Rede:
ID0214314100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Reif.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 143. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4.. Mai 1956 7479 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Mai 1956. Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 243 (Drucksachen 2304, 2354) . . 7480 A Erste Beratung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 2303) . . . . 7480 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 7480 A, 7548 A, 7553 D, 7554 D Dr. Kliesing (CDU/CSU). . . . . 7484 D, 7486 C, D, 7487 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 7486 C, 7538 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : als Abgeordneter . . . . 7486 D, 7487 A als Vizepräsident 7516 D, 7531 A, 7537 D, 7538 B, C, 7540 D, 7548 B Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 7488 A Erler (SPD). 7493 A, 7499 B, 7530 D, 7533 D, 7535 B, C, D, 7537 B, 7552 C, D, 7554 C Kiesinger (CDU/CSU) 7499 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 7499 B von Manteuffel (Neuß) (DA) . . . 7504 D Dr. Reif (FDP): zur Geschäftsordnung 7516 C zur Sache 7551 B Rasner (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 7516 C Dr. Mende (FDP) . 7516 D, 7531 A, 7534 B, 7536 D, 7537 D, 7541 A Feller (GB/BHE) 7526 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 7530 C, 7531 A, D, 7533 D, 7534 B, 7535 C, D, 7536 D, 7537 B, D, 7538 A, D Mellies (SPD) 7531 D, 7537 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP). . .7539 A, 7540 D., 7541 A Eickhoff (DP) 7543 B Merten (SPD) 7543 C Wehner (SPD) 7548 B Frau Hütter (FDP) 7548 B Nellen (CDU/CSU) 7549 B Berendsen (CDU/CSU) 7552 B, D Dr. Bucher (FDP) 7554 B Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7555 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung (Drucksache 2341) 7555 A Blank, Bundesminister für Verteidigung . . 7555 A, 7558 B, 7562 C Dr. Reichstein (GB/BHE) 7555 D Dr. Mende (FDP) 7557 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 7558 C Berendsen (CDU/CSU) 7562 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 7563 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Rentenversicherungsgesetz) (Drucksache 2314) . . 7563 D Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 7563 D, 7571 D Storch, Bundesminister für Arbeit . 7570 C Horn (CDU/CSU) 7571 C Frau Finselberger (GB/BHE) . . 7572 B Dr. Hammer (FDP) 7573 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 7573 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, 722, 601, 5; Umdrucke 596, 597, 598) 7573 C Lücke (CDU/CSU) . . . . 7573 D, 7576 D Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 7574 D Jacobi (SPD) 7576 B, 7579 B Vizepräsident Dr. Schneider 7576 D, 7578 B Dr. Will (FDP) 7577 A Frau Heise (SPD) 7578 B Körner (DA) 7578 C, 7581 B Graaff (Elze) (FDP) 7580 B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7580 D Stierle (SPD) 7581 A Abstimmungen 7581 B, D Nächste Sitzung 7582 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7582 B Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der FDP, GB/BHE, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 596) 7583 A Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 597) 7583 B Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 598) 7583 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Dr. Starke 31. 7. Peters 15. 7. Meitmann 15. 7. Blachstein 30. 6. Gedat 30. 6. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Brühler 16. 6. Dr. Hellwig 16. 6. Runge 16. 6. Frau Geisendörfer 9. 6. Altmaier 2. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Müller-Hermann 2. 6. Kahn 1. 6. Dr. Bartram 31. 5. Neuburger 31. 5. Frau Dr. Steinbiß 19. 5. Frau Friese-Korn 12. 5. D. Dr. Gerstenmaier 12. 5. Moll 12. 5. Pusch 12. 5. Frau Kalinke 10. 5. Dr. Moerchel 10. 5. Frau Niggemeyer 10. 5. Rehs 10. 5. Dewald 9. 5. Karpf 9. 5. Ollenhauer 8. 5. Dr. Orth 6. 5. Albers 5. 5. Frau Albertz 5. 5. Dr. Franz 5. 5. Dr. Greve 5. 5. Klingelhöfer 5. 5. Lemmer 5. 5. Lenz (Brühl) 5. 5. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 5. Morgenthaler 5. 5. Pelster 5. 5. Schneider (Hamburg) 5. 5. Bauer (Wasserburg) 4. 5. Bender 4. 5. Fürst von Bismarck 4. 5. Brandt (Berlin) 4. 5. Dr. Bucerius 4. 5. Dr. Deist 4. 5. Frau Döhring 4. 5. Ehren 4. 5. Gerns 4. 5. Glüsing 4. 5. Heiland 4. 5. Dr. Graf Henckel 4. 5. Jacobs 4. 5. Dr. Keller 4. 5. Knobloch 4. 5. Kramel 4. 5. Leibfried 4. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 4. 5. Schill (Freiburg) 4. 5. Schmitt (Vockenhausen) 4. 5. Schoettle 4. 5. Schrader 4. 5. Dr. Strosche 4. 5. Frau Wolff (Berlin) 4. 5. Ziegler 4. 5. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Gille 16. 6. Dr. Köhler 19. 5. Anlage 2 Umdruck 596 (Vgl. S. 7580 B, 7581 B) Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, GB/BHE, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 18 a) erhält Abs. 1 Satz 2 folgende Fassung: Vom Rechnungsjahr 1957 ab stellt der Bund hierfür einen Betrag von mindestens 700 Millionen Deutsche Mark im Bundeshaushalt zur Verfügung. b) werden folgende neue Absätze 1 a und 1 b eingefügt: (1 a) Von dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag werden im Rechnungsjahr 1958 10 vom Hundert, im Rechnungsjahr 1959 20 vom Hundert und im Rechnungsjahr 1960 30 vom Hundert für Zins- oder Annuitätszuschüsse zur zusätzlichen Förderung des Baues von Familienheimen bereitgestellt. Die nach Satz 1 gewährten Zins- oder Annuitätszuschüsse werden jeweils auf die Dauer von 20 Jahren gegeben. (1 b) Vom Rechnungsjahr 1961 ab stellt der Bund jährlich einen Betrag im Bundeshaushalt zur Verfügung, der sich gegenüber dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag je Rechnungsjahr um 70 Millionen Deutsche Mark verringert, soweit er nicht für die in Absatz 2 genannten Zins- oder Annuitätszuschüsse benötigt wird. Bonn, den 4. Mai 1956 Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 597 (Vgl. S. 7582 A) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270,1 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: in § 110 a) die 'Überschrift wie folgt zu ergänzen: Überleitungsvorschriften für öffentlich geförderte Eigenheime, Kleinsiedlungen, Kaufeigenheime und Eigentumswohnungen; b) in Abs. 1 zwischen Satz 1 und 2 folgenden neuen Satz einzufügen: Öffentlich geförderte Eigentumswohnungen, auf die die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes anzuwenden sind, sind auf Antrag als eigengenutzte Eigentumswohnungen anzuerkennen, wenn sie den in § 12 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Voraussetzungen entsprechen. Bonn, den 4. Mai 1956 Graaff (Elze) Dr. Dehler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 598 (Vgl. S. 7581 B, D) Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 32 Abs. 1 erhält Buchstabe b die folgende Fassung: b) über die Anzahl der nachweislich noch unzumutbar untergebrachten Wohnungsuchenden, insbesondere solcher, die in Lagern, Baracken, Bunkern, Nissenhütten oder ähnlichen nicht dauernd für Wohnzwecke geeigneten Unterkünften untergebracht sind. Bonn, ,den 4. Mai 1956 Körner von Manteuffel (Neuß) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Nellen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Väter des Grundgesetzes mit dem soeben vom Kollegen Merten angezogenen und dann in längerer Diskussion vor uns ausgebreiteten Grundrechtsartikel die absolute Souveränität des personalen Gewissens gegenüber dem Staat und seinen Befehlen jeder möglichen Art sicherzustellen wünschten. Ich darf deswegen, ohne dieses Plenum mit einem moraltheologischen oder moralphilosophischen Hörsaal zu verwechseln — das würde mir Ihr Befremden und Ihr Gelächter einbringen, meine Damen und Herren —, klar und deutlich ausführen, daß die christlich-demokratische und christlich-soziale Fraktion dieses Hauses dem Gesetz, unter dem sie angetreten ist und unter dem sie allein glaubwürdige und praktische Politik machen kann und will, untreu würde, wenn sie diese Souveränität des persönlichen Gewissens in der praktischen Gesetzgebung auch nur im geringsten verleugnen wollte.
    Es ist nämlich so — und das hat wohl den Vätern des Grundgesetzes vorgeschwebt —, daß, wie ein sehr kluger und Ihnen weithin bekannter Theologe, der kürzlich verstorbene Domprediger von Straßburg, Pierre Lorsone aus der Gesellschaft Jesu, sehr treffend formuliert hat, die Person in ihrem Gewissen berechtigt ist, gegenüber allen Befehlen sozusagen den sittlichen Passierschein zu fordern. Das Gewissen ist die Instanz, die berechtigt ist, jedes positive Gesetz, jede positiv daraus sich ergebende Forderung unter dem absolut gültigen Maßstab der Sittennorm einer Prüfung zu unterziehen. Wenn anders, hätten wir jede moralische und bedeutungsvollerweise auch jede politische Berechtigung restlos verwirkt, uns auch nur verteidigungsmäßig gegen ein System zu wehren, das die absolute Mißachtung der personalen Würde und damit auch nur des Ansatzes und der Möglichkeit von Gewissensentscheidungen zum System erhoben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

    Sie brauchen deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion der SPD, nicht zu befürchten, daß wir uns hier auch nur die geringste Lässigkeit erlauben würden, weil wir damit moralisch und politisch von der Bühne abzutreten gezwungen wären. Ich darf allerdings mit einem leichten Seitenblick auf den Herrn Bundesverteidigungsminister hinzufügen, daß — das soll einmal erwähnt werden — in einer Schrift, von der ich glaube annehmen zu dürfen, daß sie unter den Auspizien seines Hauses entstanden ist — ich denke an die reizvoll aufgemachte Schrift „Vom künftigen deutschen Soldaten" —, allerdings etwas frisch, fromm, fröhlich, frei Gedanken geäußert wurden, die vom Kollegen Merten soeben, ich möchte sagen, etwas forciert, aber doch mit einiger Sorge angesprochen wurden. Dort könnte man — das muß ich zugeben, Herr Kollege Merten — in einigen Passagen, die des philosophischen Tiefgangs nun wirklich entbehren, den Eindruck gewinnen, daß in dem genannten Grundgesetzartikel nur von einem Ausnahmerecht gesprochen ist. Das kann und darf und wird nicht sein, und ich fühle mich legitimiert, im Namen der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union dieses Hauses zu wiederholen: der Grundsatz der Gewissenssouveränität und der Freiheit, diesen Passierschein gegenüber allen staatlichen Gesetzen und Aktionen zu fordern, wird von uns hochgehalten.
    Ich will aber auch nicht übersehen — und das scheint mir der Kollege Merten soeben etwas, ich will nicht sagen: verschleiert, sondern nicht recht deutlich angesprochen zu haben —, daß es sich hier doch um die Regelung einer echten Pflichten- und damit Gewissenskollision handelt.

    (Abg. Kiesinger: Sehr gut!)

    Ich erinnere mich, daß z. B. der hochverehrte Kollege Schmid (Frankfurt) neulich unter Berufung


    (Nellen)

    auf einen klassischen Autor — er hat uns dreimal raten lassen, wer es ist; es war Thomas von Aquin mit seinem Werk „De regimine principum" — uns in sehr lichtvoller Weise die Unterscheidung zwischen dem äußeren und inneren Gehorsam dargelegt hat, ein Spezialfall von Gewissenssouveränität, den damals abzuhandeln Anlaß war. Wir wollen doch nicht übersehen, daß das, was in der Debatte, der Sie sich sicher genau erinnern, der Kollege Schmid (Frankfurt) ausgeführt hat, absolut gilt: Legal zustande gekommene Gesetze, legale Regierungsmaßnahmen sind im Gehorsam zu respektieren. Denn darüber, glaube ich, gibt es im ganzen Hause überhaupt keine Diskussion: staatliche Hoheit, staatliche Autorität und ihr Korrelat, nicht der Untertanengehorsam, aber der echte, von Ihnen und uns durchaus personal verstandene Gehorsam, ist zu fordern und ist zu leisten. Wenn einmal, vielleicht nicht mit den Begründungen, die wir heute morgen gehört haben — mir haben nicht alle Begründungen gefallen; das gebe ich zu —, wenn mit plausiblen Begründungen und in Anbetracht dessen, was wir die Situation nennen, die mit in Betracht zu ziehenden Zu- und Umstände, als einer der Quellen der Moralität oder, um es mit der Terminologie von Professor Carlo Schmid zu nennen, als einer der fontes moralitatis, ein Gesetz legal zustande gekommen ist, ist es zu respektieren. Das gilt auch von einem Wehrgesetz. Und wenn etwa dieses Hohe Haus in politischer und sonstiger Würdigung des gesamten Weltzustandes, des Zustandes unserer Nation, der Notwendigkeit der Verteidigung und in Klärung aller praktischen Fragen zu einem bestimmten Entschluß kommt, dann ist zum mindesten der legale Gehorsam zu leisten.

    (Oho-Rufe bei der SPD.)

    — Er ist zu leisten, Herr Kollege!

    (Abg. Merten: Grundgesetz! — Abg. Arnholz: Artikel 1!)

    — Sie gestatten, daß ich fortfahre. Ich werde versuchen, noch etwas zu differenzieren. Der Gehorsam ist zu leisten. Nun hat es den Vätern des Grundgesetzes zweifellos vorgeschwebt, daß in der heutigen Zeit alle jene schwierigen Theorien vom gerechten und ungerechten Krieg und von all den schwierigen Voraussetzungen, die für die Gerechtigkeit eines Krieges zu erbringen sind, vor allem der Verteidigungscharakter, unerhört schwierige Probleme ergeben und auch jedem einzelnen, wenn er Wert darauf legt, einen echten Gewissensspruch zu tun und ihm zu folgen, unerhörte Schwierigkeiten auferlegen. Wir kommen aber nicht daran vorbei, gerade in Würdigung der gesamten so schwer gewordenen Zu- und Umstände auf der einen Seite die Gehorsamsposition klar zu halten, wobei ich vom Begriff Gehorsam jede falsche Deutung fernhalten möchte. Auf der anderen Seite muß es möglich sein, daß auch in dieser noch so schwierigen und vielfach undurchsichtigen Situation der Gewissensspruch zum Zuge kommt. Ich habe keinerlei Hemmungen, für meine Person zu erklären, daß die Fassung des einschlägigen § 25, die Sie angesprochen haben, Herr Kollege Merten, wahrscheinlich im Ausschuß einer Differenzierung und Ausfeilung bedürftig ist. Ich habe den Freimut, ganz offen zu erklären, wo ich die Schwierigkeiten sehe. Hier steht: Wer sich aus grundsätzlicher religiöser oder sittlicher Überzeugung allgemein zur Gewaltlosigkeit bekennt". Das könnte — vielleicht interpretiere ich zu formal — insinuieren, daß nur
    das geschützt wird, was ich einen sehr exzessiven Pazifismus nennen möchte. So, glaube ich, kann der Gesetzgeber es nicht gemeint haben, und es scheint auch nicht der Meinung meiner Fraktion zu entsprechen, wenn es von Ihnen prima vista so interpretiert würde. Denn damit würden wir nur eine ganz allgemein und radikal pazifistische Haltung schützen. Oder, wenn ich es einmal etwas burschikos sagen darf, es müßte zweckmäßigerweise jeder den Nachweis einer solchen Ablehnung des Waffendienstes dadurch erbringen, daß er sich vorher bei den Quäkern, bei den Zeugen Jehovas oder sonst irgendwo einschreiben läßt. Das kann und darf nicht der Sinn dieser Bestimmung sein. In dem Sinne müssen diese Bestimmungen distinguiert werden. Denn es ist durchaus möglich, Herr Minister, daß ich mich allgemein zum Waffendienst oder den Möglichkeiten des Waffendienstes bekenne, daß ich aber aus der heutigen Zeitsituation, aus einer vielleicht einmaligen und konkreten Situation — die in keiner Weise insinuieren würde, daß ich etwas Politisches damit meine, sondern aus der sich ergäbe, daß ich etwas konkret Ethisches damit meine — zu der Überzeugung komme, der Kriegsdienst ist für das eine oder andere Gewissen nicht annehmbar und nicht vollziehbar.
    Ich glaube, damit ist das Wichtigste gesagt. Ich darf aber noch auf ein vielleicht naheliegendes psychologisches Mißverständnis eingehen. Es scheint vielen Mitgliedern dieses Hauses, quer durch alle Fraktionen, das beste zu sein, wenn man ganz klar den militärischen und politischen Kern jener Forderungen und jener Maßnahmen herausarbeitet, die in diesem Gesetz niedergelegt sind, wenn man also ideologisch nicht mehr, als zu beweisen ist, beweist. Das gilt z. B. für die ideologische Begründung der allgemeinen Wehrpflicht. Man kann in diesem Zusammenhang auch historisch durchaus der Meinung sein, daß etwa die Formel von dem „legitimen Kind der Demokratie" etwas zu wenig weit in die Geschichte zurückgeht. Ich sehe da manch einen in der Gesellschaft sehr schätzenswerter Jakobiner, die sonst gern auf sehr viel weitergehende demokratische Traditionen zurückgreifen. Es ist möglich, daß auf Grund einer in der Diskussion unterlaufenen Verkürzung mancher Argumente für diese Frage — das verstehe ich durchaus — eine schwierige Situation entstanden ist.
    Lassen Sie mich zum Schluß, ohne daß ich Ihre Geduld allzu lange auf die Folter spannen will, noch etwas sagen, was in diesem Hause wiederholt angesprochen worden ist. Ich erinnere mich z. B. an Ausführungen, die vor längerer Zeit der geschätzte Kollege Arndt gemacht hat. Wie ernst wir diese Frage zu nehmen wünschen, Herr Kollege Merten, möchte ich Ihnen auch daran demonstrieren, daß ich sage, daß wir auch das, was man moralphilosophisch etwa die Lehre vom „error invincibilis" — dem Theologen sofort verständlich —, die Lehre vom „irrenden Gewissen" nennt, dem durch keinerlei Zuspruch beizukommen ist, ernst nehmen und daß wir auch diesem irrenden Gewissen, wenn es sich vor einem entsprechenden Gremium als Gewissen und nicht als Ausflucht für außerhalb der Gewissenssphäre liegende Absichten erweist, als dem souveränen Gewissen Anerkennung zollen. Wir werden bemüht sein, in den Ausschußberatungen eine Präzisierung, eine Differenzierung der hier zur Debatte stehenden Paragraphen vorzunehmen.


    (Nellen)

    Ich darf schließen mit einem klassisch gewordenen Wort. Dieses Wort ist für uns besonders aktuell. Es darf ausgesprochen werden; denn wir schmeicheln uns nicht nur, sondern wir können verzeichnen, daß wir Christen der beiden großen Konfessionen in besonders großer Zahl in unseren Reihen haben. Es gibt zwischen dem evangelischen und dem katholischen Bekenntnis in diesen Fragen keinen grundsätzlichen Unterschied. Ich darf in Parenthese einen Artikel zurückweisen, der vor Jahren in einer bekannten Wochenzeitung stand und in dem ein etwas verwegener Leitartikler behauptete, ein Katholik oder ein orthodoxer Protestant könne überhaupt qua Katholik una Protestant kein Kriegsdienstverweigerer sein. Das ist natürlich weit übers Ziel hinausgeschossen. Ich darf Sie an den Ausspruch eines Mannes erinnern, der beiden Kirchen, wenn ich so sagen darf, angehört, einen der größten Männer des 19. Jahrhunderts, an den Kardinal Newman, von dem Sie wahrscheinlich wissen, daß man ihn einmal auf einem Bankett aufforderte, einen Trinkspruch auf den Papst auszubringen. Dieser außerordentlich distinguierte Abendländer, Europäer und Christ, Anglikaner und dann Katholik sagte: „Nun, wenn es angemessen sein sollte, auf Seine Heiligkeit einen Trinkspruch auszubringen, dann zuerst auf das Gewissen." Sie dürfen gewiß sein, daß wir uns eines solchen Mannes jederzeit gerne erinnern und daß wir seine Auffassung in den konkreten Beratungen zu praktizieren wünschen.

    (Beifall bei allen Parteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Reif


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Worte des Herrn Bundesverteidigungsministers zu dieser Frage haben uns etwas beruhigt, und diese Beruhigung ist noch verstärkt worden durch die Ausführungen, die der Kollege Nellen soeben hier vor dem Hohen Hause gemacht hat. Wir haben es nicht verdient, daß man diese Frage der Gewissensentscheidung in bezug auf den Kriegsdienst — genauer gesprochen, in bezug auf die Möglichkeit zu töten — leicht nimmt.
    Wir waren stolz auf die neue und bis dahin wohl in der Erfahrung nicht vorkommende Rechtsnatur der Grundrechte im Bonner Grundgesetz. Wir sollten, glaube ich, auf diese echte Errungenschaft der Rechts- und Verfassungsgeschichte so stolz sein, daß wir daran nicht rütteln lassen und durch keine Bequemlichkeit der Anwendungspraxis des Rechtslebens — in diesem Fall also auch nicht durch ein Gesetz, das dieses Haus verabschiedet — den Eindruck erwecken, daß wir Grundrechte einschränken wollen oder dies gar in Wirklichkeit tun. Der Respekt vor dem Rechtscharakter der Grundrechte als subjektiver öffentlicher Rechte sollte in diesem Hause vor und über jedem Gesetzgebungsakt stehen.
    Ich möchte wiederholen, daß ich nach den soeben gehörten Erklärungen gerne den beruhigenden Eindruck mitnehme, daß es sich offenbar bei dem Text der Regierungsvorlage um eine Art Arbeit ins Konzept handelt,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    von der der Herr Bundesverteidigungsminister selbst überzeugt ist, daß erst durch die Arbeit im Ausschuß der Rechtscharakter hergestellt werden
    kann, der sich eigentlich nach unserem Grundgesetz von selbst verstehen sollte.

    (Zustimmung bei der FDP und SPD.) Wir nehmen das also sehr gerne zur Kenntnis.

    Ich möchte entgegen meiner ursprünglichen Absicht auf das eigentliche moralische Problem der Kriegsdienstverweigerung gar nicht näher eingehen; nur eins erlauben Sie mir auszusprechen. Wenn man sich auf die individuelle Gewissensentscheidung beruft, hat man auch das Recht, Gewissen, ich möchte einmal sagen, nach dem Grad der Gewissenhaftigkeit des Gewissens zu unterscheiden. Ich möchte mich durchaus zu dem Satz bekennen, daß das Gewissen über dem Gesetz steht, — aber nur das äußerst gewissenhafte Gewissen. Der Herr Kollege Nellen hat von dem irrenden Gewissen gesprochen. So weit wollte ich gar nicht gehen. Ich bin der Meinung, daß das Gewissen, jedenfalls das Gewissen, das von politischer Gewissenhaftigkeit durchdrungen ist, den Staat mit einschließt, d. h. auch die Notwendigkeiten und Bedingungen seiner Existenz. Wir wollen uns um diese Sache nicht herumdrücken. Nun bitte ich das Hohe Haus, mir zu erlauben, aus diesem einen Ausschnitt der Vorlage eine Konsequenz zu ziehen. Wir teilen die hier vorgetragene Auffassung, daß auch im demokratischen Staat, nein, daß erst recht im demokratischen Staat eine Gehorsamspflicht des Bürgers gegenüber den auf demokratischem Wege zustande gekommenen Gesetzen besteht. Die Demokratie würde ihren Sinn und ihre Würde verlieren, wenn das anders wäre. Wir sind der Meinung, daß der Gehorsam des demokratischen Bürgers gegenüber dem Gesetz moralisch sehr viel höher steht als das Sichfügen des Untertanen in ein Gesetz, an dessen Herstellung er in keiner Weise beteiligt war und das er gar nicht mit zu verantworten hat. Das sind eigentlich Dinge, die wir der Diskussion als selbstverständlich vorausstellen.
    Wir erwarten jenen Gehorsam, wir erwarten, daß der Bürger der Bundesrepublik, wenn dieses Gesetz, wie auch immer, zur Verabschiedung gelangt ist, dem Gesetz gegenüber jenen Gehorsam erweist, den der demokratische Bürger zu erweisen hat. Sollten wir dann nicht einen Augenblick überlegen, ob wir bei der bisherigen Behandlung dieses Gesetzes, nämlich bei der Art der Einbringung und auch bei der Art der Begründung, es nicht vielleicht dem demokratischen Bürger sehr schwer gemacht haben, überzeugt zu sein, daß es sich um ein demokratisches Gesetz handelt? Zeigen denn nicht die Beiträge in dieser Diskussion — jedenfalls dem unverbildeten Bürger zeigen sie das doch ganz gewiß; nehmen Sie doch den Sonderfall der Erklärung der Deutschen Partei und der Ausführungen, die der Herr Kollege Schneider hier gemacht hat —, daß gewissenhafte Frauen und Männer in diesem Hause — ich könnte sogar Namen aus der CDU nennen, von Persönlichkeiten, mit denen ich mich in den letzten Tagen unterhalten habe — mit ihrer Gewissensentscheidung und mit der sachlichen Prüfung der Frage, ob die allgemeine Wehrpflicht wirklich das Richtige ist, noch gar nicht fertig sind?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sollten wir nicht, gerade weil wir den Gehorsam des demokratischen Bürgers für das demokratische Gesetz fordern, ihm zeigen, daß auch wirklich ein demokratisches Gesetz geschaffen wird in dem Sinne — nun nehme ich das Wort von der repräsentativen Demokratie auf —, daß die Persönlich-


    (Dr. Reif)

    ketten, die den Bürger in diesem Hause repräsentieren — und darum geht es j a —, wirklich mit allem Ernst, unter Kenntnis aller politischen, strategischen und sonstigen Gesichtspunkte zu einem Entschluß sich durchgerungen haben, der dann allerdings endgültig sein soll? Ich habe so etwas das Gefühl — ich bitte, mir das nicht übelzunehmen —, daß wir im Grunde genommen am Anfang der Diskussion stehen, so daß wir zwar eine Vorlage einem Ausschuß überweisen können, aber eigentlich bei diesem Überweisungsbeschluß nicht gleichzeitig schon dem Prinzip zustimmen können. Über dessen Bejahung oder Verneinung kann wahrscheinlich erst bei sehr gewissenhafter und sehr sachverständiger Auseinandersetzung im Ausschuß entschieden werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist mein Anliegen.
    Ich darf noch eines hinzufügen. Die Frage der Wehrverfassung ist eine Frage, die für die sogenannte Verfassungswirklichkeit, d. h. für die Frage, wie sich bei einer formalen demokratischen Verfassung die Dinge im Volk auf die Dauer abspielen, von geradezu ungeheurer Bedeutung ist. Ich glaube auch, daß dieses Problem unter dem Gesichtspunkt Berufsheer, allgemeine Dienstpflicht oder Miliz von uns noch nicht genügend behandelt worden ist. Man darf es sich nicht so leicht machen, wie ich es gelegentlich gehört habe, daß man sagt: Wir hatten in Weimar keine allgemeine Wehrpflicht, und daran ist der Weimarer Staat zugrunde gegangen. Wer Weimar bewußt miterlebt hat und wer sich Mühe gegeben hat, das Schicksal dieses ersten großen demokratischen Versuchs unseres Vaterlandes zu verstehen, der kommt vielmehr zu der Überzeugung, daß, wenn schon die Wehrmacht 'im Weimarer Staat einen Fremdkörper gebildet hat, sie ihn deshalb gebildet hat, weil die Spitze der Wehrmacht in Wirklichkeit niemandem verantwortlich war. Das ist der Grund — auch das möchte ich in dieser Stunde dem Hause sagen —, der mich veranlaßt hätte, wenn ich als Berliner Abgeordneter hätte mitstimmen dürfen, gegen die letzte Entscheidung des Bundestages in der Frage der Wehrgesetze zu stimmen, weil man sich des Rechtes begeben hat, diejenige Kontrolle der Wehrmacht wirklich durchzuführen, die nach allen Erfahrungen des Verfassungslebens im Inland und im Ausland nur möglich ist, wenn der Verteidigungsminister dem Parlament direkt verantwortlich ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)