Rede von
Josef
Stingl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Freitag der vergangenen Woche hat das Hohe Haus auf Antrag der CDU/CSU nach Beendigung der Generaldebatte in der dritten Lesung des Entwurfs eines Zweiten Renten-Mehrbetrags-Gesetzes die Vertagung der Einzelberatung und die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Sozialpolitischen Ausschuß beschlossen. In der deshalb einberufenen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses am 15. November legten die Koalitionsparteien Änderungsanträge zum Ergebnis der zweiten Beratung des Plenums vor.
Ein Sprecher der Koalition, der die Änderungsanträge begründete, betonte, daß in den Anträgen das Bemühen gesehen werden möge, im Interesse der Rentner eine für alle Mitglieder des Hauses tragbare Kompromißlösung zu finden. Nach einigen klärenden Fragen an die Antragsteller wurde die Sitzung in gegenseitigem Einvernehmen unterbrochen, damit auch die anderen Fraktionen Gelegenheit hatten, die Anträge zu begutachten.
Nach Wiedereröffnung erklärte ein Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion wie auch die Vertreterin des GB/BHE, daß man den Anträgen grundsätzlich zuzustimmen bereit sei. Nach kurzer Debatte, deren Inhalt ich später bei der Erläuterung der Einzelvorschriften der Ausschußvorlage erwähnen werde, nahm der Ausschuß einstimmig die Anträge der Koalitionsparteien an. Sie liegen Ihnen nunmehr in der Drucksache 1859 für die Beratung in dritter Lesung vor.
Die Einzelbestimmungen besagen:
§ 1 Abs. 1: Allen Empfängern von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich der IV, der AV und der knappschaftlichen Rentenversicherung, die Anspruch auf einen Rentenmehrbetrag nach dem vorjährigen Renten-MehrbetragsGesetz haben, wird zweimal — im Dezember 1955
und im Juni 1956 — das Sechsfache dieses Rentenmehrbetrages als Sonderzulage ausgezahlt. In den Personenkreis sind nicht einbezogen die Rentner, die 1924 oder später geboren sind und deren Witwen sowie Rentner und deren Witwen — bis auf Ausnahmen —, die vor 1939 keine Beiträge in die gesetzlichen Rentenversicherungen geleistet haben.
Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion, der diese Tatbestände in der Diskussion noch einmal erwähnte, betonte zugleich, daß nach der Systematik des Gesetzentwurfs in der jetzigen Form eine andere Lösung kaum zu finden sei.
Abs. 2 des § 1 regelt die Gewährung einer Sonderzulage auch für die Empfänger von Waisenrenten. Sie sollen zweimal je 15 DM erhalten. Maßgebend ist die Rentenberechtigung in den Monaten Dezember 1955 und Juni 1956. Die Zulage an die Waisen ist pauschaliert, weil die Mehrarbeit für die Rentenversicherungsträger bei einer verfeinerten Zulage zu groß wäre. Der Gesamtaufwand für die Empfänger von Waisenrenten entspricht etwa dem, der für eine Erweiterung des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes auf die Waisen errechnet worden war. Der Vertreter des Bundesfinanzministers erklärte, daß vom Finanzminister trotz der vermehrten Lasten, die durch diese Einbeziehung der Waisen entstehen, keine Einwendungen erhoben werden.
Abs. 3 des § 1 regelt durch die Bezugnahme auf § 7 des vorjährigen Renten-Mehrbetrags-Gesetzes die Aufbringung der Mittel. Eine längere Diskussion, in der die Frage erörtert wurde, ob die Rentenversicherungsträger die Lasten nur vorschußweise tragen sollten, ergab, daß die durch das Renten-Mehrbetrags-Gesetz geschaffene Regelung beibehalten werden solle; die endgültige Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherung könne trotzdem noch andere Lösungen bringen.
In Abs. 3 wird weiter auf § 11 Abs. 3 des vorjährigen Renten-Mehrbetrags-Gesetzes verwiesen. Damit bleiben die Sonderzulagen für die Rentner, die Witwen und die Waisen unberücksichtigt bei Versorgungsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz, bei der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz, bei den Teuerungszulagen nach dem Teuerungszulagengesetz, beim Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge, bei der fürsorgerechtlichen Prüfung der Hilfsbedürftigkeit und bei der Arbeitslosenfürsorge. Gegen diese Bestimmungen erhoben sowohl der Vertreter des Bundesinnenministeriums wie insbesondere der Vertreter des Bundesfinanzministeriums Einwendungen. Die Ausschußmitglieder anerkannten die Berechtigung von Bedenken, sofern sie sich gegen die Nichtanrechnung von laufenden Erhöhungen der Renten richten. In solchen Fällen sollte man die Regelung in den jeweiligen Gesetzen finden. Für die vorliegende Sonderzulage jedoch könne man — wie im Vorjahr bei den Vorschüssen — die Anrechnung nicht verantworten. Es handle sich um einmalige Zahlungen, diese sollten den Empfängern zusätzlich voll zugute kommen. Das Gefüge der anderen Sozialleistungen sei durch diese jeweils einmaligen Zahlungen nicht gestört.
§ 2 bestimmt, daß bis zum 20. Dezember 1955 bzw. 20. Juni 1956 Vorschüsse auf die Sonderzulagen an Rentner und Witwen gezahlt werden. Diese Vorschüsse sollen in einem vereinfachten Verfahren aus dem Rentenzahlbetrag errechnet werden, wie es auch in der zweiten Beratung des
Plenums vorgesehen war. Der Vorschuß soll mindestens jeweils 20 DM betragen. Die Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes bedeutet, daß bei der endgültigen Berechnung der Sonderzulage zuviel gezahlte Beträge nicht zurückgefordert werden. Praktisch ist damit die Mindesthöhe der Sonderzulage auf jeweils 20 DM bzw. 20 vom Hundert der Steigerungsbeträge bis zu Rentenzahlbeträgen von 200 DM festgelegt.
Für die Waisenrentensonderzulage sind die Termine 20. Dezember und 20. Juni nicht genannt, weil keine Vorschußzahlungen nötig sind. Es dürfte damit zu rechnen sein, daß die Sonderzulage für Waisen erst nach dem 20. Dezember gezahlt werden kann.
An den Bestimmungen über die Erstreckung auf Berlin und über das Inkrafttreten hat der Ausschuß nichts geändert.
Die vorgesehene Änderung der Vorschriften verlangt eine Änderung der Überschrift. Der Ausschuß schlägt Ihnen folgende vor: Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen .
Auf Anregung eines Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion erklärten sich alle Ausschußmitglieder bereit, sich in ihren Fraktionen mit Nachdruck dafür einzusetzen, daß im Plenum keine neuen Änderungsanträge gestellt werden.
Ich bin beauftragt, Sie darauf hinzuweisen, daß die jetzige Vorlage Elemente aller Anträge auf Rentenerhöhungen, nämlich der Drucksache 1687
— das ist ein SPD-Antrag —, der Drucksache 1746
— das ist der Antrag des GB/BHE —, der Drucksache 1780 — das ist der Antrag der CDU/CSU — und außerdem — entgegen der Vorlage in der zweiten Lesung Drucksache 1842, Mündlicher Bericht zur zweiten Beratung — auch der Drucksache 1805, Antrag des GB/BHE, enthält und daß damit nach einstimmiger Auffassung des Ausschusses alle diese Anträge erledigt sind, wenn das Plenum der jetzigen Vorlage zustimmt.
Ich habe die Ehre, Sie im Auftrage des Ausschusses um diese Zustimmung zu bitten.