Rede:
ID0212802000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Czermak.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1956 6661 128. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1956. Mitteilung über Vorlage von Berichten über die Preise bei militärischen Aufträgen (Drucksache 2073) und über die Frage der finanziellen Maßnahmen zur Erneuerung und zum Ausbau der Schiffahrt- und Fischerei-Tonnage (Drucksache 2076) . . 6661 C Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Eingliederung von Flüchtlingen, Vertriebenen, Evakuierten und Heimkehrern (Drucksache 1961) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Politik der Bundesregierung in den Angelegenheiten der Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Evakuierten (Drucksache 1896), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (Drucksache 1965) und mit der Ersten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ausgleichsleistungen an Sowjetzonenflüchtlinge (Drucksache 1966) 6661 C Kuntscher (CDU/CSU), Anfragender 6661 D Dr. Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte . . . . 6667 C, 6685 A Jaksch (SPD), Antragsteller 6680 A, 6682 A, 6691 C Niederalt (CDU/CSU) 6682 A Dr. Klötzer (GB/BHE), Antragsteller 6685 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 6687 D, 6691 C Rehs (SPD) 6692 B Dr. Czermak (FDP) 6696 A Weiterberatung vertagt 6698 C Nächste Sitzung 6698 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6698 C Die Sitzung wird um 14 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Lulay 7. 4. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 1. 4. Dr. Kopf 31. 3. Böhm (Düsseldorf) 3. 3. Graaff (Elze) 3. 3. Dr. Hammer 3. 3. Mensing 1. 3. Meitmann 29. 2. Peters 29. 2. Dr. Starke 28. 2. Dr. Eckhardt 25. 2. Glüsing 25. 2. Mellies 25. 2. Dr. Pohle (Düsseldorf) 25. 2. Schmidt (Hamburg) 25. 2. Srock 25. 2. Gleisner (Unna) 18. 2. Hörauf 13. 2. Dr. Arndt 11. 2. Bauer (Wasserburg) 11. 2. Eberhard 11. 2. Kriedemann 11. 2. Dr. Lenz (Godesberg) 11. 2. Maier (Stuttgart) 11. 2. Morgenthaler 11. 2. Pelster 11. 2. Siebel 11. 2. Bauknecht 10. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 2. Dr. Blank (Oberhausen) 10. 2. Even 10. 2. Gockeln 10. 2. Hilbert 10. 2. Kemper (Trier) 10. 2. Lemmer 10. 2. Dr. Miessner 10. 2. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 10. 2. Müller-Hermann 10. 2. Naegel 10. 2. Raestrup 10. 2. Scheel 10. 2. Frau Dr. Steinbiß 10. 2. Dr. Will 10. 2. Dr. Berg 9. 2. Fuchs 9. 2. Geritzmann 9. 2. Hansen (Köln) 9. 2. Heiland 9. 2. Kinat 9. 2. Kühlthau 9. 2. Dr. Mocker 9. 2. Dr. Schellenberg 9. 2. Schmitt (Vockenhausen) 9. 2. Dr. Schranz 9. 2. Spörl 9. 2. Graf von Spreti 9. 2. Sträter 9. 2. Varelmann 9. 2. Dr. Welskop 9. 2. Wolf (Stuttgart) 9. 2. b) Urlaubsanträge Ladebeck 10. 3. Dr. Orth 10. 3. Dr. von Merkatz 10. 3. Krammig 25. 2. Odenthal 18. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Reinhold Rehs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Hellwig hat sich für seine Fraktion mit einem bemerkenswerten Mut in die kritische Auseinandersetzung hineingestellt, und er hat mit anerkennenswertem Freimut und mit einer in einer Reihe von Fragen sehr positiven Haltung Notwendigkeiten einer Änderung der Dinge aufgezeigt, die auch ich und meine Freunde in vollem Umfang unterstreichen. Herr Kollege Hellwig, Sie sagten eingangs unter Hinweis auf meinen Parteifreund Jaksch, wir sollten doch nicht die Leistungen verkleinern und einen falschen Eindruck entstehen lassen. Ich meine, Sie sollten doch nicht übersehen, daß diese Leistungen nur in einem richtigen Verhältnis zu dem betrachtet und beurteilt werden können, was noch nicht geschehen ist. Vor allen Dingen können sie richtig nur gesehen werden auf dem Hintergrund der Zeit, die bereits abgelaufen ist, insbesondere auch auf dem Hintergrund der gehorteten Milliarden, die jetzt im
    Bundeshaushalt zur Verfügung stehen. Sie hätten in weitem Umfang für diese Aufgaben schon zu einem viel früheren Zeitpunkt herangezogen werden können. Sie müssen die bisherigen Leistungen auch im Zusammenhang mit dem gesamten Sozialprodukt sehen, mit den Investitionen, mit dem ganzen übrigen Wirtschaftsspiegel, den Dividenden, den Aktien. Wenn Sie das alles im Zusammenhang betrachten, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daß die Möglichkeiten, die in der Bundesrepublik bestanden haben, nicht ausgeschöpft worden sind.
    Sie haben in einer Reihe von Fällen, ich sagte es schon, sehr positive Anregungen ausgesprochen. Es wird darauf ankommen, Herr Kollege Hellwig, welche Konsequenzen Sie und Ihre Freunde in der Fraktion aus diesen Ihren eigenen Worten ziehen werden. Es ist Ihr Finanzminister, Herr Kollege Hellwig, und es ist Ihr Vertriebenenminister — jedenfalls der Minister, der zu Ihnen gehört —, und Sie sind die größte Fraktion, Sie haben die Möglichkeit, Ihren Worten auch die Taten folgen zu lassen. Im anderen Fall wird auch Ihre gute und wohlklingende Rede nur eine mehr in der Reihe der schönen, platonischen Erklärungen Ihrer Fraktion zu diesem Problem gewesen sein.

    (Pfui-Rufe in der Mitte. — Abg. Leukert: Das war ja sehr gescheit!)

    — Ja, Herr Kollege, es ist doch nicht anders! Wir haben es doch immer erlebt; Sie können es gar nicht bestreiten!

    (Abg. Dr. Kather: Haben wir immer erlebt! — Herr Hellwig, wir werden uns sprechen!)

    Wir haben diese Frage seit Jahr und Tag hier immer wieder aufgerollt. Was ich aber auch heute zu den Ausführungen des Herrn Vertriebenenministers feststellen muß, ist: Diese Rede war wieder das Muster einer Ministerrede über Vertriebenenfragen, wie wir sie seit Jahren in diesem Hause kennen. Mit einem Aufwand von Worten ist über all das hinweggeredet worden, worauf es uns ankommt.

    (Zuruf von der Mitte: Sie haben wohl nicht zugehört!)

    Mit einem Wirbel von Zahlen, Hinweisen auf finanzielle Maßnahmen, mit Ankündigungen und Projektierungen ist versucht worden, den Eindruck zu erwecken, als ob eigentlich alles in bester Ordnung sei.

    (Zuruf von der Mitte: Das hat er nicht gesagt!)

    als ob das Vertriebenenministerium geradezu berste vor Initiative, Entschlossenheit und Gedankenfülle. Und wenn Sie diesen Wortschwamm der Ministerrede zusammendrücken, dieser anderthalbstündigen Rede, dann müssen Sie feststellen, daß sich seit den Tagen des Ministers Lukaschek bis heute an der eisigen Haltung der Bundesregierung zu diesem Problem auch nicht ein Gran geändert hat

    (Beifall beim GB/BHE)

    und daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer trotz seiner gelegentlichen rührungsvollen Bekenntnisse heute weniger denn je bereit ist, aus dem prallen, in seinen Nähten platzenden Staatssäckel etwas zu einer durchgreifenden und raschen Behebung der Kriegsfolgenöte beizusteuern. Sie müssen feststellen, daß der Herr Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte auf


    (Rehs)

    der ganzen Linie vor ihm und dem Kabinett kapituliert hat.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE. — Zuruf von der CDU/CSU: Beweise! — Abg. Dr. Kather: Stimmt haargenau!)

    — Der Herr Minister hat es doch selber vorgetragen! Ich werde Ihnen hier noch einige konkrete Beispiele dafür anführen.
    Die Sozialdemokratische Partei will, daß der soziale Teil der Vertriebenen- und Kriegsgeschädigtenprobleme endlich abgeschlossen werden kann, aber mit Hilfe materieller Anstrengungen, zu denen die Bundesregierung heute bei gutem Willen durchaus in der Lage wäre. Wir wollen nicht, daß Hunderttausende von Menschen auf oder vor dem Altar des Wirtschaftswunders geopfert bleiben. Wir wollen, daß diese emotionalen Spannungsursachen aus dem menschlichen und politischen Raum bei uns herauskommen, und deshalb wollen wir, daß die Spiegelfechtereien mit diesen Dingen endlich aufhören, die die Öffentlichkeit verwirren und bisher jeden ernsthaften und durchgreifenden Entschluß verhindert haben.

    (Abg. Leukert: So was! Deswegen kommen so viele Vertriebene in die Münchener Stadtverwaltung!)

    — Herr Kollege, Ihre Zwischenrufe verhindern nicht, was ich sage, und sie verhindern auch nicht, daß ich es sage; sie zeigen nur, daß Sie entweder ein schlechtes Gewissen haben oder daß Sie nicht tief genug in die Dinge eingedrungen sind.

    (Abg. Leukert: Aber Ihr Oberbürgermeister hat ein schlechtes Gewissen!)

    — Mein Oberbürgermeister? Ich weiß nicht, welchen Sie jetzt meinen. Meinen eigenen? Das mag allerdings sein. — Na ja, bei einer solchen Geographie ist es natürlich kein Wunder, daß die Vertriebenen zu kurz kommen.
    Der Kollege Jaksch hat hier zu der Frage der Umsiedlung bereits eingehende Ausführungen gemacht. Ich möchte nur noch wenige Bemerkungen hinzufügen, gerade im Hinblick auf das, was Kollege Hellwig hierzu ausgeführt hat. Sie wissen doch, Herr Minister Oberländer, daß aus den drei Hauptflüchtlingsländern Anträge für insgesamt rund 250 000 Personen vorliegen. Sie wollen hiervon ungefähr 50 bis 60 % auf die innere Umsiedlung abschreiben. Das ist im höchsten Grade problematisch, weil der Bund für die innere Umsiedlung kein Geld zur Verfügung stellt. Aber Sie wissen andererseits, daß bei dem dann noch verbleibenden großen Teil der Menschen die Familienzusammenführung nur in begrenztem Umfang das treibende Motiv ist, daß es um die Familien ohne Ernährer geht, die Halbfamilien, die in den jetzigen Wohnländern nicht eingegliedert werden und keinen Arbeitsplatz finden können. Das ist der harte Kern des Problems, der schwierigste, menschlich der bitterste Teil. Für sie bietet die Umsiedlung nach wie vor die einzige Chance, endlich einmal aus ihrer hoffnungslosen Lage herauszukommen.
    Sie haben zum Finanzproblem Ausführungen gemacht, die dem Haus keinerlei Gewähr für die sichere Durchführung geben können. Sie haben erklärt, daß der Finanzbedarf für die weitere Umsiedlung einschließlich der 50 000 Evakuierten in Höhe von rund 285 Millionen DM durch Zweckbindung der für den Wohnungsbau bereitzustellenden Bundeshaushaltsmittel und durch Zweckbindung der Wohnraumhilfe-, also Lastenausgleichsmittel gedeckt werden soll. Sie wissen selbst — das haben Sie ja auch eingeräumt —, daß die Zweckbindung der Zustimmung der Länder wie auch des Kontrollausschusses bedarf. Bisher hat der Kontrollausschuß seine Zustimmung zu einer Zweckbindung von Wohnraumhilfemitteln für das Jahr 1956 nicht erteilt. Sie wissen, daß die Länder der Zweckbindung der allgemeinen Wohnungsbauhaushaltsmittel ebenfalls grundsätzlich widersprochen haben. Alles, was Sie bisher über die Finanzierung der weiteren Umsiedlung nach der neuen Umsiedlungsverordnung angekündigt haben, hängt also im Augenblick jedenfalls noch in der Luft. Aber mag der Kontrollausschuß darüber entscheiden! In jedem Falle stellt das Angebot der sogenannten Erleichterung, von dem Sie gesprochen haben, ganz eindeutig eine Verschleierung der Tatsache dar, daß die Bundesrégierung selber Haushaltsmittel für den Umsiedlungswohnungsbau nicht zur Verfügung stellen, sondern daß sie den Lastenausgleichsfonds damit belasten will. Sie gibt diesem jetzt zwar aus dem derzeitigen Mittelüberschuß, aus dem Juliusturm, um die Optik zu verbessern, einige Gelder. Der Lastenausgleich muß sie später aber wieder zurückzahlen. Das ist doch der entscheidende Punkt.
    Herr Minister, bei Ihren Worten klang durch, daß es von der Haltung der Länder abhänge, ob die Verordnung auch finanziell unter Dach komme. Da klang so etwas der Versuch durch, schon jetzt den Ländern den Schwarzen Peter dafür zuzuschieben, wenn das eventuell nicht klappen sollte. Nun, Sie kennen die Lage genau. Sie wissen, daß die Länder bisher einstimmig die Notwendigkeit weiterer Umsiedlung bejaht, daß sie sich aber gegen die bisherige Finanzierungspraxis gewendet haben, und zwar deshalb, weil es sich bei der Umsiedlung um eine Kriegsfolgenaufgabe des Bundes handelt. Die Länder wehren sich dagegen, daß auf diese Weise die auf sie entfallenden Bundeswohnungsbaumittel zur Befriedigung ihres allgemeinen Wohnungsbaubedarfs gemindert werden sollen. Gerade diese Finanzierungspraxis hat ja bisher insbesondere die drei Hauptflüchtlingsländer insofern benachteiligt, als diese den ihnen zustehenden Schlüsselanteil an den allgemeinen Wohnungsbaumitteln nur aus den durch Zweckbindungen reduzierten Summen erhalten haben.
    Man muß in diesem Zusammenhang nur noch wissen und in Betracht ziehen, daß der Bund von den für den Wohnungsbau zugunsten der äußeren Umsiedlung bisher bereitzustellenden nachrangigen Förderungsmitteln selbst bisher tatsächlich nur 200 Millionen DM zusätzlich, d. h. zu den durch den Bund ohnehin bereitzustellenden Wohnungsbaumitteln, gegeben hat und daß es sich bei diesen 200 Millionen DM zudem noch um einen Betrag handelt, der vom Bundestag bereits am 16. Mai 1952 in Zusammenhang mit der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes durch Beschluß gefordert worden war. Erst jetzt, bald vier Jahre danach, hat sich die Bundesregierung, wie wir aus dem Bulletin vom 4. Februar ersehen konnten, dazu bequemt, diesen Beschluß des Bundestages auszuführen und die letzten 97.4 Millionen von diesen 200 Millionen DM mit Wirkung vom kommenden 1. April zur Verfügung zu stellen.
    Wenn Sie objektiv gewesen wären, Herr Minister, dann hätten Sie bei der Beantwortung der Großen Anfrage mindestens den Antrag meiner


    (Rehs)

    Fraktion vom 1. Dezember 1955, Drucksache 1899 Buchstabe A, zu Rate gezogen. Sie haben ja diese Große Anfrage — das weiß jeder mit den Dingen in diesem Hause Beschäftigte und Vertraute — nicht nur selber bestellt, sondern mehr oder minder mit Kollegen aus der CDU/CSU gefertigt. Also Sie haben doch den Zweck, der damit verfolgt wurde und der von Ihnen verfolgt wurde, genau übersehen. Es wäre also doch mindestens ein Gebot der Fairneß für Sie gewesen, die sachlichen Anregungen und die sachlichen Möglichkeiten, die durch diese Anträge aufgezeigt worden sind, in Ihrem eigenen Vorbringen zu berücksichtigen. Auf diese Anträge aber einzugehen, dazu gehört freilich Herrn Bundesfinanzminister Schäffer gegenüber auch der Mut zu Konsequenzen.
    Zur Frage der Altlager: Herr Kollege Kuntscher hat dazu gemeint — und er hat das, soweit ich ihn verstanden habe, eigentlich als sein einziges Anliegen in dieser Frage angesehen —,. der Herr Bundesfinanzminister möge doch darauf bedacht sein, daß die Länder daraufhin kontrolliert werden, daß die Ersparnisse aus den Kriegsfolgemitteln, soweit sie auf die Länder entfallen, nicht für andere Zwecke, sondern auch tatsächlich für die Auflösung der Lager verwandt werden. — Natürlich sollen die Länder das. Aber um das zu erreichen, Herr Kollege Kuntscher, werden eben die Länderparlamente aufpassen müssen, und Sie selbst brauchen sich ja deswegen nur an Ihre zuständigen Fraktionskollegen in den Ländern zu wenden, um auf diesem direkten Wege ihren eigenen Landesfinanzminister dazu zu zwingen.
    Der Schwerpunkt des Problems liegt doch ganz woanders. Der Schwerpunkt liegt in der einfachen Frage, ob und mit welchen Mitteln die Bundesregierung endlich bereit ist und sich dazu aufraffen will, in dieser traurigen Angelegenheit — die doch angesichts der in dem Bundesfinanzministerium gehorteten 6 Milliarden einen Schandfleck darstellt — etwas Durchgreifendes zur Beseitigung der Mißstände zu tun. Was wir dazu heute von dem Herrn Minister Oberländer gehört haben, war wieder nur der Versuch, an der Fassade herumzuretuschieren.

    (Zuruf vom GB/BHE: Noch zuviel gesagt!)

    — Richtig. — Herr Minister Oberländer, Sie haben eine Menge philosophischer Betrachtungen zu diesem Punkt angestellt, über das Attribut totalitärer Staatsformen, und daß man sich aus der gefährlichen Gewohnheit reißen müßte, die Lager als selbstverständlich anzusehen. Sie haben von Gründen der Staatssicherheit gesprochen. Natürlich ist das alles richtig; aber ich habe nur zu fragen: Warum sagen Sie das nicht der Bundesregierung und warum setzen Sie nicht im Kabinett durch, daß diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden?

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Uns hier brauchen Sie das nicht zu erzählen; wir wissen das alle. Aber sorgen Sie endlich dafür, daß diese Gesichtspunkte bei Ihren eigenen Kabinettskollegen berücksichtigt werden!

    (Abg. Dr. Kather: Kapitulation auf allen Fronten!)

    Sie haben zu diesem Punkte dann ausgeführt, daß der Bundesregierung seit dem Überleitungsgesetz die Verfügung über die Pauschalmittel entzogen sei. Ich habe dazu nur zu fragen: Warum führen Sie das an, wenn Sie nicht gleichzeitig sagen, daß dann eben noch andere Mittel eingesetzt
    werden müssen, um diesem Problem zu Leibe zu gehen? Sie haben ja noch vor gar nicht allzu langer Zeit in Kiel etwas ganz anderes erzählt. Sie haben uns heute gesagt, Bundeshaushaltsmittel stünden für diesen Zweck nicht mehr zur Verfügung. Nun bitte, vor sechs Wochen in Kiel waren Ihre Erklärungen genau umgekehrt! Was ist nun davon zu halten, Herr Minister?

    (Abg. Petersen: Das ist nicht neu bei ihm! — Abg. Dr. Kather: Das ist die „Wendigkeit"!)

    Ich will auf die Einzelheiten dieses Problems nicht weiter eingehen. Ich will auch nicht darauf hinweisen, daß die einjährige Kassenhilfe, von der Sie noch gesprochen haben, Herr Minister, doch als ernsthafte Vorfinanzierung überhaupt nicht angesehen werden kann; denn sie soll ja bereits aus den Pauschbeträgen des nächsten Jahres wieder getilgt werden, fehlt also dann bei diesen Mitteln. Das ist also doch — um es in der Studentensprache auszudrücken — nichts anderes als ein Leim für Füchse. Aber Sie haben auch hier den Antrag meiner Fraktion vom 1. Dezember 1955 völlig übergangen, wo nämlich die Handhabe und der Weg gezeigt worden sind, wie allein weiterzukommen ist. Der Antrag steht heute nicht auf der Tagesordnung; ich will infolgedessen nicht auf seine Einzelheiten eingehen. Das Parlament wird bei seiner Behandlung zu zeigen haben, ob es bereit ist, ein Machtwort zu sprechen. Insbesondere wird der Vertriebenenflügel der CDU/CSU hierzu Farbe bekennen müssen. Zu dem Problem Räumung der Lager hat Herr Minister Oberländer zusammenfassend oder abschließend die Erklärung abgegeben, daß die Finanzierung der Lagerauflösung „zunächst für 1956" als gesichert angesehen werden kann. Das heißt doch mit dürren Worten, daß das bisherige Schneckentempo bleibt; es heißt mit dürren Worten, daß Sie, wenn Sie nicht eine Wendung herbeiführen und sich zu anderen Maßnahmen entschließen

    (Abg. Dr. Kather: Kehrtwendung!)

    — Richtig! Kehrtwendung auf der ganzen Linie! —, noch in 13 Jahren die letzte Baracke stehen haben werden. Das ist der Gesichtspunkt, unter dem überhaupt jede Erörterung dieses Problems stattzufinden hat. Es ist mir unbegreiflich, Herr Minister Oberländer, wie Sie bei diesen Ihnen genau bekannten Tatsachen ein solches Eingeständnis, daß „zunächst für das Jahr 1956" diese Finanzierung gesichert sei, mit Ihrem Verantwortungsbewußtsein als Minister für diese betroffenen Menschen vereinbaren wollen.
    Ein kurzes Wort zu dem Kapitel der Vertriebenenwirtschaft. Sie haben, Herr Minister, den vertriebenen Unternehmern Anerkennung und Lob für ihre Haltung gezollt. Sie haben von dem alarmierenden Ergebnis der Untersuchung gesprochen, davon, daß dieses Ergebnis ein Ruf an die Regierung und die gesamte Volkswirtschaft sei. Man war gespannt, was denn nun kommen würde. Wenn man genau hinhörte, dann stellte man fest, daß wieder einmal ein ungeheurer Schaumberg aufgeblasen wurde, in dem aber auch nichts Konkretes zur wirklichen Lösung dieser Fragen enthalten ist.

    (Abg. Dr. Kather: Sehr richtig!)

    Sie haben gesagt, die Regierung sei von der Notwendigkeit überzeugt, weitere fördernde Maßnahmen zu ergeifen. Ich brauche auf diese Maßnahmen, soweit es sich um die steuerliche Seite


    (Rehs)

    handelt, nicht näher einzugehen. Hierzu hat der Kollege Hellwig ja genau das gesagt, was in dieser Richtung erforderlich ist.
    Aber außerdem hat das Problem ja noch eine andere, eine ganz entscheidende Seite. Das ist die Frage, was mit der Umschuldungsanleihe und mit ihren Kursen geschieht, wenn die Sperrfrist vom Februar 1958 abgelaufen ist. Wie soll dann die Kurspflege dieser Umschuldungsanleihe weitergeführt werden? Sie wissen, Herr Minister, daß der Unterausschuß für Vertriebenenwirtschaft im Einvernehmen mit der Lastenausgleichsbank gewünscht hat, der Finanzminister möge bestimmte Zusicherungen auf Bereitstellung von Haushaltsmitteln für diese Kurspflege geben. Hierüber haben Sie in Ihren Ausführungen kein Sterbenswörtchen verlauten lassen. Den entscheidenden Punkt, der die Vertriebenenwirtschaft interessiert, haben Sie überhaupt nicht angesprochen.
    Dabei wissen Sie — das ist auch uns bekannt, Herr Minister —, was Sie in dieser Frage mit dem Finanzministerium erst kürzlich abgesprochen haben. Warum haben Sie nicht den Mut, das auch in diesem Hause offen zu bekennen? Sie haben ein Abkommen mit dem Finanzminister getroffen, in dem zuerst die Erklärung abgegeben wird, daß die Kurspflege grundsätzlich Aufgabe der Emittenten sei und daß das auch für die Lastenausgleichsbank gelte, daß im übrigen aber das Finanzministerium ein allgemeines finanzpolitisches Interesse an der Kurspflege der Anleihen des Bundes und der übrigen öffentlich-rechtlichen Institute — und damit auch der Lastenausgleichsbank — habe.

    (Zurufe von der Mitte: Na also!)

    — Na ja, ein allgemeines Interesse! Was „kaufen sich die Leute" — um den Ausdruck zu gebrauchen
    — für ein solches allgemeines Interesse ohne eine konkrete Zusage: In der und der Größenordnung stehen Finanzmittel, Haushaltsmittel des Bundes dafür zur Verfügung? Durch diese Erklärung ist leider nur klargestellt, daß die Schwierigkeiten, wie wir sie im vergangenen Herbst mit der Lastenausgleichsanleihe erlebt haben, erneut entstehen werden. Die Kurspflege der Lastenausgleichsbank war ja, obwohl es sich um ein öffentlich-rechtliches Institut handelt und obwohl gerade in diesem Falle das Interesse des Bundes besonders groß hätte sein müssen, so mangelhaft, daß ein sehr bedenkliches Abgleiten der Kurse gar nicht verhindert werden konnte, während zur selben Zeit — aber das ist Ihnen ja alles nicht unbekannt — die Bundesanleihen selbst von der Bank deutscher Länder in Kurs gehalten worden sind.
    Es kam also für Sie, Herr Minister, darauf an, nach dieser Richtung hin die Karten auf den Tisch zu legen und zu erklären, ob und was konkret Sie beim Bundesfinanzminister in diesem Punkte erreicht haben. Wir stellen fest: gar nichts.

    (Zurufe vom GB/BHE: Nichts! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

    — Das, Herr Kollege, ist einer der Beweise für meine vorherige Behauptung, daß hier die erforderlichen Anstrengungen auch von Ihrer Fraktion nicht gemacht worden sind.

    (Abg. Kuntscher: Das stimmt aber nicht!)

    — Natürlich stimmt das, Herr Kollege Kuntscher!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen ein bißchen zuwarten, dann werden Sie es selber verstehen!)

    — Na, bitte sehr!
    Wir haben in der Ziffer 2 unseres Antrags nicht ohne Grund gefordert, daß die Bundesregierung — der Bundestag beschließt das hoffentlich — endlich eine definitive Bilanz und einen Gesamtbericht über die bei der Eingliederung der Vertriebenen noch zu lösenden Probleme unter Berücksichtigung ihrer strukturellen Beschaffenheit und der hierfür erforderlichen Mittel vorlegt. Wir können das, was wir heute als Zwischenbericht und als Vorbereitung für diesen Gesamtbericht aus dem Ministerium gehört haben, als in keiner Weise ausreichend ansehen. Sie haben sich bereit erklärt, Herr Minister, diesen Bericht zu geben. Ich habe nur zu fragen, wann, in welchem Zeitraum wir damit rechnen können, eine genaue Ubersicht über die Dinge zu erhalten. Wir wollen aus dem Nebel, in dem diese Fragen liegen, heraus. Wir wollen, daß solche Auseinandersetzungen 'und solche Beschwichtigungsreden, wie sie heute auch von Herrn Hellwig hier versucht worden sind, nicht mehr möglich sind. Wir können nur dann zu einem Abschluß in der Behandlung dieser Dinge gelangen, wenn der Bundestag und die Öffentlichkeit genau wissen, welche Fragen hinsichtlich der einzelnen Gruppen noch ungelöst geblieben sind und welcher finanzielle Gesamtaufwand für ihre Lösung benötigt wird. Im anderen Falle werden wir uns in jedem Jahr erneut um diese Dinge hier streiten müssen.
    Zum Abschluß möchte ich Ihnen selber, Herr Minister Oberländer, noch folgendes sagen. Wir haben seinerzeit bei Ihrer Amtsübernahme namens der Fraktion erklärt, daß wir bereit seien, Sie bei allen positiven Maßnahmen für die Geschädigten zu unterstützen. Wir haben Sie aber auch eindringlich gewarnt und Ihnen wie weiland Frundsberg zugerufen: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang!" Aber Sie waren kein Luther: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!" Sie konnten immer anders.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Immer wieder haben wir Sie in der Zwischenzeit gemahnt und wiederholt auch von dieser Stelle aufgefordert, auf den äußeren Schein einer Betriebsamkeit zugunsten einer konstruktiven und entschlossenen Lösung Ihrer Aufgaben zu verzichten. Wir haben Ihnen eine lange Schonfrist gegeben, Sie haben sie nicht genutzt. Seit Lukaschek sind in Ihrem Ministerium die Probleme, um die es hier geht, praktisch nur verwaltet worden.

    (Abg. Dr. Kather: Sehr richtig!)

    Es ist nichts wirklich Neues, Schöpferisches zu einer beschleunigten Lösung der Dinge herausgekommen.

    (Abg. Petersen: Moralische Aufrüstung! — Heiterkeit beim GB/BHE.)

    Ihre heutige Rede hat gezeigt, daß Sie auch weiterhin den Weg des geringsten Widerstandes gehen wollen. Es soll bei dem bisherigen Kurs bleiben, d. h. wir hören zwar über Verbesserung um einige Prozente, aber wie bisher von Jahr zu Jahr diese Erfolgsreden des Ministeriums, die in Wirklichkeit Mißerfolgsbestätigungen sind, und wir sollen das ächzende Karussel der Vertriebenendebatte in diesem Hause weiter drehen. Herr Minister, meine Freunde sagen dazu nein. Das Urteil über das Ergebnis einer Amtstätigkeit von über zwei Jahren ist — unter diesem Gesichtpunkt betrachtet — vernichtend. Die Vertriebenen und Geschä-


    (Rehs)

    digten haben nur die Feststellung zu treffen: Gewogen und zu leicht befunden.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE. — Abg. Samwer: Eine üble Demagogie!)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Czermak.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Czermak


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte eingangs betonen, daß die heutige Flüchtlingsdebatte in diesem Hohen Hause bei allem Für und Wider klar und deutlich beweist, daß das Flüchtlingsproblem in der Bundesrepublik noch lange nicht gelöst ist, wenn das auch manche Kreise im Inland und Ausland glauben, daß trotz der Tatsache, daß bereits zehn Jahre seit Kriegsschluß und Austreibung vergangen sind, trotz des deutschen Wirtschaftswunders, trotz aller positiven Leistungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden noch sehr viele Aufgaben zu erfüllen sind. Ein sehr beträchtlicher Teil bei den Heimatvertriebenen allein etwa ein Drittel — der Sowjetzonenflüchtlinge, der Evakuierten und Ausgebombten, der Spätheimkehrer und der weiteren Aussiedler aus den Ostgebieten leben heute, besonders draußen in den Notstandsgebieten, noch in Not und Elend. Wir hoffen alle, daß recht bald recht viele weitere Kriegsgefangene aus Rußland heimkehren und daß auch noch sehr viele unserer Landsleute, die drüben in den Ostgebieten in Haft und in Zwangsarbeit leben müssen, endlich zu ihren Familien und in die Freiheit kommen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich denke insbesondere auch an die alten Menschen, an die Arbeitslosen und Arbeitsunfähigen. Der Prozentsatz der Arbeitslosen ist bei den Vertriebenen noch immer wesentlich höher als bei der einheimischen Bevölkerung. Viele sind auch berufsfremd und am falschen Arbeitsplatz eingesetzt. Ich denke an die, die schon jahrelang als Pendler leben, an die Bauern ohne Land, an die Witwen und Waisen, nicht zuletzt an all die Sowjetzonenflüchtlinge, die in den letzten Jahren ständig zugeströmt sind und weiter zuströmen und insbesondere an deren Jugend. Allen diesen Menschen, die sich selbst nicht helfen können, muß die Allgemeinheit, muß der Staat helfen. Das sollte eine besondere Verpflichtung aller politischen Parteien sein. Ich möchte nach dem Verlauf der Debatte ausdrücklich feststellen: hier handelt es sich nicht um parteipolitische Fragen, sondern um größere Dinge.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich darf nun auf die konkreten Fragen der Großen Anfrage der CDU/CSU eingehen, möglichst kurz und bündig, zur gefälligen Nachahmung.

    (Heiterkeit und Zurufe.) — Ich sage das an alle.

    Zunächst Lastenausgleich! Bis zum 31. März 1957 muß das Lastenausgleichsschlußgesetz verabschiedet werden. Bisher wurde in den meisten Fällen nur erste Hilfe, Soforthilfe geleistet. Mit diesem Schlußgesetz beginnt ein neuer Abschnitt in der Eingliederung, der schon jetzt gründlich vorbereitet werden muß. Ich möchte mir daher die Frage gestatten— verzeihen Sie meine Neugierde —: Welche Vorbereitungen sind für dieses Lastenausgleichsschlußgesetz bereits getroffen?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wann sollen die Entwürfe vorgelegt werden? Wann hofft man, daß man mit diesem Schlußgesetz fertig wird? Hoffentlich kommt es noch als Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr! Welches sind seine Grundsätze, seine Grundgedanken? Besonders: Wird mit der Auszahlung der Hauptentschädigung bereits im nächsten, im Rechnungsjahr 1957/58 begonnen werden? Nach dem Lastenausgleichsschlußgesetz sollen die Leistungen aus dem Ausgleichsfonds auf die Auszahlung dieser Hauptentschädigung konzentriert werden. Weitere Frage: Woher kommen dann die Mittel für die weitere Eingliederung, für die Existenzgründung, für Wohnungsbau, Bauernsiedlung und Familienzusammenführung?
    Die Lösung dieser Probleme muß jetzt schon sehr gründlich vorbereitet werden. Das macht eine Vorfinanzierung des Lastenausgleichs nicht nur von innen, sondern auch von außen dringend notwendig, damit zumindest die Leistungen der letzten Jahre auch in den kommenden Jahren sichergestellt werden können. Wir haben gehört, daß die Bundesregierung einen Kassenkredit von 300 Millionen zur Verfügung stellt und für das Jahr 1956 für den Wohnungsbau 150 Millionen eingesetzt werden können. Wer weiß aber, ob das genügt.
    Eine weitere Frage wegen der Vorfinanzierung von außen. Was ist denn eigentlich aus dem Sonne-Plan geworden? Ist er völlig untergegangen? Es wurde doch, weiß Gott, wie oft schon gesagt, daß es sich hier nicht nur um eine deutsche, sondern um eine europäische, weltpolitische Frage handelt,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    für die sich auch die befreundeten Vertragsmächte, besonders die USA, interessieren müßten, weil die Lösung dieser Frage dem Frieden der ganzen Welt dient und weil diese Mächte ja auch eine Mitverantwortung tragen. Ich meine hier zunächst einmal all die schweren Lasten des Kalten Krieges seit Potsdam; deutlicher brauche ich wohl in diesem Hohen Hause nicht zu werden.
    Wenn also die Auszahlung der Hauptentschädigung im nächsten Jahr schon beginnen soll, dann ist es allerdings unbedingt notwendig, daß bis dahin alle erlittenen Vermögensschäden amtlich festgestellt werden. Damit, meine Damen und Herren, schaut es noch sehr böse aus. Es liegen 3 1/2 Millionen Anträge auf Feststellung vor; davon sind erst etwa 4 % erledigt. Da muß also Tempo gemacht werden. Die Ausgleichsämter müssen endlich richtig funktionieren. Da muß vor allen Dingen der mehr als übertriebene Bürokratismus etwas abgebaut werden! Denn wer keimt sich heute wirklich schon in diesem Urwald von Verordnungen und Weisungen zu diesem Feststellungsgesetz noch aus?
    Für die Sowjetzonenflüchtlinge muß der Härtefonds — das ist heute schon mehrmals gesagt worden — nach § 301 LAG wesentlich erhöht werden. Wenn ich recht verstanden habe, sind für das Jahr 1956 175 Millionen vorgesehen. Wer weiß aber, was da noch alles kommt! Ich denke hier insbesondere an die Jugendlichen aus der Sowjetzone. Bei unserer letzten Tagung in Berlin war ich auch in so einem Jugendflüchtlingslager. Ich muß Ihnen sagen: das ist mir etwas ans Herz gegangen, was ich dort alles gesehen habe.
    Bei der heutigen Debatte spielt auch das Problem der heimatvertriebenen Wirtschaft eine Rolle. Sie hat trotz der Konjunktur der letzten Jahre im-


    (Dr. Czermak)

    mer noch schwer zu kämpfen, weil es an Eigenkapital, an einer gesunden, gesicherten Basis fehlt. Sie hat aus dem Nichts beginnen müssen. Die Zinsen der Darlehen sind mit 10 bis 12 % viel zu hoch, die Tilgungsfristen viel zu kurz; die Besicherung ist in den meisten Fällen sehr schwierig, oft unmöglich, so daß eine Zinsverbilligung und eine Umschuldung dringend notwendig ist. Was soll geschehen, wenn nach diesen sieben fetten Jahren seit 1948 — Gott soll hüten — einmal sieben magere Jahre kommen? Dann geraten jedenfalls sehr viele heimatvertriebene und auch einheimische Betriebe in Schwierigkeiten.
    Im Unterausschuß der heimatvertriebenen Wirtschaft wird schon monatelang über eine Umschuldungsaktion für 100 Millionen DM beraten. Hoffentlich kommt es trotz aller finanziellen und fiskalischen Schwierigkeiten bald zum Abschluß. Die heimatvertriebene Wirtschaft braucht auch weiterhin Mittel für Investitionen, besonders auch aus ERP-Mitteln. Sie braucht Steuervergünstigungen. Gerade das hat mein Kollege Dr. Wellhausen, der etwas von Steuern und Finanzen versteht, sehr offen und klar gesagt. Die heimatvertriebene Wirtschaft braucht auch, besonders jetzt im Zuge der Wiederaufrüstung, Aufträge aus öffentlicher Hand, wie dies bereits, insbesondere für die Notstandsgebiete, im Bundesvertriebenengesetz vorgesehen ist.
    Ein noch viel schwierigeres Kapitel ist die heimatvertriebene Landwirtschaft. Wenn man an die Wiedervereinigung und wenn man an die Rückgewinnung der ostdeutschen Gebiete denkt, muß man zugeben, daß das geradezu eine nationale Lebensfrage ist. Ohne einen gesunden Bauernstand gibt es keinen gesunden Staat. Es gibt noch ca. 152 000 siedlungswillige heimatvertriebene Bauern, etwa 18 000 aus der Sowjetzone.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Noch mehr, wie mir der Herr Kollege sagt. Ich habe das nur aus einer letzten Bilanz ausgezogen.
    — Um sie ansiedeln zu können, braucht man Boden, insbesondere aus auslaufenden Höfen. Kredite müssen bewilligt werden, Steuererleichterungen auch hier geschaffen werden. Sehr zu begrüßen ist jedenfalls auch der Gedanke, daß diejenigen Bauern, die den Hof abgeben, dann ein Ausgedinge bekommen, eine Altersversorgung in Form einer Rente. Das hat sich in einigen Ländern bereits sehr gut bewährt. Gerade der Bauernstand verlangt mit Recht — auch das ist ein sehr wichtiges Problem —, daß die im Lastenausgleich bisher eingesetzten Einheitswerte endlich entsprechend erhöht werden. Sie sind viel zu niedrig. Sie entsprechen höchstens einem Drittel des wahren Wertes. Auch hier muß in erster Linie eingegriffen werden.
    Nun zu einer weiteren Frage, zum Wohnungsbau, besonders zum sozialen Wohnungsbau. Es muß auch hier durchaus dankbar anerkannt werden, daß gerade auf diesem Gebiet in Westdeutschland in den letzten Jahren sehr viel geleistet wurde, aber leider immer noch nicht genug. Sehr viele sind noch ohne Wohnung, leben in Notwohnungen, in Bunkern und Lagern. Ich erinnere mich an ein hartes Wort: „Man kann einen Menschen nicht nur mit einer Hacke erschlagen, sondern auch mit einer Wohnung", das ich einmal irgendwo gehört habe. Wenn man hört, daß noch weit über 400 000 Menschen in Lagern sitzen, so ist das schrecklich. Man kann da leicht in den Verdacht kommen, daß hier und da vielfach nur Fassadenpolitik getrieben worden ist, anstatt diesen Menschen wirklich zu helfen.
    Besonders im Ausland macht das jedenfalls einen sehr schlechten Eindruck. Der soziale Wohnungsbau muß daher weitergeführt werden, allerdings in dem Bestreben, damit möglichst Eigentum zu schaffen, echtes, freies Eigentum, und nicht nur Mietskasernen. Die Mittel aus dem Lastenausgleich für den Wohnungsbau dürfen jedenfalls nicht zweckentfremdet werden. Auch im Wohnungsbau sollte endlich der Mensch Subjekt seines Handelns werden, er sollte nicht bloß Objekt irgendeines Schalterbeamten beim zuständigen Wohnungsamt sein.
    Gerade im Wohnungsbau, im Bau von Häusern, Wohnungen und Siedlungen kann man wirklich Geschichte machen. Alles andere vergeht, wird vergessen; aber die Steine reden. Saxa loquuntur, wie schon die alten Römer gesagt haben. Deswegen muß auch weiter gebaut werden. Es gibt noch sehr viele Familien, die zerrissen sind, in allen Ländern. Dieser Rest der größten Völkerwanderung aller Zeiten sollte endlich beseitigt werden. Dabei verlangen mit gutem Recht die Evakuierten und die Ausgebombten auch die Rückführung in ihre Heimat. Wir Heimatvertriebenen, die wir unsere Heimat verloren haben, haben dafür volles Verständnis; denn wir wissen, daß es eines jeden Menschen gutes und heiliges Recht ist, seine angestammte Heimat wiederzubekommen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es müssen auch in nächster Zeit alle notwendigen Mittel für die weitere Umsiedlung über die bisher geplanten Zahlen hinaus aus den überbelegten Ländern dorthin, wo noch Platz ist, geschaffen werden, damit ein gerechter Ausgleich im ganzen Bundesgebiet zwischen allen Ländern geschaffen werden kann.
    Damit lassen Sie mich zu der Großen Anfrage schließen.
    Es liegt noch ein Antrag der SPD vor, in dem die Bundesregierung ersucht wird, die weitere Tätigkeit des Ministeriums für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sicherzustellen und einen Gesamtbericht über die weitere Eingliederung vorzulegen. Es ist unbestritten — das hat gerade die heutige Debatte in diesem Hohen Hause bewiesen —, daß noch sehr viele Probleme ungelöst sind, daß noch sehr schwere und dringende Aufgaben vor uns allen liegen, daß das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte daher in den nächsten Jahren noch Arbeit mehr als genug zu leisten hat. An seiner Existenzberechtigung kann daher ernstlich nicht gezweifelt werden, und seine weitere Tätigkeit muß in jeder Richtung sichergestellt werden. Es ist klar, daß ein Gesamtbericht über die weiteren Eingliederungsmaßnahmen nicht nur für uns, sondern auch für das Ausland sehr interessant und lehrreich wäre.
    Weiter liegen zwei Anträge des GB/BHE betreffend Bildung eines eigenen Ausgleichsfonds für Sowjetzonenflüchtlinge und betreffend Änderung der Bestimmungen der §§ 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes darüber, wer als Sowjetzonenflüchtling anzuerkennen ist, vor. Über diese Anträge — sie sind auch in den Kreisen der Sowjetzonenflücthlinge umstritten, wie ich festgestellt habe — muß in den zuständigen Ausschüssen gründlich verhandelt werden. Dabei wäre es sicherlich sehr zu begrüßen, wenn dazu auch gutinformierte Vertreter der Verbände der Sowjetzonen-


    (Dr. Czermak)

    flüchtlinge beigezogen würden. Kein Zweifel besteht jedenfalls darüber, daß alle Härten des Notaufnahmeverfahrens möglichst rasch beseitigt werden müssen. Denn gerade in dieser Frage, wer als Sowjetzonenflüchtling mit diesem oder jenem Ausweis anerkannt werden soll und aus welchen Gründen, entstehen draußen in der Praxis die größten Schwierigkeiten und vielfach auch Ungerechtigkeiten.
    Lassen Sie mich damit schließen - ich habe versprochen, Ihnen ein Beispiel der Kürze zu geben -, zu sagen, daß es sich nicht nur um eine wirtschaftliche, nicht nur um eine finanzielle oder gar fiskalische Frage handelt, sondern vor allem auch um eine Frage des Herzens, des guten Willens und der Menschlichkeit, in der sich alle Parteien dieses Hohen Hauses einig sein sollten.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)