Rede von
Wilhelm
Naegel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Worte des Herrn Verteidigungsministers möchte ich von mir aus bekräftigen und unterstreichen. Gerade die gemeinsame Arbeit in Frankfurt und Bonn zeigt, daß er sich tatsächlich immer sehr stark und ohne Rücksicht auf seine Person für die Belange der sozialen Marktwirtschaft eingesetzt hat. Wenn wir andererseits auch noch daran denken, daß sein Staatssekretär, Herr Dr. Rust, ebenfalls aus dem Wirtschaftsressort kommt, dann sollte man ja eigentlich meinen, die Koordination der Aufgaben und der Funktionen zwischen Verteidigungsressort und Wirtschaftsressort seien derart harmonisch, daß wir vom Parlament aus es kaum notwendig haben sollten, zu diesem Problem zu sprechen und unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen.
Daß für die Durchführung des 6000er- Programms durch die verschiedenen Änderungen der Dispositionen und Planungen eine gewisse Zeitschwierigkeit entstanden ist, ist so eindeutig, daß wir darüber kaum zu sprechen brauchen. Es ist die Frage zu stellen, ob Herr Schmidt mit seiner Behauptung recht hat, gerade bei diesem ersten Programm wäre es höchstwahrscheinlich am leichtesten gewesen, durch öffentliche Ausschreibung den völlig freien Wettbewerb zum Zuge kommen zu lassen. Oder muß man nicht doch eher fragen, ob dieses Verfahren wirklich zu einer derartigen Verzögerung bei der Erfüllung der primitivsten Voraussetzungen für die Aufstellung der Freiwilligen geführt hätte, daß damit unser Beschluß hinsichtlich des Freiwilligengesetzes illusorisch geworden wäre? Ich glaube, wenn man die Dinge aus der Praxis des Wirtschaftslebens heraus und im Zusammenhang mit der heutigen Situation sieht, dann sollte man doch wohl ernsthaft prüfen, ob wir nun um des Buchstabens der Vereinbarungen willen — nicht des Gesetzes, denn es besteht noch kein Gesetz darüber — mit allem Nachdruck und unter Berufung auf Verletzung von staatsbürgerlichen Pflichten die öffentliche Ausschreibung allgemein fordern müßten. Auch von dem Vertreter der Opposition ist ja anerkannt worden: Das Volumen der Beschaffung ist für den gesamten Rüstungsbereich, geschweige denn gemessen am Volumen der gesamten Wirtschaft, nicht von einer so großen Bedeutung, daß man das Problem von dieser Seite her aufrollen sollte.
Nun hat man verschiedentlich davon gesprochen, daß zwischen dem Wirtschaftsressort und dem Verteidigungsressort Ende des vorigen Jahres die Leitsätze vereinbart worden sind, die nach weiteren Beratungen im Kabinett die Grundlage der Zusammenarbeit sein sollen. Ich darf zunächst feststellen, daß diese Leitsätze leider noch keinen Niederschlag in der Gesetzgebung gefunden haben. Ich sage es in aller Offenheit, daß wir in wirtschaftspolitischen Gesprächen den Wunsch geäußert haben, diese Leitsätze einem noch zu schaffenden Sicherstellungsgesetz für die Erfüllung bestimmter Aufgaben als Teil 2 anzugliedern und so die legale Grundlage für die Anwendung der Leitsätze zu schaffen. Wir haben die Beratung dieses Gesetzes durch die Änderung der Verträge und angesichts der weiteren Entwicklung leider noch nicht abschließen können. Aber die Leitsätze haben doch ihre Wirkung gehabt, auch wenn sie noch keine gesetzliche Untermauerung gefunden haben. Eine dieser Wirkungen ist sicher die Einrichtung der Verbindungsstelle des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Beschaffungsstelle des Bundesverteidigungsministeriums in Koblenz. Eine zweite Wirkung ist die Bildung des sogenannten Sechserausschusses, dieses gemeinsamen Arbeitsausschusses des Wirtschaftsministeriums und des Bundesverteidigungministeriums, dem ja auch die zur Debatte stehende erste Beschaffung zur Begutachtung vorgelegen hat. Diesem Sechserausschuß gehören an vom Bundeswirtschaftsministerium Herr Ministerialdirektor Dr. Michel, Herr Dr. Neef, Herr Weniger und vom Bundesverteidigungsministerium Herr Ministerialdirektor Dr. Holtz, Herr Dr. Bergemann und Herr Pollex. Auch diese Einrichtung ist also eine Wirkung der Leitsätze, mögen diese auch — das darf ich noch einmal betonen — offiziell
noch nicht die Sanktionierung durch den Gesetzgeber gefunden haben.
Eine dritte Wirkung ist noch festzustellen: die Verdingungsordnung für Leistungen vom 1. Juli 1955, in der bewußt auch der Grundsatz wiederholt wird, der im Mittelpunkt der Leitsätze steht, nämlich daß die öffentliche Ausschreibung, d. h. die Beschaffung im Wege des Wettbewerbs den Vorrang vor anderen Beschaffungsmethoden haben soll.
Man kann also wohl sagen, daß die Leitsätze sich doch schon bewährt und ausgewirkt haben. Natürlich müßten wir bei ehrlicher Kritik sagen, es wäre auch uns wohler, wenn es — bei entsprechender Terminierung — möglich gewesen wäre, den ersten Schritt bei der Beschaffung für eine Wehrmacht in Gestalt der öffentlichen Ausschreibung zu tun. Daß das nicht geschehen ist, ist an sich nicht so gravierend, wohl aber eine Mahnung für uns alle, künftig sehr vorsichtig zu sein. Da stelle ich die Frage: Haben wir vom Parlament aus schon alles getan, was in dieser Richtung getan werden müßte? Ich komme bei der Beantwortung dieser Frage ehrlich zu einem Nein. Wir hätten da etwas mehr tun können, wir hätten auch etwas mehr tun müssen, um den Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung gesetzlich zu verankern und den beiden Ministerien Hilfestellung beim Aufbau und Ausbau der Organisation zu leisten. Ich glaube, diese Feststellung können wir ohne Scham treffen. Wir müssen uns nur darum bemühen, in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung etwas nachzuholen, was man vielleicht als ein kleines Versäumnis bezeichnen könnte.
Aber machen wir uns bitte auch keine Illusionen, wenn wir das Wort „parlamentarische Kontrolle" gebrauchen. An dem kleinen Beispiel der Beschaffung der Uniformen, wie es der Herr Bundesverteidigungsminister eben geschildert hat, sehen wir nun ja auch gerade keine sehr segensreiche Wirkung hinsichtlich der Erfüllung des Petitums, das uns allen ja am Herzen liegt. Denn sicherlich wäre durch eine beschleunigte Behandlung der Sache auch hier eine andere Beschaffungsmöglichkeit gewesen.
Wir sehen vom Wirtschaftspolitischen her und auch vom engeren wirtschaftlichen Denken her in der öffentlichen Ausschreibung die unzweifelhaft günstigste Einkaufsmöglichkeit. Denn es ist bekanntlich so, daß man bei der öffentlichen Ausschreibung noch immer zu einem Mittelpreis kommen kann, der der Qualität gerecht wird. Das braucht nicht immer der billigste Preis zu sein; man wird ja einen echten Qualitäts- und Preisvergleich anstellen müssen. Der Bundesrechnungshot fordert auch im Beschaffungswesen bei Bahn und Post mehr als bisher die öffentliche Ausschreibung Wir sollten überhaupt einmal daran denken, Vergleiche zwischen den Beschaffungen für diese Institutionen und für das Bundesverteidigungsministerium anzustellen.
Aber lassen Sie mich auch hier ehrlich sagen: Eine Trennung der Gewalten, eine Teilung der Aufgaben zwischen Legislative und Exekutive scheint mir auch in diesem Fall dringend notwendig zu sein. Wir könne n auch hier nur fragen: Wo liegen Aufgaben und -wo liegen Grenzen für die wirtschaftspolitische Betrachtung dieser Dinge? Möge die Gesetzgebung, in diesen Fragen Klarheit schaffen! Dann werden wir auch da zu einer Entwicklung kommen, die den berechtigten Wünschen des ganzen Hauses entspricht und auch hier den Grundsätzen der Marktwirtschaft Geltung verschafft. Es ist natürlich gefährlich, Gesetze zu machen und ihre Durchführung durch neue Gesetze zu behindern. Es ist unmöglich, auf der einen Seite ein Gesetz zu beschließen, wonach in kürzester Frist einige tausend Freiwillige aufzustellen und auszu- rüsten sind, auf der andern Seite aber Gesetze für die Beschaffung der notwendigen Ausrüstungsgegenstände nach bestimmten zeitraubenden Methoden zu fordern mit der Folge, daß die Beschaffung nicht fristgemäß erfolgen kann. Es ist ebenso unnatürlich, Leitsätze zu vereinbaren und womöglich zum Gesetz zu erheben, sie aber nachher nicht in vollem Umfang einzuhalten. Darüber brauche ich, glaube ich, hier kein Wort weiter zu verlieren.
Es scheint mir jedoch notwendig zu sein, kurz noch einige Fragen zu behandeln, die Herr Schmidt bei der Begründung der Großen Anfrage angeschnitten hat. Das Beispiel der Opel-Bilanz, Herr Schmidt, scheint mir hier nicht ganz hinzupassen. Denn Sie wissen sicherlich ganz genau, daß diese Entwicklung auf eine Nichtausschüttung von Dividenden in mehreren Jahren zurückzuführen ist. Die angesammelten Dividenden sind dann über die Ausschüttung in Kapital umgewandelt worden.
Die Anregung, die Sie ausgesprochen haben, einen Rüstungsberater für die Bundesregierung zu empfehlen — einen Rüstungsberater in Parallele zu dem früheren Rohstoffberater —, ist natürlich wert, beachtet zu werden. Nur fürchte ich, daß damit gerade das von Ihnen so sehr geforderte und von uns anerkannte Prinzip der parlamentarischen Kontrolle nicht besonders unterstrichen wird.
Es ist wohl reizvoll, entbehrt aber der letzten Konsequenz, wenn wir uns heute, bevor wir zur detaillierten Beratung der entsprechenden Gesetze kommen, in dieses Thema im einzelnen vertiefen.
Zum Schluß lassen Sie mich doch noch einen Gedanken aussprechen, der uns im wirtschaftspolitischen Gespräch schon lange beschäftigt hat. Das ist die Frage Koblenz. Hier muß endlich einmal Klarheit geschaffen werden. Wir haben schon früher einmal von einer Reihe von Mitgliedern dieses Hauses den Antrag oder den Wunsch gehört, man möge viele Aufgaben, die jetzt in Koblenz erledigt werden, an die Bundesstelle für gewerbliche Wirtschaft nach Frankfurt geben. Über diese Frage hat sich ein Streit entwickelt, der dahin geführt hat, daß man dieser Anregung nicht gefolgt ist. Vielleicht sollte man diese Frage doch heute erneut stellen im Zusammenhang mit den Problemen, die uns jetzt hier beschäftigt haben.
Ich bin davon überzeugt, daß es uns gelingen wird, in einer vernünftigen gesetzlichen Regelung die Grundlagen nicht nur dem Namen, nicht nur dem Rechte nach, sondern auch in der organisatorischen Ebene so zu gestalten, daß für die Zukunft die Möglichkeit gegeben ist, wettbewerbswirtschaftliche Grundsätze bei der Beschaffung für die gesamte Wehrmacht zur Anwendung zu bringen. Dazu ist es dann allerdings nötig, daß rechtzeitig eine Abstimmung der Termine erfolgt.