Meine Damen und Herren! Die Probleme, die mit dem vorliegenden Antrag aufgeworfen werden, werden wir heute abend nicht ausdiskutieren können. Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, weil in der Begründung des Antrags durch den Kollegen von der SPD Formulierungen über gesellschaftliche Gleichstellung gefallen sind. Der Kollege von der CDU hat von Nivellierung gesprochen und dergleichen. Ich möchte hier deutlich darauf hinweisen, daß die wirtschaftliche Stellung eines Berufsstandes nichts zu tun hat mit der gesellschaftlichen Stellung. Die gesellschaftliche Stellung wird einzig und allein davon bestimmt — das ist meine feste Überzeugung —, wie die kulturellen Werte beschaffen sind, die der eine oder der andere Berufsstand darzubieten hat. Wenn die wirtschaftliche Stellung der Maßstab wäre, dann wäre beispielsweise die gesellschaftliche Stellung eines Arztes oder eines anderen heutzutage unangemessen niedrig bezahlten freien Berufs eine ganz traurige. Dieses Argument kann also bei der Begründung des Antrages keine Rolle spielen. Man kann auch nicht die Tätigkeit eines Arbeiters, meinetwegen eines Druckers, der hier angeführt wurde, und die Tätigkeit eines Buchhalters gegenseitig abwägen, um damit die gesellschaftliche Position des Arbeiters zu bestimmen und daraus irgendwelche wirtschaftlichen Gleichstellungen oder Unterschiede dieser beiden Berufsstände herzuleiten. Das ist alles gar nicht das Wesentliche.
Wesentlich ist, daß die soziale Sicherung, von der Herr Dr. Hammer vorhin gesprochen hat, möglichst allen Berufen in unserem deutschen Volk gegeben wird. Vom Standpunkt des Angestellten kann ich Ihnen nur sagen: die Angestellten sind froh darüber, wenn ihre Arbeitskollegen, die Arbeiter, die gleiche soziale Sicherung erreichen, wie sie die Angestellten bereits haben.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben hier ja als Abgeordnete weder die Interessen der Arbeiter noch die der Angestellten, des Mittelstandes oder sonst einer besonderen Gruppe zu vertreten, sondern wir haben das Gesamtinteresse zu sehen. Die Deutsche Partei ist der Auffassung, daß wir sehr sorgsam zu untersuchen haben werden, ob der Antrag der SPD in seiner generellen Fassung mit einer Änderung des § 616 BGB nicht wiederum dazu führt, ausgerechnet gewisse Schichten des Mittelstandes zu schädigen.
Die Ausführungen, die eben von meinem Vorredner gemacht worden sind, sind deklaratorisch sehr schön; aber sie treffen doch nicht die Wirklichkeit. Mir ist z. B. unbegreiflich, warum Sie die Ausgleichskasse, wenn Sie einen solchen Ausgleichsstock schaffen wollen, nur auf Betriebe mit weniger als 100 Arbeitnehmern beschränken wollen. Gerade wenn Sie einen Ausgleich schaffen wollen, wenn Sie glauben, daß eine Verteilung des Gesamtrisikos über die Betriebe stattzufinden habe, müssen Sie doch sämtliche Betriebe einbeziehen.
Auf der andern Seite muß ich sagen: Sie bringen den Antrag zu einem Zeitpunkt ein, der denkbar ungünstig ist; es wurde vorhin schon darauf hingewiesen. Gerade jetzt, wo wir daran denken müssen, unsere gegenwärtige Konjunktur nicht durch irgendeine Maßnahme zu verändern, sondern daran interessiert sind, die Konjunkturlage auf diesem Stand zu erhalten, ist es natürlich der unglücklichste Zeitpunkt, so etwas zu bringen. Außerdem ist es auch unglücklich, den Antrag zu einem Zeitpunkt zu bringen, wo gerade durch die Neueinrichtung der Familienausgleichskassen die Beunruhigung unter denjenigen Kreisen, die Beiträge zu zahlen haben, besonders groß ist. Ich glaube, daß der gangbare Weg wirklich darin bestehen würde, das Krankengeld in seiner Höhe und seiner Form zu verändern. Wir brauchen diesen Umweg über die Ausgleichsstocks gar nicht.
Dieser Vorschlag, der hier von Ihnen gemacht wird, ist u. a. auch in dem Vier-Professoren-Gut-
achten über die Sozialreform aufgenommen worden. In ihm ist ausgeführt worden, es solle erwogen werden, daß die Krankenkassen überhaupt kein Krankengeld mehr zu zahlen hätten, sondern daß sie in Zukunft nur für die medizinischen Leistungen aufzukommen hätten. Ich bin ganz entgegengesetzter Ansicht. Ich glaube, da wir die Einrichtung des Krankengeldes, der Krankenversicherung doch haben, die ja letzten Endes von den Beiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gespeist wird, daß wir auf diesem Wege der Behandlung einer Erhöhung des Krankengeldes bis heranreichend an die Lohnhöhe, jedenfalls dort, wo die Tarifverträge Entsprechendes für die Arbeiter nicht vorsehen, leichter vorwärtskommen als durch eine generelle Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Wir werden von der Deutschen Partei aus an die Prüfung dieses Antrages unter dem Gesichtspunkt herangehen, den ich vorhin betont habe: wir werden abwägen, wo die Interessen der Arbeiter und des Mittelstandes liegen. Einzig von dem Ergebnis dieser Prüfung werden wir letzten Endes unsere Stellung zu diesem Antrag nachher aussprechen und auch unsere Abstimmung vornehmen.
Zusammenfassend kann ich aber sagen: Es liegt ja im Zuge der Zeit, daß das Recht, wie es bisher bestanden hat, geändert werden muß. Die Frage ist einzig und allein, ob wir eine generelle Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vornehmen oder ob wir es nicht viel besser und einfacher erreichen, wenn wir etwa im Zuge der Sozialreform vorher eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes überhaupt vornehmen.