Rede von
Dr.
Richard
Hammer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung des Donnerstag ist hier sehr langsam abgespult worden. Wenn das anders gegangen wäre, wären wir dazu aufgefordert gewesen, zu dieser Gesetzesvorlage der Sozialdemokraten binnen 24 Stunden Stellung zu nehmen; denn sie war erst 24 Stunden vorher verteilt worden.
— Meine Damen und Herren, ich habe durchaus Verständnis für Ihren Wettbewerb; aber bitte, haben Sie Verständnis für unsere Argumentation. Ohne eingehende Beratung einer Fraktion ist hier eine gründliche Stellungnahme nicht zu erwarten, und eine andere ist nicht zu verantworten.
Dieses merkwürdige Tempo hat noch einen Nachteil. Man empfindet diesen Zeitdruck als ein wenig unhöflich. Er könnte die Freude an einem Gesetzentwurf mindern, der zwar von einem politischen Gegner vorgetragen wird, aber deutlich die Handschrift eines großen Könners zeigt.
— Doch, aber nicht in dem Tempo, das Sie mir vorschreiben.
Wir sehen uns also außerstande, heute entscheidende Kapitel aus Ihrem Gesetzentwurf zu behandeln, so entscheidende Kapitel wie etwa die Frage der sehr umstrittenen und problematischen dynamischen Rente, die sehr fragwürdige Übertragung von gesundheitspolitischen Aufgaben von den Trägern der Krankenversicherung auf die Träger der Rentenversicherung. Wir sehen uns heute nur in der Lage, grundsätzlich zu erklären, was wir im allgemeinen von dieser Reform der Rentenversicherung erwarten.
Die Freien Demokraten erwarten, daß die Rente, die in Zukunft, sagen wir einmal, die Normalrente sein wird, also die Rente, die der größte Teil unserer deutschen Mitbürger, die nun einmal Arbeitnehmer sind, am Ende ihres Lebens beziehen werden, so groß ist, daß unseren Rentnern nie mehr der Gang zum Fürsorgeamt zugemutet werden wird, wo sie in irgendeiner Form eine Armenunterstützung empfangen.
Wir sind außerdem der Ansicht, daß auch die Renten für Witwen und Waisen so hoch sein sollen, daß die Mütter von Waisenkindern in die Lage versetzt sein werden, ihre Kinder selber zu erziehen. Man kann zwar den Verlust eines Ernährers nicht durch Geld ersetzen; man kann aber durch eine ausreichend hohe Rente dafür sorgen, daß die Mutter zur Erziehung ihrer Kinder abkömmlich ist. Um welches Thema der Erziehung es sich hier handelt, mögen Sie sich selbst heraussuchen, ob um Taschentücher
oder um das Abendgebet. Familienpolitik, gute Familienpolitik ist auch davon abhängig, daß eine ausgezeichnete Rentenpolitik gemacht wird. Das ist jedenfalls der Standpunkt der Freien Demokraten.
Meine Damen und Herren, wenn die Gesetze nun bearbeitet werden — wir werden mit zwei Vorlagen zu rechnen haben —, dann werden wir wie immer die gesetzgeberische Leistung als das Kunstwerk würdigen, ohne auf die politische Herkunft des Entwurfs zu sehen. Wir haben allerdings einen Wunsch: daß für die Beratungen im Ausschuß, die bald beginnen sollten, endlich auch die Vorarbeiten im Arbeitsministerium, auf die wir schon lange gedrängt haben, fertig sein möchten und daß auch das Stück des Herrn Arbeitsministers, das bis jetzt noch die Bezeichnung „Grundentwurf" trägt, bis dahin wirklich bühnenreif sei. Wir versprechen Ihnen, im Ausschuß das Unsere zu tun, um bei der gleichzeitigen Behandlung dieser Gesetzentwürfe zu einer Regelung zu kommen, die wir vor dem deutschen Volk verantworten können.