Alle Teilnehmer sind sich darin einig, daß die Begutachtungen des Personalgutachterausschusses in der Regel ohne Zusätze erfolgen. Nur in besonderen Fällen hält der Gutachterausschuß Einschränkungen für notwendig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist das Gesetz bereits durchbrochen, das von diesem Hause beschlossen ist; denn in diesem Gesetz steht eindeutig geschrieben, daß die Begutachtung praktisch nur mit Ja oder Nein, nicht aber mit irgendwie gearteten Zusätzen zu erfolgen hat.
– Herr Kollege Erler, nachher!
Es nimmt deswegen nicht wunder, daß der Herr Bundesminister für Verteidigung auch heute noch an seiner Auffassung festhält
— Herr Kollege Eschmann —, daß solche einschränkenden Bemerkungen für ihn nicht rechtsverbindlich seien.
Außerdem besagt das Protokoll, daß sich der Bundesminister für Verteidigung bereit erklärt, der Bundesregierung bei Vorlage des Ernennungsvorschlages den vollen Wortlaut der Stellungnahme des Gutachterausschusses mitzuteilen — dagegen ist meines Erachtens nichts einzuwenden —, und er erklärt sich weiter bereit, in Einzelfällen auf Anfrage dem Gutachterausschuß die vorgesehene Verwendung des Bewerbers mitzuteilen; jedoch habe diese Mitteilung keinerlei Rechtsverbindlichkeit.
Auch hier wird nicht dem Buchstaben getreu gehandelt, und der Herr Verteidigungsminister hat sich unseres Erachtens mit Recht dagegen zur Wehr gesetzt, daß er, da der Personalgutachterausschuß ja ausschließlich die persönliche Eignung der Bewerber zu prüfen hat, nun auch noch verpflichtet sein solle, dem Gutachterausschuß die künftige Verwendung der betreffenden Personen bekanntzugeben.
Meine Damen und Herren, Sie mögen schon aus diesen unterschiedlichen Auffassungen ersehen, daß dieses Gesetz, obwohl es damals mit Verve und Intensität im Verteidigungsausschuß gemacht wurde, doch auch seine Tücken hat. Meine Freunde und ich bezweifeln, ob die Einrichtung des Ausschusses dem Art. 3 des Grundgesetzes, wenn man es einmal zu einer Prüfung kommen lassen sollte, standhalten würde, und wir bezweifeln insbesondere, ob der Ausschuß selbst und sein Verfahren, auf das ich noch zu sprechen kommen werde, mit jenem rechtsstaatlichen Denken übereinstimmen, das als oberste Maxime über unserem staatlichen Leben stehen sollte und stehen muß.
Ich komme, glaube ich, nicht in einen falschen Verdacht, wenn ich das, was ich auf einer Pressekonferenz vor etwa einem Vierteljahr zu dieser Frage geäußert habe, hier wiederhole, daß nämlich selbst in den sogenannten Entnazifizierungsausschüssen damals den Betroffenen die Möglichkeit gegeben war, gegen die gegen sie erhobenen Vorwürfe bzw. Anklagen Stellung zu nehmen bzw. eine Revisionsinstanz anzurufen.
Ich darf noch aus den „Bremer Nachrichten" vom 13. Dezember 1955 zitieren, wo der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen einstimmigen Beschluß veröffentlicht hat, wonach es geboten sei, daß der Personalgutachterausschuß seine Geschäftsordnung baldmöglichst dahingehend ändere, daß „den Bewerbern im Falle der Ablehnung ein begründeter Ablehnungsbescheid erteilt, ihnen zuvor rechtliches Gehör gegeben und daß die Möglichkeit einer Appellation geschaffen wird. Der CDU/CSU-Vorstand hält das bisherige Verfahren aus rechtlichen und menschlichen Gründen für anfechtbar." Meine Freunde haben diese Stellungnahme nur begrüßt, und wir befinden uns überraschenderweise sogar in der angenehmen Gesellschaft der „Welt der Arbeit", die über dieses Thema schreibt:
Man kann darüber streiten, ob die -Verfahrensweise, die der Gutachterausschuß bisher praktizierte, in allen Punkten richtig ist. Er hat beispielsweise nicht nur die Bewerber beurteilt, sondern auch Empfehlungen für ihre Verwendung in den Streitkräften bzw. auch Nichtverwendung für bestimmte Aufgaben gegeben. Dabei hat er sich offensichtlich von der Arbeitsweise des vor einigen Jahren tätigen parlamentarischen Untersuchungsausschusses inspirieren
lassen, der damals das Auswärtige Amt überprüfte und auch solche Empfehlungen für die Verwendung bestimmter Personen gab. Weiter kann man im Zweifel darüber sein,
— schreibt die „Welt der Arbeit" —
ob es richtig ist, daß der Personalgutachterausschuß bei negativer Entscheidung dem Bewerber und dem Verteidigungsminister die Ablehnungsgründe nicht mitteilt und so dem Betroffenen bei einer Revisionsverhandlung das Vorbringen von Entlastungsmomenten erschwert.
Der Herr Kollege Erler hat in einer Rundfunkansprache, die er Mitte Dezember gehalten hat, zu diesem Thema gesagt, man könne den Personalgutachterausschuß mit dem Personalchef einer Firma oder einer Behörde vergleichen, der aus den geeigneten Bewerbern den besten herauszusuchen und den anderen, die nicht geeignet erschienen, abzusagen habe. Ohne Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Erler, zu nahe treten zu wollen, finde ich doch, daß Sie ein schlechtes Beispiel gewählt haben; denn der Personalgutachterausschuß ist ja in Wahrheit nicht der Personalchef der Firma, mit der wir es hier zu tun haben, nämlich des Verteidigungsministeriums, sondern Personalchef ist der Bundesverteidigungsminister selber, der u. a. dem Ausschuß die Bewerber namhaft zu machen hat, die bereits für die Einstellung in die deutschen Streitkräfte vorgesehen sind. Der Personalchef hat sich also der Entscheidung eines unabhängigen, eines selbständigen, neben ihm fungierenden Gremiums zu unterwerfen. Der Personalchef ist, wie gesagt, der Herr Bundesverteidigungsminister. Entscheidend ist aber, daß dieses neben dem dem Parlament verantwortlichen Personalchef, also dem Herrn Bundesverteidigungsminister, tätige Gremium nicht etwa eine Prüfung der beruflichen oder fachlichen Eignung vornimmt, wogegen man sehr viel weniger einwenden könnte, sondern eine solche der persönliche Eignung; die beruflich-fachliche Eignung prüft j a das Verteidigungsministerium.
Das aber ist meines Erachtens Veranlassung, zu sagen, daß mit der Übernahme dieser Funktion durch den Personalgutachterausschuß diesem praktisch richterliche Funktionen zukommen. Ich habe mich mit Juristen darüber unterhalten, die der Auffassung waren, daß der Personalgutachterausschuß demzufolge in der Rechtssystematik etwa der Strafrechtspflege einzuordnen sei, da er die härteste Strafe verhängen könne — ich lasse mich gern belehren, Herr Kollege Bausch, aber es ist mir so gesagt worden —, die überhaupt zu verhängen sei, nämlich praktisch das Verbot der Berufsausübung.
Betrachte ich nun, unter welchen Umständen die Entscheide gefällt werden — ich werde mir erlauben, darauf noch kurz zu sprechen zu kommen —, so dürfen Sie es mir nicht verübeln, wenn ich meinem Fraktionsvorsitzenden Professor Brühler recht gebe, der einmal gesagt hat, daß eine solche Entscheidung in letzter Instanz ohne Begründung für die Betroffenen oder für die Öffentlichkeit praktisch in die Kabinettsjustiz des 17. Jahrhunderts gehöre und nicht in die Demokratie passe. Außerdem — und hier darf ich auf das vorhin Gesagte zurückkommen — besteht noch ein entscheidender Unterschied gegenüber jeder anderen Bewerbung, die bei einer Behörde oder einer privaten Unternehmung erfolgt. Hinsichtlich der Besetzung einer sonstigen Stelle in der Wirtschaft oder bei einer Behörde hat der Kollege Erler durchaus recht, wenn er feststellt, daß derjenige, dem ein anderer vorgezogen wird, sich nicht be-
sehwert fühlen kann, da es das gute Recht des Personalchefs ist, die Bewerber nach fachlichen, beruflichen, persönlichen und anderen Gesichtspunkten auszuwählen. Hier ist es aber nach Ansicht meiner politischen Freunde anders, da diese Firma, nämlich die deutschen Streitkräfte, völlig neu aufgebaut wird und jeder mit entsprechenden fachlichen Qualitäten grundsätzlich von vornherein gebraucht wird.
Wenn die persönliche und die charakterliche Beurteilung von einem außenstehenden, von einem so außerhalb des Parlaments und auch der Regierung stehenden Gremium wie dem Personalgutachterausschuß erfolgt und der betreffende Bewerber abgelehnt wird, ist das — ich bitte, mir das etwas strenge Wort nachzusehen — letzten Endes, trotz der gegenteiligen Feststellungen des Personalgutachterauschusses, eine Diffamierung. Wir vermögen nicht einzusehen, daß das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen übereinstimmt.
Herr Dr. Wolf, ein Mitglied des Personalgutachterausschusses, hat Mitte Dezember des vorigen Jahres in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine längere Auslassung gebracht, in der er sich u. a. gegen den Vorwurf wendet, daß das Wesen des Personalgutachterausschusses nicht rechtsstaatlich sei, indem er seinerseits feststellt, daß kein Angehöriger der ehemaligen Wehrmacht, auch kein Oberst und kein General, etwa einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung habe. Hier stimmen wir mit Herrn Dr. Wolf völlig überein. Er scheint nur übersehen zu haben, daß sich unsere Bedenken gegen die Methode des Ausschusses und nicht etwa gegen den hier von ihm angezogenen Punkt richten.
Herr Dr. Wolf schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. Dezember 1955 weiter:
Gegen die Mitteilung der Tatsachen erhebt
sich noch ein anderes schweres Bedenken.
— Das heißt gegen die Mitteilung der Tatsachen, die vom Personalgutachterausschuß festgestellt sind. —
Das Gesetz gibt dem Ausschuß das Recht, sich unmittelbar zu unterrichten, nicht jedoch die Möglichkeit, ein förmliches Beweisverfahren durchzuführen. Es verpflichtet Privatpersonen nicht zur Aussage. 13m die ihm gestellte Aufgabe erfüllen zu können, ist der Ausschuß auf freiwillige Auskünfte angewiesen, die er mit angemessener Vorsicht von geeigneten Vertrauenspersonen und Zeugen tatsächlicher Vorgänge einholt. Da der Ausschuß diesen nicht zumuten kann,
— und hier bitte ich besonders aufzumerken —
sich wegen der nicht bestehenden gesetzlichen Aussagepflicht einem Beleidigungsprozeß auszusetzen, sichert er ihnen entsprechend dem Gesetz Verschwiegenheit zu. An diese Zusicherung ist er gebunden.
Hier ergibt sich nach Auffassung meiner politischen Freunde ein weiteres schwerwiegendes Moment. Einmal kann man wohl sagen, daß durch die Äußerungen des Herrn Vorsitzenden des Personalgutachterausschusses, des Herrn Staatssekretärs Rombach, praktisch das Verlangen an die gesamte Öffentlichkeit gestellt wird, die Zeugen des Personalgutachterausschusses, die zu der persönlichen Eignung der Bewerber zu hören sind, von vornherein als absolut einwandfrei und unfehlbar zu bezeichnen. Dieses Unfehlbarkeitsdogma können wir aber weder dem Personalgutachterausschuß noch irgendeiner anderen mit Menschen besetzten Institution zubilligen. Wenn auch hier in dem zitierten Artikel gesagt wird, daß es sich nur um erstklassige Zeugen handle, so ist auch dies eine rein subjektive Feststellung, da die Entscheidung über die Frage, um welche Zeugen es sich handelt und ob sie erstklassig sind, in eigener Machtvollkommenheit ausschließlich vom Personalgutachterausschuß selbst getroffen wird.
Es erzeugt bei meinen politischen Freunden von der Deutschen Partei größte Bedenken, daß den Zeugen — allerdings ist es gesetzlich nun so festgelegt — die Zusicherung gegeben wird, daß mit ihren Aussagen keine weitere Verwendung über die Ablehnung oder Bejahung des Bewerbers hinaus erfolgt. Ich will nicht behaupten, daß etwa in diesem Zusammenhang Denunziationen oder ähnliches vorgekommen seien. Immerhin werden Sie mir bei sachlicher Betrachtung konzedieren müssen, daß mit der Methode, die hier praktiziert wird, solchen Dingen grundsätzlich Tür und Tor geöffnet wird.
Wenn in dem Gesetz geschrieben steht, daß die Aussagen der Zeugen ebenfalls praktisch geheim seien, d. h. daß sie nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken, dann muß ich leider feststellen, daß ich selbst über mancherlei Details aus dem Personalgutachterauschuß bzw. über bestimmte Gründe, die zur Beurteilung dieses oder jenes Bewerbers geführt haben, unterrichtet bin. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß auch der „Spiegel" vor einiger Zeit einen Artikel brachte, der sich mit dem General Heusinger befaßte und in dem auf diese Dinge in etwa Bezug genommen wurde.
In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, was beispielsweise mit anonymen Angaben über Bewerber geschieht, die sich dem Personalgutachterausschuß gestellt haben. Was geschieht mit unaufgefordert eingegangenen Beurteilungen über Bewerber? Spielt auch die politische Einstellung der betreffenden Bewerber — auch diese Frage möchte ich stellen — etwa eine schwerwiegende Rolle bei ihrer Beurteilung?
Kurz gesagt, die Nichtbekanntgabe der Ablehnungsgründe an die Bewerber entspricht nach Auffassung der Deutschen Partei weder soldatischer noch demokratischer Tradition, da die guten, die wirklich guten Bewerber davon abgehalten werden, sich einem solchen Dunkelkammerverfahren zu unterwerfen, obgleich sie am wenigsten zu befürchten haben.
Nachdem schon seit Jahren in diesem Hause mehr oder minder Einigkeit darüber bestand, daß bei der Auslese der höheren Offiziere ein gewisser Maßstab angelegt werden müsse, was auch grundsätzlich von uns bejaht wird, bin ich mir mit meinen Freunden vollkommen darüber im klaren, daß das Personalgutachterausschuß-Gesetz und die Einrichtung dieses Ausschusses doch noch etwas unter jener Animosität und jenen Ressentiments zustande gekommen sind, die vor einem Jahr in der Öffentlichkeit und auch in den Reihen dieses Hauses noch erheblich mehr geisterten, als es heute etwa der Fall wäre. Deshalb sagte ich zu Beginn meiner Ausführungen, daß ich in einer Weise froh darüber sei, daß wir heute in der Lage seien, die Dinge in einer entspannteren Atmosphäre und mit größerer Ruhe zu betrachten. Sie werden es uns aber nicht verübeln, daß wir in konsequenter Verfolgung unseres damals bekanntgegebenen Standpunktes, der durch verschiedene Dinge erhärtet
wird, von denen ich Ihnen aus zeitlichen Gründen nur einige wenige aus einer Vielzahl geschildert habe, auch heute noch darauf bestehen müssen, daß der Ausschuß seine Tätigkeit einstellt, obwohl bereits eine erhebliche Zahl von Offizieren durch diese Institution gegangen ist.
Wir haben uns deswegen erlaubt, Ihnen gleichzeitig einen konkreten Gegenvorschlag zu machen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wir hätten ihn schon zu einem früheren Zeitpunkt gemacht; vielleicht hätte er dann sogar Aussicht gehabt, anstatt des inzwischen beschlossenen Gesetzes Wirklichkeit zu werden. Der Gesetzentwurf der Fraktion der Deutschen Partei liegt Ihnen in Drucksache 2075 vor. Ich möchte dazu nur sagen, daß wir der Auffassung sind, daß ein Gremium von ehemaligen höheren Offizieren, das in der hier vorgesehenen Form zu berufen wäre, das aber — hierauf lege ich entscheidenden Wert — dem Parlament, nämlich dem Verteidigungsausschuß, verantwortlich wäre, besser geeignet ist, die Aufgabe durchzuführen, die Sie einstmals dem Personalgutachterausschuß zugedacht haben.