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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 109. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1955 5927 109. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 5928 B, 5952 C Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Dr. Schild (Düsseldorf) 5928 B Mitteilung über Bestätigung von Gesetzesbeschlüssen des Bundestages durch den Vermittlungsausschuß 5928 B Wahl des Abg. Dr. Weber (Koblenz) als Mitglied des Wahlmännerausschusses . . 5928 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Aussetzungsbeschluß des Landgerichts Bonn vom 10. November 1954 in dem Strafverfahren gegen Dr. Robert Platow u. a. wegen aktiver Bestechung u. a. (Drucksache 1793) 5928 C Dr. Furler (CDU/CSU) (Schriftliche Äußerung für den Deutschen Bundestag) 5968 A Dr. Bucher (FDP) (Schriftliche Erklärung zur Abstimmung) 59"2 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1662) . 5928 D Neumayer, Bundesminister der Justiz . . . . 5928 D, 5940 B, 5948 D Dr. Bucher (FDP) 5932 A, 5948 D Metzger (SPD) 5935 A Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . 5941 A Dr. Gille (GB/BHE) 5944 C Becker (Hamburg) (DP) 5946 D Dr. Arndt (SPD) 5947 C Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht 5949 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Einrichtung eines Bildersuchdienstes zur Aufklärung von Schicksalen Vermißter und verschollener Kriegsgefangener der ehemaligen deutschen Wehrmacht (Drucksache 1791) 5949 A Beschlußfassung 5949 A Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1623) . . . . 5949 A Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP), Antragsteller 5949 B Rösing (CDU/CSU) 5950 B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 5950 C Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Zolltarif-Novelle) (Drucksache 1777) . . 5950 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 5950 D Erste Beratung des Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Vanadium-Titan-Roheisen, Stromschienen) (Drucksache 1778) 5950 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 5950 D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksachen 1782, 1048) 5950 D Hellenbrock (SPD), Berichterstatter 5950 D Beschlußfassung 5952 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Molkereistruktur (Drucksache 1587) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (Drucksache 1589) . . . . 5952 C, 5960 A Seither (SPD), Antragsteller . . . . 5952 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . . 5955 C Unterbrechung der Sitzung . 5960 A Kriedemann (SPD) 5960 A Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Haushaltsausschuß . . . . 5962 A Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1588) 5962 B Kriedemann (SPD), Antragsteller 5962 B, 5965 D Schwarz (CDU/CSU) 5965 B Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 5966 C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 489) . . . 5966 D, 5972 C Beschlußfassung 5966 D Nächste Sitzung 5966 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5967 A Anlage 2: Äußerung des Abg. Dr. Furler für den Deutschen Bundestag zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Aussetzungsbeschluß des Landgerichts Bonn in dem Strafverfahren gegen Dr. Platow wegen aktiver Bestechung u. a. 5968 A Anlage 3: Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Bucher (FDP) zur Abstimmung über den Antrag des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Aussetzungsbeschluß des Landgerichts Bonn in dem Strafverfahren gegen Dr. Platow wegen aktiver Bestechung u. a 5972 A Anlage 4: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 489) 5972 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 4. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 23. November Raestrup 19. November Frehsee 15. November Kühn (Bonn) 15. November Matthes 15. November Dr. Miessner 15. November Dr. Starke 15. November Welke 15. November Dr. Atzenroth 12. November Bals 12. November Dr. Brönner 12. November Dr. Elbrächter 12. November Hoogen 12. November Illerhaus 12. November Regling 12. November Albers 5. November Bock 5. November Dr.-Ing. E. h. Schuberth 5. November Dr. Bucerius 31. Oktober Gibbert 30. Oktober Griem 30. Oktober Dr. Baade 29. Oktober Frau Döhring 29. Oktober Dr. Greve 29. Oktober Jahn (Frankfurt) 29. Oktober Dr. Köhler 29. Oktober Kurlbaum 29. Oktober Neuburger 29. Oktober Rehs 29. Oktober Frau Rösch 29. Oktober Frau Dr. Schwarzhaupt 29. Oktober Wehr 29. Oktober Altmaier 28. Oktober Dr. Becker (Hersfeld) 28. Oktober Birkelbach 28. Oktober Fürst von Bismarck 28. Oktober Dr. Blank (Oberhausen) 28. Oktober Dr. Czermak 28. Oktober Dr. Deist 28. Oktober Dr. Drechsel 28. Oktober Dr. Eckhardt 28. Oktober Erler 28. Oktober Even 28. Oktober Feldmann 28. Oktober Gräfin Finckenstein 28. Oktober Dr. Furler 28. Oktober Gerns 28. Oktober Glüsing 28. Oktober Haasler 28. Oktober Dr. Graf Henckel 28. Oktober Dr. Hellwig 28. Oktober Höfler 28. Oktober Dr. Horlacher 28. Oktober Jacobi 28. Oktober Dr. Jentzsch 28. Oktober Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Kalbitzer 28. Oktober Kiesinger 28. Oktober Dr. Kopf 28. Oktober Dr. Kreyssig 28. Oktober Lemmer 28. Oktober Lenz (Brühl) 28. Oktober Dr. Lenz (Godesberg) 28. Oktober Dr. Leverkuehn 28. Oktober Dr. Luchtenberg 28. Oktober Lücker (München) 28. Oktober Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 28. Oktober Dr. Lütkens 28. Oktober Dr. Maier (Stuttgart) 28. Oktober Marx 28. Oktober Frau Meyer-Laule 28. Oktober Dr. Mommer 28. Oktober Dr. Oesterle 28. Oktober Ollenhauer 28. Oktober Paul 28. Oktober Pelster 28. Oktober Dr. Pohle (Düsseldorf) 28. Oktober Dr. Dr. h. c. Pünder 28. Oktober Dr. Reif 28. Oktober Frau Dr. Rehling 28. Oktober Sabaß 28. Oktober Dr. Schmid (Frankfurt) 28. Oktober Dr. Schöne 28. Oktober Frau Schroeder (Berlin) 28. Oktober Schütz 28. Oktober Graf v. Spreti 28. Oktober Sträter 28. Oktober Struve 28. Oktober Trittelvitz 28. Oktober Unertl 28. Oktober Dr. Wahl 28. Oktober Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 28. Oktober Wehner 28. Oktober Frau Welter (Aachen) 28. Oktober Dr. Bergmeyer 27. Oktober Blachstein 27. Oktober Brockmann (Rink'erode) 27. Oktober Dr. Brühler 27. Oktober Frau Finselberger 27. Oktober Frenzel 27. Oktober Dr. Glasmeyer 27. Oktober Kühlthau 27. Oktober Leibfried 27. Oktober Knobloch 27. Oktober Lermer 27. Oktober Dr. Mocker 27. Oktober Niederalt 27. Oktober Dr. Orth 27. Oktober Rasch 27. Oktober Ruhnke 27. Oktober Scheppmann 27. Oktober Schill (Freiburg) 27. Oktober Schmitt (Vockenhausen) 27. Oktober Schmücker 27. Oktober Dr. Schranz 27. Oktober Dr. Welskop 27. Oktober Anlage 2 Aus Drucksache 1793 (Vgl. S. 5928 C) Äußerung des Abgeordneten Dr. Furler für den Deutschen Bundestag I. Im 1. Deutschen Bundestag war auf Grund der Ergebnisse des Platow-Untersuchungsausschusses unter Drucksache Nr. 3935 ein interfraktioneller Antrag über den Entwurf eines Gesetzes über Straffreiheit eingebracht worden. Der hier maßgebliche § 1 wurde in der 273. Sitzung vom 18. Juni 1953 und auf Grund eines Vorschlages des Vermittlungsausschusses (Drucksache Nr. 4656) in der 282. Sitzung vom 29. Juli 1953 erneut in folgender Fassung beschlossen: „§ 1 Wer in der Zeit bis zum 31. Dezember 1951 als Verleger, Journalist oder Angehöriger des öffentlichen Dienstes unmittelbar oder mittelbar Nachrichten, Informationen oder Artikel in strafbarer Weise mitgeteilt, entgegengenommen oder verbreitet oder wer bis zu demselben Zeitpunkt zu einer solchen Handlung angestiftet oder Beihilfe geleistet hat, bleibt straffrei. Straffreiheit tritt auch ein für sonstige Straftaten, die aus Anlaß von Handlungen nach Satz 1 begangen worden sind." Der Gesetzesbeschluß wurde von dem damaligen Bundesminister der Justiz, Dr. Dehler, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ausgefertigt (vgl. dazu seine Ausführungen in der 273. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages vom 18. Juni 1953 — Stenographische Berichte S. 13545 — und in der 17. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 26. Februar 1954 — Stenographische Berichte S. 604 ff.). Die Verweigerung der Unterschrift verhinderte die Verkündung des Gesetzesbeschlusses. Im 2. Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit eingebracht (Drucksache 215), der den „Grundgedanken des Bundestagsbeschlusses vom 29. Juli 1953 in § 7 so verwirklichte, daß verfassungsrechtliche Bedenken nicht mehr bestehen" (Begründung zu § 7 des Regierungsentwurfs, S. 14 der Drucksache 215). § '7 wurde als § 8 in folgender Fassung Gesetz (Straffreiheitsgesetz 1954 vom 17. Juli 1954 [BGBl. I S. 203]): „§ 8 Nachrichtentätigkeit Für Straftaten, welche die Mitteilung, Beschaffung oder Verbreitung von Nachrichten über Angelegenheiten zum Gegenstand haben, mit denen Angehörige des öffentlichen Dienstes befaßt sind, oder welche damit derart in Zusammenhang stehen, daß sie solche Taten vorbereiten, fördern, sichern oder decken sollten, wird über die §§ 2, 3 hinaus ohne Rücksicht auf die Höhe der rechtskräftig verhängten oder zu erwartenden Strafe Straffreiheit gewährt, wenn die Tat vor dem 1. Januar 1952 begangen worden ist." Dieser § 8 bringt gegenüber dem § 1 des interfraktionellen Antrages der 1. Wahlperiode aus Drucksache Nr. 3935 wesentliche Veränderungen. 1. Es werden nicht nur Verleger, Journalisten und Angehörige des öffentlichen Dienstes begünstigt, sondern auch andere Personen, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllen. 2. Es werden Teilnehmer nicht nur dann berücksichtigt, wenn sie Anstiftung oder Beihilfe geleistet haben, sondern auch dann, wenn sie als Mittäter gehandelt haben, ohne zu dem begünstigten Personenkreis der früheren Fassung zu gehören (Begründung zu § 7, S. 14 der Drucksache 215). Das Landgericht Bonn will in dem bei ihm anhängigen Strafverfahren gegen Platow u. a. § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954 nicht anwenden, da es ihn für verfassungswidrig hält, und zwar aus zwei Gründen: a) Es ist der Auffassung, daß der Bundesgesetzgeber eine unzulässige Abolition (worunter das Landgericht eine Einzelniederschlagung versteht) beschlossen hat. b) Es ist weiter der Auffassung, daß § 8 StFG gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, da die von dieser Norm erfaßten Täter gegenüber anderen unter das Straffreiheitsgesetz fallenden Personen grundlos und willkürlich begünstigt seien. Diese Auffassung geht fehl. § 8 StFG ist nicht verfassungswidrig. II. Das Landgericht geht von dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE Bd 2 S. 222) zutreffend definierten Begriff der Amnestie aus, die vorliegt, wenn die Straffolgen „einer unübersehbaren und unbestimmten, nach Typen gekennzeichneten Zahl von Straftaten" geregelt sind. Es räumt ein, der Wortlaut des § 8 sei durchaus geeignet, eine Amnestie zu bejahen. Denn der Rahmen des in Frage kommenden Personenkreises sei weit gespannt, so daß eine „nicht absehbare Reihe von Verfahren hierunter fallen und nicht allein die Platow-Verfahren" (S. 11 des Aussetzungsbeschlusses unter A b). Aus der Gegenüberstellung der Gesetzesbeschlüsse des 1. und des 2. Deutschen Bundestages ergibt sich, daß bewußt und gerade um verfassungsrechtliche Bedenken auszuräumen, der begünstigte Personenkreis erweitert wurde. Wenn das Landgericht trotzdem die Verfassungswidrigkeit des § 8 behauptet, so deswegen, weil es meint, die Motive, die den Gesetzgeber angeblich leiteten, ergäben, daß dieser „ein dem Inhalt nach verfassungsmäßig unzulässiges Gesetz bewußt unverfänglich formuliert, ihm also eine Wortfassung gegeben hat, die bedenkenlos erscheint". Der Bundestag weist zunächst mit aller Entschiedenheit die in diesem Zusammenhang (S. 11 des Aussetzungsbeschlusses) ausgesprochene Behauptung zurück, sein Verhalten erinnere an Fälle aus der Zeit des Nationalsozialismus. Diese Ausführungen sind ebenso unerhört wie unbegründet. Der Bundestag lehnt es ab, hierauf überhaupt einzugehen. Der Bundestag verwahrt sich sodann mit Nachdruck gegen die Behauptung, er habe ein verfassungsmäßig unzulässiges Gesetz in die Form einer (Dr. Furler) Amnestie gekleidet und sich so auf einem Umwege eine Zuständigkeit verschafft, die ihm nicht zugestanden habe. Die Begründung, die das Landgericht für seine Behauptungen gibt, basiert ausschließlich auf einer Verwertung von Motiven, die zu § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954 geführt haben sollen. Obwohl die vom Landgericht behaupteten Motive nicht maßgeblich waren, ist doch grundsätzlich festzustellen, daß eine solche Auswertung der Motive unzulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE Bd. 1 S. 312) sagt: „Maßgebend für 'die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht •entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können". Die Motive des Gesetzgebers sind also nur hilfsweise und nur dann zu verwerten, wenn der Wortlaut des Gesetzes auszulegen ist, diese Auslegung aber ohne Berücksichtigung der Motive eine volle Klarheit nicht schaffen kann. Das Landgericht behauptet aber selbst nicht, der Wortlaut des § 8 StFG gebe zu Zweifeln Anlaß. Es geht dem Gericht lediglich darum, nachzuweisen, daß der Wortlaut des Gesetzes zwar verfassungsmäßig, die Motive aber, die zu ihm geführt haben, verfassungswidrig seien. Der Aussetzungsbeschluß unterbreitet daher dem Bundesverfassungsgericht die angeblichen Motive des Gesetzgebers zur Nachprüfung. Damit wird ein verfassungsrechtlich unzulässiger Weg beschritten. Gegenstand der Normenkontrolle ist „die richterliche Feststellung, daß ein bestimmter Rechtssatz gültig oder ungültig ist, daß also objektives Recht besteht oder nicht besteht" (BVerfGE Bd. 1 S. 406). Die Motive eines Gesetzes sind der richterlichen Nachprüfung entzogen. Die Gewährung von Straffreiheit durch ein Straffreiheitsgesetz ist nicht ein Verwaltungsakt in Gesetzesform, sondern ein Gesetz im materiellen Sinne. In einem solchen Gesetz werden die Straffolgen einer unübersehbaren und unbestimmten, nach Typen gekennzeichneten Zahl von Straftaten geregelt. Im Gegensatz dazu ist die Begnadigung im weiteren Sinne der Verzicht auf das Strafverfolgungsrecht oder auf das Strafvollstrekkungsrecht im Einzelfall oder in einer bestimmten Zahl von Einzelfällen. Entscheidend für die Zuständigkeit zum Erlaß des § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954 ist demnach, ob die Regelung des § 8 ein Gesetz im materiellen Sinne darstellt. Zu dem § 8 haben zwar diejenigen Verfahren Anlaß gegeben, die Gegenstand der Verhandlungen des 46. Untersuchungsausschusses des 1. Deutschen Bundestages gewesen sind. Aus den Verhandlungen des erwähnten Untersuchungsausschusses war das von allen Fraktionen des 'Deutschen Bundestages — mit Ausnahme der Kommunisten — bejahte Bedürfnis hervorgetreten, durch eine Amnestie eine Bereinigung von mit der Nachkriegsentwicklung zusammenhängenden Vorkommnissen zu erreichen, wie sie beispielhaft in den Erörterungen jenes Untersuchungsausschusses zutage getreten waren (vgl. Kurzprotokoll der 1. Sitzung des Unterausschusses „Straffreiheitsgesetz" des 23. Ausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. März 1953, Stenographische Berichte der 273. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages vom 18. Juni 1953, Abg. Hoogen S. 13543 f.). Es haben also den gesetzgebenden Organen, die den § 8 beschlossen haben, typische Einzelfälle vorgeschwebt, die zum Anlaß oder Beweggrund, nicht aber zum Gegenstand, jedenfalls nicht zum ausschließlichen Gegenstand dieser Regelung wurden. Daß ein solcher Ausgangspunkt für ein Straffreiheitsgesetz nicht das Wesen eines an der Allgemeinheit seiner Regelung orientierten Gesetzes beeinträchtigt, hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 22. April 1953 (BVerfGE Bd. 2 S. 222) ausgesprochen. Das rechtspolitische Erfordernis, in dem Geltungsbereich des Gesetzes über die seinen Anlaß bildenden Vorkommnisse hinaus eine unbestimmte Zahl noch gar nicht bekannter Verfahren zu erfassen, auch unbekannte Straftaten und Verfahren also in die gesetzliche Regelungeinzubeziehen, ist in den Verhandlungen des Unterausschusses des 23. Ausschusses deutlich herausgestellt worden (vgl. Kurzprotokoll der 1. Sitzung des Unterausschusses „Straffreiheitsgesetz" des 23. Ausschusses vom 12. März 1953). Die Bedenken, die gegen den Gesetzesbeschluß vom 18. Juni/29. Juli 1953 nach dieser Richtung erhoben wurden, haben zu der noch allgemeiner gehaltenen Fassung des § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954 geführt. Mit dieser neuen Fassung ist eine materielle und nicht nur eine scheinbare Erweiterung des gesetzlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift verbunden. Es trifft nicht zu, daß der § 8 in Wirklichkeit nur diejenigen Strafverfahren erfaßt, die in dem Betreff des Beschlusses der 1. Strafkammer des Landgerichts Bonn 8 K MS 8/53 vom 10. November 1954 genannt sind. Im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes konnte von keinem der beteiligten Gesetzgebungsorgane überblickt werden, wie viele und welche Einzelfälle von den allgemein gefaßten Merkmalen des § 8 erfaßt werden. Dies läßt sich wahrscheinlich auch heute noch nicht übersehen und erst nach längerer Zeit wird eine Statistik Klarheit darüber schaffen können, in welchen Einzelfällen der § 8 zur Anwendung gekommen ist. Dabei ist zu beachten, daß der § 8 — wie jede Amnestie — auch Straftaten erfaßt, die nicht bekanntwerden, weil sie nie Gegenstand eines Verfahrens wurden. Sollte sich dabei ergeben, daß die Zahl der durch § 8 betroffenen und durch Verfahren bekanntgewordenen Straftaten nicht übermäßig groß ist, so könnte dies kein Grund sein, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Zweifel zu ziehen. Durchaus ähnliche Verhältnisse liegen auch bei § 6 Straffreiheitsgesetz 1954 vor, der für die in einem Befehlsnotstand begangenen Taten während des Zusammenbruchs Straffreiheit gewährt. Konkrete Einzelfälle, bei denen der Beweggrund für die Schaffung dieser Vorschrift hervortrat, sind in den Verhandlungen des Rechtsausschusses des 2. Deutschen Bundestages zum Straffreiheitsgesetz erörtert worden. Nach den bisher vorliegenden Zahlen ist der § 6 des Straffreiheitsgesetzes 1954 nur in einer verhältnismäßig geringen Zahl von Strafverfahren angewandt worden. Kein Gericht hat die Gültigkeit des § 6 in Zweifel gezogen, weil be- (Dr. Furler) stimmte Einzelfälle zu ihm Anlaß gaben oder weil der Anwendungsbereich verhältnismäßig gering ist. Der § 8 des Gesetzes vom 17. Juli 1954 enthält daher nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach eine Norm, die den Erfordernissen eines Straffreiheitsgesetzes entspricht. III. Das Landgericht Bonn ist der Auffassung, daß § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954' gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, da die Vorschrift im Gegensatz zu den §§ 2 bis 6 und § 7 Abs. 1 keine Beschränkung der Straffreiheit nach der Höhe der Strafe kenne. Für die Bevorzugung der unter § 8 fallenden Personen, denen Straffreiheit ohne Rücksicht auf die Höhe der Strafe gewährt werde, lasse sich nach der Auffassung des Gerichts kein einleuchtender Grund finden. Kein vernünftiger Grund sei insbesondere dafür ersichtlich, die Amnestie nach § 8 über den Geheimnisverrat (§ 353 b und c StGB) hinaus zu erstrecken. Das Landgericht sieht darin eine willkürliche Bevorzugung des unter § 8 des Straffreiheitsgesetzes fallenden Personenkreises. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Bd. 1 S. 16, Bd. 3 S. 135, 182) ist der Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE Bd. 3 S. 135) hat auch anerkannt, daß bei der Formel „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden" zu behandeln, dem Gesetzgeber noch immer ein weiter Spielraum für die Betätigung seines Ermessens verbleibt. Das Bundesverfassungsgericht könne dem Gesetzgeber erst dann entgegentreten, wenn für eine von ihm angeordnete Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung einen Verstoß gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden darstellen würde. Es erscheint notwendig, die Gründe darzulegen, die sämtliche Fraktionen des 1. Deutschen Bundestages — mit Ausnahme der Kommunisten — in weitgehender Übereinstimmung der Meinungen dazu bestimmt haben, ein Straffreiheitsgesetz für Nachrichtentätigkeit ins Auge zu fassen. Die Feststellungen des 46. Untersuchungsausschusses (vgl. Kurzprotokoll der 1. Sitzung des Unterausschusses „Straffreiheitsgesetz" des 23. Ausschusses vom 12. März 1953, Stenographische Berichte der 273. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 1953 S. 13545) haben ergeben, daß „vor dem gesetzlich festliegenden Stichtag, dem 31. Dezember 1951, in der Bundesverwaltung besondere Anlaufschwierigkeiten und stellenweise große Unsicherheit bestanden haben, die sogar in Einzelfällen dazu geführt haben, daß gleiche Sachverhalte und gleiche Tatbestände in den einzelnen Ministerien und Verwaltungen verschieden behandelt wurden. Gerade das ist es, was den Ausschuß in seiner Mehrheit veranlaßt hat, unter diese Dinge nunmehr einen Schlußstrich zu ziehen" (Abg. Hoogen in der 273. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages vom 18. Juni 1953 S. 13544). In derselben Sitzung vom 18. Juni 1953 führte der Abg. Hoogen (S. 13544 C) weiter aus: „Die Ermittlungen im 46. Untersuchungsausschuß haben nämlich ergeben, daß von Journalisten in mehreren Fällen Bediensteten der Bundesbehörden Geschenke angeboten und auch gegeben worden sind. Diese Geschenke haben zwar keineswegs den Umfang gehabt, wie das in der Öffentlichkeit teilweise behauptet oder verbreitet wurde. Im Ausschuß war man vereinzelt deshalb der Meinung, daß diese Fälle aktiver und passiver Bestechung nicht von der Amnestie mit umfaßt werden sollten. Mit dieser Frage haben sich Rechtsausschuß und Unterausschuß sehr eingehend befaßt. Die Durchführung der Untersuchungen im 46. Ausschuß hat jedoch ergeben, daß die aus den verworrenen Nachkriegsverhältnissen und den Anlaufschwierigkeiten der Bundesverwaltung herrührende Unsicherheit, zu deren Beseitigung das Straffreiheitsgesetz dienen soll, sich insbesondere auch auf die Fälle erstreckt, wo im Einzelfall eine Bestechung möglicherweise anfängt oder aufhört. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist es in der Tat sehr schwer, zu sagen, ob Honorare, die ein Beamter angenommen hat, der für irgendeinen Informationsdienst als Informant gewirkt oder Artikel geschrieben hat, Bestechungsgelder gewesen sind oder ob es sich bei ihnen nur um das Entgelt für eine genehmigungspflichtige oder nach den Bestimmungen des Beamtengesetzes sogar um eine genehmigungsfreie Nebenbeschäftigung handelte. Das waren gerade die Schwierigkeiten, unter die wir einen Schlußstrich ziehen wollten. Die Anwendung strengen Rechtes auf alle diese verschieden gelagerten und zwischen den einzelnen Ministerien teilweise sogar verschieden gehandhabten Fälle würde die große Gefahr heraufbeschwören, daß Unrecht an die Stelle von Recht gesetzt würde, weil das Gericht diese Schwierigkeiten und Unterschiedlichkeiten zwar bei der Frage des Strafmaßes, niemals aber bei der Schuldfrage berücksichtigen könnte, sondern zu einer Verurteilung kommen müßte, wenn der Angeklagte durch seine Handlung den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht hat. Das zu verhindern, meine Damen und Herren, und 'deshalb auch bei etwa vorgekommenen Bestechungsfällen keine Ausnahme vom Straffreiheitsgesetz zu machen, war die mit überwiegender Mehrheit geäußerte Meinung des Ausschusses." Das Landgericht Bonn meint (S. 22 seines Beschlusses), daß eine weitgehende Amnestierung der Verstöße gegen die §§ 353 b und c StGB – Geheimnisverrat — auf der Hand lag, da sich hier „einleuchtende Gründe für eine Amnestierung unter Berücksichtigung der zweifellos bestehenden Rechtsunsicherheit in den Beziehungen zwischen Verwaltung und Presse nach dem Chaos des Zusammenbruchs und der Periode des improvisierten Neuaufbaues des Staatsapparates" ergeben. Es sieht aber keine solchen Gründe für die Einbeziehung insbesondere der aktiven und passiven Bestechung für gegeben. Wie zweifelhaft aber gerade im Bereich des Pressewesens die Beurteilung der Strafwürdigkeit eines auf die Erlangung oder die Lieferung von Nachrichten gerichteten Verhaltens sein kann, ergibt sich aus dem Schicksal, das der § 140 der Reichstagsvorlage eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1927 über die Verletzung des Amtsgeheimnisses gehabt hat. Der § 140 des Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs in der Fassung der Reichs- (Dr. Furler) tagsvorlage 1927 (Nr. 3390 der Drucksachen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924/27) lautet: § 140 Verletzung des Amtsgeheimnisses Ein Amtsträger oder früherer Amtsträger, der ein ihm kraft seines Amtes anvertrautes oder zugängliches Geheimnis gegen Entgelt oder in der Absicht offenbart, sich oder einem anderen unrechtmäßig einen Vorteil zu verschaffen oder jemand einen Nachteil zuzufügen, wird mit Gefängnis bestraft. Die Tat wird nur auf Verlangen des Vorgesetzten verfolgt." Die Vorschrift war in den Reichstagsausschüssen, die über die Strafrechtsform berieten, starker Kritik ausgesetzt, die schließlich dazu führte, daß der Reichsminister der Justiz Koch-Weser sie fallen ließ (Niederschrift über die 30. Sitzung des 21. Ausschusses [Reichsstrafgesetzbuch] des Reichstages IV. Wahlperiode 1928 S. 1). Reichsminister der Justiz Koch-Weser erklärte, daß nach seiner Auffassung der § 140 jedenfalls in der vorliegenden Form nicht aufrechterhalten werden könne. Einer allgemeinen Vorschrift gegen die Preisgabe von Amtsgeheimnissen stehe entgegen, daß eine sichere Grenze zwischen den strafwürdigen und den nicht strafwürdigen Fällen nicht zu finden sei. Nach der Fassung dieser Vorschrift laufe jeder Staatsmann Gefahr, bestraft zu werden, wenn er über den Verlauf einer Sitzung anderen Mitteilung mache. Die Einschränkungen der Vorlage genügten nicht, um diese Bedenken zu beheben. Strafbar sei nach der Vorlage, wer ein Amtsgeheimnis gegen Entgelt veröffentliche; ein Entgelt sei aber auch das Honorar für einen Zeitungsartikel. Man könne es deshalb, wie bisher, bei der disziplinären Ahndung bewenden lassen. Diese Bedenken führten zur Streichung der Vorschrift, so daß sie in dem Entwurf Kahl eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs (Reichstag V. Wahlperiode 1930, Drucksache Nr. 395) nicht mehr enthalten war. Wenn aber schon in normalen Zeiten solche Meinungen über die Strafwürdigkeit und Nichtstrafwürdigkeit einer entgeltlichen Mitteilung von Amtsgeheimnissen geäußert wurden, so waren Zweifel über die Strafwürdigkeit bei den Vorgängen, die zu § 8 des Straffreiheitsgesetzes Anlaß gaben, um so mehr berechtigt, als es sich dabei um Vorgänge in der Übergangs- und Aufbauzeit der Nachkriegsjahre handelte, in denen sich gefestigte Maßstäbe über das, was erlaubt und nicht erlaubt, strafwürdig und nicht strafwürdig sei, erst wieder bilden mußten. Wenn nun der Gesetzgeber sich entschloß, um der Zweifel an der Strafwürdigkeit mancher Handlungen willen einen Schlußstrich zu ziehen, so war es rechtspolitisch untragbar, in dem Straffreiheitsgesetz selbst zwischen amnestiewürdigen und amnestieunwürdigen Fällen in der Weise zu unterscheiden, daß aktive oder passive Bestechung schlechthin ausgeschlossen oder eine Beurteilung des Einzelfalles zugrunde gelegt wurde. Nur diejenigen Straftaten, deren Amnestieunwürdigkeit offensichtlich war, sind demnach durch den § 9 Abs. 1 von der Straffreiheit ausgeschlossen worden. Im übrigen muß jede Amnestie um des Gleichheitsgrundsatzes willen in Kauf nehmen, daß sie neben zahlreichen amnestiewürdigen auch einzelne Fälle erfaßt, in denen die Gewährung von Straffreiheit nicht gerechtfertigt ist. Den maßgebenden Gesichtspunkt hat der Abgeordnete Dr. Greve hervorgehoben, wenn er in der 1. Sitzung des Unterausschusses „Straffreiheitsgesetz" S. 7 des Protokolls Nr. 1 vom 12. März 1953 ausführt: „Man müsse bei einer Amnestie nach dem Grundsatz des Allgemeinen suchen. Die ausschließliche Betrachtung der einzelnen Fälle führe kaum zu einem brauchbaren Ergebnis, weil man nicht sagen könne, daß man den einen Fall von der Amnestie ausnehmen und den anderen Fall amnestieren wolle. Es käme bei jeder Amnestie vor, daß einzelne Fälle straffrei bleiben, ,die man an sich nicht gerne straffrei lassen wolle. Aber das Bemühen gehe ja gerade dahin, daß die Amnestie ihrem Charakter nach allgemein sein müsse. Er sei nicht dafür, daß man sich einzelne Fälle vorlegen lasse und die Amnestie danach einrichte, so daß der eine Einzelfall darunter falle und der andere nicht. Die Aufgabe des Ausschusses sei es, einen gewissen Rahmen zu ziehen und es dann den zuständigen Stellen zu überlassen, welche Fälle in den Rahmen dieses Gesetzes fallen und welche außerhalb dieses Gesetzes zu bleiben haben. Einzelfälle zu prüfen, sei nicht Aufgabe des Ausschusses oder des Bundestages." Aus diesem Bedürfnis, einen allgemeinen Schlußstrich unter Verhaltensweisen im Presse- und Nachrichtenwesen der Nachkriegsjahre zu ziehen, hat das Gesetz im Bereich des § 8 auch keine Höchststrafgrenze eingeführt. Die Einführung einer Höchststrafgrenze hätte das Gericht unter Umständen genötigt, das Verfahren durchzuführen und erst auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung zu beurteilen, ob die Tat unter die Strafgrenze der Amnestie falle oder sie überschreite. Gegenüber dem Gesichtspunkt, durch eine Höchststrafgrenze gewisse strafunwürdige Fälle auszuschließen, hat der Bundestag dem nicht minder sachlich berechtigten Bedürfnis, einen allgemeinen Schlußstrich zu ziehen, den Vorrang gegeben. Eine solche Lösung liegt durchaus im Bereich des weiten Spielraums für die Betätigung des Ermessens des Gesetzgebers, der diesem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Bd. 3 S. 135) bei der Differenzierung von gesetzlich geordneten Sachverhalten zukommt. Im übrigen stehen dem Gesetzgeber für den Ausschluß amnestieunwürdiger Fälle verschiedene Möglichkeiten offen. Die eine besteht in der Begrenzung der Straffreiheit durch ein Höchstmaß der Strafe. Diese Möglichkeit ist in den §§ 2 bis 6, 7 Abs. 1 des Straffreiheitsgesetzes 1954 verankert. Die andere Möglichkeit besteht in der Schaffung von Ausschlußgründen, die durch normative Tatbestandsmerkmale gekennzeichnet sind. Der ehemalige Bundesminister der Justiz, Dr. Dehler, hat in der 273. Sitzung des Bundestages vom 18. Juni 1953 darauf hingewiesen (Stenographische Berichte S. 13545 C), daß er die Fälle der aktiven und passiven Bestechung für amnestieunwürdig halte, in denen aus ehrloser Gesinnung oder aus Gewinnsucht gehandelt worden ist. In dem Gesetzesbeschluß vom 18. Juni/29. Juli 1953 waren derartige Fälle von der Straffreiheit nicht ausgenommen. Weil dies in der Tat bedenklich gewesen wäre, hat das Straffreiheitsgesetz 1954 auch die Gewährung von Straffreiheit nach § 8 dem allgemeinen Ausschlußgrund des § 9 Abs. 2 unterstellt. Danach sind allgemein von der Straffreiheit Straftaten ausgeschlossen, die auf Gewinnsucht beruhen oder bei denen die Art der Ausführung oder die Beweg- (Dr. Furier) gründe eine gemeine Gesinnung des Täters erkennen lassen. Wenn das Landgericht Bonn in seinem Beschluß vom 10. November 1954 (S. 5) der Oberzeugung Ausdruck gibt, den von jenem Beschluß betroffenen Angeklagten könne nicht der Vorwurf gemacht werden, aus Gewinnsucht oder gemeiner Gesinnung gehandelt zu haben, so kann daraus kein Einwand gegen die Echtheit der Begrenzung der Straffreiheit hergeleitet werden, die sich aus § 9 Abs. 2 auch für die Gewährung von Straffreiheit nach § 8 das Straffreiheitsgesetzes ergibt. Denn der Gesetzgeber hat ja mit Absicht ,die Amnestie des § 8 auch für andere Fälle eröffnet, deren Zahl im einzelnen beim Erlaß des Gesetzes nicht übersehbar und unbestimmt war, und mußte daher den Ausschluß amnestieunwürdiger Fälle durch Aufstellen normativer Straftatbestandsmerkmale, wie sie § 9 Abs. 2 des Gesetzes nennt, sicherstellen. Den gleichen Weg hat der Gesetzgeber auch für die Fälle des § 7 Abs. 2 des Straffreiheitsgesetzes 1954 beschritten, nach dem gleichfalls Straffreiheit bei Verschleierung des Personenstandes ohne Rücksicht auf die Strafe gewährt wird. Es liegen demnach einleuchtende Gründe für die besondere Regelung des § 8 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vor. Der Vorwurf einer willkürlichen Bevorzugung des darin genannten Personenkreises ist nicht begründet. Anlage 3 (Vgl. S. 5928 D) Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Bucher (FDP) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend Aussetzungsbeschluß des Landgerichts Bonn vom 10. November 1954 in dem Strafverfahren gegen Dr. Platow u. a. wegen aktiver Bestechung: Bei der Abstimmung über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht (Fall Platow) — Drucksache 1793, Punkt 2 der heutigen Tagesordnung — habe ich mit „Nein" gestimmt, weil ich in der Sache den Standpunkt des Landgerichts Bonn für richtig halte. Insbesondere ergibt eine konkrete Betrachtung, daß unter § 8 des Straffreiheitsgesetzes tatsächlich nur die unter dem Stichwort „Platow" zusammengefaßten Sachen fallen. Auch der Bericht kann nicht darlegen, welche anderen Einzelfälle hier noch in Betracht kommen könnten. Nicht dagegen identifiziere ich mich mit den Auslassungen des Landgerichts Bonn, die dahin gehen, der Bundestag habe „bewußt ein inhaltlich verfassungswidriges Gesetz unverfänglich formuliert" und „sein Verhalten erinnere an Fälle aus der Zeit des Nationalsozialismus". Der Zurückweisung dieser Vorwürfe seitens des Berichterstatters stimme ich zu. Bonn, den 27. Oktober 1955 Dr. Bucher Anlage 4 Umdruck 489 (Vgl. S. 5966 D) Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Dr. Atzenroth, Dr. Weber (Koblenz), Odenthal und Genossen betreffend Bau einer Rheinbrücke bei Bendorf (Drucksache 1709) an den Haushaltsausschuß (federführend) und an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Berliner Porzellan-Manufaktur (Drucksache 1772) an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen; 3. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zollfreie Einfuhr von Kaffee und Tee im Reiseverkehr (Drucksache 1773) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Bonn, den 18. Oktober 1955 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Dr. Mocker und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Max Seither


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, im Namen meiner Fraktion die Anträge Drucksachen 1587 und 1589 zu begründen. Beide Anträge befassen sich mit der Milchwirtschaft. Wir wollen mit diesen Anträgen versuchen, die Milchstruktur in unseren Molkereisystemen zu verändern, und wollen versuchen, das Milchgesetz dahingehend zu ergänzen, daß in der Milchwirtschaft eine bessere Situation insbesondere zugunsten der Erzeuger eintritt.
    Wir sind uns in folgender Auffassung einig: Wenn wir es in der Bundesrepublik erreichen können, daß der Milchkonsum erhöht wird, wird sicherlich der Auszahlungspreis für den Erzeuger dadurch ohne weiteres gehoben werden können, wie Beispiele das deutlich beweisen werden. Wir sind uns also einig, daß der Milchkonsum unter allen Umständen gesteigert werden muß. Dazu boten wir als Sozialdemokraten stets Möglichkeiten an. Wir sprachen davon, daß die Schulmilchspeisung in der Bundesrepublik unbedingt durchgeführt werden müßte, nicht nur weil wir wissen, daß viele Kinder heute ohne Milchfrühstück in die Schule kommen, sondern weil wir auch wissen, daß wir Milchtrinker erziehen und gewinnen müssen. Und auf diesem Wege scheint uns die Steigerung des Milchkonsums in Deutschland ein absolut sicheres Mittel zu sein.
    Wir haben leider mit unseren Anträgen — und es handelt sich dabei um ein echtes Anliegen von uns — bis jetzt noch wenig Glück gehabt, weil die Mehrheit in diesem Hause mit uns nicht einig ging, weil die Mehrheit in diesem Hause unsere Anträge abgelehnt hat.

    (Abg. Dr. Conring: Weil es Sache der Länder und Gemeinden ist!)

    Wir hoffen aber, daß nun eine neue Situation dadurch eingetreten ist, daß Herr Minister Lübke


    (Seither)

    ebenfalls von einer Schulmilchspeisung spricht, und wir erwarten, daß durch diese Schulmilchspeisung ein Mehrverbrauch in Deutschland eintreten wird.
    Wir sind auch der Meinung — und wir haben immer versucht, unserer Meinung Ausdruck zu geben —, daß die Milch möglichst an den Konsumenten herangebracht werden muß. Wir haben deshalb Anträge gestellt, und auch mit Ihrer Zustimmung wurde dann ein Gesetz beschlossen, wonach auch die Milch in allen einschlägigen Geschäften der Lebensmittelbranche heute geführt werden kann, dort angeboten werden kann, so z. B. Flaschenmilch und Vorzugsmilch. Wir hoffen aber, daß dieser Weg noch weiter beschritten werden kann, und wir werden in unseren Anträgen, die wir Ihnen später zur Abstimmung stellen werden, auf diesen Weg verweisen und neue Wege suchen. Wir hoffen, in der gemeinsamen Ausschuß-arbeit diese Wege zu finden.
    Wir sind uns auch einig darüber, daß die Produktionskosten in der deutschen Landwirtschaft ganz allgemein in der letzten Zeit gestiegen sind. Wir sind der Meinung, daß auch in der Milchwirtschaft eine wesentliche Erhöhung der Produktionskosten in der Landwirtschaft gegeben ist. Wenn wir also gemeinsam der Meinung sind, daß die Produktionskosten in der Landwirtschaft gestiegen sind, sind wir sicher auch der Ansicht, daß dem Erzeuger, insbesondere dem kleinen Bauern, der Weg gebahnt werden muß, die Erzeugerpreise zu erhöhen, um die erhöhten Gestehungskosten in der Landwirtschaft auszugleichen. Hierfür gibt es allerdings verschiedene Möglichkeiten, und hier glaube ich, daß ich doch meine Verwunderung über einige Dinge aussprechen darf.
    Als wir das Landwirtschaftsgesetz in diesem Hause verabschiedeten — und einstimmig verabschiedeten —, waren wir nicht der Meinung, daß die Preispolitik als erste Maßnahme angewandt werden sollte, sondern wir haben bewußt die Preispolitik als die letztmögliche Maßnahme an den Schluß gesetzt. Aus diesem Grunde glauben wir uns nicht gerade sehr freuen zu sollen, daß man nun versucht, die Gestehungskostenlage in der Milchwirtschaft über die Preiserhöhung beim Endverbraucher — so wurde verschiedentlich gefordert — zu erleichtern.

    (Zuruf von der SPD: Aber so ist es leichter!)

    Wir sollten uns doch darüber einig sein, daß Preiserhöhungen auf diesem Wege viele Widerstände bei den Verbrauchern heraufbeschwören. Wir sollten doch sehr froh sein, daß es uns endlich einmal in der deutschen Agrarpolitik gelungen ist, Freunde in allen Kreisen zu gewinnen, und diese Freunde sollten wir nicht abstoßen, wenn wir zunächst nicht den Beweis antreten können, in unserem Bereich alles zu tun, die Gestehungskostenlage der Landwirtschaft zu verbessern und insbesondere zu versuchen, den Erzeugerpreis in den uns gebotenen Möglichkeiten zu erhöhen.
    Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. In den Anträgen, die in Berlin verabschiedet worden sind, haben wir Sozialdemokraten verlangt, daß die Umsatzsteuer aller landwirtschaftlichen Produkte — nicht nur der Milch — in Wegfall kommen sollte. Um die Gestehungskostenlage der Landwirtschaft zu verbessern, haben wir weiter beantragt, daß die Dieselkraftstoffe auf ungefähr 18 bis 19 Pf verbilligt werden. Das ist ungefähr die Preissituation, wie sie andere Länder, z. B. Holland, Dänemark usw., haben. Wir sind der Meinung, daß auf diesem Wege versucht werden müßte, die Produktionskosten der Landwirtschaft wesentlich zu verändern, damit auch die Landwirtschaft in die Lage versetzt wird, in Zukunft mit dem Ausland konkurrieren zu können. Trotz alledem meinen wir auch, daß in den beiden von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegten Gesetzentwürfen von der Natur aus Möglichkeiten gewisser Veränderungen zugunsten der Erzeuger gegeben sind.
    Zur geschichtlichen Betrachtung dieser Marktordnungsgesetze dürfen wir einmal kurz die Tatsache feststellen, daß die Marktordnung 1930 im Parlament in der Absicht gebildet worden ist, einmal die Milch möglichst einwandfrei an den Verbraucher heranzubringen, zweitens eine gewisse Preisstabilität zu bekommen und drittens ,dem Erzeuger durch Ausgleichsabgaben für werkferne und marktferne Betriebe eine gewisse Stabilität auch im Auszahlungspreis zu geben. Dieses Milchgesetz der damaligen Zeit wurde überholt, neu bearbeitet und nach den Grundsätzen des Dritten Reiches in ein Marktordnungsgesetz eingebaut, das gewisse Zwangsvorschriften enthielt. Man wollte mit diesem Gesetz die Fettlücke schließen. Es ist auch weitgehend gelungen, durch Zwangsvorschriften diese Fettlücke zu schließen.
    Nun blieb aber das Gesetz auch in unserer Zeit noch im wesentlichen in den Grundzügen erhalten. Allerdings wurden 1952 einige Änderungen eingeführt, die aber den Grundcharakter des Gesetzes in keiner Weise änderten. Wir sind der Meinung, daß die Zeit neue Situationen geschaffen hat, da die Fettlücke sicherlich als geschlossen angesehen werden kann. Wir wissen auch, daß gerade heute in der jetzigen Milchordnung, insbesondere in ihrer bürokratischen Verwaltung, die die Milchordnung zu wahren bzw. zu verteidigen hat, einige bürokratische Überbleibsel geblieben sind. Wir wissen, daß auch gewisse Zwangsvorschriften noch übriggeblieben sind, die unserer Auffassung nach einer Änderung bedürfen.
    Wenn ich jetzt auf die einzelnen Paragraphen eingehen darf, so stellen wir zunächst den Antrag, daß der Bauer künftig seine Molkerei wählen kann. Bislang war er an eine Molkerei gebunden. Das Gesetz gibt allerdings die Möglichkeit, die Molkerei zu wechseln. Der Antrag ist bei der obersten Landesbehörde zu stellen. Leider ist solchen Anträgen der Bauern bislang kaum Rechnung getragen worden. Ich kenne Beispiele aus einigen Orten, wo derartige Anträge schon seit Jahren gestellt sind. Diese Anträge wurden nicht verbeschieden, ganz einfach deshalb, weil man glaubte, eine andere Molkerei käme sonst in eine gewisse Notlage. In der Tat zahlen manche Molkereien — sicher auf Grund ihrer Anstrengungen — besser aus. Wir sollten dem Verlangen Raum geben, daß der Bauer zu einer solchen Molkerei hinüberwechseln kann. Wir sind nicht der Meinung, daß der Bauer allwöchentlich oder in anderen geringen Zeitabständen die Möglichkeit eines Wechsels haben soll, sondern er sollte diese Gelegenheit nur jeweils für ein Jahr bekommen. Wenn sich der Bauer oder der Milchhändler für eine Molkerei entschieden hat, sollte — so haben wir es in § 2 vorgeschlagen — eine Bindung für ein Jahr bestehen. Danach soll er wieder Gelegenheit haben, neu zu wechseln.
    Mit einer solchen Regelung wird sicherlich erreicht, daß die Molkereien untereinander etwas


    (Seither)

    mehr Wettbewerb erhalten und daß der Bauer, der ja mit dem Erzeugerpreis auf seine Gestehungskosten kommen will, die Molkerei wählen kann, die ihm das beste Angebot macht. Wir haben also das Bestreben, den Wettbewerb in der Milchwirtschaft zu fördern. Die Milchmarktordnung darf, wie wir meinen, nicht unter allen Umständen tabu sein, sondern muß auch einmal gewandelt werden können, wenn es die Zeit erfordert, neue Praktiken und neue Wege aufzuzeigen. Wir fordern also in unserem Gesetzentwurf für den Bauern bzw. Milchhändler die Möglichkeit, alljährlich eine neue Molkerei auszuwählen.
    Mit unserem Gesetzentwurf verlangen wir ferner, daß der Bauer ab Hof verkaufen kann. Bedauerlicherweise ist es so geworden, daß in Deutschland, insbesondere im süddeutschen Raum, bereits viel Milch im Direktverkauf „ab Hof" an den Verbraucher herankommt. Leider hat es das Milch- und Fettgesetz nicht verstanden, diese Art des Verkaufs zu verhindern. In der Bundesrepublik gibt es Länder, in denen heute ungefähr 40 % der Milch „ab Hof" verkauft werden. Das ist ein unbefriedigender Zustand; aber wir glauben nicht, daß wir das mit diesem Gesetz ändern können. Das hätte schon in der Vergangenheit geschehen müssen. Wir verlangen jetzt, den Verkauf „ab Hof" unter der Bedingung freizugeben, daß sich von Natur aus eine bessere Qualität anbietet, also etwa aus Ställen mit Tbc-freien, Bang-freien Viehbeständen. Wir wollen damit erreichen, daß die Hausfrau eine Wahlmöglichkeit hat. Sie soll selbst die Kontrolle übernehmen können. Sie soll dort kaufen können, wo sie glaubt, am besten mit einwandfreier Milch bedient zu werden.
    Noch etwas anderes wollen wir damit erzielen. Wir wollen denjenigen Erzeugern, die ihre Viehbestände Tbc-frei gemacht haben, für die Zukunft einen Ausgleich für ihre Mehrkosten damit geben, daß die Leute im Dorf direkt von solchen Höfen die Milch kaufen können, wo die Bauern diese Anstrengungen unternommen haben.
    Wir sind uns darüber im klaren, daß die Dinge sich nicht gleich im ersten Moment gut einspielen werden, glauben aber, daß es besser ist als die jetzige Situation. Wir sind in der Bundesrepublik ja alle bestrebt, möglichst bald und überall Tbc-freie Viehbestände zu haben. Dann würde jede Kontrolle wegfallen, weil überall der Verbraucher im Dorf beim Bauern direkt seine Milch beziehen könnte. Weil das Gesetz diese Lücke offengelassen hat und weil die Praktiken insbesondere im süddeutschen Raume auf Grund der Durchlöcherung des Milchmarktgesetzes die Möglichkeit eröffnet haben, müssen wir wenigstens jetzt einen Weg nach vorn bahnen, indem wir versuchen, die Dinge noch in etwa zu lenken, damit der Ab-Hof-Verkauf nicht weiterhin so wild vor sich geht, sondern in Bahnen gelenkt wird, die einen Ab-Hof-
    Verkauf vertreten lassen.
    Wir sind auch, wie unsere Gesetzesvorlage zeigt, der Meinung, daß in Zukunft, um den Bauern zu helfen, um den Erzeugerpreis besser, tatsächlich an den Erzeuger heranzubringen, einige andere Änderungen vorgenommen werden sollten. Sie wissen, daß heute Ausgleichsgelder erhoben werden, um werkfernen Molkereien eine bessere Situation zu schaffen und einen anderen Auszahlungspreis für die Bauern dort zu ermöglichen. Wir hegen aber den berechtigten Verdacht, daß mit diesen Auszahlungspfennigen oft Manipulationen angestellt werden, die nicht immer durchschaubar sind und die vielfach zu Kritiken Anlaß geben. Wir fordern deshalb, daß dieser Auszahlungspfennig direkt an den Bauern gezahlt wird, weil wir glauben, daß das notwendig ist, um eine gewisse Kontrolle über diese Dinge zu bekommen. Wir befinden uns hier in der Gesellschaft mit der Kieler Untersuchung, die beispielsweise zu folgender Veröffentlichung geführt hat — ich bitte den Herrn Präsidenten, dies verlesen zu dürfen —:
    Eine öffentliche Rechenschaftslegung über das Aufkommen an Ausgleichsabgaben und die Verwendung dieser Beträge wäre angebracht. Da die Ausgleichsabgaben einen recht beträchtlichen Prozentsatz der Trinkmilchspannen ausmachen, wäre eine regelmäßige Überprüfung der Trinkmilchmolkereien und ihrer Berechnungen zu empfehlen.
    Auch hierin liegt ja in gewissem Sinne eine Begründung dafür — denn diese Leute kennen die gesamte Milchwirtschaft intern sehr gut —, daß hier einmal hineingeleuchtet werden sollte. Wir sollten es tun, um dem Bauern das zu geben, was ihm zusteht und was das Gesetz ihm ja auch zubilligt.
    Noch etwas anderes in diesem Gesetz glauben wir verändern zu müssen, weil wir meinen, daß auch mit Sofortmaßnahmen dem Bauern geholfen werden kann. In diesem Gesetz bietet sich eine Sofortmaßnahme an. Wir wissen, daß beispielsweise der sogenannte Werbungspfennig, die Umlage, heute zu 0,5 Pf erhoben werden kann. Diese Umlage wird nicht in allen Ländern erhoben, sie wird aber in den meisten Ländern der Bundesrepublik erhoben. Es ist eine nicht geringe Summe, die dadurch vom Auszahlungspreis des Bauern abgezogen und zu gewissen Zwecken verwandt wird, die nicht ganz durchschaubar sind. Ich möchte darüber nichts Näheres sagen. Wir werden uns in den Ausschüssen eingehend darüber unterhalten müssen, was mit diesen Geldern passiert, wo diese Gelder hinkommen und für welche Zwecke sie verwendet werden. Wir Sozialdemokraten meinen, daß 0,25 Pf in der Umlage — die nur eingesetzt werden sollen — zur echten Werbung ausreichen würden, und wollen deshalb die anderen Gelder, die zusätzlich erhoben werden, gestrichen wissen. Damit würde eine Sofortmaßnahme für die Bauern sicherlich sehr schnell effektiv werden. Man weiß zwar die Summen nicht genau, weil darüber auch keine öffentliche Rechnung gelegt wird. Wenn man Schätzungen zugrunde legt, kann man wohl sagen, daß einige 10 Millionen DM im Jahr damit wieder an die Bauern zurückgeführt werden könnten. Wir müßten uns im Ausschuß eingehend darüber unterhalten, ob wir nicht diese Sofortmaßnahme beschließen sollen, denn mir scheint darin insbesondere für unsere Bauern ein sehr effektiver Erfolg zu stecken.
    Wir versuchen auch, das Gesetz dadurch zu verändern, daß wir jetzt, wie schon einmal begonnen, den Weg weiterschreiten. Bis jetzt ist es ja möglich, in allen Fachgeschäften Milch zu bekommen, Flaschenmilch, Vorzugsmilch. Allerdings ist die Flaschenmilch noch im Preis gebunden. Wir sind der Meinung, daß Flaschenmilch und Vorzugsmilch in allen Geschäften ohne Preisbindung gehandelt werden kann, weil wir glauben, daß die Leute, die mehr anzulegen vermögen, durchaus auch einen Preis zahlen können, der ihrem Geldbeutel gerecht wird. Wir sind der Meinung, daß Qualitätssteigerungen eben auch nach oben ihre Auswirkung


    (Seither)

    haben, und wir wissen, daß Molkereien, die mit Qualitätsmilch dann auf den Markt kommen, im Endeffekt sicherlich auch einen besseren Auszahlungspreis für den Bauern herausrechnen können. Darum unser Bestreben, auch hier eine Veränderung einziehen zu lassen. Ich glaube, der erste Weg, der bereits gegangen worden ist, hat gewisse positive Fortschritte gebracht. Wir sollten den Weg gemeinsam weiter beschreiten, um im Endeffekt das zu erreichen, was wir ja alle wünschen, und den Auszahlungspreis für den Bauern so zu gestalten, daß er in etwa seinen Gestehungskosten gerecht wird.
    Wir sind uns sicherlich in einigen Dingen vielleicht nicht so einig, daß man sich jetzt schon darüber schlüssig werden könnte. Wir werden uns in den Ausschüssen bemühen — wir hoffen, gemeinsam mit Ihnen —, Wege zu finden, diesem unserem Anliegen gerecht zu werden, weil wir glauben, daß wir auch als Erzeuger den Beweis anzutreten haben, daß wir alle Anstrengungen machen, aus unseren Möglichkeiten das letzte herauszuholen, um den Bauern tatsächlich zu helfen.

    (Abg. Dr. Conring: Die Praxis spricht dagegen!)

    Noch ein anderes Problem möchte ich hier aufgreifen.

    (Abg. Hilbert: Aber Sie verstehen nicht viel davon! — Abg. Schoettle: Er versteht so viel wie Sie! — Abg. Hilbert: Von diesen Sachen versteht er gar nichts, Herr Schoettle!)

    Auch wir glauben, daß in der Veränderung der Marktstruktur einige Reserven liegen, die unbedingt einmal ausgeschöpft werden müßten

    (Abg. Hilbert: Sie sind aber nicht ausreichend!)

    zugunsten der Erzeuger und Verbraucher. Die deutsche Molkereistruktur ist vielschichtig und vielzweigig, aber zum Teil auch so, daß man sagen kann, sie bedarf einer Flurbereinigung. Wir sind uns hierin mit Ihnen einig; auch wir haben ja beschlossen, die Zinsverbilligungsmittel einzusetzen, um möglichst schnell zu einer Flurbereinigung im Molkereisystem zu kommen. Wir sind aber der Meinung, daß diese bis jetzt eingeplanten Mittel leider nicht ausreichen, um sehr schnell zu einer besseren Struktur zu kommen. Es gibt Beispiele in der Bundesrepublik, die beweisen, daß Veränderungen sicherlich notwendig sind. Es gibt Dörfer im süddeutschen Raum, wo in einem Dorf bei geringer Kapazität zwei Molkereien bestehen. Wir waren uns auf einer Bayernfahrt einig, daß die Flurbereinigung das dringendste Gebot der Stunde ist. Wir sind auch der Meinung, daß in einigen Dörfern und insbesondere Städten Molkereien neu errichtet worden sind, die nicht unbedingt hätten errichtet zu werden brauchen. Dort sind Kapazitäten entwickelt worden, die ganze Gebietsteile versorgen könnten, die aber infolge des Nebeneinanders auf oft engem Raum nur zum Teil ausgenutzt sind. Darum, meinen wir, müssen wir versuchen, auch mit öffentlichen Mitteln, in diesem Falle mit verlorenen Zuschüssen, durch Zinsverbilligungsmaßnahmen, durch Übernahme von Ausfallbürgschaften alles anzusetzen, um möglichst bald zu einer Flurbereinigung in der deutschen Molkereistruktur zu kommen.
    Wir hoffen also, daß wir auch hier in gemeinsamen Gesprächen den Weg finden werden, um tatsächlich das Beste für die Molkereien und das Beste für den Erzeuger und Verbraucher zu erreichen. Wir bitten Sie also, unseren beiden Anträgen auf Drucksache 1587 und Drucksache 1589 insoweit zuzustimmen, daß Sie mit befürworten, daß sie an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Conring: Das sind ja Palliativmittelchen!)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Bauer (Wasserburg).

(Zuruf von der SPD: Einer aus Wasserburg kann doch nicht zur Milch reden! — Heiterkeit!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Bauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Zwischenruf gerade noch mit erfaßt. Das wäre richtig. Aber ich habe das Gefühl, daß über Milch oft auch Leute reden, die davon wirklich nichts verstehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Man muß sich wundern, daß die Milch nicht längst sauer geworden ist vor so viel Unsinn, der manchmal über die Milch gesprochen wird.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Das, was eben der Kollege Seither hier sagen mußte, klang so wie friedliche Schalmeientöne auf einer oberbayerischen Alpe. Wenn man sich aber die Gesetzentwürfe der SPD einmal genauer besieht — verehrter Herr Kollege Seither, nehmen Sie es mir nicht übel —, dann hat man doch den Eindruck, daß Sie hier wieder einmal den Wolf im Schafspelz haben spielen müssen. Ich bedaure, daß die Urheber dieser Gesetzentwürfe nicht selbst hier hergegangen sind und sie begründet haben.
    Ich bin gebeten worden, mich möglichst kurz zu fassen. Aber der Zwischenruf am Anfang meines Auftretens hat mich dazu gereizt, auch etwas Entsprechendes dazu zu sagen.
    Wenn die SPD sich bei den beiden Gesetzentwürfen von der Absicht leiten ließ — und das möchte ich ihr ohne weiteres zugestehen —, den Trinkmilchverbrauch und den Verzehr von Molkereiprodukten zu fördern, um damit einen besseren Milcherzeugerpreis zu ermöglichen, so gehen wir damit durchaus einig. In dieser Zielsetzung sind wir uns einig. Nur die Wege, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, die Sie hier vorschlagen, und die Nebenabsichten, die noch nicht ganz klar hervorgetreten, die aber offensichtlich hiermit verbunden sind, können unseren Beifall nicht finden.
    Lassen Sie mich nur ganz kurz einiges zu dem Gesetz zur Verbesserung der Molkereistruktur sagen. Ich erspare es mir zunächst, im einzelnen darauf einzugehen, und greife nur einige offensichtliche Mängel heraus, die hier vor diesem Hohen Hause doch auch in der ersten Lesung festgestellt werden müssen. In dem Entwurf der SPD ist wiederholt von einer Verringerung der Zahl der Molkereibetriebe die Rede. Gut, soweit das zweckmäßig und notwendig ist, gehen wir hier mit Ihnen einig. Aber, meine Damen und Herren, wo bleibt denn hier Ihr soziales Gewissen? Wenn man etwas verringert, so gibt es doch jemanden, der dabei auf der Strecke bleibt. Es gibt doch Genossenschafter von kleinen Genossenschaften, alte Molkereiver-


    (Bauer [Wasserburg])

    walter, auch Molkereibesitzer und -pächter, die bei solchen Maßnahmen auf der Strecke bleiben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Von Ihnen als Sozialpartei hätte ich an erster Stelle erwartet, daß Sie auch die Mittel für die Entschädigung dieser Leute, die bei diesem Prozeß werden auf der Strecke bleiben müssen, von vornherein vorgesehen hätten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es ist eigenartig, daß im § 3 von einer Verringerung der Zahl der Molkereibetriebe gesprochen wird und andererseits im § 1 bei der Zuteilung der Bundesmittel nur von Molkereigenossenschaften. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, daß ich selbst Molkereibesitzer bin. Das brauche ich dem Hause gar nicht zu verschweigen, das ist keine Schande.

    (Zuruf des Abg. Kriedemann.)

    — Nein, Herr Kriedemann, zunächst spreche ich hier mal als Abgeordneter mit dem gleichen Recht wie Sie.

    (Beifall in der Mitte.)

    Sie haben ja auch Leute, die hinter Ihnen stehen.

    (Abg. Baur [Augsburg]: Also Vertreter eigener Interessen!)

    — Lieber Herr Namenkollege, für welche Interessen werden Sie manchmal hier oben stehen? Danach möchte ich nicht fragen. Ich bin hier nicht Interessenvertreter.
    Wenn Sie sich also schon das Ziel gesetzt haben, den Milcherzeugerpreis zu verbessern, dann frage ich Sie, mit welchem Recht Sie den Bauern, der seine Milch etwa an eine Aktiengesellschaft oder an einen Privatbetrieb oder an eine verpachtete Genossenschaftsmolkerei liefert, schlechterstellen wollen als den Genossenschaftslieferanten. Das gibt es nicht, das kann es nicht geben. Im übrigen wissen wir noch nicht, ob diese Einseitigkeit Absicht war, gegen wen sie gerichtet ist; das wird sich im Ausschuß noch ergeben.
    Ich darf nun etwas über die Notwendigkeit des Gesetzes sagen. Wir haben seit zwei Jahren, seit der Verkündung des Lübke-Programms, ein Zinsverbilligungsprogramm auch zur Rationalisierung unseres Molkereiwesens. Mein Herr Vorredner hat erklärt, er und seine Parteifreuende glaubten, daß dieses Programm nicht ausreichen werde. Nun, ganz so ist dem nicht. Wir hatten 1954/55 für die Rationalisierung des Molkereiwesens 2 Millionen DM eingesetzt. Ausgeschöpft wurden davon in dem abgelaufenen Jahr 1,8 Millionen. Bei dem laufenden Programm für das Jahr 1956 ist eine weitere Million hinzugekommen. Also auch die Mittel des heurigen Jahres sind bis zum 30. September nur zur Hälfte ausgeschöpft worden.
    Zweifellos weist dieses Programm der Bundesregierung — das gebe ich Ihnen zu — gewisse Mängel auf, weil auch in ihm für stillzulegende Betriebe keine Stillegungsmittel vorgesehen sind und weil nach den neuesten Kreditausleihungs-durchaus denken, daß es in den Betrieben auch Investitionen unter 100 000 Mark geben kann, die ebenso notwendig sind und die ebenfalls im Sinne unseres ursprünglichen Auftrages betreffend die Vergabe dieser Mittel liegen.
    und Zinsverbilligungsbestimmungen eine 100 000-
    Mark-Grenze festgesetzt wurde. Wir halten die jetzige starre Festsetzung der 100 000-Mark-Grenze nicht für richtig. Wir wollen an deren Stelle eine etwas beweglichere Regelung sehen. Wir können nicht glauben, daß nur eine Investition, die mehr als 100 000 Mark ausmacht, von der Bundesregierung als sinnvoll anerkannt wird. Wir können uns
    Ich war überzeugt, daß bei der Begründung dieser Anträge der SPD wieder einmal das Land Schweden als Beispiel herhalten müßte. Lassen Sie mich deshalb auch dazu einmal etwas sagen. Schweden, ein Land von der Größe Frankreichs, aber mit der Einwohnerzahl Österreichs, mit 7 Millionen Einwohnern, hat heute noch, nach Durchführung all seiner Rationalisierungsprogramme, rund 600 Molkereien. Die Bundesrepublik Deutschland mit ihren jetzt 52 Millionen Einwohnern hat heute noch rund 3075 Molkereien. Wenn Sie einmal die Bevölkerungsziffer auf die Zahl der Molkereien abstellen — ich gebe zu, das ist eine sehr grobe Betrachtungsweise —, dann zeigt sich immerhin, daß in Schweden auf eine Molkerei rund 11 600 Menschen und in Deutschland 16 200 Menschen kommen. Es kommt hinzu, daß Schweden, das wissen wir doch alle, ein Milchwirtschaftsland ist, dessen Milchwirtschaft schwerpunktmäßig auf den Export eingestellt ist. Wir in Deutschland sind dagegen schwerpunktmäßig auf unmittelbare Versorgungsaufgaben ausgerichtet. Das unterscheidet die Verhältnisse bei uns grundsätzlich von den Verhältnissen in Schweden. Wir sollten uns deshalb davor hüten, auf irgendwo bewährte oder auch nicht bewährte Verhältnisse abzustellen. Wir werden im Ausschuß auch Gelegenheit haben, zu prüfen — ich werde dazu Material von berufener Seite vorlegen können —, wieweit man mit den Rationalisierungsergebnissen in Schweden heute zufrieden ist. Wir sollten uns davor hüten, immer nur zu kopieren.

    (Abg. Hilbert: Sehr richtig!)

    Im übrigen können wir uns in Deutschland mit unseren Rationalisierungsergebnissen durchaus sehen lassen. Seit dem Jahre 1937, als wir noch 4500 Molkereien aller Wirtschaftsformen hatten, haben wir die Zahl der Molkereien bis 1950 auf 3321, also um 1220 Unternehmungen — das sind 26,8 % —, reduziert, d. h. immerhin um ein Viertel des Bestandes der damaligen Molkereien. Daß dieser Prozeß — auch im Sinne des Lübkeschen Programms — der weiteren Rationalisierung unserer Milchwirtschaft weitergegangen ist, beweisen uns die neuesten Zahlen vom Juli 1955, aus denen sich ergibt, daß der Bestand an Molkereibetrieben weiter zurückgegangen ist auf 3075, daß also eine nochmalige Reduzierung um 246 Betriebe erfolgt ist. Wir können immerhin feststellen, daß sich die hier erzielten Erfolge im Rahmen einer vernünftigen, natürlichen wirtschaftlichen Entwicklung durchaus sehen lassen können. Denn die Verhältnisse sind nicht gestern oder vorgestern entstanden, und sie bedürfen, sollen nicht größere Störungen auf milchwirtschaftlichem Gebiet eintreten, auch in der Zukunft einer vernünftigen, allmählichen und auf entsprechendes Tempo abgestellten Entwicklung.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, unsere deutsche Molkereiwirtschaft kann sich in der Welt sehen lassen. Wer von Ihnen Gelegenheit hatte, kürzlich an dem Welt-
    Milchkongreß in Bonn teilzunehmen und hier die anerkennenden Worte der ausländischen Molkereifachleute zu hören, die sich deutsche Molkerei-


    (Bauer [Wasserburg])

    betriebe angesehen haben, der muß bestätigen, daß die deutsche Molkerei- und Milchwirtschaft in allen ihren Erscheinungsformen bisher durchaus neben der jedes anderen Landes bestehen kann.
    Wir sollten uns hüten, von einem, ich möchte sagen, Tbc-Rummel wie im vorigen Jahre nunmehr in einen Rationalisierungsrummel zu verfallen. Die Milchmädchenrechnung stimmt nicht, die man so oft in den Zeitungen lesen kann, daß, wenn man sechs Betriebe mit durchschnittlichen Kosten von meinetwegen 6 Pf je Liter etwa auf zwei Betriebe zusammenlegt, diese zwei Betriebe dann mit durchschnittlichen Unkosten von 2 Pf auskommen. Nach jahrelangen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen steigen mit der Größe der Betriebe stets fast automatisch auch die Kosten entsprechend an,

    (lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU)

    weil wir — der Gesetzgeber — die Anforderungen hinsichtlich der Hygiene, hinsichtlich der maschinellen Einrichtungen laufend in die Höhe schrauben. Schließlich kostet jede derartige Forderung, so begrüßenswert sie im Interesse des Verbrauchers und für die Förderung des Absatzes deutscher Molkereiprodukte ist, immer wieder neues Geld.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten sich einmal dafür interessieren, daß in dem so stark rationalisierten Schweden die Rationalisierung offensichtlich so weit gegangen ist, daß sich heuer im Sommer die Verbraucher geweigert haben, noch schwedischen Käse zu kaufen, weil er so schlecht geworden ist, daß man auf das Nachbarland Dänemark zurückgreifen mußte. In der Prüfung der Kosten von der Erzeugung bis zur Verteilung darf man nicht das Allheilmittel sehen. Es ist unmöglich, daß eine Buttermolkerei — d. h. ein Betrieb, der die Milch vom Bauern annimmt und nur Butter herstellt, die Magermilch jedoch zurückgibt — bei einer Kostenlage, wie wir sie auf Grund der gegebenen Verhältnisse haben, mit Durchschnittskosten von etwa 2,5 bis 4 Pf arbeitet, während auf der anderen Seite ein hochqualifizierter Camembert-Betrieb Kosten bis zu 14 und 18 Pf haben kann, weil hier die Werbungs- und Verkaufskosten sowie die Kosten der Einrichtung entsprechend steigen. Trotzdem kann es passieren, daß dieser hockqualifizierte und mit sehr erheblichen Kosten arbeitende Betrieb unter Umständen einen besseren Milchpreis zahlt als der andere.
    Nach dem Wunsch der SPD soll auf die Spezialisierung und, nach Maßgabe moderner Erfahrungen, auf die Einrichtung der Betriebe nach ihrer Kapazität abgestellt werden. Ich glaube, wir sollten hier etwas mehr Vertrauen zu der Wirtschaft und zu den zuständigen Leuten in der Wirtschaft haben. Weder eine Genossenschafts- noch eine Privatmolkerei wird von sich aus geneigt sein, ihre Kapazität besonders auszuweiten oder sich besonders klein zu halten. Bei der Regelung, die von der SPD gewünscht wird, laufen wir Gefahr, von Jahr zu Jahr derart veränderte Kapazitäten in den einzelnen Betrieben zu bekommen, daß von einer sinnvollen Planung in den Betrieben überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann.
    Im übrigen darf ich auch hier darauf hinweisen: wenn wir die Spezialisierung bis zum Exzeß weitertreiben und sie den Betrieben — allein vom Gesichtspunkt der Auszahlung des höchsten Milchpreises — sozusagen zur Pflicht machen, dann wird sich jeder milchwirtschaftliche Betrieb mit Recht auf die lukrativen Produktionen stürzen. Wer stellt eines Tages dann noch jene Sorten her, die nun einmal die Leute mit dem kleineren Geldbeutel, auch in der heutigen Zeit, noch wollen, nämlich einen billigen Weichkäse oder einen billigen Schnittkäse? Auch den werden wir in der Zukunft brauchen. Ich glaube im Namen der deutschen Landwirtschaft sagen zu können, daß die Landwirtschaft ihre Aufgabe in der Zukunft mit darin sieht, auch diese billigen Nahrungsgüter zu entsprechendem Preis zur Verfügung zu stellen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Abschließend möchte ich zu der Verbesserung der Molkereistruktur folgendes sagen. Wenn wir dem SPD-Entwurf folgen — und ich halte es für fragwürdig, ob wir hier ein eigenes Gesetz machen sollen —, dann brauchen wir unbedingt Mittel für die Leute, die auf der Strecke bleiben, und eine Ausdehnung auf alle Wirtschaftsformen. Im anderen Falle — ich hielte dies für besser — sollten wir vielleicht versuchen, im Rahmen der nächsten Haushaltsberatungen das bisherige Programm der Bundesregierung entsprechend auszubauen und auszugestalten.
    Aber lassen Sie mich nun zu dem zweiten, vielleicht viel schwierigeren Teil, dem viel unverständlicheren Thema der Änderung des Milch- und Fettgesetzes etwas sagen. Der hier von der SPD eingereichte Antrag steht nach meinem Dafürhalten in einem gewissen Widerspruch zu dem anderen Antrag auf Drucksache 1587 betreffend Verbesserung der Molkereistruktur. Ich kann das, glaube ich, mit wenigen Worten beweisen. Wenn Sie auf der einen Seite die Zahl der Molkereibetriebe verringern, wenn Sie also weiter mit dem Ziel einer Verringerung der Molkereibetriebe rationalisieren — wir verstehen unter dem Wort „rationalisieren" auch noch etwas anderes —, dann bedeutet das doch eine weitere Konzentration. Und wenn wir eine weitere Konzentration haben — wie es heute schon vielfach der Fall ist; in Städten bis zu 4-, 5- und 600 000 Einwohnern ist überhaupt nur noch ein Milchversorgungsbetrieb vorhanden —, wie wollen Sie dann eigentlich einen Kleinhändler, der mit seiner Molkerei unzufrieden ist, noch umweisen? Es ist ja kein anderer Betrieb mehr da.

    (Sehr gut! rechts.)

    Hier widersprechen sich die Dinge. Ich habe vorhin interessanterweise der Rede meines Herrn Vorredners entnommen, er bedaure, daß in einer solchen Großstadt noch zusätzlich ein Betrieb gebaut worden sei. Ja, meine Damen und Herren, das eine schließt das andere aus. Entweder kann man das eine machen, oder man muß, wie wir es vorschlagen, auch hier wieder einmal den vernünftigen goldenen Mittelweg gehen.
    Das gleiche gilt auch für den Wechsel der Lieferanten. Wollen Sie, wenn Sie nur noch alle 50 km eine Molkerei haben, etwa einem Bauern, der da zum anderen Betrieb hinüberschielt und sagt: Na, der zahlt einen oder anderthalb Pfennig mehr aus!, antworten: Du kannst ja bei der nächsten Jahreswende wechseln und deine Milch in die vielleicht 30 oder 40 km entfernte Molkerei fahren? Das, was er hier vielleicht bisher als lohnendes und lockendes Ziel gesehen hat, geht ihm durch zusätzliche Anfuhrkosten verloren. So einfach liegen die Dinge nun weiß Gott nicht.

    (Zuruf der Abg. Frau Strobel.)



    (Bauer [Wasserburg])

    — Ich habe Sie nicht verstanden, Frau Kollegin Strobel, aber ich passe das nächstemal besser auf.
    Nun im einzelnen zu den Ziffern 1 und 3. Meine politischen Freunde und ich stimmen heute durchaus noch dem § 8 zu, wie ihn der Deutsche Bundestag in seiner ersten Legislaturperiode bei der Neufassung des Milch- und Fettgesetzes nach dem Einspruch der Länder im Vermittlungsausschuß gefaßt hat. In der damaligen Form lautet er:
    Die obersten Landesbehörden sollen jederzeit auf Antrag der Landesvereinigung, eines Milcherzeugers, einer Molkerei oder eines Milchhändlers Bestimmungen nach §§ 1, 2, 3, 5 und 6 ändern sowie Liefer_ und Abnahmebeziehungen und Milchhandelsbezirke verändern oder aufheben, sofern eine solche Änderung oder Aufhebung im Interesse der Allgemeinheit oder, soweit keine schwerwiegenden Allgemeininteressen entgegenstehen, eines oder mehrerer Beteiligter geboten erscheint. Hierbei sind die Grundsätze eines gesunden Wettbewerbs zu beachten.
    Ich muß Ihnen schon sagen, daß ich diese Formulierung des § 8 auch heute noch mit Hochachtung lese. Wir sollten etwas mehr Vertrauen zu den zuständigen Gremien der Verwaltung und der Markt- und Landesverbände haben, die wir ja selbst in unserem Gesetz geschaffen haben. Wir sollten etwas mehr Zutrauen haben, daß sie es mit der Zeit lernen, mit dem ihnen gegebenen Instrument auch so zu spielen, daß wir alle, vom Erzeuger bis zum Verbraucher, mit diesem Gesetz einverstanden sind. Sicher, auch mir sind Fälle bekannt, die nicht termingerecht, zu spät, erledigt worden sind. Aber, meine Damen und Herren, bei welchem Gesetz gibt
    es letzten Endes das nicht, daß einmal etwas liegen bleibt? Dann liegt es doch wieder an uns, über die Landesregierungen dafür vorzusorgen — auch dort sitzen ja unsere Parteifreunde —, daß die Dinge dort künftig besser funktionieren.

    (Zurufe.)

    — Auch in Bayern. Wir haben auch zu der Regierung in Bayern so viel Vertrauen, daß wir mit sachlichen Argumenten durchaus dorthin gehen können.

    (Heiterkeit.)

    Ich stehe nicht an, zu erklären: die hier gestellten Forderungen gehen so weit, daß sie bei einem Wechsel der Lieferbeziehungen zwischen Erzeuger und Molkerei einerseits und Molkerei und Abnehmer andererseits praktisch einer Aufhebung des Gesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 gleichkommen.
    Ich möchte noch etwas hinzufügen. Ich versage es mir, jetzt etwa dem Hohen Hause auszumalen – es ginge sehr gut —, welche Auswüchse bei dem von der SPD vorgesehenen möglichen Wechsel in unserer deutschen Milchwirtschaft eintreten würden. Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß uns die volle Konsequenz einer solchen Maßnahme, wie sie in diesem Gesetzentwurf vor uns steht, auf die Ausgangsverhältnisse der Jahre 1928 bis 1932 zurückwerfen würde. Ich empfehle jedem, der an diesem Milch- und Fettgesetz mitarbeiten will, das heilsame Studium der Reichstagsprotokolle von 1928 bis 1930. Dabei wird wieder einmal klar, aus welcher schwierigen Situation heraus damals jene Männer, die das Milchgesetz geschaffen haben, sich selber eine gewisse Selbstbeschränkung auf allen Stufen der Milchwirtschaft vom Erzeuger bis hin zum Handel auferlegt haben, um gemeinsam mit den damaligen Schwierigkeiten fertig zu werden. Das damals geschaffene Gesetz hat bewirkt, daß, wie ich schon sagen durfte, bis auf unsere Tage, vom Erzeuger bis zum Verbraucher ein Maximum an Ordnung und an Nutzen eingetreten ist.
    Dabei sind auch wir uns darüber im klaren, daß jedes Marktordnungsgesetz seine Mängel aufweist. Aber wir sind der Meinung, daß es darauf ankommt, daß ein solches Gesetz der Mehrheit unseres Volkes nützen muß, und daß man auf Außenseiter hier eben keine Rücksicht nehmen kann. Wenn Sie schon so oft über den Zaun ins Ausland hinüberschauen, dann schauen Sie doch 'bitte einmal bei den Marktordnungsgesetzen über den Zaun! Nimmt sich unser heutiges Milch- und Fettgesetz gegenüber mancher Ordnung drüben in unseren Nachbarländern nicht geradezu bescheiden aus?
    Meine Damen und Herren, hier wurde von einem bürokratischen Überbleibsel aus diesen Jahren gesprochen. Hier wurde auch davon gesprochen, daß man den Wettbewerb wieder verbessern wollte. Auch wir sind dieser Meinung und bekennen uns auch heute noch zu dem auch von uns gemachten Gesetz. Wir sind der Ansicht, daß es elastisch genug ist, um bei richtiger Anwendung und Auslegung allen Fällen und allen Beteiligten gerecht zu werden.
    Zum Qualitätsstreben noch eine ganz kurze Bemerkung. Auch wir sind der Ansicht, daß wir immer bessere Qualitätsprodukte zum Wohle unserer Milchwirtschaft, aber auch zur Befriedigung der berechtigten Forderungen unserer Verbraucher auf den Markt bringen sollten. Aber können sich denn unsere deutschen Molkereierzeugnisse nicht wirklich überall, auch in Konkurrenz mit dem Ausland, sehen lassen? Vergessen Sie doch nicht immer wieder, daß die heute über unsere Grenzen zu uns nach Deutschland importierten milchwirtschaftlichen Erzeugnisse in jedem Fall ausgesiebte Spitzenerzeugnisse des betreffenden Exportlandes sind!
    Ich meine, daß bei dieser Gelegenheit, wo so viel über die Milch politisiert wird, auch heute — ich weiß nicht, ob es in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geschehen ist – ein Wort der Anerkennung und des Dankes all jenen Bäuerinnen zu sagen ist, die Tag für Tag morgens um 4 oder um 5 Uhr aufstehen und ihre Pflicht tun, und auch unserem Molkereipersonal und dem Handel.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es ist an der Zeit, einmal daran zu denken, daß unsere Bevölkerung bei der Gewinnung und Verarbeitung der Milch viel Arbeit und Fleiß aufbringen muß. Man soll nicht bloß immer kritisieren und polemisieren und so tun, als ob das, was bisher geschehen ist, nichts bedeutete.

    (Abg. Kriedemann: Wer hat denn das eigentlich gemacht? Was unterstellen Sie denn hier eigentlich?)

    — Lesen Sie doch einmal Ihre eigenen Anträge durch!

    (Abg. Kriedemann: Sie versuchen, andere hier zu diffamieren!)