Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs vor allen Dingen Herrn Kollegen Dr. Dittrich unseren besten Dank dafür sagen, daß er diesen Antrag mit so warmen Worten unterstützt hat. Es freut uns, daß auch er klar die Problematik der Lage der Arbeiter und Angestellten in der Industrie und im Handwerk gekennzeichnet und gewürdigt hat. Dieses Mißverhältnis ist heute noch vorhanden und muß unbedingt beseitigt werden. Es ist sehr nett — und wir hören es ja in letzter Zeit gerade auf sozialpolitischem Gebiete sehr oft —, daß wir dem Herrn Arbeitsminister angeblich wieder einmal einen seiner Pläne vorweggenommen haben. Aber das spielt im großen keine Rolle; wichtig ist, daß es getan wird. Wer es tut, das gibt im Augenblick keinen so großen Ausschlag.
Gerade die Vertreter der Mittelschichten müßten einmal klar erkennen, daß es unser gemeinsames Anliegen sein muß, sobald wie möglich alle Diskriminierungen zu beseitigen, die zwischen Angestellten und Arbeitern in der Industrie und im Handwerk noch vorhanden sind. Viele Beispiele sind hier bereits vorgetragen worden. Ich möchte aber noch auf eines zu sprechen kommen, und das ist die Nachwuchsfrage im Handwerk, die uns immer mehr drückt. Vielleicht können wir mit diesem Antrag ein solches Hindernis beseitigen, das uns noch auf Jahre hinaus schwer zu schaffen machen wird.
Sie können überzeugt sein, daß wir Vertreter der sogenannten Mittelschichten der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion uns die Arbeit nicht leicht gemacht haben. Der Herr Kollege Dr. Dittrich sagte, wir hätten im wesentlichen den Antrag des DGB übernommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das nicht ganz stimmt. Vielmehr haben wir besonders in Art. 2 bezüglich 'der Frage des Ausgleichsstocks nach Lösungen gesucht, um gerade den schwerkämpfenden Klein- und Mittelbetrieben unter die Arme zu greifen.
Das müssen Sie uns ohne weiteres zugestehen. Wir stimmen Herrn Dr. Dittrich darin zu, daß es sich nicht um die Frage Ausgleichsstock oder ähnliches dreht. Hauptsache ist, wir haben einen Anfang gemacht. Wie wir die Sache dann nennen, spielt gar keine Rolle.
Die Belastungen, die entstehen, erkennen wir als Vertreter der kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden durchaus. Wir haben nach eingehenden Überlegungen auch den Vorschlag gemacht, einen solchen Ausgleichsstock für Betriebe unter 100 Beschäftigten zu schaffen. Mit Mitteln dieses Fonds soll gerade der Kleinbetrieb vor den schwankenden Belastungen geschützt werden, die sich zufällig durch die Erkrankung vielleicht des einzigen Gesellen ergeben. Durch diese Einrichtung wird die Unsicherheit beseitigt, die in Kleinbetrieben durch die Lohnfortzahlungen auch für die Arbeitgeber entstehen
kann. Auch der Kleinbetrieb kann, da er 75 % des fortgezahlten Lohnes zurückerstattet erhält, mit festen Unkostenfaktoren rechnen, die insgesamt 2 1/2 % — Herr Dr. Dittrich hat es uns ja bestätigt — des gesamten Lohnaufkommens betragen. Das ist gerade für den Kleinbetrieb von sehr großer Bedeutung.
Im übrigen ist eine solche Belastung von 2 1/2 % des Lohnes gerade für den Kleinbetrieb nicht einfach. Aber im Vergleich zu den Problemen, die im Zusammenhang mit den konjunkturpolitischen Fragen, die wir in der letzten Woche erörtert haben, auftreten, ist sie nicht von vornherein als untragbar abzulehnen. Im Vergleich zu den Gesamtkosten des Betriebs sind 2 1/2 % Erhöhung der Lohnkosten für Arbeiter wenn auch nicht unerheblich, so doch nicht so, daß ihre Auswirkung dramasiert werden sollte. Handel und Handwerk haben, finanziell gesehen, in bezug auf Steuern, insbesondere auf die Umsatzsteuer, wirtschaftliche Sorgen, die weit größer sind als die Probleme, die im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung bei Krankheit entstehen.
Eine kritische Bemerkung noch. Vorhin ist die Bildung von Familienausgleichskassen angesprochen worden. Ich glaube, die Beiträge zu den Familienausgleichskassen drücken den Kleinhandwerker und die Mittelbetriebe viel mehr als die Sache, die wir Ihnen heute zur Beratung vorlegen. Die Kleinbetriebe, insbesondere die des Handels, die Angestellte beschäftigen, zahlen im Krankheitsfall seit jeher das Gehalt fort, ohne daß sich daraus wirtschaftliche Katastrophen ergeben haben. Es wird sich nach verhältnismäßig kurzer Zeit, wenn der sozialdemokratische Gesetzentwurf angenommen worden ist, die Lage bei den Kleinbetrieben, die Arbeiter beschäftigen, einspielen, so daß dann auch Klagen jener verstummen, die sich heute wegen der Lohnfortzahlung bei Krankheit Sorge machen oder gar von einer untragbaren Belastung der kleinen Gewerbetreibenden sprechen. Die große sozial- und wirtschaftspolitische Bedeutung unseres Antrags, der eine Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall anstrebt, liegt darin, daß er dem Ausgleich von Spannungen innerhalb des Betriebes dient. Er ist keinesfalls mittelstandsfeindlich, sondern fördert die gemeinsamen Interessen von Arbeitern, Angestellten und Gewerbetreibenden.
Wir bitten Sie daher, diesen Antrag zu unterstützen und seiner Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß zuzustimmen. Keinesfalls möchte ich, daß der Antrag, dem Wunsche des Herrn Dr. Dittrich entsprechend, an zu viele Ausschüsse überwiesen wird. Denn wir dürfen diese Angelegenheit nicht auf Eis legen, wir dürfen diesem Anliegen nicht ein ehrendes Begräbnis bereiten.