Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Diese Vorlage ist dem Hohen Hause sehr überraschend vorgelegt worden, so überraschend, daß wir nicht in der Lage waren, in der Fraktion darüber zu debattieren. Man hat uns .auch mitgeteilt, daß über diese Vorlage keine Aussprache stattfinden sollte. Wir sind also überrascht, daß es dennoch der Fall war. Wir hatten uns auf eine kurze Erklärung beschränken wollen, die ich im Auftrage meiner Fraktion verlesen möchte:
Die FDP-Fraktion bedauert, daß uns
— dem Bundestag —
dieser Gesetzentwurf, den der Bundesrat abgelehnt hat, überhaupt vorgelegt wird. Wir machen uns die Stellungnahme des Bundesrats zu eigen. Wir können nicht verstehen, daß dem deutschen Parlament zugemutet wird, einen Gesetzentwurf zu beraten, durch den die Belastungen verlängert würden, denen bestimmte Kreise der deutschen Bevölkerung viele Jahre hindurch ausgesetzt waren.
Ich darf noch einige kurze Worte hinzufügen. Der Vertreter der CDU hat von rechtlichen Gründen gesprochen. Er hat erklärt, daß es sich hier um eine Inanspruchnahme von Gegenständen handle. Er hat aber nicht klar und deutlich herausgestellt, daß es sich hier in allererster Linie um Menschen handelt, um Familien mit Kindern, die seit elf Jahren aus ihrem Heim vertrieben sind und die nun — und da muß ich ihm auch wieder widersprechen — seit mindestens einem Jahr der festen Ansicht waren: Der 4. Mai ist für uns ein entscheidender Stichtag; am 4. Mai hört das Unrecht auf und beginnt wieder ein Rechtszustand einzutreten. Diese in der ganzen deutschen Bevölkerung allgemein vertretene Ansicht soll nun durch dieses Gesetz widerlegt werden. Es soll noch einmal und nunmehr durch deutsches Recht ein Zustand des Unrechts und der Belastungen eingeführt werden, der nach unserer Meinung nicht notwendig ist. Die Pariser Verträge sind so alt, daß sowohl von seiten der Bundesregierung als auch von seiten der alliierten Mächte Gelegenheit genug vorhanden war, in dieser Zeit die erforderlichen Regelungen zu treffen.
Mein Vorredner hat darüber hinaus ausgeführt: die Verhältnisse sind tatsächlich so, daß wahrscheinlich, wenn von der anderen Seite auch der echte gute Wille gezeigt wird, eine Inanspruchnahme von deutschen Wohnungen gar nicht mehr notwendig ist; es müssen nur die erforderlichen Einschränkungen auf der anderen Seite durchgeführt werden. Und das müssen wir nunmehr, da
wir mit ihnen gleichberechtigt sind von ihnen auch
fordern. Nunmehr sind solche Maßnahmen, wie sie in diesem Gesetz vorgesehen sind, nicht mehr erforderlich.
— Na also, dann brauchen wir ja das Gesetz nicht.
Etwas später steht ein Punkt auf der Tagesordnung, der von Verwaltungsvereinfachungen
spricht. Hier sollen wir ein Gesetz für ein halbes oder dreiviertel Jahr machen. Der Vertreter der CDU hat erklärt: Auch wenn wir das Gesetz nicht machen, werden solche Maßnahmen zwangsläufig notwendig sein. Gut, dann wollen wir es doch darauf ankommen lassen und wollen ein deutsches Recht dazu nicht schaffen. Wir werden selbstverständlich an den Ausschußberatungen mitarbeiten, erklären aber schon jetzt, daß wir das Gesetz in dieser Form unter keinen Umständen annehmen können.