, und daß solche Verhandlungen geführt werden mußten. Die Bundesregierung hat damals auch mit Johannes Hoffmann verhandelt, ohne dadurch diese Regierung Hoffmann anzuerkennen. Sie hat sie nie anerkannt. Ähnlich verhandelt die Bundesregierung seit Jahren mit Pankow über weisungsgebundene Beamte der Bundesregierung in der Treuhandstelle für den Interzonenhandel. Trotz dieser Verhandlungen, die seit Jahren stattfinden, wird kein Mensch behaupten, daß die Bundesregierung die Regierung in Pankow anerkannt habe.
— Ja, technisch, auf bestimmte Probleme beschränkt! Wenn etwa Beamte des Verkehrsministeriums mit Beamten des anderen Verkehrsministeriums drüben verhandelten, etwa über den Verkehr auf der Autobahn nach Berlin, dann wären das technische Verhandlungen, und dann läge in ihnen nicht mehr an Anerkennung des Regimes drüben, als in den Verhandlungen in der Treuhandstelle liegt. Grundsätzlich, glaube ich, ändert sich daran auch nichts, wenn man von der Ministerialratsebene auf eine höhere Ebene geht, und es ändert sich auch nichts daran, wenn man sogar auf die Ministerebene geht.
Der Herr Bundeskanzler hat etwa vor einem Jahr auch mit Herrn Johannes Hoffmann einmal gesprochen, und auch da hat niemand gesagt, daß die Bundesregierung darum die Regierung Johannes Hoffmann anerkannt habe.
Aber wir möchten diese Dinge auf die technischen Fragen beschränken. Wenn unser Verkehrsminister etwa mit dem „Teufelsverkehrsminister" auf der anderen Seite spräche, läge darin keine Anerkennung; im Gegenteil: indem er an der Beseitigung der skandalösen Verkehrsgrenzen innerhalb Deutschlands arbeitete, arbeitete er daran, daß die Wiedervereinigung Deutschlands ein Stück vorwärtskäme.
Niemand von uns wird dabei einen Zweifel an folgendem aufkommen lassen, auch nicht gegenüber den Herren in Pankow: Nie werden wir die Teilung Deutschlands anerkennen; nie werden wir uns damit abfinden, daß es zwei Regierungen in Deutschland gibt. Immer und in allem, was wir tun werden, werden wir darauf ausgehen, zur Bildung einer einzigen deutschen, gesamtdeutschen Regierung zu kommen, die aus freien Wahlen hervorgehen soll.
Wenn wir vorwärtskommen wollen in den Problemen, die uns heute beschäftigen, müssen wir uns, glaube ich, von der Verkrampfung und von den gedanklichen Kurzschlüssen um das Thema Anerkennung befreien. Wir werden Pankow nicht anerkennen, und wir werden in Gesprächen über den Berlin-Verkehr und über das Gefangenenproblem nicht mehr an Anerkennung hineinlegen, als in den Verhandlungen der Treuhandstelle liegt oder als darin liegt, daß ich z. B. noch vorige Woche
durch die Zone gefahren bin und treu und brav, das Bestehen der dortigen Behörden zur Kennuris nehmend, die Straßengebühren bezahlt habe.
Vor fast genau einem Jahr haben wir hier den Antrag des Ausschusses Drucksache 1325 einstimmig verabschiedet, worin eine Fülle von Vorschlägen zur Verbesserung der Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands enthalten waren. In allen Punkten, in denen das Vorwärtskommen auch davon abhing, daß von der anderen Seite etwas geschah, in allen Punkten, in denen die Macht des Handelns nicht ausschließlich bei uns lag, in all diesen Punkten sind wir um keinen Zentimeter vorwärtsgekommen. Wenn wir keine Form dafür finden, in Auseinandersetzungen mit den augenblicklichen Machthabern drüben über die praktischen, technischen Fragen zu sprechen, dann besteht auch im nächsten Jahr wenig Hoffnung. daß wir einen Zentimeter vorwärtskommen.
Wir müssen wissen, was wir wollen. Man muß mit dem Zweck die Mittel wollen, und wenn man die Mittel nicht akzeptieren kann, dann hat es wenig Sinn, von dem Zweck zu reden. Ich glaube, daß das die ernsteste Wahl ist, vor die wir gestellt sind. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion sind uns bewußt, daß man die Wiedervereinigung Deutschlands mit viel Umsicht und Vorsicht und Klugheit betreiben muß. Aber man kann sie auch nicht ohne Kühnheit betreiben. Und hier ist einmal die Forderung: etwas mehr Kühnheit, keine Angst vor Teufeln, meine Damen und Herren, selbst wenn sie rot sind!