Rede von
Dr.
Ferdinand
Friedensburg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berliner bin ich dem letzten Teil der Debatte mit einiger Sorge gefolgt.
Wir haben von den Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, dem Kollegen Brandt und dem Kollegen Gülich, Ausführungen gehört, die wir nicht nur mit der selbstverständlichen Achtung angehört haben, sondern die ich auch — ich gestehe das offen — mit innerer Sympathie und Zustimmung angehört habe. Wir haben dann vom Herrn Bundesfinanzminister eine Erklärung der Bundesregierung über die Verhandlungen mit dem Senat der Stadt Berlin gehört, die mich, ich muß sagen, ausgesprochen ermutigt und erfreut hat. Es mag der eine oder andere Punkt darin sein, über den
noch zu sprechen sein wird. Dazu gehen ja die Dinge an die Ausschüsse. Ich muß aber ausdrücklich feststellen — und ich glaube, mich hierin durchaus mit meinen politischen Freunden einig zu wissen —, ich sehe wirklich keinen Grund ein, weshalb wir in diesem Zusammenhang jene dramatische Zuspitzung hier haben über uns ergehen lassen müssen, die wir tatsächlich erlebt haben. Das ist nicht im Interesse Berlins.
Wir sehen schon an der schwachen Besetzung des Hauses, daß unserem Berliner Anliegen das Schlimmste passiert, was im Parlament passieren kann. Wir fangen nämlich an, unsere Kollegen zu langweilen, und das ist nicht gut. Und was noch schlimmer ist: wir fangen an, den Eindruck zu erwecken, wir seien Querulanten und kratzten bei jeder Gelegenheit nun noch mühsam irgendwelche Differenzen heraus, um zu sagen: Also nein: das muß noch ganz anders werden!
Das ist zweifellos nicht gut, und ich, der ich mich durchaus in vielem mit den sozialdemokratischen Anträgen einig weiß, glaube, wir hätten mit großer Befriedigung das anhören sollen, was der Herr Bundesfinanzminister uns erklärt hat. Im übrigen hätten wir uns auf die ja durchaus gegebene Möglichkeit verlassen können, im Ausschuß noch das eine oder andere zu korrigieren.
Ich möchte mich auch ausdrücklich mit dem Herrn Bundesfinanzminister darin einig erklären, daß er eine sorgfältige Prüfung und Kontrolle vornimmt. Es wäre ja geradezu verantwortungslos, wenn er anders handeln wollte.
— Bitte, lieber Kollege Schröter, seien Sie mir nicht böse, dieses schöne Aufbauprogramm verdient auch eine gewisse sorgfältige Prüfung. Wenn man es so durchliest — ich verstehe ja etwas von der Materie —, so sieht man, wie die Ressorts der Berliner Verwaltung ihre Wünsche und Anträge der Reihe nach angemeldet haben. Da hat man das schön hintereinander aufgeschrieben und addiert, und dann kommen die Millionen- und Milliardensummen heraus. Daß da das eine oder andere nicht so durchgeführt werden kann, Herr Kollege Schröter, das sieht man auf den ersten Blick. Der Bundesfinanzminister würde seine Pflicht versäumen, wenn er das nicht mit aller Sorgfalt nachprüfen wollte. Zum Beispiel wird die Baukapazität Berlins durch das, was hier vorgesehen wird, bei weitem überbeansprucht, und man muß das sehr sorgfältig abwägen, um das Dringliche und Notwendige von dem nicht ganz so Dringlichen zu scheiden. Liebe Kollegin von der SPD, ein Ihnen politisch nahestehender Wissenschaftler hat mich gerade über diesen Punkt sehr sorgfältig unterrichtet. Zweifellos ist hier eine Überforderung der Berliner Baukapazität enthalten. Wir brauchen uns darüber hier nicht zu streiten; das ist nicht der Zweck. Jedenfalls führe ich es nur an, um zu beweisen, daß der Herr Bundesfinanzminister durchaus pflichtgemäß handelt, wenn er sich das Programm sehr sorgfältig ansieht.
Ich möchte auch ein anderes sagen. Ich lasse es dahingestellt, ob es gut ist, wenn zinsverbilligte Kredite für werbende Anlagen der Stadt verlangt werden, um einen Fruchthof oder Einrichtungen der Verkehrsbetriebe oder eine Meierei zu bauen.
Da soll die öffentliche Hand zeigen, daß sie im Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft auch bestehen kann, und es ist irgendwie eine nicht ganz saubere Wirtschaftsführung, wenn man für diese Dinge deshalb, weil sie die öffentliche Hand bauen soll, die aber im übrigen durchaus werbende Betriebe sind, eine besondere Bevorzugung verlangt. Jedenfalls müßte auch das sorgfältig geprüft werden.
In einem bin ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister nicht ganz einig, aber auch da verstehe ich die Dramatisierung der Differenzen nicht, meine Damen und Herren: in der Frage der Verwendung des Notopfers. Ich habe mit Befriedigung davon gehört, daß es materiell nicht so furchtbar viel ausmachen wird, ob es nun so oder so gemacht wird. Aber ich würde doch bitten, der Bundesregierung zu bedenken zu geben — Herr Vizekanzler, bei Ihrer Freundschaft für Berlin möchte ich besonders an Sie appellieren —: Der Name, der Begriff Notopfer Berlin ist ja ein Bekenntnis und eine Verpflichtung. Und wenn eine Bundesregierung und ein deutsches Parlament diesen sehr anspruchsvollen und fast ein wenig pathetischen Namen für eine Sonderabgabe wählt, so müssen sie sich darüber klar sein, daß das gewisse Empfindungen in der Bevölkerung auslöst. In Berlin hat man den Eindruck, daß ein Notopfer Berlin von der Bevölkerung doch selbstverständlich so verstanden wird, daß der Ertrag Berlin zugute kommt,
und man sollte es doch irgendwie in der Etatsgestaltung fertigbringen, diesem außerordentlich naheliegenden Empfinden Rechnung zu tragen.
Wenn die Hohe Bundesregierung für diesen Zweck einmal die Meinungsforschungsinstitute, die sie sonst so gern in Anspruch nimmt, bemühen wollte, so bin ich überzeugt, daß eine Abstimmung in der Bevölkerung eine mehr als 90 %ige Mehrheit derer ergeben würde, die der Ansicht sind, das Notopfer Berlin komme restlos Berlin zugute. Man würde gar nicht auf einen anderen Gedanken kommen. Und wenn wir drüben auf der Tribüne fragen wollten — ich habe nicht die Absicht, das zu tun, Herr Präsident, erschrecken Sie nicht, ich weiß, das wäre parlamentarisch ungehörig —, aber wenn wir die Tribünenbesucher fragten, was die sich unter Notopfer Berlin vorstellen, würden sie wahrscheinlich alle, wenn sie nicht besondere Etatsspezialisten sind, sagen: Natürlich kommt es Berlin zugute; man kommt gar nicht auf einen anderen Gedanken. Da die Zahlung für das Notopfer und das Kleben dieser schönen blauen Marke doch bei dem einen oder anderen gewisse Unlustgefühle auslöst, deswegen denken wir, wir wollen doch nicht noch mehr Unlustgefühle ausläsen, als dringend notwendig ist, weil die Leute selbstverständlich diese Unlustgefühle auf Berlin beziehen. Also da ist irgend etwas nicht in Ordnung, und ich bitte auch die Freunde in meiner eigenen Fraktion, dafür Verständnis zu haben, daß man die jetzige Regelung in Berlin nicht gern sieht.
Nach dem, was uns der Herr Finanzminister gesagt hat, scheint mir, daß er tatsächlich noch nicht das letzte Wort gesprochen hat. Hätte er sich hierher gestellt und gesagt: Nur über meine Leiche geht der Weg zu den sozialdemokratischen Anträgen, so würde ich etwas Ihre Aufregung verstanden haben. Aber das hat er nicht gesagt. Er hat gesagt:
Wir wollen uns im kleinen Kreise, im Ausschuß, noch einmal darüber unterhalten. Ich glaube — und möchte das als Berliner im Interesse Berlins sagen —:wir wollen doch sehen, daß wir einen vielleicht noch nicht voll überzeugten Bundesfinanzminister allmählich voll überzeugen, damit das herauskommt, was wir haben wollen, nämlich ein Notopfer Berlin, das wirklich Berlin allein zugute kommt. Wenn es dafür nicht notwendig ist, kann man es herabsetzen, damit Berlin nicht unnötig mit Dingen moralisch belastet wird, die ihm gar nicht zugute kommen. Das ist doch wohl der Wunsch, und ich glaube, meine Damen und Herren, damit brauchen wir uns nicht noch länger herumzuschlagen. Die Ansichten sind ja im großen und ganzen einheitlich, und wir sollten die schöne Einigkeit, die wir bisher immer — ich möchte das ausdrücklich mit Dank und Freude anerkennen — mit der Bundesregierung gepflegt haben und wo wir immer und auch heute Verständnis gefunden haben, festhalten und uns nicht gegenseitig schlechtmachen und versuchen, Gegensätze zu konstruieren, wo in Wirklichkeit keine Gegensätze sind.