Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, ich muß dringend bitten, daß Sie dem Redner
etwas mehr Aufmerksamkeit zuwenden. Die Geräusche, die hierherdringen, sind viel zu laut. — Fahren Sie bitte fort!
Margulies , Anfragender: Der Konflikt, meine Damen und Herren, der an sich als bekannt vorausgesetzt werden darf, erreichte einen Höhepunkt, als der soeben ernannte Herr Außenminister zur allgemeinen Überraschung in einem Rundfunkinterview ein Primat der Außenpolitik über den Außenhandel forderte, zur allgemeinen Überraschung deshalb, weil ihm niemand ein besonderes Interesse an Außenhandelsfragen unterstellt hatte. Ich habe vor etwa dreiviertel Jahren noch geglaubt, ihn darauf aufmerksam machen zu müssen, daß in seinem Hause eine handelspolitische Abteilung existiert.
Dann hat ein Sprecher des Außenministeriums in einer großen Rede vor der Karl-Schurz-Gesellschaft in Bremen, aber auch in Veröffentlichungen — z. B. in der Schrift „Deutschland im Wiederaufbau 1954" — Auffassungen vertreten, denen der Herr Minister nicht widersprochen hat, Auffassungen, die sich mit den unseren in Fragen des Außenhandels nicht decken und die auch in der Öffentlichkeit lebhaft kritisiert wurden; die Presse hat sich dieses Streites selbstverständlich liebevoll bemächtigt.
Ich möchte nicht bestreiten, daß zwischen Außenpolitik und Außenhandel enge Verflechtungen bestehen. Aber sie sind doch keineswegs stärker als etwa die Beziehungen zwischen Binnenwirtschaft und Außenhandel oder zwischen unserer Agrarpolitik und dem Außenhandel. Es kann sich also eigentlich gar nicht darum handeln, daß ein einzelnes Ministerium die ganze Verantwortung für den Außenhandel für sich in Anspruch nimmt, sondern es geht darum, zu einer guten Zusammenarbeit und fruchtbaren Behandlung der Außenhandelsfragen zu kommen. Wir haben mit einer ganzen Reihe von Staaten, mit denen uns eine sehr alte, traditionelle, gute Freundschaft verbindet, sehr mäßige Handelsbeziehungen und häufig sehr große Schwierigkeiten, wenn es auf die Begleichung unserer Forderungen ankommt. Wir haben mit anderen Staaten, zu denen das Verhältnis kühl ist, sehr, sehr gute handelspolitische Beziehungen, ja, zum Teil sind es unsere besten Kunden.
Die Öffentlichkeit ist auf diesen Konflikt aufmerksam geworden; sie befürchtet, es könnte versucht werden, mit handelspolitischen Pressionen oder aber mit überreichen Zugeständnissen eine politische Atmosphäre zu verbessern, obwohl sich in der Vergangenheit herausgestellt hat, daß das in der Regel gar nicht zu erreichen ist. Für den Außenhandel als solchen, für die Außenhandel treibende Wirtschaft würde aber eine solche Behandlung der Außenhandelsfragen zu sehr schwerwiegenden Rückschlägen führen, weil der Außenhandel alles andere, nur nicht abrupte Änderungen oder Umkehrungen der Situation verträgt.
Es kann auch nicht Sache eines einzelnen Ministeriums sein, Grundsatzfragen zu entscheiden, etwa ob man mit fliegenden Fahnen in dieses Europa der Sechs hineingeht, ob man die Handelspolitik mehr auf das ganze Europa oder mehr auf den Welthandel abstellt. Das sind Fragen, in denen eine Zusammenarbeit erforderlich ist, eine Zusammenarbeit, die über die hinausgeht, die zur Zeit im Handelspolitischen Ausschuß festzustellen ist.