Rede von
Dr.
Karl
von
Buchka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um den Entwurf eines Gesetzes mit einem sehr langen Namen. Gestatten Sie mir, daß ich der Einfachheit halber diesen Namen durch den Begriff des Zwischengesetzes abkürze.
Wie stets bei einer ersten Beratung in diesem Hohen Hause handelt es sich nur darum, das Wesentlichste zu sagen und tunlichst wenig in die Einzelheiten zu gehen.
Ganz allgemein darf ich zum Ausdruck bringen, daß dieser Gesetzentwurf, glaube ich, bei keiner
Fraktion des Hohen Hauses besondere Freude erregt hat. Die Bedenken und die Schwierigkeiten, die mit dem Gesetzentwurf verbunden sind, hat soeben ja auch der Herr Bundesminister des Innern gebührend gewürdigt. Die gleiche Stellungnahme ist aus dem ersichtlich, was die Bundesregierung unter II in ihrer Stellungnahme — Drucksache 2268 — ausgeführt hat. Ich darf auch daran erinnern, daß Herr Staatssekretär Ritter von Lex in der 156. Sitzung des Bundesrats am 23. vorigen Monats entsprechende Bedenken geäußert hat. Alle Fraktionen würden es zweifellos begrüßen, wenn eine andere Lösung möglich wäre.
Länger als zehn Jahre dauert nun schon die Inanspruchnahme der Gegenstände. Es handelt sich um Sachen, um Werkleistungen und vor allem um Liegenschaften einschließlich der Wohnungen. Dabei ist zu bedenken, daß diese Inanspruchnahme zur Hauptsache auf Grund des Besatzungsrechts erfolgt ist, daß teilweise sogar noch Fälle von Inanspruchnahmen auf Grund des Reichsleistungsgesetzes vom 1. September 1939 vorhanden sind. Hieraus haben sich — das muß an dieser Stelle auch einmal offen ausgesprochen werden — unerträgliche Zustände in allen Teilen des Gebiets der Bundesrepublik ergeben, und es ist durchaus verständlich, daß im Bundesrat Länder gegen diese Vorlage aufgetreten sind. Ich darf allerdings als bekannt voraussetzen, daß die Ablehnung im Bundesrat nicht einstimmig erfolgt ist, sondern daß der Ablehnungsantrag von Rheinland-Pfalz mit 26 gegen 8 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen angenommen worden ist. Es waren Baden-Württemberg und Hamburg, die gegen den Antrag von Rheinland-Pfalz gestimmt haben, während Berlin und Schleswig-Holstein sich der Stimme enthalten haben. Die Ablehnung des Bundesrats nach Art. '76 Abs. 2 des Grundgesetzes wird damit begründet, es sei vom politischen Standpunkt aus nicht tragbar, wenn eine Verlängerung der Inanspruchnahme bis zum 31. Dezember 1956 erfolge. Dabei ist es nicht uninteressant, daß in der Begründung des Bundesrats lediglich von politischer Untragbarkeit die Rede ist, daß aber nicht darin gesagt wird, es seien rechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf geltend zu machen. Das ist um so bemerkenswerter, als im Bundesrat von einigen Ländern auch rechtliche Bedenken geltend gemacht worden sind.
Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß das, was der Bundesrat gesagt hat, im wesentlichen negativ ist. Daraus ist kein positiver Verbesserungsvorschlag zu ersehen. Ich persönlich wäre jederzeit gerne bereit, einen besseren Vorschlag an die Stelle dieser Vorlage zu setzen.
Eine frühere Erledigung des Bundesleistungsgesetzes, des Schutzbereichgesetzes und des Landbeschaffungsgesetzes ist — das muß noch einmal hervorgehoben werden — leider unmöglich. Die drei Gesetzentwürfe ergeben eine Fülle von schwierigsten Sach- und Rechtsfragen. Es ist sorgsamste Prüfung geboten. Wir wissen, daß gerade durch diese Gesetzentwürfe tiefgehende Eingriffe in Privatrechte erfolgen sollen. Ein besonderes Kapitel ist die schon vom Herrn Bundesminister des Innern erwähnte Entschädigungsfrage, über die ganz besonders zu reden sein wird. Ich begrüße es, daß diese schwierige Entschädigungsfrage in dem vorliegenden Entwurf des Zwischengesetzes nicht behandelt ist. Ich möchte also feststellen, daß auch nach meiner Ansicht eine Verabschiedung der drei
Gesetze vor dem 5. Mai dieses Jahres nach Lage der Dinge völlig ausgeschlosen ist.
Was würde nun geschehen — auch darüber müssen wir uns klarwerden —, wenn nach dem 5. Mai 1956 ein Zwischengesetz nicht bestehen sollte? Ich darf hierbei auf die rechtlichen, tatsächlichen und außenpolitischen Erwägungen der Bundesregierung hinweisen, die in ihrer Stellungnahme zu dem ablehnenden Beschluß des Bundesrates enthalten sind. Selbstverständlich werden die Ausschüsse und wird auch dieses Hohe Haus selber alle diese Bedenken sehr sorgsam zu prüfen haben. Eines kann vielleicht schon jetzt gesagt werden: rechtliche Schwierigkeiten würden wohl auf keinen Fall zu vermeiden sein, wenn ein Zwischengesetz nicht erlassen werden sollte.
Andererseits entsteht die Frage, ob die Schwierigkeiten rechtlicher Art vermeidbar sind, wenn ein solches Zwischengesetz kommt. Ich persönlich neige zu der Auffassung, daß, wenn dieses Zwischengesetz kommt, die rechtlichen Schwierigkeiten ab 5. Mai dieses Jahres vermeidbar sind. Ich persönlich bin nach eingehender Prüfung schon jetzt überzeugt, daß rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche, und auch rechtspolitische Bedenken gegen die Vorlage nicht bestehen. Es wird Aufgabe der Ausschüsse, insbesondere des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, sein, diese Frage genauestens zu prüfen. Immer aber wird dieses Zwischengesetz nur ein Notbehelf sein dürfen. Daß etwas Besseres jederzeit durchaus zu akzeptieren sein wird, habe ich bereits betont. Dieses Zwischengesetz kann eben nur eine Überbrückung darstellen. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Überbrückung sollten wir uns auch ernstlich überlegen, ob nicht der in dem Entwurf vorgesehene Termin „bis zum 31. Dezember 1956" wesentlich abgekürzt werden müßte. Ich möchte zur Erwägung geben — mehr kann ja im Augenblick nicht gesagt werden —, daß diese Vorschrift durch eine Norm ersetzt wird, in der es etwa heißt: Dieses Gesetz gilt nur bis zur Verabschiedung der drei anderen Hauptgesetze, längstens aber ein halbes, vielleicht sogar nur ein Vierteljahr. Auf alle Fälle erscheint mir die Terminierung mit dem 31. Dezember 1956 doch zu weit gegriffen. Wir wollen ganz offen sein. Ich glaube, es würde auch eine ganz erfreuliche Antriebskraft für den Gesetzgeber, also auch für uns selbst sein, wenn wir die Frist nicht allzulange hinausschieben, sondern sie vielleicht in der von mir vorgeschlagenen Art erwägen, wobei selbstverständlich trotzdem jede Sorgfalt beobachtet werden muß, um dieses Gesetz ordnungsmäßig durchzuberaten und zu verabschieden.
Genau so, wie ich in der 112. Sitzung des Bundestages bei der Beratung des Bundesleistungsgesetzes beantragt hatte, die Ausschußberatung drei Ausschüssen zu übertragen, möchte ich hier den gleichen Vorschlag machen und das Hohe Haus bitten, diese Vorlage dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung — federführend — und dem Ausschuß für Verteidigung sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht —mitberatend — zu überweisen.
Gestatten Sie mir noch eine kurze Schlußbemerkung. Wenn in der Öffentlichkeit — ich glaube, das ist vielfach der Fall — die Auffassung verbreitet sein sollte, ohne ein solches Zwischengesetz würde ab 5. Mai dieses Jahres jede Inanspruchnahme gewissermaßen automatisch aufgehoben, so ist das
— das muß mit aller Deutlichkeit herausgestellt werden – leider ein Irrtum.
Selbstverständlich muß es aber unser Ziel bleiben, solche Besatzungsmaßnahmen
so schnell wie möglich abzubauen. Ich glaube, der Bundesrat hat in dieser Hinsicht das richtige Wort geprägt: Dem Staatsbürger kann eine weitere Beeinträchtigung seiner Eigentumsrechte nicht mehr zugemutet werden.
So wie ich die Verhältnisse sehe, muß das Zwischengesetz aus den von der Bundesregierung und auch von mir angeführten Gründen seinen Weg nehmen. Ich möchte es aber nicht unterlassen, ganz unabhängig hiervon, bei dieser Gelegenheit einen dringenden Appell an die Bundesregierung zu richten, alles, aber auch alles weiterhin zu tun,
um den Besatzungsgeschädigten zu helfen. Die Betroffenen, die Besatzungsgeschädigten müssen endlich ihre drückenden Lasten loswerden.
Im übrigen wird es Aufgabe des Gesetzgebers, also auch dieses Hohen Hauses sein, die drei Gesetze, das Bundesleistungsgesetz, das Schutzbereichsgesetz und das Landbeschaffungsgesetz schnellstmöglich zu verabschieden. Im Interesse einer beschleunigten Verabschiedung auch des Zwischengesetzes, das nur für kürzeste Zeit gelten darf, halte ich es für unerläßlich, daß dieser Entwurf nur einigen wenigen Ausschüssen überwiesen wird, die ich mir vorhin vorzuschlagen erlaubte.