Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der sehr lebhaften und langen Diskussion zum ersten Punkte unserer Tagesordnung freue ich mich — und ich glaube, Sie werden sich mit mir freuen —, daß sich nun die Aussprache über die weiteren Punkte der Tagesordnung offenbar in einem ruhigen Fahrwasser bewegt.
— Ja, wir werden uns schon miteinander vertragen! — Ich glaube, daß auch dieser Punkt der Tagesordnung nicht sehr viel Anlaß bieten wird, in lebhaftere Bewegung zu geraten.
Es handelt sich hier um den Entwurf eines Bundesleistungsgesetzes. Ich darf namens meiner Fraktion erklären, daß sie die Vorlage dieses Entwurfs durchaus begrüßt. Der bisherige Rechtszustand ist zweifellos unbefriedigend. In den meisten Teilen der Bundesrepublik gilt — das ist ja hier auch bereits vorgetragen worden — zur Zeit noch das Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939, wobei allerdings das Land Hessen und der Landesteil Württemberg-Hohenzollern eine Ausnahme bilden. Ich darf auch als bekannt voraussetzen, daß für ein Teilgebiet durch das Flüchtlings-Notleistungsgesetz vom 9. März 1953 eine Sonderregelung getroffen worden ist. Wir wollen auch nicht vergessen, daß hier bei uns in der Bundesrepublik geraume Zeit die Besatzungsgewalt gegolten hat.
Nach Wiederherstellung der Souveränität ist nun die gesetzliche Neuregelung auch auf dem Gebiete der Bundesleistungen unbedingt notwendig. Wer mit dem Reichsleistungsgesetz zu tun gehabt hat, weiß, daß es zum Teil sehr weitgehend war.
Ich selbst habe lange genug mit diesem Gesetz zu tun gehabt und weiß, daß es ein scharfes, gefährliches Instrument war.
Beim Bundesleistungsgesetz werden wir gut daran tun, die Fehler des Reichsleistungsgesetzes zu vermeiden. Wir haben uns jetzt bei der ersten Beratung nicht mit den einzelnen Vorschriften zu befassen, und ich darf mich daher im wesentlichen auf die großen Richtlinien beschränken.
Das Bundesleistungsgesetz ist, wie der Herr Staatssekretär bereits vorgetragen hat, nicht nur für die Verteidigung der Bundesrepublik wichtig, sondern es soll nach dem Entwurfe der Bundesregierung auch für die öffentlichen Notstände bedeutsam werden. Daß bei der Verteidigung auch die auswärtigen Streitkräfte, also die alliierten Streitkräfte, die bei uns stationiert sind, in Betracht kommen, haben Sie aus der Vorlage entnommen.
Mir erscheint ein Grundsatz dieses Entwurfs ganz besonders wesentlich, nämlich der Grundsatz der Subsidiarität, wonach dieses Gesetz nur dann Platz greifen darf, wenn es eben gar nicht anders geht, wenn auf anderem Wege der nötige Bedarf nicht gedeckt werden kann.
Ein weiterer Grundsatz erscheint mir sehr wesentlich: Der Grundsatz der Beschränkung auf das unerläßliche Maß. Auch das ist, wie gesagt, außerordentlich wesentlich.
Für richtig halte ich ferner, daß nun nicht, wie es im Reichsleistungsgesetz der Fall war, so eine Art Generalklausel geschaffen wurde, die schließlich doch, wie auch die Praxis gezeigt hat, der Verwaltungswillkür Tür und Tor geöffnet hat, sondern daß hier tatsächlich auch eine enge Begrenzung vorgesehen ist.
Ich glaube, das Hohe Haus hat es mit mir begrüßt, daß von der Bundesregierung ausdrücklich erklärt worden ist, der Entwurf sei so gefaßt, daß seine Vorschriften mit der freien Wirtschaftsführung, mit dem freien Wirtschaftsleben durchaus im Einklang stünden.
In einem geordneten Rechtsstaate muß selbstverständlich ein schriftlicher Leistungsbescheid ergehen, wie es hier vorgesehen ist, und es entspricht ferner den rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß Entschädigung und Ersatzleistung ausdrücklich geregelt sind.
Aber ich will mich mit diesen Einzelheiten hier nicht weiter aufhalten, möchte aber noch ein kurzes Wort zu dem Manöverrecht sagen. Wer früher einmal Manöver mitgemacht hat, der weiß, daß es auch bei bestem Willen dabei nicht ohne Flurschäden abging. Ich selbst habe es auf der einen wie auf der andern Seite mitgemacht, zuerst als Soldat, und nachher habe ich als junger Verwaltungsbeamter die Flurschäden entsprechend mit feststellen und abschätzen müssen. Es wird auch bei jedem künftigen Manöver so sein, daß Schäden entstehen. Sie müssen aber auf ein Minimum beschränkt bleiben, dies um so mehr, als ja bei einem modernen Heer die Schäden tatsächlich wesentlich größer sind, als sie früher sein konnten. Ich erinnere nur an die Panzerschäden, und wer einmal in der Lüneburger Heide die Schäden gesehen hat, die dort durch britische Panzer angerichtet worden sind, der wird sich ein deutliches Bild davon machen können, was für Gefahren hinsichtlich der Schäden bei den Manövern bestehen. Entsprechende Vorschriften sind also durchaus unerläßlich. Ebenso ist es — um auf ein anderes Gebiet noch kurz
zu kommen — unbedingt notwendig, daß für Zuwiderhandlungen und Ordnungswidrigkeiten Strafbestimmungen vorgesehen sind. Ich will mich auch hier nicht mehr weiter in Einzelheiten vertiefen.
Aber ein Wort zu der Stellungnahme des Bundesrates. Der Bundesrat, dessen Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf die Bundesregierung für erforderlich hält, hat beim ersten Durchgang des Gesetzentwurfs allerlei Änderungen vorgeschlagen, von denen ein Teil seitens der Bundesregierung gebilligt worden ist. Es sind aber doch noch einige, und zwar recht interessante Rechtsfragen offengeblieben. So verneint der Bundesrat z. B. großenteils überhaupt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bei dem öffentlichen Notstand. Er lehnt weiter ab, daß, wie im Entwurf vorgesehen, die Bestimmung der Anforderungsbehörden durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung erfolgen soll. Ebenso ist er dagegen, daß die Behörden, die die Entschädigung und Ersatzleistung festzusetzen haben, durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bestimmt werden. Schließlich — das ist kommunalpolitisch noch besonders interessant — wehrt sich der Bundesrat dagegen, daß seitens des Bundes durch eine hier nicht näher zu erörternde Vorschrift etwa in das Kommunalrecht der Länder eingegriffen werde. Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung dazu einen abweichenden Standpunkt vertreten. Es wird Aufgabe der Ausschußarbeit sein, solche Differenzen zu klären, damit das Hohe Haus dann seinerseits später dazu entsprechend Stellung nehmen kann.
Das Bundesleistungsgesetz muß auf alle Fälle ein sauberes, brauchbares Handwerkszeug werden. Es gibt Gesetze, die unbedingt notwendig sind, bei denen man aber von vornherein wünscht, daß sie so selten wie möglich angewendet werden möchten. Ich glaube, ein typisches Beispiel für ein solches Gesetz ist der Entwurf des Bundesleistungsgesetzes. Wir brauchen es unbedingt, und es wird Aufgabe der Legislative, also des Hohen Hauses sein, es zu schaffen. Hoffen wir, daß das neue Gesetz sich besser bewähren wird als das alte Reichsleistungsgesetz, dessen Datum — ich darf darauf noch aufmerkam machen — sich bezeichnenderweise mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges deckt: Es datiert vom 1. September 1939.
Für die Durchführung der Maßnahmen des Bundesleistungsgesetzes ist unzweifelhaft die Verwaltung des Innern zuständig. Ich beantrage namens meiner Fraktion, diesen Gesetzentwurf zu überweisen an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung — federführend — und ferner an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit sowie an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung.