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ID0214303800

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    2. Deutscher Bundestag — 143. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4.. Mai 1956 7479 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Mai 1956. Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 243 (Drucksachen 2304, 2354) . . 7480 A Erste Beratung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 2303) . . . . 7480 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 7480 A, 7548 A, 7553 D, 7554 D Dr. Kliesing (CDU/CSU). . . . . 7484 D, 7486 C, D, 7487 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 7486 C, 7538 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : als Abgeordneter . . . . 7486 D, 7487 A als Vizepräsident 7516 D, 7531 A, 7537 D, 7538 B, C, 7540 D, 7548 B Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 7488 A Erler (SPD). 7493 A, 7499 B, 7530 D, 7533 D, 7535 B, C, D, 7537 B, 7552 C, D, 7554 C Kiesinger (CDU/CSU) 7499 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 7499 B von Manteuffel (Neuß) (DA) . . . 7504 D Dr. Reif (FDP): zur Geschäftsordnung 7516 C zur Sache 7551 B Rasner (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 7516 C Dr. Mende (FDP) . 7516 D, 7531 A, 7534 B, 7536 D, 7537 D, 7541 A Feller (GB/BHE) 7526 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 7530 C, 7531 A, D, 7533 D, 7534 B, 7535 C, D, 7536 D, 7537 B, D, 7538 A, D Mellies (SPD) 7531 D, 7537 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP). . .7539 A, 7540 D., 7541 A Eickhoff (DP) 7543 B Merten (SPD) 7543 C Wehner (SPD) 7548 B Frau Hütter (FDP) 7548 B Nellen (CDU/CSU) 7549 B Berendsen (CDU/CSU) 7552 B, D Dr. Bucher (FDP) 7554 B Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7555 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung (Drucksache 2341) 7555 A Blank, Bundesminister für Verteidigung . . 7555 A, 7558 B, 7562 C Dr. Reichstein (GB/BHE) 7555 D Dr. Mende (FDP) 7557 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 7558 C Berendsen (CDU/CSU) 7562 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 7563 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Rentenversicherungsgesetz) (Drucksache 2314) . . 7563 D Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 7563 D, 7571 D Storch, Bundesminister für Arbeit . 7570 C Horn (CDU/CSU) 7571 C Frau Finselberger (GB/BHE) . . 7572 B Dr. Hammer (FDP) 7573 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 7573 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, 722, 601, 5; Umdrucke 596, 597, 598) 7573 C Lücke (CDU/CSU) . . . . 7573 D, 7576 D Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 7574 D Jacobi (SPD) 7576 B, 7579 B Vizepräsident Dr. Schneider 7576 D, 7578 B Dr. Will (FDP) 7577 A Frau Heise (SPD) 7578 B Körner (DA) 7578 C, 7581 B Graaff (Elze) (FDP) 7580 B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7580 D Stierle (SPD) 7581 A Abstimmungen 7581 B, D Nächste Sitzung 7582 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7582 B Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der FDP, GB/BHE, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 596) 7583 A Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 597) 7583 B Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 598) 7583 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Dr. Starke 31. 7. Peters 15. 7. Meitmann 15. 7. Blachstein 30. 6. Gedat 30. 6. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Brühler 16. 6. Dr. Hellwig 16. 6. Runge 16. 6. Frau Geisendörfer 9. 6. Altmaier 2. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Müller-Hermann 2. 6. Kahn 1. 6. Dr. Bartram 31. 5. Neuburger 31. 5. Frau Dr. Steinbiß 19. 5. Frau Friese-Korn 12. 5. D. Dr. Gerstenmaier 12. 5. Moll 12. 5. Pusch 12. 5. Frau Kalinke 10. 5. Dr. Moerchel 10. 5. Frau Niggemeyer 10. 5. Rehs 10. 5. Dewald 9. 5. Karpf 9. 5. Ollenhauer 8. 5. Dr. Orth 6. 5. Albers 5. 5. Frau Albertz 5. 5. Dr. Franz 5. 5. Dr. Greve 5. 5. Klingelhöfer 5. 5. Lemmer 5. 5. Lenz (Brühl) 5. 5. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 5. Morgenthaler 5. 5. Pelster 5. 5. Schneider (Hamburg) 5. 5. Bauer (Wasserburg) 4. 5. Bender 4. 5. Fürst von Bismarck 4. 5. Brandt (Berlin) 4. 5. Dr. Bucerius 4. 5. Dr. Deist 4. 5. Frau Döhring 4. 5. Ehren 4. 5. Gerns 4. 5. Glüsing 4. 5. Heiland 4. 5. Dr. Graf Henckel 4. 5. Jacobs 4. 5. Dr. Keller 4. 5. Knobloch 4. 5. Kramel 4. 5. Leibfried 4. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 4. 5. Schill (Freiburg) 4. 5. Schmitt (Vockenhausen) 4. 5. Schoettle 4. 5. Schrader 4. 5. Dr. Strosche 4. 5. Frau Wolff (Berlin) 4. 5. Ziegler 4. 5. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Gille 16. 6. Dr. Köhler 19. 5. Anlage 2 Umdruck 596 (Vgl. S. 7580 B, 7581 B) Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, GB/BHE, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 18 a) erhält Abs. 1 Satz 2 folgende Fassung: Vom Rechnungsjahr 1957 ab stellt der Bund hierfür einen Betrag von mindestens 700 Millionen Deutsche Mark im Bundeshaushalt zur Verfügung. b) werden folgende neue Absätze 1 a und 1 b eingefügt: (1 a) Von dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag werden im Rechnungsjahr 1958 10 vom Hundert, im Rechnungsjahr 1959 20 vom Hundert und im Rechnungsjahr 1960 30 vom Hundert für Zins- oder Annuitätszuschüsse zur zusätzlichen Förderung des Baues von Familienheimen bereitgestellt. Die nach Satz 1 gewährten Zins- oder Annuitätszuschüsse werden jeweils auf die Dauer von 20 Jahren gegeben. (1 b) Vom Rechnungsjahr 1961 ab stellt der Bund jährlich einen Betrag im Bundeshaushalt zur Verfügung, der sich gegenüber dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag je Rechnungsjahr um 70 Millionen Deutsche Mark verringert, soweit er nicht für die in Absatz 2 genannten Zins- oder Annuitätszuschüsse benötigt wird. Bonn, den 4. Mai 1956 Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 597 (Vgl. S. 7582 A) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270,1 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: in § 110 a) die 'Überschrift wie folgt zu ergänzen: Überleitungsvorschriften für öffentlich geförderte Eigenheime, Kleinsiedlungen, Kaufeigenheime und Eigentumswohnungen; b) in Abs. 1 zwischen Satz 1 und 2 folgenden neuen Satz einzufügen: Öffentlich geförderte Eigentumswohnungen, auf die die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes anzuwenden sind, sind auf Antrag als eigengenutzte Eigentumswohnungen anzuerkennen, wenn sie den in § 12 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Voraussetzungen entsprechen. Bonn, den 4. Mai 1956 Graaff (Elze) Dr. Dehler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 598 (Vgl. S. 7581 B, D) Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 32 Abs. 1 erhält Buchstabe b die folgende Fassung: b) über die Anzahl der nachweislich noch unzumutbar untergebrachten Wohnungsuchenden, insbesondere solcher, die in Lagern, Baracken, Bunkern, Nissenhütten oder ähnlichen nicht dauernd für Wohnzwecke geeigneten Unterkünften untergebracht sind. Bonn, ,den 4. Mai 1956 Körner von Manteuffel (Neuß) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hasso von Manteuffel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben mich beauftragt, nur zu zwei Fragen heute Stellung zu nehmen, die jetzt zur Entscheidung stehen, und zwar zu der Frage nach dem Wehrsystem und danach kurz auch noch zur Frage der Dienstzeitdauer, weil wir die anderen Fragen ja im Ausschuß besprechen können.
    Die Frage des Wehrsystems ist nach meiner Auffassung nur aus der Schau zu beantworten: Wie kann unter Berücksichtigung aller politischen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse die Wehrkraft des Volkes am wirkungsvollsten eingesetzt werden? Hierbei sind dann die Lage innerhalb der Gemeinschaft, in der wir leben, die Lage, die durch die zersetzende Zweiteilung Deuschlands entstanden ist, die personellen, psychologischen, gegesetzgeberischen und finanziellen Schwierigkeiten — um nur einige zu nennen — gleichfalls in Rechnung zu stellen. Ich stelle das voran, weil in der Debatte in der Öffentlichkeit und in dem, was man darüber liest und hört, die Grundzüge sehr verschwommen dargestellt werden. Ich meine, die gesamte Frage sollte, wie es soeben bei meinen beiden Vorrednern geschehen ist, nur unter rein sachlichen Gesichtspunkten der staatspolitischen Notwendigkeiten und nicht etwa unter wahltaktischen Berechnungen, erst recht nicht mit einem spekulativen Blick auf die nächste Bundestagswahl erörtert werden. Das ist herauszustellen, weil ein Teil der Sprecher in der Öffentlichkeit im Grundsatz einer allgemeinen Wehrpflicht zustimmt, aber mit den merkwürdigsten Verklausulierungen sich in der Gegenwart der unangenehmen Pflicht entledigen will, klar Stellung zu nehmen. Ich bin der Auf-


    (von Manteuffel [Neuß])

    Fassung, daß Wehrprobleme keine Wahlschlager sind,

    (Abg. Kiesinger: Sehr richtig!) jetzt nicht, 1957 nicht — und nicht so!


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Bei dem politischen Aspekt, unter den die ganze Problematik zu stellen ist, sollten wir nicht vergessen, daß es heute keine einzelnen Völkerschicksale mehr gibt, sondern daß auch wir einer Gemeinschaft von Völkern angehören, die, wie Herr Erler früher mehrfach gesagt hat, entweder gemeinsam weiterlebt oder in der Umwelt, in der wir nun einmal leben müssen, gemeinsam untergeht. In diesem Sinne wird eben viel zu oft vergessen, daß die gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen in der Gemeinschaft, in der wir leben, kein Selbstzweck sind, sondern daß es darauf ankommt, aus politischen wie aus militärischen Gründen das Gleichgewicht zwischen militärischer Stärke und wirtschaftlichen, sozialen und politischen Notwendigkeiten zu wahren und diese Dinge miteinander in Einklang zu bringen, und zwar nicht nur bei uns, sondern auch im Verhältnis zu unseren Verbündeten. Ich meine, wir sollten bei dieser Schau auch nicht vergessen, daß wir nicht der freie souveräne Staat wären, der wir heute sind, wenn nicht die äußerst kostspieligen Verteidigungsanstrengungen unserer jetzigen Verbündeten nach dem Kriege gewesen wären.
    Der deutsche Verteidigungsbeitrag hat nur einen Sinn im Rahmen der Gemeinschaft, und die Bundeswehr kann nur ein Teil der westlichen Verteidigungsmacht sein. Die Verträge verpflichten uns — wie Herr Erler soeben sehr ausführlich dargelegt hat — zu einem angemessenen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung, wobei jedes Mitglied — das ist richtig — über das Ausmaß seiner politischen und militärischen Vertragsverpflichtungen selbständig zu entscheiden hat. Ich bin aber der Auffassung, daß die Aufstellung eines nach Zahl, Art, Bewaffnung und Ausrüstung nicht wirksamen Verteidigungsinstrumentes einer solchen Verpflichtung nicht gerecht wird.
    Ich schicke dies voraus, weil teilweise die politische und strategische Folgerung gezogen wird, daß die Streitkräfte der Bundeswehr keine andere Funktion haben als die, das militärische Gleichgewicht zu dem Potential der sogenannten DDR herzustellen. Ich glaube, dieser Definition liegt — das ist jedenfalls meine und die Auffassung meiner politischen Freunde — der Wunsch zugrunde, die Bundesrepublik zu einem regionalen Sondergebiet innerhalb der NATO zu machen. Ich halte das für falsch und für gefährlich. Erstens sind die militärischen Leistungen der einzelnen Staaten nicht auf deren jeweilige Nachbarn zugeschnitten, sondern sie werden als Teilbeträge für die Aufgaben innerhalb des Gesamtorganismus verstanden und gewertet werden müssen. Man kann zweitens auch nicht übersehen, wie stark die Sowjets militärisch unter Einschluß der Armeen ihrer Einflußgebiete und unter Einbeziehung der vormilitärischen Ausbildung beider Geschlechter auf breitester Grundlage im Zusammenhalt mit den sogenannten Werkschutzeinheiten, Werkschutzabteilungen und vielem anderen in ihrem Lande und in den Ländern ihres Einflußbereiches — auch in der DDR — tatsächlich sind.
    Nun wird gesagt, wir sollten nicht auf der uns durch die Verträge zugebilligten Stärke bis zu
    500 000 Mann bestehen. Deshalb erhebt sich die Frage, ob sich die Verpflichtung zu gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen mit einer geringeren Stärke erfüllen läßt. Diese Folgerung ist in Deutschland — nach meiner Auffassung fälschlicherweise — gezogen worden. Sie wird damit begründet, daß die Sicherheit gegenüber der sowjetischen militärischen Bedrohung jetzt verhältnismäßig unwichtig sei und daß die Wiedervereinigung am besten durch die Preisgabe der Sicherheit, die die NATO bietet, erreicht werden könne.
    Ein Sprecher im Bundesrat hat dem mit den Worten Ausdruck gegeben: „Militärisch kommt es in Westeuropa auf ein paar westdeutsche Divisionen mehr oder weniger nicht an. Der schmale Gebietsstreifen Resteuropas genügt nicht für die Raumanforderung eines modernen Krieges. Deutschland kann im besten Fall immer nur Vorfeld sein, dessen Schicksal aus der Erfahrung heraus bekannt ist."
    Nun erlauben Sie mir, auch ein paar Worte von General Gruenther anzuführen, den mein Kollege Erler vorhin angezogen hat. Er hat so formuliert: „Wir können unsere Pläne nicht aus der Tagespolitik herleiten. Die Verteidigungsplanung ist eine Funktion der Beurteilung des militärischen Potentials eines eventuellen Gegners. Ich stelle fest, daß dieses nach wie vor im steten Anwachsen begriffen ist", und ich meine, die zahlenmäßige Schwäche der Streitkräfte der NATO in bezug auf konventionelle Waffen muß beseitigt werden, um den Gegner eben nicht zu kleinen Kriegen wie z. B. in Korea unter Vermeidung von Atomwaffen zu verleiten. Diesetwegen ist nach meiner Auffassung die deutsche Beteiligung an der gemeinsamen Verteidigung Europas militärisch dringlich. Die Einbeziehung der Bundesrepublik in die NATO hat damit ihren Wert für sich, indem sie eben die Grenzen des NATO-Inspektionsgebietes weiter nach Osten vorgeschoben und damit den allgemeinen Sicherheitskoeffizienten erhöht hat. Deutsche Truppen haben dabei die Aufgabe, mitzuhelfen, ganz Europa so weit vorwärts wie möglich im Osten zu verteidigen.
    Ich meine: Wenn wir eben nicht wollen, daß der Raum zwischen Rhein und Elbe nur als Vorfeld betrachtet wird, das man nach Belieben verteidigen oder auch aufgeben kann, ist die Erfüllung der Verpflichtung in der Stärke notwendig, die in den eingegangenen Verträgen vereinbart worden ist und die — das darf doch nicht übersehen und auch nicht verschwiegen werden — der jährlichen Überprüfung durch die politischen Gremien der Atlantikpaktorganisation unterliegt.
    Man löst militärische Probleme — und von denen wird hier im Augenblick gesprochen — nicht durch ausgleichende politische Kompromisse. Die strategische Planung mag wohl von einem Kompromiß zwischen den gegeneinanderstehenden Risiken ausgehen; aber ihr Wert steht und fällt mit der richtigen Entscheidung über die vordringlichen Aufgaben auf dem militärischen Sektor. Ein kleineres deutsches Kontingent aufzustellen, als es beabsichtigt ist, heißt eben, der Verteidigungskraft der westlichen Gemeinschaft einen Stoß zu versetzen.
    Im Zeitalter der atomaren Waffenführung kann der Sinn eines größeren Kontingents zweifelhaft sein. Das ist heute schon mehrfach berührt worden und wird auch noch von mir eingehend beleuchtet werden. Aber dann werden wir eben mit


    (von Manteuffel [Neuß])

    den anderen Atlantikpaktstaaten gemeinsam einen Entschluß über die Umstellung der Wehrorganisation auf eine andere gemeinsame Organisationsform fassen müssen. Solange aber die UdSSR trotz der Entwicklung neuartiger Waffen — ich denke dabei an die transkontinentalen Raketen usw. — ihre zahlenmäßig sehr starken herkömmlichen Streitkräfte nicht abschafft, sollte man dies im Westen auch nicht tun.
    Die 'Unterstellung dabei, es handle sich bei der Aufrüstung unsererseits um eine Maßnahme „um jeden Preis", wie, wenn nicht schon gesagt, so doch sicher geschrieben wurde, ist nach meiner Auffassung falsch. Sie ist deshalb nicht richtig, weil der Deutsche Bundestag durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in Art. 87 a selbst festgelegt hat, daß sich „die zahlenmäßige Stärke der vom Bund aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation aus dem jährlichen Haushaltsplan ergeben müssen."
    Ich komme daher von diesem außenpolitischen Aspekt zu dem Schluß, daß eine Stärke des Beitrags bis zu 500 000 Mann militärisch erforderlich erscheint, auch im Zeitalter der neuesten Waffen. Diese Stärke würde selbst bis zur vollen Höhe von 500 000 Mann, wie ja auch gesagt wurde, nur 1 % der Bevölkerung der Bundesrepublik darstellen und liegt infolgedessen zum großen Teil unter den Leistungen anderer Partner in der Gemeinschaft, in der wir leben. Ich bin der Auffassung, daß man ansonsten nicht von einem „angemessenen" Beitrag sprechen kann und daß diese Verpflichtung ohne die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht erfüllt werden kann.
    Nun ist aber der Einwand sehr sorgsam und sorgfältig zu prüfen, ob und gegebenenfalls weshalb die Aufstellung eines deutschen Kontingents in der beabsichtigten Höhe und durch die allgemeine Wehrpflicht die Abrüstungsverhandlungen stört. Die Gegner der allgemeinen Wehrpflicht sagen, daß es unsinnig sei, jetzt, wo die Abrüstungsgespräche noch laufen, die Bundesrepublik auf eine Stärke aufzurüsten, die nachher wieder abgebaut werden müßte. Dieses Argument stützt sich, glaube ich jedenfalls, mehr auf die Hoffnung, daß die Bereitschaft zu dieser Abrüstung im Westen auch von den Sowjets geteilt wird. Aber abgesehen von der Frage, ob es für die Sowjets nicht viel entscheidender ist, inwieweit sie die USA mit ihrem riesigen Potential zu einem Abrüstungsabkommen bringen können, weil das dann für sämtliche NATO-Staaten militärisch ganz erhebliche und bedeutsame Folgen hätte, abgesehen davon, daß es für die Abrüstungswilligkeit der Sowjets nicht übermäßig interessant, wenn auch nicht uninteressant ist, ob 250-, 350- oder 500 000 Soldaten der Bundesrepublik existieren, — abgesehen von alledem wird man sich fragen, ob man unsererseits ein mögliches Abrüstungsabkommen nicht dadurch geradezu verschenkt, daß man sich von vornherein freiwillig in einer Weise beschränkt, ohne daß die andere Seite, die Sowjets nämlich, bisher irgend etwas dazu getan hat;

    (Sehr gut! in der Mitte)

    denn die kürzlich vorgenommene Verminderung ihrer Landstreitkräfte hat doch bei den riesigen dahinterstehenden Reserven ausschließlich taktische Bedeutung. Dieses Verschenken birgt ein Risiko, vielleicht sogar ein allzugroßes Risiko in sich.
    Ich pflichte daher der Bundesregierung bei, die erklärt, Deutschlands Forderung nach Einheit in Freiheit solle den Abrüstungsverhandlungen nicht im Wege sein, nur solle sie auch nicht ausgeklammert und nicht isoliert behandelt werden. Denn niemand kann stärker hoffen — da unterstreiche ich das, was auch der von mir geschätzte Kollege Erler so deutlich gesagt hat —, daß die Bemühungen um Abrüstung in der Welt zu einem Erfolg führen, als gerade wir, die wir zwischen diesen beiden großen Weltblöcken geradezu eingeklemmt sind. Aber diese Abrüstung darf eben nicht auf Kosten der Lebensinteressen des deutschen Volkes zustande kommen, muß also die Wiedervereinigung einschließen. Diese Frage wiederum kann nicht gewaltsam gelöst und behandelt werden, sondern auch im deutschen Interesse nur bedächtig und vorsichtig. Nur wenn die Bundesrepublik ihre militärische Planung mit Entschlossenheit verwirklicht, hat sie Aussicht, daß sie bei Abrüstungsverhandlungen ihren Einfluß in die Waagschale werfen kann, wobei auch zu berücksichtigen und zu werten ist, daß die Bundesrepublik bereits freiwillig Beschränkungen in militärischer Hinsicht auf sich genommen hat. Diese Beschränkungen liegen in der beabsichtigten Stärke, in der Nichtherstellung der sogenannten ABC-Waffen, in dem Verzicht auf die operative Luftwaffe und auch in der Absicht des Gesetzgebers, für bestimmte Jahrgänge eine verkürzte Grundwehrausbildung zuzulassen, Beschränkungen, die vom Standpunkt der militärischen Wirksamkeit der Landesverteidigung einigen vielleicht sogar bedenklich erscheinen mögen. Die Beschränkungen liegen weiterhin in den Festsetzungen der Marinestreitkräfte.
    Erschrecken Sie nicht, meine Damen und Herren, aber ich glaube: wie weit die völkerrechtliche Bindung reicht, die uns Herr Erler hier sehr eingehend dargestellt hat, mag vielleicht die wesentliche Frage einer Doktorarbeit sein, denn es ist sicher, daß die Verbindlichkeit nicht bestritten werden kann. Wenn das deutsche Kontingent seinem Umfang nach beschränkt werden soll, muß es eben mit den anderen Vertragspartnern ausgehandelt werden.
    Von der Außenpolitik her verbinden sich die Überlegungen auch mit der Frage, ob die Aufstellung der Bundeswehr in dem von der Bundesregierung im Endziel beabsichtigten Rahmen eine Wiedervereinigung fördert oder ihr womöglich abträglich ist. In diesem Sinne wird gesagt, wenn die Bundesrepublik die allgemeine Wehrpflicht einführe, werde die sogenannte DDR das gleiche tun, wodurch viele junge Deutsche in schwere Gewissenskonflikte kommen würden, zumal sich in der Welt das Bild einer Entspannung ergebe, damit also auch einer Abkehr von der rein militärischen Denkkategorie, und somit auch eines Bedeutungswandels der deutschen Aufrüstung.
    So verständlich und so notwendig es ist, diesen Überlegungen nachzugehen, so bedeuten sie doch in gewissem Sinne nach meiner Auffassung eine einseitige Betrachtung, die meines Erachtens nicht genügt, die außenpolitische Bedeutung der Existenz deutscher Streitkräfte zu erkennen. Denn die Tatsache des Bestehens deutscher Streitkräfte wird das Schwergewicht der Bundesrepublik innerhalb der westlichen Bündnisse zunächst einmal wesentlich verstärken. Auch große neutrale Staaten wissen genau, daß sie ihre Existenz auf Grund starker militärischer Streitkräfte aufrechterhalten können.


    (von Manteuffel [Neuß])

    Aber eine Tatsache, die zur Grundlage der Beurteilung der Wehrpolitik gemacht werden muß, ist die jedem vernünftigen Beobachter erkennbare Tatsache, daß der Bolschewismus ja doch nicht nur revolutionär, sondern auch im höchsten Grade aggressiv ist. Wer diese Erkenntnis nicht hat und wer in seiner Politik dem militanten Charakter des Bolschewismus nicht Rechnung trägt, wer aus ihm nicht die meiner Auffassung nach notwendigen Konsequenzen zu ziehen bereit ist, handelt nicht der Wirklichkeit entsprechend. Der Kreml selber hat ja früher die Wiedervereinigung Deutschlands als eine Frage der Sicherheit hingestellt. Eine effektive allgemeine Abrüstung ist in der Tat nur denkbar, wenn die Ursachen der Spannung beseitigt und Voraussetzungen der allgemeinen Sicherheit vorhanden sind. Die Abrüstung aber vor der Errichtung eines Sicherheitssystems und vor der deutschen Wiedervereinigung wäre eine Vorleistung des Westens, nach der dieser meiner Auffassung nach kein Mittel mehr hat, die Sowjets zu Zugeständnissen in der deutschen Frage zu veranlassen. Wenn den Sowjets so sehr an dem Gedanken einer militärisch verdünnten Zone liegt und er ihnen so sehr gefällt, sollten sie doch einmal auf die Probe gestellt werden, welche Gegenleistung sie zu geben bereit sind. Denn kollektive Sicherheit kann für Europa nach meiner Auffassung nur dann verwirklicht werden, wenn die Bedrohung — als deren Gegengewicht die NATO geschaffen wurde — aufhört zu bestehen. Diese Bedrohung durch die Sowjetunion — daran muß erinnert werden, weil Herr Erler vorhin bezüglich der Reihenfolge sagte, die Sowjets hätten immer nachgezogen nach gewissen Maßnahmen, die wir getroffen hätten —, entsprang dem besonderen Verhältnis, in dem die 1 UdSSR zu den osteuropäischen Ländern steht. Man darf dabei also nicht allein die UdSSR betrachten; bei jeder Diskussion über kollektive Sicherheit ist nach meiner Auffassung das interne Regime in den Satellitenstaaten und deren Abhängigkeitsverhältnis zur UdSSR von ausschlaggebender Bedeutung. Solange die Satellitenstaaten Moskau unterworfen bleiben, ist es für die westlichen Länder notwendig, untereinander ein ähnliches — allerdings, das ist der Unterschied, freiwilliges — Verhältnis aufrechtzuerhalten.
    Deshalb drängt sich mir die Schlußfolgerung auf, daß die wahre Probe auf die Bereitschaft der UdSSR, über eine allseitige Entspannung zu verhandeln, ihre Bereitschaft ist, ihre eigene Vormachtstellung in der einen Hälfte Europas zur Diskussion zu stellen mit dem Ziel, diese Abhängigkeit zu lösen und das durch Taten dann wirklich glaubhaft zu machen.
    Man wird der „Welt der Arbeit" zustimmen können, wenn sie vor einiger Zeit die Erhaltung des Friedens als vor allem von den Sowjets abhängig bezeichnete und schrieb — erlauben Sie, Herr Präsident, das ich das kurz vorlese —:
    Wenn sie,
    — die Sowjets —
    statt aufzurüsten, Frieden schließen, ihre Truppen aus Europa abziehen, sich und ihre Satelliten abrüsten und damit die Räumung Deutschlands von allen Besatzungsmächten ermöglichen, dann gibt es keine Gefahr eines Zusammenstoßes auf unserem Kontinent, dann bedarf es keines Verteidigungssystems, dann ist die Frage der deutschen Einheit gelöst. An die Adresse des Kremls also, der alle Abrüstungsverhandlungen sabotiert und überall in der Welt Unruhe stiftet, muß daher jeder Protest in erster Linie gerichtet sein.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, der enge Zusammenhang der Probleme um die deutsche Wiedervereinigung mit einem europäischen Sicherheitssystem hat eine gewisse Abhängigkeit geschaffen — wie heute hier schon erwähnt —, die parallele Fortschritte bei der Lösung beider Fragen erforderlich macht. Deren Lösung würde erleichtert werden, wenn auch bei der Vorbereitung eines allgemeinen Abrüstungsabkommens Fortschritte in dem hiermit zusammenhängenden Problem der Wiedervereinigung erzielt würden.
    Es erscheint mir aber ebenso einseitig, meine Damen und Herren, die außenpolitische Bedeutung der deutschen Streitkräfte für die Wiedervereinigung nur aus dem Gesichtswinkel sehen zu wollen, auf welche Sympathien oder Antipathien ihre Existenz bei der Pankower Regierung beispielsweise stößt, wie ich neulich gelesen habe. Ich meine, überragend und entscheidend ist doch die Überlegung, ob und inwieweit die gesamte Politik der UdSSR als der wirklichen Machthaberin in dieser Zone durch die Existenz der Bundeswehr beeinflußt wird oder nicht. Das Bekenntnis zu den eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft sichert der außenpolitischen Entwicklung der Politik der Bundesregierung eine Stetigkeit, die auf die Dauer die einzige Möglichkeit garantiert, ein langsames Zurückweichen des sowjetischen militärischen Machtbereichs zu bewirken und damit auch der Wiedervereinigung näherzukommen. In diesem Sinne vermag der deutsche Beitrag zu der gemeinsamen Verteidigungsanstrengung auch eine militärische Klammer zu der Schicksalsgemeinschaft darzustellen dadurch, daß mit jedem Verband, der in der Bundesrepublik aufgestellt wird, auch die politische Front des Westens gestärkt wird und damit die sowjetische Strategie des divide et impera Erfolgschancen verliert. Deshalb sind wir der Auffassung, daß auch das mit der Freiheit unvermeidlich verbundene Risiko und auch die Opfer getragen werden müssen, die zur Erhaltung der persönlichen Freiheit für jeden Mitbürger in der Bundesrepublik hiermit verbunden sind.
    Im übrigen bleibt festzuhalten, daß Freiheit ja nur dann ein Dauerwert ist, wenn sie erlebt und erfahren ist, d. h. die Frage verteidigungswerter Werte kann nach unserer Auffassung befriedigend und überzeugend nur aus dem Gewissen des Einzelnen und vor einer höheren Instanz als der des politischen Zweckmäßigkeitsdenkens gegeben werden. Daß die Freiheit des Menschen in erster Linie aber zu den Werten gehört, die es wert sind, verteidigt zu werden, daß sie damit Voraussetzung und ständige Aufgabe jeder demokratischen Rechts- und Staatsordnung ist, ist der Ausgangspunkt dieser Betrachtung für jeden Einzelnen oder sollte es zumindest sein. Uns sind diese Werte verteidigungswert, und wir sind daher bereit, hierfür Opfer auf uns zu nehmen, die diese Gewissenskonflikte lösen helfen.
    Die Wurzel der gegenwärtigen Auseinandersetzungen ist ja gar nicht so sehr strategischer oder militärischer Art, sondern im wesentlichen politischer Art, weil die atomare Überlegenheit im Konfliktsfalle manche Politiker hier im Westen zu der Auffassung verleitet, daß es genügt, wenn man lediglich mehr oder weniger kleine Heere aufstellt. Dieser Gedanke spielt auch bei den Befürwortern


    (von Manteuffel Neuß])

    eines verhältnismäßig kleinen Berufsheeres in der Bundesrepublik eine nicht unerhebliche Rolle. Die politische Kehrseite davon ist jedoch, daß dies eine Entspannung auf der Grundlage des Status quo voraussetzt, auch wenn dies nicht ausgesprochen oder nicht beabsichtigt ist. Dies wird leider oft übersehen. Es bedeutet eine Einigung der Großmächte über das geteilte Deutschland hinweg, und dieser Gedanke liegt wahrscheinlich auch — ich möchte es annehmen — dem letzten sowjetischen Abrüstungsplan zugrunde, der eine Entspannungszone in einem geteilten Deutschland vorsieht. Der Status quo bleibt aber nach unserer Auffassung eher bestehen, wenn die Bundesrepublik ihre Politik auf eine unrealistische und widerspruchsvolle Konzeption versteift. Die politische Frage, wie die Bundeswehr mit der NATO verklammert werden soll, darf doch, weil sie dies soll und weil man darin einen Ausdruck der Außenpolitik der Bundesregierung sieht und deshalb ablehnt, sicher nicht zu Lasten der Verteidigungsbereitschaft und Wirksamkeit des zu schaffenden Verteidigungsinstruments ausgefochten werden, die beide darunter ganz entscheidend leiden müssen. Der Schlüssel für diese Abrüstung liegt nach unserer Auffassung im Plan einer qualitativen Abrüstung in Verbindung mit einem geeigneten Verfahren der technischen Überwachung, und der gemeinsame Nenner ist die Erkenntnis, daß eine Abrüstung ohne ein gewisses Maß an Inspektion und, wie ich glaube, erzwingbarer Kontrolle vorläufig eine Illusion ist und bleibt; denn die Kernfrage ist nicht die Durchführbarkeit, sondern die Annahme von seiten der Großmächte.
    Dazu gehört, wie es von beiden Herren Vorrednern auch gesagt worden ist, wiederum Vertrauen zwischen der UdSSR und den Westmächten. Aber man kann sich des Eindrucks, jedenfalls auf Grund des bisherigen Verhaltens der UdSSR auch in den Abrüstungsverhandlungen, nicht ganz erwehren, daß der Kreml eben keine Verständigung, sondern nur eine Entspannung sucht. Nun kann man zwar sagen, daß die Entspannung die Vorstufe zur Verständigung sein könnte. Sie muß es aber nicht sein; denn nur die Verständigung löst Probleme, während die Entspannung ein Vorbeisehen an den Tatsachen und Zudecken von Gegensätzen bedeutet. Auch die Abrüstungspolitik kann also, wie überhaupt die Politik, nicht von einer Situation der Schwäche ausgehen.
    Es ist richtig, wenn gesagt wird: Ein Denken in militärischen Stützpunkten und Verteidigungsgürteln, in Divisionsstärken und mehr allein ist sicherlich falsch. Darüber kann, glaube ich, kein Zweifel bestehen. Aber ich meine, militärische Sicherungen sind in der Umwelt, in der wir, wenn Sie so wollen, verdammt sind zu leben, notwendig und unerläßlich.

    (Abg. Berendsen: Sehr richtig!)

    Es ist ein Irrtum, zu glauben, für die Abwehr des militanten Bolschewismus genüge es allein, wirtschaftliche und soziale Zustände zu schaffen, die eine Infizierung durch die kommunistische Ideologie unmöglich machen. Jawohl, meine Damen und Herren, sie sind notwendig, bitter notwendig, gerade auch in unserer noch nicht gefestigten Ordnung. Aber die Abwehr gegen diesen militanten Bolschewismus ist eben auf allen Gebieten zu führen, d. h. neben die Schaffung gesunder wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse muß der Aufbau einer wirksamen militärischen Abwehr treten.
    Ich komme deshalb in diesem Sinne zu dem Schluß: das rein politische Argument, die allgemeine Wehrpflicht würde die Spaltung vertiefen, ist sowieso nicht durchschlagend, weil die politische Entscheidung durch die Annahme der Verträge gefallen ist, und man würde, wenn man ihm nachgäbe, unseren Verteidigungswillen in Frage stellen. Über die Stärke kann man sich nachher unterhalten. Ich meine: gerade von der Plattform einer festgefugten und auch militärisch abgesicherten Bundesrepublik haben wir zwecks Wiedervereinigung eine bessere Verhandlungsposition, wenn diese keine Selbstaufgabe, sondern eine freie Entfaltung der Nation sein soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bevor man aber über die wirksamste Verteidigungsorganisation und damit auch über die Stärke und die zweckmäßigste Wehrform entscheiden kann, muß noch Stellung dazu genommen werden, ob nicht im Lichte der Entwicklung und Weiterentwicklung neuartiger Waffen — ich meine sowohl die Atomwaffen wie Wasserstoffbomben wie nun auch die transkontinentalen Raketen — ein militärisches Umdenken notwendig ist, und zwar im besonderen hinsichtlich der sogenannten herkömmlichen Waffen. Das ist, worüber wir zunächst zu entscheiden haben.
    Wir haben dabei die Frage zu beantworten, ob sie überhaupt noch in der Stärke notwendig sind, wie sie hier bisher alle militärischen Staaten als erforderlich bezeichnet haben. Ich darf an den Anfang stellen, daß der Präsident der USA kürzlich gesagt hat, „daß die Abrüstung in erster Linie in der Beschränkung der Waffen, statt in der von Soldaten gesucht werden muß". „Die Personalstärken", sagte er, „beginnen mit der Vervollkommnung der Fernvernichtungswaffen uninteressanter zu werden." Hierzu ist zu sagen — erlauben Sie mir einen kleinen Abstecher in dieses operativ-strategische Gebiet —: Auf allen Landkriegsschauplätzen der Vergangenheit war jeweils das Heer der Hauptträger des Kampfes. Es hatte hierbei sofort beim Ausbruch der Feindseligkeiten durch Vernichtung des feindlichen Landheeres und seiner Helfer bei gleichzeitiger Besetzung des feindlichen Territoriums die Entscheidung herbeizuführen. Dies trifft heute nicht mehr in dieser Weise zu, weil leider bezweifelt werden muß, ob durch Vernichtung aller Atom- und Wasserstoffbomben infolge eines internationalen Abkommens nun endlich der Alpdruck behoben werden kann, unter dem die gesamte Menschheit jetzt leidet und schon seit einem Jahrzehnt lebt. Aber gegen die Gefahr — das muß allerdings hier eingeflochten werden —, daß nukleare Waffen und Kampfgeräte im geheimen doch erzeugt und gestapelt werden können, gibt es jedenfalls vorerst anscheinend keine Garantie. Ich glaube sogar, daß diese Garantie, daß diese Waffen nicht eingesetzt werden, so grotesk es klingt, wahrscheinlich eher in dem Vorhandensein, nämlich in der abschreckenden Wirkung des Risikos bei gegenseitigem Einsatz liegt. Das heißt, ihr Vorhandensein in entschlossener Hand garantiert, daß der weltrevolutionäre Osten, der zwar von Zeit zu Zeit seine Taktiken ändert, nicht aber sein strategisch weitgestecktes Ziel der Welteroberung, nicht angreift. Und so scheinen vorerst jedenfalls — das Bild hat uns Herr Erler, wenn ich so sagen darf, richtig ausgemalt — Atom-und Wasserstoffbomben zum Mittel der Abschrekkung geworden zu sein.


    (von Manteuffel [Neuß])

    Und doch ist es falsch, meine Damen und Herren, die Verteidigung des Westens allein auf diese Waffen abzustellen. Denn seitdem die Atomwaffen und weiteren Zerstörungsmittel — ich denke dabei gerade an die transkontinentalen Raketen, die ja Herr Chruschtschow in London noch kürzlich erwähnt hat und die die Sowjetunion nun auch besitzt — im Besitz der beiden Großmächte sind, und je mehr die Sowjetunion den anfänglichen Vorsprung auf diesem Gebiet aufholen wird, desto sicherer ist es vielleicht — ich habe die Hoffnung —, daß eine uneingeschränkte Verwendung dieser Waffen für beide Teile nunmehr dem absoluten Selbstmord gleichkommen würde, wie Herr Erler das sagte.
    Wollten sich daher die freien Völker Europas im wesentlichen auf den Schutz durch die Atomwaffen der NATO verlassen, würden sie wahrscheinlich selbst dazu beitragen, das Unheil des Kampfes mit diesen neuartigen Waffen heraufzubeschwören. Es kommt hinzu, daß diese Abschreckungstheorie bisher im wesentlichen auf dem Vorhandensein der strategischen Luftwaffen der NATO-Staaten beruhte, die in der Lage sind, alle Teile des sowjetischen Machtbereichs mit Atomwaffen zu erreichen.
    Entscheidend verändert hat sich nun diese militärische Lagebeurteilung durch die allerneueste waffentechnische und daraus auch folgend die strategische Entwicklung insofern, als eben diese strategischen Luftwaffen durch die transkontinentalen Raketen in gewissem Sinne abgelöst wurden, zumindest in manchen Gebieten. Diese Raketen werden heute — das wissen wir — von beiden Großmächten mit Nachdruck entwickelt und ausprobiert. Ich glaube, es ist noch gar nicht abzusehen, wohin die technische Entwicklung dieser Waffen führt. Damit werden auch die Grundlagen der Strategie, nicht nur die politischen Grundlagen übrigens, verändert. Daraus folgt, daß die sogenannten herkömmlichen Waffen im weiteren Fortschritt der technischen Vervollkommnung dieser neuen von mir eben genannten Waffen wieder an Bedeutung gewinnen. Warum? Konnte man bisher glauben, daß ein atomarer Überraschungsangriff bei Beginn der Feindseligkeiten die Entscheidung auf militärischem Gebiet bringen könnte, so fällt dieses Merkmal mit der Entwicklung und der weiteren Vervollkommnung der transkontinentalen Raketen fort. Sie können nämlich von jeder beliebigen Stelle ohne den zeitraubenden Bau von Anlagen abgeschossen werden. Da sie weiterhin durch die Luftbildaufklärung kaum zu entdecken sein werden, kann man ihre Abschußbasen nicht in gleicher Weise zerstören, wie dies bei den sonstigen Anlagen möglich war und ist. Die Sowjets sollten wissen - und ich glaube, sie wissen es auch, ich habe darüber keinen Zweifel —, daß ihnen dieser entscheidende erste Schlag nicht mehr gelingen kann, d. h. mit anderen Worten, daß der Erfolg eines sowjetischen Überraschungsangriffs mit atomaren Waffen keineswegs mehr so hundertprozentig gesichert ist, daß durch ihn ein entscheidender Sieg errungen werden könnte.
    Die entscheidende Folgerung daraus ist, daß es dem Gegner infolgedessen nicht mehr gelingen wird, die Möglichkeiten eines für ihn im wahrsten Sinne des Wortes katastrophalen Gegenschlages auszuschalten. Der Angreifer — beiderseits, wer es sein sollte — muß damit rechnen, daß ein erheblicher Teil dieser Abschußbasen intakt und diese furchtbare Waffe lange anhaltend wirksam bleibt, woraus folgt, daß der Angreifer damit zu rechnen hat, daß ihn diese neuartigen Waffen genauso schwer treffen und seine für die Gesamtkriegführung lebensnotwendigen und militärisch notwendigen Anlagen, wenn nicht sogar erhebliche Teile des Landes und der Industrie zerstören könnten. Deshalb werden die herkömmlichen Waffen gerade auch im Zuge der Weiterentwicklung dieser Zerstörungswaffen wieder an Bedeutung gewinnen. Damit wächst dann die Gefahr lokaler, d. h. begrenzter Konflikte, wozu die herkömmlichen Waffen lebensnotwendig geworden sind.
    Dies ist nach meiner Auffassung auch der Grund, daß sich bei den sich gegenwärtig so hinschleppenden Abrüstungsgesprächen der Schwerpunkt der Verhandlungen in London um die Lösung einer brauchbaren ersten Stufe einer allgemeinen Abrüstung wieder weg von den atomaren Waffen mehr den konventionellen Waffen zuwendet, wie es Herr Kollege Erler auch sagte, wobei der sowjetische Plan sich und dem Ostblock eben seine bisherige zahlenmäßige Überlegenheit in diesen herkömmlichen Waffen sichern und sie bei den westlichen Ländern sehr stark begrenzen will.
    Es besteht also durchaus die Möglichkeit, daß infolge der Gefahr der unmittelbaren Vernichtung die Weltmächte veranlaßt werden könnten, Konflikte, die irgendwo in der Welt ausbrechen, zu lokalisieren und sich möglichst selber herauszuhalten, um dem Zwang zu entgehen, diese für sie tödlichen und vernichtenden Waffen einzusetzen. Derartige lokalisierte Konflikte dürften dann aller Wahrscheinlichkeit nach nur mit den herkömmlichen Waffen ausgetragen werden, - ein Fall, der nach meiner Auffassung auch von der Bundesregierung nicht ohne weiteres übersehen und als ausgeschlossen angesehen werden sollte.
    Deshalb müssen sich Rüstung und Strategie — leider, kann man nur immer wieder hinzufügen — auf beide Fälle einstellen. Sie stehen unter dem Zwang, sich auf beide Möglichkeiten in der Abwehr vorzubereiten, d. h. gewissermaßen zweigleisig zu denken und zu planen, weil eben niemand voraussehen kann, welcher von den gegebenen Möglichkeiten die Zukunft gehört.
    Diese Folgerung muß nach meiner Auffassung auch für die deutsche Aufrüstung gezogen werden. Aber eine Aufrüstung im Rahmen des sowjetischen Abrüstungsvorschlags — 200 000 Mann in der ersten Stufe — würde der Bundesrepublik nicht die Sicherheit geben, die sie in ihrer geographischen Lage im Verhältnis zu dem vermutlichen potentiellen Gegner braucht.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Sowjetunion 21/2 Millionen Mann in sofortiger Einsatzbereitschaft hat, ohne den Einschluß der Armeen ihrer Einflußzone, der Satellitenstaaten, der vormilitärischen Ausbildung usw. Ich brauche das nicht alles zu wiederholen. Es ist den Damen und Herren auch durchaus geläufig.
    Nun wird das Abrüstungsgespräch meines Erachtens auch deshalb nicht gestört, weil selbst bei Verabschiedung dieses Gesetzes in naher Zukunft ja doch nicht sofort 500 000 Mann eingezogen werden. Die Aufstellung wird sich vielmehr über einen längeren Zeitraum hinausziehen, und — deswegen sage ich das — im Verlauf dieser Aufbauzeit liegt es an den Sowjets, ihre ehrliche Bereitschaft zu


    (von Manteuffel [Neuß])

    einer kontrollierbaren allgemeinen Abrüstung zu zeigen und durch Taten zu beweisen.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Sowenig man theoretisch die denkbare Wirkung der atomaren Kriegführung bestreiten kann, so eindeutig zeigt doch die bisherige Praxis, daß bisher kein Land, das die herkömmlichen Streitkräfte besitzt, diese konventionellen Waffen abschafft. Diese Tatsache dürfte wohl kaum allein darauf zurückzuführen sein, daß etwa die Militärs zu zäh und allzulange am Überkommenen festhalten. Ich glaube, sie beruht vielmehr darauf, daß eben kein Land auf Streitkräfte herkömmlicher Art verzichten zu können glaubt, solange andere Mächte, die es etwa angreifen könnten, über derartige Streitkräfte in großer Zahl verfügen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es ist nun falsch, glaube ich, die Diskussion so zu führen, als ob die einzige Möglichkeit bewaffneter Auseinandersetzung, in welche die Bundesrepublik einbezogen werden könnte, der nukleare Weltkrieg wäre. Wer so argumentiert, muß doch zuvörderst erst einmal klären, warum der Ostblock neben der nuklearen Rüstung noch die herkömmlichen Waffen in dieser ungeheuren Zahl besitzt. Ich meine, der Einsatz — der strategische, operative oder taktische Einsatz — von Atomwaffen kann auch für sich allein Entscheidungschlachten nicht schlagen, so wie keine Waffe und kein Waffensystem jemals eine Kampftruppe voll ersetzen können. „Ein Krieg ohne Menschen" oder „ein Krieg durch Druck auf den Knopf" etwa, all das sind falsche Lehren. Die These, man könne ohne die lebendige Kraft des Menschen Krieg führen, wird durch die Atomtaktik und all das, was unsere Militärexperten auf diesem Gebiet wissen — ich meine die Herren des Bundesverteidigungsministeriums, die das zu prüfen haben —, nicht bestätigt.
    Wie immer die Erfindung und vor allen Dingen die Weiterentwicklung dieser neuartigen Waffen aussehen wird, wohin sie führen wird, auch wenn man dazu übergeht, die herkömmlichen Waffen anders zu organisieren, auszurüsten, zu gliedern und zu verwenden, — entbehrlich werden sie so lange nicht sein, solange die UdSSR und ihre Satelliten derartige Streitkräfte in einer überwältigenden Zahl bereithalten. Dabei bleibt auch zu berücksichtigen, daß die bolschewistische Ideologie genauso wie der jahrhundertealte Expansionsdrang der russischen Nation auch dann eine latente Gefahr für die freien Völker im Westen bleibt, wenn eine Periode der friedlichen Koexistenz die derzeitige Spannung vorübergehend in den Hintergrund treten ließe.
    Ich komme deshalb aus diesem Aspekt zu der Schlußfolgerung: es ist nicht darüber zu entscheiden, meine verehrten Damen und Herren, welches System einer Wehrpflicht uns das angenehmste oder welches dasjenige ist, das uns die wenigste Mühe macht und die geringsten Opfer an Einsatzbereitschaft erfordert. Wir müssen die Armeen jener Macht betrachten, die uns bedroht, und die Art der Abwehr hat sich — das ist das, was mein Kollege Kliesing sagte — nach dem mutmaßlichen operativen und technischen Verhalten des möglichen Angreifers zu richten. Nur nach dem Wert, den wir den Soldaten des möglichen Gegners beimessen, haben wir unsere Anstrengungen zu berechnen. Es gibt nach meiner Auffassung keinen anderen und keinen besseren Maßstab für das, was wir zu tun haben. Der ausreichende, d. h. der wirksame Schutz durch herkömmliche Waffen vermindert die Gefahr, daß die westliche Verteidigungsgemeinschaft selber zu Atomwaffen greifen muß, um sich zu schützen.
    Aber noch eines dazu! Sicherlich müssen im Zeitalter der atomaren Waffenführung Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung einen gleich wichtigen Anteil an der Landesverteidigung ausmachen wie die Aufstellung der Verteidigungskräfte selbst. Sie können aber durch diese Maßnahmen niemals alles ersetzen. Alle Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung können doch bestenfalls das Überleben ermöglichen; die Freiheit sichern sie allein nicht. Aber es kommt darauf an, nicht nur das Leben, sondern auch die Freiheit, so wie wir sie westlich verstanden wissen wollen, zu bewahren. Das ist das Entscheidende.

    (Beifall bei der DA und der CDU/CSU.)

    Sie kann gegenüber einem Angreifer eben nur durch aktive Verteidigung behauptet werden.
    Nun zu der Stärke dieses angemessenen, wie mir scheint, militärisch notwendigen Beitrages. Diese Stärke macht einen angemessenen deutschen Beitrag politisch und militärisch in etwa der beabsichtigten Höhe erforderlich. Er kann auch nach unserer Auffassung nur durch die allgemeine Wehrpflicht, wenn sie eingeführt werden soll, in dem vorgesehenen Ausmaß erreicht werden. Denn eines der ewigen und unabänderlichen Gesetze, welche die Wirklichkeit, d. h. das Leben der einzelnen Völker beherrschen, setzt das Recht und für den normalen Menschen die Pflicht zur Notwehr und Selbstverteidigung voraus. Wer die Souveränität will — das haben wir früher ausgesprochen —, muß auch die Landesverteidigung bejahen. Das ist auch von keiner Seite bestritten worden. Vor dieser Frage gibt es kein Ausweichen. Sie muß von jedem Bürger, auch von dem jüngeren Bürger gestellt und beantwortet werden, der heute — aber nicht nur heute — in dem sich immer mehr zuspitzenden Meinungsstreit über die zweckmäßigste Wehrform sein Urteil beisteuern muß. Das müssen wir auch von denjenigen fordern, die politischen Einfluß geltend machen wollen. Das Hoheitsrecht der Selbstverteidigung ist ein Naturrecht des Staates,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    und es ist unverlierbar. Wenn der Staat es nicht
    hätte oder nicht in Anspruch nehmen würde, hätte
    ' er nach meiner Auffassung überhaupt keine Staatsqualität und könnte sie auch niemals aus einem unabdingbaren Recht heraus gewinnen. Es entspringt allem anderen als militaristischem Denken, wenn man eine Wehrmacht als ein natürliches konstitutionelles Organ jeder staatlichen Gemeinschaft anerkennt. Die Wehrhaftmachung ist damit zugleich eine Frage der Weiterentwicklung und der weiteren Vervollkommnung unserer demokratischen Volks- und Staatsordnung.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Wehner: Am vollkommensten war die bekanntlich, als wir die größte Wehrmacht hatten!)



    (von Manteuffel [Neuß])

    — Wenn wir damals schon die Sicherungen eingebaut hätten, die wir jetzt glauben geschaffen zu haben, würde ich Ihnen recht geben.
    Die Umwandlung des stehenden Heeres in ein Volksheer war bekanntlich eine alte bürgerlichliberale Forderung, die später von der Sozialdemokratie aufgenommen wurde und auch in allen Programmen dieser Partei bis 1914 wiederkehrte. Ihr entsprach die Forderung nach einer strengen vormilitärischen Ausbildung der Jugend und nach wirklich allgemeiner Erfassung aller Wehrpflichtigen. August Bebel wollte sogar die männliche Schuljugend durch altgediente Unteroffiziere an Waffennachahmungen, durch Marsch- und Erkundungsübungen ausbilden lassen. Er hat in seiner berühmt gewordenen Rede — ich sage es, um es allen Herren, die es vergessen haben sollten, ins Gedächtnis zurückzurufen — am 13. Dezember 1892 über eine Militärvorlage gesagt — der Herr Präsident erlaube, daß ich einen kurzen Auszug vorlese —.
    Will also Deutschland einen wirklichen Vorsprung vor den übrigen Staaten, insbesondere vor seinen zukünftigen Feinden haben, so bleibt nichts anderes übrig, als daß es den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht in vollster Wirksamkeit zur Ausführung bringt, indem es die allgemeine Volkswehr, die Volksbewaffnung Hand in Hand mit der militärischen Jugenderziehung durchführt.
    Weiter hat Bebel zu den Rüstungsvorlagen 1913
    — das war bekanntlich die Heeresvermehrung um etwa zwei Armeekorps — gesagt:
    Die Sozialdemokratische Partei hat niemals verkannt, daß die geographische und politische Lage des Reiches die Vorbereitung einer starken Schutzwehr notwendig macht. Infolgedessen rechtfertigt sich nicht nur die Wehrhaftmachung des letzten Mannes bei uns, sondern sie ist eine notwendige Folgerung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ausgezeichnet!)

    Der ehemalige Reichswehrminister Noske, unter dem auch ich gedient habe, brachte 1920 zum Ausdruck — wörtlich —:
    ... sich in aller Zukunft für den Bestand eines Heeres einzusetzen, in dem auch der letzte Mann seiner Pflicht zu genügen habe.
    Die auf dem Parteitag 1929 zu Magdeburg beschlossenen Richtlinien der Sozialdemokratischen Partei zur Wehrpolitik lauten:
    Die Abrüstung wird nur dann dem Frieden dienen, wenn sie nicht eine einseitige Verpflichtung ist, wie sie dem Besiegten des Weltkriegs durch die Sieger auferlegt wurde. Nur zwischen gleichberechtigten Nationen ist dauernder Friede zu erreichen.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Sie übersehen bloß, Herr von Manteuffel, daß zu all den Zeiten, aus denen Sie Zitate hervorholen, Deutschland nicht gespalten war und daß das eine ganz andere Situation gewesen ist!)

    — Herr Schmidt, ich habe das ja vorhin schon vorausgeschickt; ich komme ,dann zu der Schlußfolgerung.
    Der Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes sagt in seiner Entschließung vom November 1950:
    Den inneren und äußeren Feinden dieser Idee gegenüber kann es keine Neutralität geben, denn sie bedrohen nicht nur die Existenz der freiheitlichen Gewerkschaftsbewegung, sondern den sozialen Fortschritt und den kulturellen Aufstieg der arbeitenden Menschen.
    Ich meine, an diesem Kampf sollten sich wirklich alle Staatsbürger beteiligen.
    Die Forderung, daß das Volk zur allgemeinen Wehrpflicht erzogen werden müsse, wie ich sie mit einigen Zitaten der Sozialdemokratischen Partei vorgetragen habe, wird jeder selbstverständlich unterschreiben, der aus der Geschichte gelernt hat, daß nur das Volk ein Recht auf nationale Existenz und politische Selbständigkeit besitzt, in dem auch der letzte Staatsbürger jederzeit bereit ist, mit der Waffe in der Hand das Vaterland gegen äußere Feinde zu verteidigen, wenn diese Freiheiten bedroht sind.
    Damit geht es im Grunde auch darum, wieweit jeder die Verantwortung für diesen Staat zu übernehmen hat und übernehmen will. Jedenfalls wird nach unserer Auffassung keine Lösung annehmbar sein, bei der ein Teil des Volkes im Stillen glaubt, daß der andere ja gut oder lediglich gut genug ist, die Pflichten dieser Art allein zu übernehmen, und man diesen anderen Teil gegebenenfalls dafür finanziell entschädigen kann. Man kann auf dieser Welt nichts umsonst haben — das wissen wir —, am wenigsten einen freiheitlichen Staat. Will man ihn in den Herzen und Gemütern verwurzeln, braucht man ein staatsbürgerliches Bewußtsein; das muß auch hier erwähnt werden. Aber gerade ein solches Bewußtsein setzt ein Gleichgewicht von Rechten und Pflichten voraus. Aus dem Recht zur Freiheit — wie wir sie westlich verstanden wissen wollen, füge ich allerdings immer hinzu — erwächst die Pflicht zu ihrer Erhaltung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Wirklichkeit diesen idealen Gedanken allzuoft mißbraucht hat, vor allem im zweiten Teil des zwanzigsten Jahrhunderts, der unter der Diktatur militärischer Erwägungen steht; denn die Politik ist mehr oder weniger, das wissen wir, eine Militärpolitik geworden. Daß im übrigen — das muß hier in Parenthese gesagt werden — die strategischen Probleme den Vorrang vor allen anderen erhalten haben, ist eine Folge der sowjetischen Politik.


    (Abg. Dr. Seffrin: Sehr richtig!)

    Es handelt sich damit zugleich um ein sehr bedeutsames sozial-ethisches Anliegen erster Ordnung, weil die Zumutung persönlicher Wehrdienstleistung für die Massen nur tragbar ist, wenn sie absolut gerecht verwirklicht wird. Nur dann kann sie zu einem echten Gemeinschaftsopfer werden. Aus diesen Gründen ist nach unserer Auffassung der allgemeinen Wehrpflicht der Vorzug zu geben, weil jeder Bürger auch diese staatsbürgerliche Verpflichtung zu übernehmen hat. Er kann gegenüber der Gemeinschaft nicht nur Grundrechte für sich und seine Angehörigen in Anspruch nehmen; er muß auch bereit sein, ein gewisses Maß an Grundpflichten auf sich zu nehmen, wenn er Rechte von der Gemeinschaft fordert oder in Anspruch nehmen will. Hieraus folgt auch, daß man das Opfer einer militärischen Ausbildung zu bringen bereit ist und es eben nicht nur denen überläßt, die sich freiwillig hierzu melden. Gerade die Last der Ver-


    (von Manteuffel [Neuß])

    teidigung muß auf möglichst viele Schultern verteilt werden als eine Verpflichtung für alle, denen der Schutz der Freiheit und Sicherheit erst ihre eigene Freiheit und Sicherheit ermöglicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es muß in diesem Zusammenhang festgehalten werden, was die „Welt der Arbeit" vor Jahren schrieb. Der Herr Präsident erlaube noch einmal, daß ich diesen kurzen Auszug verlese.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Bitte sehr!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hasso von Manteuffel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die „Welt der Arbeit" schrieb vor gar nicht langer Zeit:
    Nie hätten Länder wie die Schweiz und Schweden — —

    (Abg. Wehner: Da wird aber der Herr Stolz stolz sein! Das scheint Ihre Lieblingslektüre zu sein!)

    — Ich wollte es nur meinen Kollegen sagen. Sie wissen es wahrscheinlich, Herr Wehner. Aber in diesen Zusammenhang paßt es gut hinein.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Wehner.)

    — Ja, weil immer von gewissen Herren, auch Kollegen, gesagt wird: die Opfer sind zu groß. Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, Herr Wehner, was die „Welt der Arbeit" schreibt:
    Nie hätten Länder wie die Schweiz und Schweden sich gegen ihre viel größeren und mächtigeren Nachbarn behaupten und den Weltkrieg von ihren Grenzen fernhalten können, wenn sie nicht Opfer gebracht hätten, die, gemessen an ihrer Volkszahl, geradezu gewaltig sind. Sie mußten verhältnismäßig viel mehr Menschen zum Waffendienst einberufen und größere Steuern für die bewaffnete Erhaltung des Friedens aufbringen als manche kriegführende Staaten.
    — Die „Welt der Arbeit" schreibt das! —
    Das muß einmal ausgesprochen werden angesichts der vielen verschwommenen Vorstellungen, die darüber in Deutschland im Umlauf sind.
    Bis dahin die „Welt der Arbeit".
    Ein anderer Gesichtspunkt, der für die allgemeine Wehrpflicht spricht, ist, daß sie die Jugend eines Volkes zum Dienst an der Gemeinschaft erzieht, neben Elternhaus, Schule, politischen Parteien, Kirche usw., und daß die militärische Dienstzeit jedem Einzelnen zum Bewußtsein bringt, daß er ein wichtiges Glied in der Gemeinschaft seines Volkes ist, zu der alle Söhne des Vaterlandes rechnen, wes Berufes und Standes sie auch sein mögen. Wenn auch dieses Argument allzuoft von kriegslüsternen Führern gebraucht worden und darum etwas anrüchig geworden ist, so ganz leichtfertig kann man es nach meiner Ansicht doch nicht von der Hand weisen; denn die allgemeine Wehrpflicht ist und bleibt eine feststehende Aufgabe, die ebenso in unserer räumlichen Lage wie in der politischen Situation begründet liegt. In einer Demokratie gehört auch der Dienst mit der Waffe zu den Bürgerpflichten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wer eine Verteidigung bejaht, muß fordern, daß sie an der Zonengrenze, und zwar operativ, wirksam wird. Das heißt selbstverständlich, daß die Truppen in Ausbildung, Bewaffnung, Ausrüstung,
    Organisation, innerer Festigkeit usw. dem möglichen Gegner gleichwertig sein müssen, wobei man sich bekanntlich unter „Front" nicht nur die vorderste Linie der kämpfenden Truppe vorstellen darf, sondern einen mehr oder weniger tiefen Raum.
    Nun sind die englischen, amerikanischen und französischen Divisionen an der europäischen Landfront — das ist allgemein bekannt und wurde heute auch von Herrn Erler schon erwähnt — zur Zeit nicht in der Lage, die in Mitteleuropa stationierten starken sowjetischen Truppen aufzuwiegen. Die deutschen Streitkräfte, auf eine berufsmäßige Spezialistenausbildung beschränkt, wie es von einigen Befürwortern auch in diesem Hause ausgesprochen wird, würden nach meiner Auffassung von der sowjetischen Dampfwalze einfach überrollt. Wir brauchen deshalb im eigenen Interesse zahlenmäßig größere, ausgebildete Reserven für die eigentliche Kampftruppe, denn nur die stete Auffüllung der durch Verluste entstandenen Lücken gewährleistet die Kampfkraft der bestehenden operativen Verbände, und diese wiederum können nur schöpfen aus einem Reservoir ausgebildeter Männer. Auch ist die Frage der Reserven wichtig, weil von deren Zahl und Art abhängt, ob das militärische Risiko kleiner oder größer ist. Wenn aber unsere Wehrpolitik einen Sinn haben soll, dann doch wohl nur den, diese militärischen Risiken so klein wie nur irgend möglich zu halten, so daß der Westen keine militärische Intervention aus dem Osten zu fürchten braucht und daß er deshalb, weil er diese nicht zu fürchten braucht, eine elastische und geschmeidigere Politik treiben kann.
    Ich muß dabei als Begründung für die allgemeine Wehrpflicht, für die meine politischen Freunde sich aussprechen, noch anführen, daß ein Heerwesen sich nur trägt, wenn der gesamten Bürgerschaft das Bewußtsein der Landesverteidigung als demokratische Haltung eigen ist. Dazu gehören dann auch die gründliche Erhaltung und Vervollkommnung der militärischen Kenntnisse, zumal die Technik morgen womöglich die Mittel aufhebt, die sie heute geschaffen hat. Es handelt sich also demnach nicht, wie ein Sprecher vom Bundesrat hierzu ausführte, „um eine kurz und schnell ausgebildete Quantität im Gegensatz zu einer geübten und länger dienenden Qualität," womit er ein mehr oder weniger kleines Berufsheer begründen wollte. Ich glaube vorerst jedenfalls nicht, daß die atomare und nukleare Waffenführung mit ihrer flächenzerstörenden Wirkung die Bewegung in der operativen Führung im Verteidigungsfalle auf die Dauer zum Stillstand bringen wird und damit den Krieg etwa erstarren läßt. Das muß hier einmal ausgesprochen werden, meine Damen und Herren, wenn Sie mir diesen kleinen Ausflug in die strategische Konzeption gestatten. Im Gegenteil, Überraschung und Beweglichkeit gewinnen ebenso an Bedeutung wie die Zusammenfassung und Auflockerung der operierenden Verbände auf beiden Seiten.
    Deshalb erscheinen mir Festungszonen und Festungsgürtel unrealistisch. An der Grenze zu errichtende Sperrgürtel allein oder eine Atommauer im Zusammenwirken mit festem, durchgehend auszubauendem Verteidigungssystem, die unser Land schützen sollen, müssen, um lebensfähig und damit verteidigungswert zu sein und zu bleiben, gerade mit hervorragend ausgebildeten und in Übung gehaltenen Männern in allen Funktionen dienstlicher Verrichtungen usw. besetzt sein, da sie ja doch


    (von Manteuffel [Neuß])

    eben auf Ersatz zur Auffüllung irgendwelcher Verluste für lange Zeit nicht rechnen können, gar nicht zu sprechen von den Möglichkeiten etwa der vertikalen Umfassung.
    In diesen von mir nur bruchstückweise angeführten Fällen kommt man eben mit einem kleinen Stamm voll ausgebildeter und in Übung gehaltener Männer, um die sich dann eine Art Miliz ohne Wehrpflicht scharen soll, mit Sicherheit nicht aus. Fast alle Befürworter eines kleinen Berufsheeres und diejenigen, die nur einen Kern von Berufssoldaten wollen — die Angaben der Befürworter schwanken hier zwischen 50 und 70 Prozent —, zu denen dann noch eine entsprechende Zahl kürzer oder länger dienender Freiwilliger oder Dienstpflichtiger bis zur Höhe des von uns als militärisch notwendig errechneten Beitrages stoßen sollen, übersehen doch nach meiner Auffassung, daß eine derartige Verteidigungsorganisation nicht das wirkungsvolle Instrument sein kann, das wir im Lichte der fortschreitenden und sehr schnell sich entwickelnden Technik aller Art brauchen, auch gerade in unserer bedrohten Lage. Sie übersehen, daß wir heutzutage trotz zahlreicher Maschinenwaffen und starker und weiter fortschreitender Technisierung der Waffen oder, wenn Sie so wollen, des Krieges unendlich viele Waffen und Geräte haben, die Mehrmannwaffen und Mehrmanngeräte sind, zu deren Bedienung ein Austausch der Besatzungen notwendig ist.
    Dabei kompliziert sich auch die Ausbildung erheblich. Der Einwand, daß man heute wegen der Technisierung des Krieges — ich darf es mal so nennen — mit wesentlich weniger Menschen die gleiche militärische Wirksamkeit erreichen könne, hält der Wirklichkeit nicht stand. Ebenso ist ein Vergleich mit dem Seecktschen Hunderttausendmannheer, das so oft als Beispiel herangezogen wird, nicht stichhaltig, weil es sich damals um die Heranbildung des Unteroffiziers- und Offiziersnachwuchses handelte. Dazu hatte man damals zehn bis zwölf Jahre Zeit; das war die Zeit, die der einzelne Mann oder jedenfalls die Masse des Hunderttausendmannheeres zu dienen hatte.
    Ich warne dringend — hier werden mir alle die Herren, die davon eine Ahnung haben, recht geben — vor geringwertig ausgebildeten Soldaten. Gerade die Erfahrungen im, wie wir hoffen, letzten Kriege mit ungeschulten und nur notdürftig ausdeutige und eine noch eindringlichere Mahnung sein.
    Ich stütze mich bei der Bejahung der allgemeinen Wehrpflicht nicht darauf, daß unsere Vertragspartner und auch die UdSSR die allgemeine Wehrpflicht haben und daß, wie wir hören, Luxemburg diese starke Marine mit zwölfmonatiger Dienstzeit hat. Was in diesen Ländern erforderlich oder zweckmäßig ist, braucht es bei uns nicht zu sein. Ebenso kann das Umgekehrte der Fall sein. Wir können zur Führung eines Abwehrkampfes, wenn er uns aufgezwungen wird, in unserer geographischen und militärisch vorerst noch bedrohten Lage auf die allgemeine Wehrpflicht nicht verzichten. Militärische Zweckmäßigkeit und deren Erfordernisse machen sie zur staatspolitischen Notwendigkeit.
    Die Frage, ob die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft werden sollte oder nicht, ist auch außerhalb der Bundesrepublik gestellt, z. B. in England. Aber die Frage scheint auch dort noch nicht entscheidungsreif zu sein, sonst hätte man die Wehrpflicht bereits abgeschafft. Ich halte es nicht nur für falsch, sondern für staatspolitisch wenig verantwortungsbewußt, sie bei uns mit dem Hinweis auf derartige Erwägungen in anderen Ländern nicht einführen zu wollen; denn wir sollten nicht experimentieren. Würden wir uns jetzt von der Absicht abbringen lassen, so hätte das bestimmte Folgen. Die Erfahrungen lehren nämlich, daß wir ohne die allgemeine Wehrpflicht nicht auskommen. Die Erfahrungen lehren auch — ich darf das schon vorweg bemerken —, daß wir mit einer zwölfmonatigen Dienstzeit — wenn das Hohe Haus sie beschließen sollte — nicht auskommen. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht oder die Erhöhung der zwölfmonatigen Dienstzeit würde für jede Regierung, gleichgültig, wie sie sich zusammensetzt, ein innerpolitisches Wagnis sein und außenpolitisch als Bedrohung ausgelegt werden. Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß die Sowjetunion das mit Sicherheit tun würde.
    Erlauben Sie, die Frage der Miliz, die von Herrn Kollegen Erler auch behandelt worden ist — sie gehört ja auch dazu —, noch einmal anzuschneiden. Über diese Frage sind sich nicht alle Befürworter dieses Gedankens — auch einige sogenannte Wehrexperten — ganz klar. Wir kennen in bezug auf die zeitliche Ableistung der Wehrpflicht zwei Grundformen, die uns Herr Erler auch erklärt hat. Einmal kann die Ableistung der Wehrpflicht geschlossen und zum anderen in mehreren mehr oder weniger langen getrennten Ausbildungsabschnitten erfolgen. Wir sind es gewöhnt, die eine Art als Kaderwehrmacht und die andere als Miliz- oder Krümpersystem anzusprechen. Während die Kaderwehrmacht mit ihren Wehrpflichtigen auf eine möglichst große Anzahl sofort griffbereiter aktiver Einheiten Wert legt, ist eine Milizwehrmacht nach einer gewissen Anlaufzeit womöglich die militantere Verwirklichung des Wehrpflichtgedankens, da sie jeden Staatsbürger ständig auf einem gleichbleibenden Ausbildungsstand zu halten sucht und infolgedessen im Verteidigungsfalle wiederaufzufrischende Reserven nicht kennt.
    Nun wird die Miliz oft mit kurzer Ausbildungsdauer identifiziert. Herr Erler hat das schon richtiggestellt. Das primäre Begriffsmerkmal einer Miliz ist aber weniger die Dauer des Wehrdienstes als das Fehlen von Kadern, also eines langdienenden Stammpersonals. Kaderwehrmacht und Miliz — Herr Erler hat es etwa ähnlich ausgedrückt; ich darf es noch einmal wiederholen — sind zwei Erscheinungsformen derselben Wehrverfassung, nämlich der allgemeinen Wehrpflicht. Miliz ohne allgemeine Wehrpflicht ist nicht denkbar. Der Unterschied der letzteren zur Kaderwehrmacht liegt nur in der Erfassungsart und dem Aufbau der Truppe. Die Alternative lautet also nicht Miliz oder allgemeine Wehrpflicht, sondern Wehrpflicht in einem stehenden Heer oder in einer Art Miliz.
    Im übrigen haben die Befürworter einer reinen oder einer stärkeren Miliz neben einem kleinen Berufsheer die Schwäche ihrer Wehrkonstruktion, meine ich, selbst erkannt; denn sie glauben alle, nicht auf das Vorhandensein eines stehenden Heeres von Freiwilligen verzichten zu können. Ich halte es im übrigen nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich, zu behaupten, man benötige für eine Art Miliz eine sehr viel kürzere Ausbildungszeit.


    (von Manteuffel [Neuß])

    Dann wird weiter von den Befürwortern gesagt, die Aufgaben der Miliz seien so vielfältiger Art, daß dann der Begriff militärischer Tauglichkeit sehr viel weitergehend gefaßt werden könne und sich etwa mit dem der Arbeitstauglichkeit decken würde. Meine Damen und Herren, dann darf ich doch einmal fragen: Welchen Soldaten brauchen wir? Zuerst einmal den gut ausgebildeten, den modern bewaffneten und ausgerüsteten, den selbstsicheren, von seinem eigenen kämpferischen Wert überzeugten Einzelkämpfer. Darüber sollte es doch wohl gar keinen Zweifel geben.
    Demnach ist einzusehen, daß das gesamte Land eine dieser Notwendigkeit angemessene Verteidigungsorganisation braucht. Die Frage ist doch, ob der mit zahlreichen Unterbrechungen, also auf Abstottern dienende Milizsoldat den gleichen kämpferischen Wert erreicht wie der Soldat und Kämpfer des stehenden Heeres.
    Es ist auch nicht einzusehen, woher bei einem solchen System das Führer- und Unterführerkorps für diese Miliz herkommen soll. Der in jedem Fall begrenzt vorhandene hochwertige militärische Führernachwuchs, der doch aus den schwachen Jahrgängen nicht in riesiger Zahl vorhanden sein kann — wir wissen das ja —, befände sich im Falle einer Zweiteilung konzentriert im Berufsheer und wäre nicht gleichmäßig über die gesamte Wehrkraft verteilt, wie dies wünschenswert und sogar notwendig ist.
    Die für die Heimatverteidigung an allen wesentlichen Produktionsstätten und Verkehrspunkten aufzustellenden beweglichen, gut bewaffneten, von auszubauenden Stützpunkten operierenden Verbände — so stellen die Betreffenden es sich doch vor — tragen zwar, da sie im Wohnbereich aufgestellt werden müssen — es gibt ja keine Mobilisierung in diesem Sinne mehr — das typische Merkmal der Miliz; aber es fragt sich eben doch, ob für diese harten Aufgaben, die der bodenständigen Verteidigung möglicherweise gestellt werden, eine Kurzausbildung genügt. Ich bin der Meinung, daß Ausrüstung, Bewaffnung und Ausbildung der Milizverbände den gleichen taktischen und operativen Grundsätzen entsprechen müssen wie die der operativen Verbände; denn sonst würden sie verlorene Haufen darstellen, die überhaupt nicht kämpfen können.
    Die Vorstellung von einer bodenständigen Heimatwehr, die nur örtliche Kampfaufgaben zu lösen hat, ist eben meist der Unklarheit über den Aufgabenkreis der sogenannten zivilen Verteidigung entsprungen. Auch diese Verteidigungszellen, meine Damen und Herren — ich muß das einmal aussprechen —, müssen in militärischer Hinsicht autark und auch stark genug sein, um aus eigener Kraft Fallschirmlandungen, Sabotageakte und alles Mögliche, was man sich denken und noch ersinnen kann, selbständig abzuschlagen. Insofern ist deutlich, daß die Wehrpflicht für sie nicht überholt ist; denn jeder Ort der Heimat kann zum Kriegsschauplatz werden. Eine mangelhafte Ausbildung würde außerdem das Selbstvertrauen der Truppe zerstören; sie ist sinnlos und sie ist zwecklos. Das weiß jeder Soldat und wird mir wohl beipflichten. Die notwendige Schulung ist nur in einer gründlichen und längeren Ausbildung zu erreichen, wofür in einem Milizsystem eben kein Raum ist.
    Der Vergleich mit der Schweiz wird so oft und gern angeführt, um die Miliz zu verteidigen. Der
    Vergleich ist nicht treffend, da die Schweiz nach allen Nachrichten, die sehr viele Damen und Herren auch in diesem Hause haben, ihr System ja doch umbaut. Es paßt auch nicht in die Landschaft und zu ihr. Was wollen denn die Schweizer? Die Eidgenossen wollen den Durchmarsch durch ihr Land verhindern, dem die Natur den Charakter einer Bergfestung verliehen hat. In der Schweiz ist der Gedanke der Heimatverteidigung tief im Denken des gesamten Volkes verwurzelt. Das staatsbürgerliche Bewußtsein der Wehrpflicht als Bürgerpflicht ist dort eine politische Realität, mit der jeder Politiker rechnen kann. Dennoch hat sich das Fundament der stehenden Kräfte im Offizier- und Unteroffizierkorps in der Schweiz seit Kriegsende wesentlich vergrößert. Luftwaffe, Panzerverbände, Nachrichteneinheiten, Artillerie- und Festungstruppen haben ihren aktiven Rahmen wesentlich verstärkt. Nicht allein die sprichwörtliche Sparsamkeit — die Schweiz will teure Waffen und teures Gerät und Spezialausrüstung nicht in die Hände kurz ausgebildeter Milizsoldaten legen —, sondern der Wunsch nach blitzschneller Handlungs- und Einsatzfähigkeit im Verteidigungsfall zwangen die Schweiz zu einem Abweichen von der traditionellen Linie der Heimatverteidigung. Wie jetzt militärische schweizerische Fachleute betonen, und zwar gerade in der letzten Zeit, ist dieser Entwicklungsprozeß noch gar nicht abgeschlossen, sondern befindet sich im Anfangsstadium. Einige der Damen und Herren werden es wissen, in einer Schweizer Dienstanweisung steht drin: „Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee."
    Aber auch die Ausbildung der notwendigen Reserven für die operativen Verbände, für die uns bekanntlich 12 bis 14 Jahrgänge fehlen, weil sie nicht ausgebildet werden durften, ist nur durch die allgemeine Wehrpflicht zu erreichen. Das Stammpersonal für die bodenständige Verteidigung den ehemaligen Soldaten zu entnehmen — ich glaube, dieser Gedanke spielt auch beim Bundesverteidigungsministerium noch eine erhebliche Rolle —, ist nach meiner Auffassung nur ein sehr schwacher Ersatz, da die wenigen ehemaligen Soldaten, die hierfür noch in Frage kommen, erst umgeschult werden müssen.
    Ein kleineres Berufsheer, das über keine ausreichenden Reserven verfügt, müßte zwangsläufig im Verteidigungsfall starke personelle Kräfte als Ausbildungskorps für dieses Ersatzheer, oder wie Sie es nennen wollen, abgeben. Das ist nicht möglich, weil nicht durchführbar, ohne die Einsatzbereitschaft der aktiven Verteidigungskräfte ganz wesentlich zu gefährden. Kein militärischer Führer kann verantworten, mit kurz ausgebildeten Milizverbänden einem qualitativ hochwertig ausgebildeten Gegner mit drei- oder mehrjähriger Dienstzeit, wie es ostwärts des Eisernen Vorhanges der Fall ist, gegenüberzutreten.
    Da Mobilisierung und Vervollkommnung der einmal erlernten Ausbildung künftig im Verteidigungsfall wahrscheinlich wegfallen, da es eben keine Mobilmachung alten Stils mehr gibt, komme ich zu dem Schluß, daß die Landesverteidigung in ihrer Organisationsform die allgemeine Wehrpflicht benötigt. Die bodenständige Verteidigung braucht im Frieden zum Teil nur aus Kadern und Geräteeinheiten zu bestehen. Aber im Ernstfall muß sie in der kürzesten Zeit auf den vollen Stand gebracht werden, was nur auf Grund eines dezentralisierten Mobilmachungssystems erfolgen


    (von Manteuffel [Neuß])

    kann. Wenn die Landesverteidigung wirklich einen Sinn haben soll — das ist doch der Sinn aller Maßnahmen, über die wir in den nächsten Monaten beraten werden —, müssen Reserven vorhanden sein sowohl für die operativen Verbände wie für die bodenständigen Verteidigungstruppen. Deshalb ist die allgemeine Wehrpflicht eine staatspolitische Notwendigkeit, auch im gegenwärtigen Zeitpunkt.
    Ich darf nun noch auf ein Argument eingehen, das auch angeführt wird. Ein kleineres Berufsheer ist doch wesentlich teurer. Abgesehen von der Frage, ob wir damit auskommen oder nicht — der Bundesverteidigungsminister hat ja begründet, daß wir mit einem Geburtsjahrgang ohnehin nicht auskommen, da die Wehrtauglichkeit infolge kriegsbedingter gesundheitlicher Störungen zu niedrig ist —, sind die Kosten für ein Berufsheer ganz wesentlich höher, auch durch die Verteuerung der Waffen, des Geräts und der Kraftfahrzeuge, die nicht in entsprechenden wirtschaftlichen Losgrößen hergestellt werden könnten. Hinzu kommen wesentlich höhere Versorgungskosten, um diesen Beruf einigermaßen attraktiv zu machen; denn wenn er nicht attraktiv ist, werden sich nicht so viel Freiwillige melden, wie militärisch benötigt werden. Schließlich ist auch die Unterbringung der ausgedienten länger dienenden Soldaten aller Grade ein finanzielles und soziales Problem.
    Erlauben Sie mir noch, auf die Dauer der Wehrpflicht einzugehen, obwohl vieles in meinen vorangegangenen Ausführungen bereits daran angeklungen hat. Die Dauer der Wehrpflicht, über die wir im einzelnen in den Ausschußberatungen lange und sehr sorgfältig sprechen müssen und auch wollen — die Begriffe sind hier etwas verschwommen, wie ich nach dem, was ich draußen höre und lese, den Eindruck habe —, sollte nur nach ihrer waffentechnischen Notwendigkeit geprüft werden, gründlich und nüchtern, ohne romantisierende militärische Vorstellungen und frei von allen traditionsgebundenen, manchmal langen Zöpfen, aber auch ohne Sentiments und Ressentiments gegenüber der entstehenden Bundeswehr und ihren ehrlich bemühten Kräften. Hierbei muß der psychologischen und wirtschaftlichen Problematik Rechnung getragen werden.
    Folgendes darf vielleicht als Richtlinie gelten, wenn ich dazu meinen Beitrag beisteuern darf.
    Der Bedarf an Spezialisten für die von mir angeführten Mehrmannwaffen und das Mehrmanngerät kann durch das Berufsheer allein nicht gedeckt werden. Wegen des geradezu beängstigenden Tauglichkeitsgrades bleibt nur ein sehr mageres Polster als Freiwilligenreserve. Damit kommen wir für den als militärisch notwendig erkannten Beitrag eben nicht aus. Die kürzere Ausbildungszeit kostet auch wegen der notwendigen Ausbildung im gefechtsmäßigen Schießen und der für die Verbandsausbildung notwendigen Verlegung der Truppen aus den Standorten und Biwaklagern usw. auf die Übungsplätze wesentlich mehr Zeit und viel, viel mehr Geld. Eine kürzere Ausbildungszeit könnte nur durch häufigere Reservistenübungen ausgeglichen werden. Es scheint mir jedoch für den einzelnen, der dieses Opfer zu bringen hat, sehr viel beschwerlicher und berufsstörender, wenn er jährlich mehrere Wochen wieder üben soll.
    Ich meine, es sollte ein vernünftiges Abwägen möglich und das richtige Maß zu finden sein zwischen den Erfordernissen der Wirtschaft einerseits und den Notwendigkeiten der Landesverteidigung andererseits. Das kann man ja, wie es auch von der Bundesregierung bisher schon vorgesehen ist, durch zeitlich begrenzte Frei- oder Zurückstellungen machen. Es sind ja auch, wie Sie wissen, vier Termine für die jährlichen Einstellungen vorgesehen, wodurch eine gewisse Auflockerung erfolgt.
    Aber auch hier gilt das, was ich an anderer Stelle sagte. Würde man die beabsichtige Dienstdauer jetzt verkürzen — nehmen wir einmal an, das Hohe Haus beschlösse in einigen Wochen oder Monaten, sie auf 12 Monate festzusetzen —, die Erfahrung aber zeigen — ich bin dessen gewiß! —, daß eine längere Dienstdauer notwendig ist, so würde die gesetzliche Heraufsetzung ein innerpolitisches Wagnis für jede Regierung — ich sage: j e d e Regierung — sein und könnte außenpolitisch als Bedrohung aufgefaßt werden. Die Sowjets würden das mit Sicherheit tun.
    Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen. Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, nur noch folgendes zu sagen:
    Wer Deutschland wieder zusammenführen will, das heißt, wer die Einheit und Freiheit Gesamtdeutschlands in Frieden und Sicherheit will, mußte von Anfang an grundsätzlich wissen, daß Verhandlungen zur Regelung internationaler Fragen mit dem totalitären Regime des Bolschewismus — und zwar des militanten Bolschewismus — nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn derjenige oder diejenigen, die diese Verhandlungen zu führen haben, ebenso stark, wenn nicht noch stärker sind als der militante Bolschewismus. Ich führe dazu als Beweis auch den Art. 133 der bolschewistischen Verfassung an, der da lautet:
    Die Verteidigung des Vaterlandes ist heilige Pflicht eines jeden Bürgers der UdSSR. Vaterlandsverrat, Verletzung des Fahneneides, Überlaufen zum Feinde, Schädigung der militärischen Macht des Staates . . .
    — es wird noch viel angeführt —
    werden als schwerste Vergehen mit aller Strenge des Gesetzes geahndet.
    Ich meine, auch bei uns hier, auch in der Zwiespältigkeit, in der sich unser Vaterland befindet, ist die allgemeine Wehrpflicht eine feststehende Aufgabe, die ebenso in unserer räumlichen Lage wie in der politischen Situation unseres Landes begründet ist. Wenn die Wehrpolitik überhaupt einen Sinn hat, dann den, daß die militärischen Risiken so klein wie überhaupt nur irgend möglich gehalten werden. Ich darf vielleicht — das muß erlaubt sein — in diesem Zusammenhang an die Worte Kurt Schumachers erinnern, der gesagt hat:
    Wir sind bereit, wieder Waffen zu tragen, wenn die westlichen Alliierten mit uns das gleiche Risiko und die gleiche Chance der Abwehr eines sowjetischen Angriffs übernehmen . . . und bei einem eventuellen Angriff aus dem Osten sofort zur offensiven Defensive übergegangen werden kann.
    Ich bin der Auffassung, daß unsere Verbündeten ihr Wort in der Vorbereitung der gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen gehalten haben. Jetzt haben wir verantwortungsbewußt zu handeln, um den wirksamsten militärischen Schutz zu schaffen, den die Bundesrepublik braucht. Die Stärke des deutschen Beitrages ist sicherlich kein willkürliches Ergebnis, sondern sie fußt auf den strate-


    (von Manteuffel [Neuß])

    gischen Plänen der NATO und den Prüfungen, Erwägungen usw., was wir selbst für die Verteidigung unseres Landes unter vernünftiger Abwägung der verschiedensten Faktoren beitragen können, um die für alle gleichermaßen gefährdende Verteidigungslücke in Europa zu schließen, die gerade für uns Deutsche so lebensgefährlich ist.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Aus diesem Grunde sollte die allgemeine Wehrpflicht auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschlossen werden. Ihre Verwirklichung dauert, wie mehrfach ausgeführt, ohnehin noch einige Zeit. Die politisch gesetzten Termine der Bundesregierung und auch die des Bundesverteidigungsministeriums erscheinen auch mir etwas optimistisch und bedürfen deshalb nochmals der Überprüfung. In diesem Sinne bleibt ja Zeit und Gelegenheit, daß die Sowjets innerhalb dieser Frist im Rahmen der laufenden Abrüstungsgespräche auf die Probe zu stellen sind, welche Gegenleistung sie für unseren Beitrag zur allgemeinen Abrüstung zu geben bereit sind.

    (Sehr gut! rechts.)

    Aber ich muß hinzufügen: eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß die innere Auseinandersetzung um die Frage des deutschen Verteidigungsbeitrages sich in der Öffentlichkeit entschärft — und das ist für eine sachliche Diskussion unbedingt notwendig —, ist, daß die Bundesregierung und das Bundesverteidigungsministerium die militärische Wirksamkeit ihrer Pläne sichtbar unter Beweis stellen. Denn die überwiegende Mehrzahl der männlichen Bevölkerung Deutschlands hat in einem, zu einem großen Teil sogar in zwei Weltkriegen ausreichende Erfahrungen gemacht und besitzt einen sehr wachen Sinn dafür, was militärisch zweckmäßig ist und was nicht. Deshalb sind alle Experimente, auch die psychologischer Art, völlig verfehlt.
    Die Lösung ergibt sich nicht aus einem Klima des Mißtrauens und der Furcht, sondern wir sollten den Willen zu gemeinsamen Maßnahmen an den Anfang setzen, um den militärisch wirksamen Schutz zu erlangen, den die Bundesrepublik braucht. Wenn außerdem dann der Staat und alle wirklich demokratischen Parteien eindeutig zu ihren Soldaten stehen, wird für die junge Generation der Augenblick gekommen sein, aus innerer Überzeugung dieser staatsbürgerlichen Verpflichtung nachzukommen. Denn ich behaupte, daß die deutsche Jugend unserer Generation sicherlich nicht schlechter ist, als ihre Vorgänger es waren denn sie hat ihre Verantwortung dem Staat gegenüber beim Wiederaufbau mehrfach bewiesen. Weshalb sollte sie bei der Erfüllung dieser staatsbürgerlichen Verpflichtung versagen? Helfen wir ihr damit, daß sie diese schweren Opfer, die sie zu tragen hat, tragen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sinnlose Opfer!)

    — Herr Wehner, der Zwischenruf „Sinnlose Opfer" ist doch nicht passend. Sie sind doch selbst aus vielen Gründen, die ich schon angeführt habe, für die Landesverteidigung eingetreten.
    Wegen der vorgeschrittenen Zeit glaubte ich, meine Damen und Herren, mich auf diese beiden Hauptprobleme beschränken zu sollen, ohne damit sagen zu wollen, daß nicht noch weitere wesentliche Bestimmungen der Erörterung wert wären.
    Wir werden in den Ausschußberatungen dazu Stellung nehmen und stimmen der Überweisung an den Ausschuß zu.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)