Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Beratungen der vierten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz, amtlich des „Vierten Änderungsgesetzes zum LAG", haben wir uns im Ausschuß dahin geeinigt, alles, was sich im Lastenausgleichsgesetz im Laufe der letzten Jahre an Mängeln technischer, verwaltungsmäßiger, aber auch finanzieller Art gezeigt hat, durch diese Novelle zu bereinigen. Wir haben dann — und das ist erst einige Monate her — dieses vierte Änderungsgesetz hier im Plenum einstimmig verabschiedet. Im Zuge dieses Änderungsgesetzes wurde die Unterhaltshilfe von 85 DM auf 100 DM für Alleinstehende und von 122,50 DM auf 150 DM für Ehepaare erhöht, und wir haben ferner die Waisenrente von 27,50 auf 35 DM, bei Vollwaisen von 45 auf 55 DM erhöht. Damals war die Zustimmung zu diesen Erhöhungen nicht allgemein. Wir haben sie aber dann durchgesetzt und gesetzlich verankert. Wir haben also sozusagen bereits einen Vorgriff auf das getätigt, was uns heute an so vielen Anträgen sozialpolitischer Art, die eine Anpassung an den Lebenshaltungskostenindex zum Ziel haben, vorliegt. Wir haben das aber auch aus einem anderen wohlüberlegten Grunde damals getan und sind dafür einmütig eingetreten: Wir sagten uns, wir möchten doch einmal mit den dauernden Änderungen des Lastenausgleichsgesetzes Schluß machen, mit Änderungen, die die Verwaltung draußen nicht zur Ruhe kommen lassen; denn das Lastenausgleichsgesetz bestimmt, wie wir wissen, daß im Jahre 1957 diesem Hohen Hause das LastenausgleichsSchlußgesetz vorgelegt werden soll. Eine Voraussetzung für die Schaffung des LastenausgleichsSchlußgesetzes ist ein weitgehender Abschluß der Schadensfeststellung; aber diese kann verwaltungsmäßig nicht bewältigt werden, wenn wir dauernd mit Novellen die Ausgleichsämter draußen zwingen, die Hunderttausende von Akten immer von neuem zu wälzen. Der vorliegende Gesetzesantrag der SPD wäre aber wieder eine neue Ursache, daß über 858 000 Akten von Unterhaltshilfeempfängern — jede einzelne — durchgearbeitet werden müßten. Schon mit Rücksicht auf die verwaltungsmäßige Seite dieser Angelegenheit können und werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Es gibt auch noch einen zweiten Gesichtspunkt, der unsere Bedenken wachgerufen hat: die finanzielle, die materielle Seite. Der Lastenausgleichsfonds ist ein Sondervermögen. Sein Aufkommen ist durch Gesetz festgelegt. Dieses Auf-
kommen ist an die Wirtschaftskonjunktur, ob steigend oder fallend, nie gebunden.
Wenn wir diesem Antrag zustimmten, begäben wir uns weiterhin in die Gefahr, das eigentliche Gefüge des Lastenausgleichsgesetzes immer mehr zu verschieben. Als der Lastenausgleich hier erstes Diskussionsthema war, eigentlich bevor noch der erste Entwurf vorlag, waren die Meinungen über das System eines Lastenausgleichsgesetzes ziemlich geteilt. Die einen befürworteten einen sozialen, kollektiven Lastenausgleich, möchte ich fast sagen, die anderen einen quotalen Lastenausgleich, d. h. einen Lastenausgleich, der auch auf das, was der einzelne Entschädigungsberechtigte an Werten tatsächlich verloren hat, Rücksicht nimmt. Wir haben uns dann geeinigt, weder einen rein sozialen Lastenausgleich, der auf die Vergangenheit keine Rücksicht genommen hätte, noch einen rein quotalen Lastenausgleich, sondern einen Lastenausgleich mit einem sozialen Sockel gesetzlich festzulegen. Diesen sozialen Sockel und damit die Aufwendungen für die rein konsumtive Seite haben wir in den letzten Jahren wesentlich verbessert, beachtlich erhöht und erweitert.
Wenn wir diesem Gesetzesantrag folgten, wäre es ein weiterer wesentlicher Schritt auf diese konsumtive Seite hin. Wenn wir, nachdem im Lastenausgleichsfonds als Sondervermögen bestimmte abgegrenzte Beträge zur Verfügung stehen, von diesen Aufkommen die erhöhen, die die soziale Seite betreffen, müssen wir den entsprechenden Betrag auf der anderen Seite, auf der produktiven Seite wegnehmen. Da haben wir gerade in den letzten Monaten draußen in allen Ländern beachtliche Schwierigkeiten durchstehen müssen. Ich erinnere Sie nur daran, daß die für den Sozialen Wohnungsbau aus Lastenausgleichsmitteln zur Verfügung zu stellenden Aufbaudarlehen sehr knapp geworden sind und daß eine Reihe von Bauvorhaben — besonders Eigenheime — mitten im Bauprozeß eingestellt werden mußten, weil die wohl bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Aufbaudarlehen nicht flüssig gemacht werden konnten.
Das sind die Gründe, die uns bewegen, daß wir diesem Antrag in seiner jetzigen Form nicht beitreten werden.
Ich möchte aber nicht den Anschein erwecken, als ob die CDU-Fraktion überhaupt gegen irgendeine Änderung in der Höhe der Unterhaltshilfe wäre. Das ist nicht der Fall. Wir wollen aber in den Ausschußberatungen ernstlich prüfen, ob nicht ein anderer Weg gefunden werden kann, der unter Anpassung an den großen Strauß sozialpolitischer Anträge, die uns vorliegen, auch den Unterhaltsempfängern eine Besserstellung sichern kann. Ich denke hier an die beantragte Ausdehnung des Rentenmehrbetragsgesetzes auf unsere Sozialrentner, soweit sie auch Unterhaltsempfänger sind. Denn schließlich und endlich — das dürfte vielleicht in der Öffentlichkeit und auch diesem Hohen Hause nicht bekannt sein — sind mehr als 50 % aller Unterhaltsempfänger gleichzeitig Empfänger irgendeiner anderen Rente, im wesentlichen von Sozialrenten, und als Unterhaltshilfe erhalten sie lediglich einen Ausgleichsbetrag auf die Höchstgrenzen der Unterhaltshilfe aus Lastenausgleichsmitteln. Aber auch hier muß ernstlich geprüft werden, damit die Abstimmung einer eventuellen Bevorzugung dieser Unterhaltsempfänger, die zugleich Sozialrentenempfänger sind, mit all den anderen Rentenempfängern erfolgt.
Dieser Weg würde auch die Sozialrentner, soweit sie Unterhaltsempfänger sind, in den Genuß setzen, so daß sie auch mittels den ihnen gesetzlich zustehenden Sozialrenten gegenüber den anderen Unterhaltsempfängern doch einen gewissen Vorzug hätten.
Mit diesem Weg, den wir ernstlich prüfen wollen, wäre a) verhindert, daß wir das Gefüge und den Aufbau des Lastenausgleichs ins Gleiten bringen, und b) würden wir damit erreichen, daß wir den verwaltungsmäßigen Apparat bei den Ausgleichsämtern nicht mit neuer Arbeit belasten. So würden wir auch — und das ist unser echtes und ernstes Anliegen — mit der Schadensfeststellung derartig vorwärtskommen, daß im Jahre 1957 das Lastenausgleichsschlußgesetz in diesem Hause noch verabschiedet werden kann.