Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein paar Bemerkungen zur Begründung unseres Antrages Drucksache 1588.
In dem System der landwirtschaftlichen Marktordnung kann man von der Abteilung Getreide getrost als vom Angelpunkt der Marktordnung sprechen. Hier haben wir wirklich ein ganz perfektes System, angefangen von der Grenzschleuse, der absoluten Kontrolle über alles eingeführte Getreide. bis hin zu den Preisen, die wir hier in jedem Jahr in Form von Mindest- und Höchstpreisen zu beschließen haben. und zur Regelung der Kosten für die Vorratshaltung usw. usw.
Es mag verwunderlich erscheinen. daß man gerade auf diesem Gebiet in der Marktordnungsgesetzgebung und in der Schaffung von Einrichtungen für die Marktordnung so viel weiter gegangen ist als in anderen Bereichen, z. B. bei Fett oder bei Vieh und Fleisch, obwohl doch die Landwirtschaft aus dem Verkauf von Getreide nur 11 % ihrer Einnahmen bezieht. Es hat seine Gründe darin, daß das Getreide in gewissem Sinne eine Schlüsselposition ist und daß man in der Handhabung der Marktordnung für Getreide eine ganze Menge Dinge auch für andere Bereiche der Landwirtschaft gut oder schlecht machen kann.
Mit dem Umstand, daß es sich hier um einen Angelpunkt oder, wie ich sagte, um eine Schlüsselposition handelt, hängt es zusammen, daß sich die Bedeutung dieses Bereichs der Marktordnung auch in der Größe der Kosten ausdrückt. Sie wissen, für die landwirtschaftliche Marktordnung im Bereich von Getreide und Futtermitteln werden allein an Kosten für die Lagerhaltung, für die Verwaltung usw. etwa 115 Millionen DM im Haushalt eingesetzt und ausgegeben. Dazu kommen die mit der Marktordnung für Getreide im wesentlichen zusammenhängenden Abschöpfungen als Belastung der privaten Haushalte mit, sagen wir einmal, 400 Millionen DM im Jahr.
Allein diese Zahlen, die Größenordnung im finanziellen Bereich, würden es rechtfertigen, daß man der Marktordnung, so wie sie sich entwickelt und wie sie gehandhabt wird, immer wieder die nötige Aufmerksamkeit zuwendet. Es sind in letzter Zeit allerdings auch eine Reihe von Dingen zu verzeichnen gewesen, die einen darüber hinausgehenden Anlaß geben, zu überprüfen, ob denn das, was wir da gemacht haben, ob dieses Marktordnungsgesetz im Lichte der damit gemachten Erfahrungen auch bis auf den heutigen Tag noch in vollem Umfange anerkannt werden kann.
Lassen Sie mich dabei gleich mit aller Eindeutigkeit sagen — ich wäre Ihnen dankbar, wenn wirklich niemand es in Zweifel ziehen würde; das wäre wirklich ungerecht und überflüssig —, daß meinen Freunden und mir so wie an dem Tage, an dem wir diese Marktordnungsgesetze gemeinsam verabschiedet haben, die Marktordnung als ein für die Landwirtschaft unverzichtbares Ding am Herzen liegt und daß unsere Kritik an einzelnen Erscheinungen, an gewissen Fehlentwicklungen und gewissen Mißbräuchen nicht so verstanden werden darf, als richte sie sich gegen die Marktordnung als solche.
Die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstelle ist nicht nur gekennzeichnet durch den für sie erforderlichen hohen Aufwand an öffentlichen Mitteln, sondern auch durch den Umfang ihrer Geschäftstätigkeit. Ich will in erster Linie einmal ansprechen, was wir hier mit der Drucksache 1588 vor allem im Auge haben: die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstelle auf dem Gebiete der innerdeutschen Getreideernte und der Bewegung dieser Getreideernte.
Bitte, machen Sie sich einen Augenblick klar, daß wir etwa die Hälfte des Getreides erzeugen, das wir hier im Lande verbrauchen, und daß es daher für den Absatz des in Deutschland erzeugten Getreides ein echtes Absatzrisiko nicht gibt, zumal es ja auch auf Grund des Getreidepreisgesetzes eine Preissicherung für den Absatz dieses Getreides gibt. Die Einfuhrschleuse könnte ohne Rückwirkungen auf das Importverfahren — es gibt dort leider heute eine ganze Menge Rückwirkun-
gen – so gehandhabt werden, daß der notwendige Zufluß an Auslandsgetreide den reibungslosen Absatz der deutschen Inlandsernte in keiner Weise stört.
Wir halten es tatsächlich für höchst bedenklich, daß es sich so nach und nach eingebürgert hat, daß ein großer Teil des Inlandgetreides, das in den Monaten des Getreidewirtschaftsjahres mit absoluter Notwendigkeit hier in Deutschland verbraucht wird, einen Umweg über die Einfuhr- und Vorratsstelle macht. Um es einmal ganz anschaulich für die zu sagen, die sich bisher mit dieser Materie trotz ihrer hervorragenden Bedeutung im Bundeshaushaltsplan noch nicht beschäftigen konnten, — die Sache sieht etwa so aus: der Handel bemüht sich nach der Ernte, möglichst viel von dem Getreide aufzunehmen, das die Bauern abliefern oder an den Markt bringen. Er geht dann mit diesem Getreide in ganz großem Umfang an die Einfuhr- und Vorratsstelle, bietet es ihr an, und sie muß es übernehmen; und das geschieht in der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vielleicht etwas merkwürdigen Weise, daß dann ausgerechnet werden der Preis, die Frachten, die Vorfrachten, die Spanne. Die Einfuhr- und Vorratsstelle übernimmt dann um diesen Gesamtpreis die Ware und lagert sie auf ihre, genau gesagt, auf die Kosten der Steuerzahler ein, und nach einer Weile wird dann dieselbe Getreidemenge vom Handel und von den Genossenschaften bei der Einfuhr-und Vorratsstelle wieder abgerufen; man hat einen Käufer dafür gefunden — die Mühlen haben ja einen laufenden Bedarf —, und das Geschäft geht dann noch einmal an. Das hat bei der Marktordnung niemand gemeint und niemand gewollt.
Es kam uns darauf an. unter allen Umständen dem Erzeuger eine Sicherheit für den Absatz seines Getreides zu einem Mindestpreis zu garantieren und die Versorgung der Verbraucher für die Zeiten sicherzustellen, die uns damals näher waren als heute, für die Zeiten der Verkehrsschwierigkeiten und irgendwelcher anderer Verwicklungen in der Welt, für die Zeiten also, in denen wir auf einen Vorrat zurückgreifen wollten, weil die in diesem Land nun einmal notwendigen Einfuhren nicht rechtzeitig herankommen könnten. Es ist unser Anliegen, die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstelle endlich auf das Maß zu beschränken, das im Sinne dieses Auftrags auch nur gewollt sein kann, und bei dieser Gelegenheit den Bund, die Steuerzahler von den Kosten zu entlasten, die mit der Abwicklung der Marktordnung verbunden sind und die insbesondere dann, wenn man sich an den Text des Gesetzes ernsthaft gebunden hält, nach dem die privaten Wirtschaften und ihre Einrichtungen in gebührendem Maße mit einzuschalten sind, auch gar nicht erforderlich sind, um die Ziele zu erreichen, die man sich mit der Marktordnung gestellt hat.
Wir haben einen Getreidehandel, wir haben ein sehr leistungsfähiges System von Genossenschaften. In den Getreidepreis sind Beträge eingebaut, die zur Deckung der mit der Lagerung verbundenen Unkosten dienen. Wir haben in diesem Jahr zum erstenmal im Haushalt auch — und ich habe zu den Befürwortern dieses Versuches gehört — Mittel für gewisse Frachtsubventionen eingebaut, um den Abfluß des Getreides aus jenen sogenannten toten Winkeln zu erleichtern, aus denen es von alleine nicht herkommen kann. Wir meinen, daß damit die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, den Staat und seine Einrichtungen, die Einfuhr- und Vorratsstellen, im Interesse der privaten Initiative weitgehend aus diesem Geschäft zurückzuziehen. Es mag durchaus sein, daß man über die damit verbundenen Kosten noch einmal reden muß, daß man mit den jetzt festgesetzten Reports nicht auskommen kann. Aber einig sollten wir uns darin sein, mit den Mitteln einer klareren Definition, als sie bisher im Gesetz gegeben ist — und das ist das, was wir Ihnen in Art. 1 Ziffer 1 unseres Antrags Drucksache 1588 vorschlagen —, die Auswüchse, die Fehlentwicklung und den, man darf schon sagen, in einem gewissen und nicht ganz unerheblichen Umfang vorhandenen Mißbrauch zu beseitigen.
Die Sache ist jetzt so bequem und für die unmittelbar Beteiligten so billig, daß ich es keinem einmal übelnehme, wenn er sich der dort gebotenen Möglichkeiten bedient. Als überzeugter Anhänger der Marktordnung möchte ich aber nicht warten, bis einer, der kein Freund, sondern ein Gegner der Marktordnung ist, aus diesen Erfahrungen einen sehr handfesten Beweis dafür macht, daß die Marktordnung also wohl doch nicht der Weisheit letzter Schluß sei, und möchte deshalb selber vorschlagen — und wir hoffen dabei auf Ihre verständnisvolle Unterstützung —, daß wir aus eigener Einsicht hier rechtzeitig mit Dingen aufhören, die einfach nicht notwendig sind. Denn wenn es so bequem ist, wenn es zu bequem ist, dann ist es eben auf der anderen Seite auch zu teuer, und wir sollten uns rechtzeitig davon absetzen.
Man hat uns in früheren Diskussionen entgegengehalten, daß dann, wenn die Einfuhr- und Vorratsstellen direkt vom Erzeuger aufnehmen sollten, sie sozusagen in jedem Dorf eine Annahmestelle haben müßten. Andere Leute haben den ebenfalls nicht gerechtfertigten Verdacht geäußert, es sei unsere heimliche Absicht, Handel und Genossenschaften überhaupt abzuschaffen und das ganze Getreidegeschäft durch die Einfuhr- und Vorratsstellen bewerkstelligen zu lassen. Das eine liegt uns ebenso fern wie das andere. Wir haben hier nur eine Formulierung vorgeschlagen, mit der eben das Ziel erreicht wird, die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstellen in den Bereichen auszuschalten und unmöglich zu machen, in denen auf diese Tätigkeit verzichtet werden kann. Wir werden im Ausschuß — hoffentlich im Rahmen einer unvoreingenommenen und gründlichen Beratung — uns mit den Konsequenzen aus diesen Vorstellungen auseinandersetzen müssen. Ich will Ihnen auch hier schon sagen, daß wir die Konsequenzen keineswegs scheuen, wenn sie etwa darin bestehen sollten, die Reports zu erhöhen oder andere Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Handel und Genossenschaften diese Aufgaben tatsächlich auch erfüllen können. Aber wir möchten uns dann mit Ihnen auch in der Absicht begegnen, daß wir ihnen diese Aufgabe zuschieben, selbst wenn man sich inzwischen vielleicht schon zu sehr an das andere, bequemere und, ich sagte es schon, für die Beteiligten billigere Verfahren gewöhnt haben sollte.
Darüber hinaus gibt es auch sonst noch Veranlassungen, sich mit der Handhabung unserer Getreidepolitik im ganzen zu beschäftigen. Es möge hier niemand — ich kann es immer nur wiederholen und tue es deswegen, um Unterstellungen oder Mißverständnisse von vornherein so weit wie möglich auszuschließen — glauben, es gehe hier um Angriffe auf die Einfuhr- und Vorratsstelle. Ich weiß so gut wie Sie alle, daß die Einfuhr- und Vor-
ratsstelle von der Weisung des Ernährungsministeriums abhängig ist, und wir diskutieren hier auch nicht mit der Einfuhr- und Vorratsstelle und den in ihr Tätigen. Wir diskutieren hier mit der Regierung und richten unsere Forderungen und Wünsche an die Regierung. Trotzdem muß gesagt werden, daß sich in der Handhabung der Getreidepolitik mehr als ein Anlaß findet, nach so viel Jahren des Bestehens des Getreidegesetzes wieder einmal in eine sehr gründliche, vorurteilsfreie und voraussetzungslose Diskussion darüber einzutreten. Es hat sich zweifellos manches gebessert. Ich denke noch mit Schrecken an die Zeit, in der das gesamte Auslandsgetreide auf Staatskosten frachtfrei in die einzelnen Mühlen gefahren wurde. Das ist abgeschafft worden, und nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil, für das sogenannte Qualitätsgetreide, gibt es jetzt noch die Frachtsubventionen aus öffentlichen Mitteln. Ich gebe mich nach wie vor der Hoffnung hin, daß man auch mit diesem Rest noch fertig werden kann, auch hier in der Absicht, überall so viel Freiheit zu haben, wie es nur irgend möglich ist, und so viel Betätigungsmöglichkeiten für die private Initiative, wie nur irgend geschaffen werden kann, um öffentliche Maßnahmen auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren, damit allerdings auch den Einsatz der öffentlichen Mittel.
Wir haben in den letzten Monaten des abgelaufenen Getreidewirtschaftsjahres mit einigem Erstaunen gesehen, wie man mitten in einer Welt, in der es nichts soviel gibt wie Getreide, bei uns eine Getreideknappheit entstehen ließ. Es wurde kein Futtergetreide eingeführt. Die Einfuhr- und Vorratsstelle saß auf einem sehr großen und infolge der Kosten der Lagerhaltung recht kostspieligen Berg von Futtergerste, und davon wurde nichts freigegeben, weil man sich irgendwelche Vorstellungen gemacht hatte, dann würden die Leute aufhören, so viel Schweine auf den Markt zu bringen. Dabei hat man sich meiner Ansicht nach irgendwie geirrt. Die Schweine, die da waren und die auf den Markt drückten, sind ja nicht wegen der Futterpreise totgeschlagen worden, die übrigens zum Teil sogar über die gesetzlich festgelegten Höchstpreise hinausgegangen sind. Ich habe nie begreifen können, worin der Sinn dieser Anstrengung eigentlich zu finden war, daß man in Zeiten zurückweichender Schweinepreise den Verbrauchern, d. h. hier den Erzeugern, das Futter verteuerte in der Hoffnung, im nächsten Jahr würde sich dann irgendwie der Weisheit Schluß aus dieser Geschichte ergeben.
Ich bin der Meinung, daß auch in der jüngsten Vergangenheit noch aus der falschen, unplanmäßigen Handhabung der Marktordnung für Getreide Schwierigkeiten entstanden sind, z. B. für die Mühlen. Wir alle wissen von der schwierigen Lage in diesem Wirtschaftsbereich und wissen, wie wenig wir da helfen können, wissen allerdings auch, wie wenig Veranlassung wir haben, den Leuten durch unsere Getreidepolitik das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin für sie schon ist. Ich möchte sagen, daß man auch immer wieder Veranlassung hat, sich zu überlegen, ob man die Einfuhrpolitik nicht ohne Gefährdung der Ziele der Marktordnung, d. h. ohne Erschwerung des Absatzes und des Abflusses der Ernte aus eigener Erzeugung so handhaben könnte, daß diejenigen, die sich diesem sehr nützlichen und für' uns lebensnotwendigen Geschäft der Getreideeinfuhr widmen, ihrerseits alle Möglichkeiten haben, die man bei ihnen voraussetzen muß und die wir sogar alle wünschen müssen, damit wir hier so gut wie möglich bedient werden.
Nun noch eine Bemerkung zu Ziffer 2. Im Getreidegesetz heißt es, daß der Getreidepreis in jedem Jahre rechtzeitig festgesetzt werden muß. Einmal ist es uns, glaube ich, im Laufe der Jahre gelungen, am letzten Tage des alten Getreidewirtschaftsjahres das Getreidepreisgesetz zu verabschieden. In mehreren Fällen — das weiß ich genau — ist es erst nach dem Beginn des Getreidewirtschaftsjahres veröffentlicht worden. Das ist eine sehr schlechte Sache. Schließlich wollen wir doch dem Erzeuger auch die Möglichkeit geben, seinen Anbauplan nach der Verkündung der in Deutschland geltenden Getreidepreise wenigstens in etwa zu gestalten, und das ist natürlich nur möglich, wenn man rechtzeitig sagt, wie man in Deutschland das Getreide bezahlen will. Der Einwand, man müsse erst warten, wie sich der Weltmarkt entwickle, kann ja einfach nicht hingenommen werden. Wir wollen uns doch bewußt vom Weltmarkt und seinen Entwicklungen unabhängig machen und setzen den Getreidepreis nach rein innerdeutschen Erwägungen, abgestellt nur auf die Lage der deutschen Landwirtschaft, fest. Wir könnten das meiner Überzeugung nach besser für mehrere Jahre im voraus tun als jedesmal erst dann, wenn die Saat schon längst in der Erde ist. Die verspätete Vorlage des Getreidepreisgesetzes ist vielleicht der sinnfälligste Beweis dafür, daß es in unserer Getreidepolitik an manchem fehlt, u. a. an einer klaren und für alle Beteiligten erkennbaren Linie. Ich weiß nicht, ob das an dem Tauziehen hinter den Kulissen liegt, dort, wo sich die Interessenten zum Wort melden. Ich weiß nicht, ob das an der Bürokratie liegt. Ich weiß nicht, woran es liegt; ich weiß nur eins: es ist eine schlechte Sache, und jedesmal hat es uns außerdem um die Möglichkeit gebracht, hier mit genügend Zeit die Fragen zu diskutieren, die sich aus der Erfahrung des eben hinter uns liegenden Jahres jeweils aufgedrängt haben. Wir konnten nur ganz schnell machen, so schnell wie möglich; denn sonst wäre es noch eine Woche später geworden. Um das ein für allemal in Zukunft zu vermeiden, schlagen wir Ihnen vor, im Gesetz einen Zeitpunkt festzulegen, der erstens so rechtzeitig ist, daß sich der Erzeuger ein bißchen danach orientieren kann, und der zweitens so rechtzeitig ist, daß wir uns alle, die wir ja auch eine Verantwortung dafür haben, mit der Angelegenheit ausführlich genug beschäftigen können.
Meine Damen und Herren, Sie werden uns auch hier, wie ich hoffe, nicht abstreiten, daß wir das, was wir für veränderungsbedürftig halten, in einer gehörigen parlamentarischen Form konkret vorgelegt haben. Wir möchten soviel wie möglich darauf verzichten, das Haus zu bitten, zu beschließen, die Regierung möge doch einmal erwägen oder sie möge doch einmal prüfen oder vorlegen usw., sondern wir möchten, soweit es nur irgendwie geht und mit den schwachen Kräften der Opposition zu bewirken ist, das Haus vor konkrete Fragen stellen, schon deshalb, weil wir uns von der Inanspruchnahme des Initiativrechts der Abgeordneten auch eine Abkürzung der Fristen und eine schnellere Arbeit versprechen, ohne von der Bürokratie und ihren sehr, sehr diffizilen Bedenken etwa aufgehalten zu werden. Ich habe die Hoffnung, daß auch in Ihren Reihen die Bedeutung einer zügigen, rationellen. von überflüssigem Ballast befreiten Getreidepolitik und von solchem Ballast befreiten Handhabung der Marktordnung erkannt wird und daß wir zusammen im Ausschuß — auch hier
wahrscheinlich, nicht nur im Ernährungsausschuß allein — Gelegenheit haben werden, alles noch einmal neu zu bedenken.
Ich muß noch mit einem Wort auf die Diskussion von vorhin zurückkommen. Es wird so oft gesagt: Was hier ist, ist in Ordnung, ist tabu. Wenn man das ändert, dann kommt das Chaos. Aber es ist töricht, uns einzureden: Entweder es muß alles so bleiben, oder die Welt geht unter. Mir scheint, die Welt geht viel eher unter, wenn man nicht rechtzeitig an ihr gewisse Verbesserungen vornimmt,
und diejenigen, die immer alles verteidigen wollen, haben bisher zum Schluß wirklich immer noch alles verloren. Rechtzeitig etwas tun ist hier viel wirkungsvoller. Einer, der vielleicht kein Praktiker ist, aber immerhin in der internationalen Welt der Wissenschaft für sich einigen Respekt in Anspruch nehmen kann, hat neulich von der Milchmarktordnung gesagt: sie muß einmal von Grund auf neu durchdacht werden. Meine Damen und Herren, um nichts anderes handelt es sich für uns auch hier. Diese Marktordnung soll bei unbestrittener Anerkennung ihrer Notwendigkeit und ihrer Unverzichtbarkeit für die deutsche Landwirtschaft noch einmal neu durchdacht werden.