Rede von
Dr.
Hermann
Lindrath
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 1706 auf Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes ist von Herrn Kollegen Professor Dr. Gülich begründet worden. Dieser Antrag beinhaltet eigentlich zweierlei: einmal eine Änderung des Abs. 2 des § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes, wobei es um die Bemessung des Bundeszuschusses geht, und zum anderen eine Änderung des Abs. 3 des gleichen Paragraphen, wobei die Verwendung des Notopfers Berlin zur Erörterung steht. Beiden Anträgen kann ich namens der CDU/CSU leider nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen:
Zunächst zur Bemessung des Bundeszuschusses. Der Bundeszuschuß wird nach den jetzt geltenden Bestimmungen des § 16 so bemessen, daß das Land Berlin die durch seine besondere Lage bedingten Aufgaben erfüllen kann. In dem Entwurf ist eine andere Art der Bemessung vorgeschlagen. Danach sollen die wirtschaftliche und die soziale Stellung Berlins und auch die Hauptstadteigenschaft Berlins hierbei berücksichtigt werden.
Dieser Änderungsvorschlag wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Der Bundeszuschuß, der im Jahre 1955 800 Millionen DM — bei einem Gesamthaushalt von 1,9 Milliarden DM — beträgt, dient in erster Linie zur Deckung der im Landeshaushalt von Berlin zu veranschlagenden Ausgaben, die sich aus der politischen Sonderlage ergeben und zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und des kulturellen Lebens in Berlin notwendig sind. Die ganz allgemein für die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Stellung Berlins erforderlichen Mittel werden neben dem Bundeszuschuß aus dem Bundeshaushalt, aus ERP-Mitteln und aus sonstigen zentralen Quellen wie etwa der Sozialversicherung, dem Lastenausgleich und ähnlichen zur Verfügung gestellt. Sie übersteigen die im Landeshaushalt Berlin dafür veranschlagten Beträge bei weitem. So fließen z. B. außerhalb des Bundeszuschusses rund 700 Millionen DM für soziale Leistungen aus dem Bundeshaushalt nach Berlin.
— Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Gülich. — Auch die Steuervergünstigungen für Berlin trägt der Bundeshaushalt außerhalb des Bundeszuschusses. Es ist nicht klar ersichtlich, was mit den beantragten Änderungen bezweckt werden soll. Hier entsteht nämlich die Frage, ob die seither aus dem Bundeshaushalt für wirtschaftliche und soziale Zwecke unmittelbar nach Berlin geflossenen Beträge in Zukunft zunächst über den Bundeszuschuß im Landeshaushalt laufen und dann erst durch den Landeshaushalt weiter verteilt werden sollen. Die Ausführungen des Herrn Professor Gülich deuteten, glaube ich, darauf hin, daß das Notopfer nur den eigentlichen Bundeszuschuß beinhalten soll. Aus dem Antrag selbst ist das nicht ohne weiteres zu ersehen.
— Sie haben sich so ausgedrückt — oder so habe ich Sie verstanden —, daß dieser Zuschuß so hoch sein soll wie der offene Zuschuß, der im Landeshaushalt abgedeckt werden soll.
Die vorgeschlagene neue Fassung ist in gewissem Sinne zu eng, und zwar insofern, als manche Aufwendungen für Berlin hierunter wahrscheinlich nicht subsumiert werden können. Ich denke beispielsweise an Aufwendungen für die Luftfrachtbrücke. Andererseits ist die Fassung vielleicht zu weit. Soweit die Hauptstadteigenschaft Berlins in Frage kommt, würden hierunter auch Aufwendungen fallen, die auf rein kommunalem Sektor liegen, alle ordentlichen und außerordentlichen Aufwendungen usw. Insofern ist die Fassung wahrscheinlich etwas zu weit.
Entscheidend ist aber, glaube ich, nicht der Abs. 2, sondern der Abs. 3, der sich mit der Frage der Verwendung befaßt. Hier ist es ja das alte Anliegen unseres verehrten Kollegen Herrn Gülich, das Notopfer zu einer Zwecksteuer zu machen.
— Zunächst, hier im Hause, ist es das Anliegen des Herrn Professor Gülich — im Finanzausschuß — bisher schon immer gewesen.
Die Zweckbindung einer Steuer kann man natürlich immer nur verhältnismäßig eng fassen. Auch andere Steuern, die in der Vergangenheit zweckgebunden gewesen sind, wie etwa der Wehrbeitrag oder das Reichsnotopfer oder die frühere Hauszinssteuer haben sich meistens so entwickelt, daß sie
— das gilt insbesondere für die frühere Hauszinssteuer — dann eben doch wieder zu einem allgemeinen Deckungsmittel geworden sind. Wir haben uns ja auch bei der Verkehrsbesteuerung sehr schwer damit getan, irgendeine Zweckbindung durchzuführen.
Auf der anderen Seite ist die Zweckbindung auch meistens teuer. Gerade in der Verwaltung führt die Fondsbildung zu Ausgaben, die manchmal nicht gerechtfertigt sind, und die Kapazität —
— Selbstverständlich muß das kontrolliert werden, und es kann auch kontrolliert werden. Aber das ist eine ganz allgemeine Feststellung.
Wir müssen auch weiter berücksichtigen, daß die Mittel, die bisher zur Verfügung gestellt worden sind, durchaus ausgereicht haben, um die Aufgaben zu erfüllen, die erfüllt werden mußten.
Die Zweckbindung verstößt auch gegen den Grundsatz der Haushaltseinheit und der Kasseneinheit. Wir müssen dafür sorgen, daß Haushaltsund Kasseneinheit gewahrt werden, und hiergegen würde eine Zweckbindung ebenfalls verstoßen.
Weiterhin würde die Zweckbindung — und das ist ein Einwand, den Herr Gülich wohl schon erwartete — eine gewisse Zementierung des Notopfers Berlin bedeuten. Das heißt, die Zweckbindung würde es einmal sehr schwer möglich machen, das Notopfer zu beseitigen und es etwa in die Einkommensteuer einzubauen auf einem Wege, den wir bereits bei der letzten Erörterung über das Notopfer beschritten haben, indem wir vorgeschrieben haben, daß das Notopfer in den untersten Stufen nicht höher sein soll als die Lohnsteuer. Die Zweckbindung ist auch verwaltungsmäßig nicht günstig, weil sich ja das Notopfer diesem Auf und Ab des Bedarfs, der gedeckt werden soll, anpassen müßte. Das würde bedeuten, daß entweder das Notopfer ständig verändert, gesteigert oder gesenkt, oder der Zuschuß dem tatsächlichen Aufkommen des Notopfers angepaßt werden müßte.
Aber der Hauptgrund der Antragsteller, die Zweckbindung zu erstreben, dürfte wohl darin zu erblicken sein, eine Garantie dafür haben zu wollen, daß das Aufkommen aus dem Notopfer tatsächlich Berlin zugute kommt.
— Das habe ich schon erfaßt. Aber dann haben Sie vielleicht vorhin nicht aufgepaßt, als der Herr Finanzminister ausführte, daß seit Bestehen des Notopfers insgesamt etwa 600 Millionen DM mehr nach Berlin geflossen sind, als das Notopfer aufgebracht hat.
Es ist jedenfalls festzustellen, daß auch im lauf enden Rechnungsjahr das Notopfer in seiner vollen Höhe hinter dem zurückbleibt, was tatsächlich für Berlin aufgewendet worden ist.
Aber nun kommt noch eine andere Erwägung hinzu, die ich Sie bitten möchte, doch zu beachten, nämlich folgendes: Die von Ihnen geforderte Regelung hätte zur Folge, daß das Notopfer durch Senkung oder Erhöhung des Tarifs in jedem Jahr dem für erforderlich gehaltenen Zuschußbetrag older der jährliche Zuschußbetrag dem jährlichen Aufkommen des Notopfers angepaßt werden müßte. Damit ergeben sich aber grundsätzliche Einwendungen, die überhaupt gegen Zwecksteuern sprechen: Der Zuschuß müßte entweder gesenkt
oder das Notopfer müßte erhöht werden,
wenn das Aufkommen zurückgehen sollte. Das ist doch klar. Die gegenwärtige Regelung, bei der aus dem Notopferaufkommen nicht nur der Bundeszuschuß für den Landeshaushalt, sondern auch erhebliche weitere nach Berlin fließende Ausgaben gedeckt werden, bedeutet eine steuerliche Schonung der Berliner Bevölkerung, die vom Notopfer ja befreit ist. Würde das Notopferaufkommen ausschließlich, wie es in dem Antrag heißt, zur Dekkung des Bundeszuschusses zum Berliner Haushalt verwendet, so müßte das Notopfer gesenkt und für die neben dem Bundeszuschuß nach Berlin fließenden Ausgaben im Bundeshaushalt eine andere Deckung gesucht werden. Und werden zum Ausgleich andere Bundessteuern erhöht, .dann wäre die Berliner Bevölkerung an der Aufbringung entsprechend beteiligt. Es würde also im Effekt das Gegenteil dessen erreicht, was mit Ihrem Antrag offensichtlich angestrebt wird.
Einige Bemerkungen noch. Wenn wir im § 16 überhaupt ändern wollen, dann hätte man auch § 16 Abs. 1 mindestens in Satz 1 ändern müssen. Der Satz 1 lautet nämlich:
Der Bund stellt das in Berlin erzielte Aufkommen aus der Abgabe „Notopfer Berlin" dem Lande Berlin zur Deckung des Fehlbedarfs seines Landeshaushalts zur Verfügung.
Der Satz ist gegenstandslos geworden; das hätte dann natürlich in dem Entwurf gleich mit gestrichen werden können.
Eine zweite kurze Bemerkung noch. Mir liegt gegenwärtig eine Zusammenstellung vor, was der Bund tatsächlich für Berlin getan hat und wie hoch die Steuereinnahmen nach Vollzug des Finanzausgleichs in den einzelnen Ländern und in Berlin waren. Vergleichen wir das steuerschwächste Land Rheinland-Pfalz und das steuerstärkste Land Hamburg mit der Stadt Berlin, so ergeben sich für die beiden letzten Rechnungsjahre 1954 und 1955 folgende Zahlen: In Rheinland-Pfalz betrugen die Steuereinnahmen nach Durchführung des Finanzausgleichs in DM je Einwohner 140,03 DM, in Hamburg 313,70 DM und in Berlin 513,49 DM. Für 1955 würden die entsprechenden Zahlen lauten: für Rheinland-Pfalz 161,82 DM, für Hamburg 292,56 DM und für Berlin 530 DM. Soviel würde das Steueraufkommen je Einwohner nach Durchführung des Finanzausgleichs betragen. Der Bund kennt somit seine Pflicht und Schuldigkeit, und man hat hier ja auch von verschiedenen Seiten dem Bund gegenüber den Dank für das ausgesprochen, was er bisher geleistet hat. Auch der Bundestag weiß, was er der Hauptstadt Berlin schuldig ist; er hat diese Pflicht erfüllt. Schlichte Worte des Dankes hat auch Herr Kollege Brandt bei Begründung der Großen Anfrage gesprochen.
Wenn ich noch kurz eine Bemerkung zu dem Antrag Drucksache 710 machen darf: Unsererseits bestehen keine Bedenken, diesen Antrag anzunehmen. Allerdings hat er sinnvolle Bedeutung nur in Verbindung mit dem Gesetzentwurf Drucksache 1706.
Namens meiner Freunde stelle ich den Antrag, den Gesetzentwurf Drucksache 1706 dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß, dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung, den Antrag Drucksache 1710 dem Haushaltsausschuß, den Gesetzentwurf Drucksache 1707 dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Antrag Drucksache 1690 dem Haushaltsausschuß zu überweisen.