Rede von
Josef
Stingl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich bei meinen Ausführungen auf einige Bemerkungen beschränken, die mit der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion zusammenhängen. Zu den Ausführungen über die Anträge werden andere Kollegen meiner Fraktion Stellung nehmen. Lassen Sie mich am Anfang zu dem, was Kollege Brandt und Kollege Gülich über die Tagung vorige Woche in Berlin gesagt haben, noch eins hinzufügen: Lassen Sie mich Ihnen als einzelnen, meine Kolleginnen und Kollegen, danken, daß Sie bei dem Besuch in Berlin, jeder einzelne, Gelegenheit genommen haben, mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Ich darf Ihnen mitteilen, daß mir mehrfach aus der Bevölkerung und insbesondere aus dem Sowjetsektor die Versicherung abgegeben worden ist, daß besonders das gute Verhältnis der einzelnen Abgeordneten zu den Berlinern in Gesprächen großen Eindruck gemacht hat. Ich darf das Ihnen, jedem einzelnen, doch noch einmal berichten.
Nun, wie diese Anwesenheit in Berlin auf die Bevölkerung gewirkt hat, so ist sicher auch eindeutig festzustellen, daß die Berliner Zustände Sie, meine Damen und Herren, beeindruckt haben. Daß wir heute schon bei der Begründung der Großen Anfrage so verständnisvolle Bemerkungen über die Zusammenarbeit gehört haben, läßt das besonders richtig erscheinen.
Herr Kollege Brandt hat ja an den Anfang seiner Ausführungen den Dank dafür gesetzt, daß die Bundesregierung und die westlichen Mächte die Berliner Bevölkerung in ihrem Bestreben, sich selbst weitgehend zu erhalten, unterstützt haben. Es wird weiterhin ein gemeinsames Streben der Bundesregierung und des Senats und es wird weiterhin ein gemeinsames Bestreben des Bundestags und des Berliner Abgeordnetenhauses sein müssen, dieses Berlin nach wie vor zum Schaufenster der freien Welt zu machen und in seiner Wirtschaftskraft zu stärken.
Wir haben gehört, daß zu diesem Zweck der langfristige Aufbauplan mit dem Wirtschaftskabinett erörtert wurde, und wir haben auch das Zitat der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers gehört, daß der Bund sich seiner großen Verpflichtungen gegenüber Berlin voll bewußt sei. Darum also gab es auch keinen Zweifel darüber, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen wiederum das gemeinsame Anliegen aller ist. Wir können hier einmal vermerken, daß seit dem Zeitpunkt, da der neue Berliner Senat die Forderung aufgestellt hat, daß 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, doch ein erheblicher Teil dieses Programms schon verwirklicht worden ist, immerhin durch die Vorarbeiten, die wir, schon bevor dieser neue Senat sein Amt antrat, sehen konnten, Vorarbeiten, die teils vom Bundestag und teils von den früheren Berliner Senaten geleistet worden sind. Wir haben von einer Arbeitslosenzahl, die um die Jahreswende bei 182 000 lag, bis zu einem Tiefststand von etwa 115 000 Arbeitslosen in Berlin kommen können. Die Sicherstellung der Finanzierung der im ersten Teil genannten Aufgaben durch 1,6 Milliarden DM aus ERP-Mitteln in den folgenden Jahren ist ja so erfreulich, daß es darüber überhaupt keine Debatte zwischen uns gibt.
Was aber die Fragen des Kultur- und Sozialprogramms anlangt, so ist es mir ein Bedürfnis, zu sagen, daß die Verhandlungen zwischen Bundesfinanzminister und Berliner Senat gelegentlich
doch so ein bißchen Unstimmigkeiten insoweit ergeben, als der Finanzminister verlangt, daß vorher alle Planungen abgeschlossen seien. Wir sollten meinen, daß hierbei durchaus auch einmal darauf Rücksicht genommen werden muß, daß man, bevor man die endgültige Planung bringen kann, ungefähr über die Größenordnung Bescheid wissen muß, in der man planen kann. Und hier, glaube ich, sind auch in erheblichem Maße gute Ansätze vorhanden, um zu einer Einigung darüber zu kommen, daß auch schon die Mittel, die für die Planung notwendig sind, mit als notwendig für den Aufbau im Haushaltsplan anerkannt werden.
Der Tiefbau kann in Berlin, soweit wir das übersehen können, noch wesentlich verstärkt werden. Da wird es keine Hemmnisse, die auf dem Arbeitsmarkt liegen, geben. Dagegen werden wir beim Hochbau doch einigermaßen überlegen müssen, welche Ansätze wirklich auch durchgeführt werden können, auch im Hinblick darauf, wieweit wir gelernte Arbeitskräfte dafür zur Verfügung haben.
Über die Frage Wohnungsbau ist genügend gesagt worden. Es erübrigt sich, weitere Ausführungen zu machen. Ich will dazu nur sagen, daß auch nach unserem Willen diese geplanten Vorhaben unter allen Umständen in der Größenordnung, wie wir sie genannt haben, durchgeführt werden müssen. Lassen Sie mich nur noch die Anmerkung machen, daß wir dabei auch darauf Bedacht nehmen sollten, nicht nur etwa Wohnmaschinen zu erstellen, sondern ein gesundes Verhältnis zwischen Eigentumswohnungen, Eigenheimen und Mietwohnungen zu finden.
Lassen Sie mich noch ein besonderes Anliegen meiner Freunde beim Kultur- und Sozialprogramm anbringen. Wir stimmen völlig damit überein, daß Berlin kulturell ein Blickpunkt sein muß. Lassen Sie mich aber das besondere Anliegen nennen, daß wir den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege auf einigen Gebieten etwas mehr Spielraum geben sollten, als es jetzt aus dem Plan ersichtlich ist. Ich denke da insbesondere an die Frage der Kindertagesstätten. Beziehen Sie das in Ihre Überlegungen dieser Fragen mit ein. Es bleibt mir übrig, festzustellen, daß wir also an Berlin die Bitte haben, möglichst bald die konkreten Pläne zu entwickeln und den Wohlfahrtsverbänden mehr Spielraum zu lassen, als es vorgesehen ist.
An den Bundesfinanzminister aber richten wir die Bitte, daß er bei den Kassenkrediten, die er zu geben versprochen hat, vielleicht etwas zwangloser auf die Wünsche Berlins eingehen, daß er bei der Ermittlung des Bedarfes nach diesem Kultur- und Sozialprogramm auch die alten Grundsätze der Haushaltshilfe für Berlin anwenden und diese Mittel, die wir jetzt im Aufbauplan fordern, zusätzlich geben möge. Schließlich bitten wir ihn — dies ist mir ein besonderes Anliegen, das heute überhaupt noch nicht angesprochen wurde —, daß er die Lasten, die Berlin unvorbereitet treffen — ich denke an die Autobahngebühren —, als Lasten höherer Gewalt auf die Schultern des Bundes nimmt. Denn auch die Sicherung des Verkehrs nach Berlin ist eine Bundesaufgabe, eine politische Aufgabe.
Meine Damen und Herren, Sie werden sagen, daß auch ich in meinen Ausführungen nicht allzuweit abgewichen bin von dem, was bisher schon zum Aufbauplan gesagt wurde. Es ist vielleicht das erfreulichste Zeichen, daß wir uns in dieser Frage, daß Berlin selbständig lebenskräftig werden soll und daß die Last verteilt werden soll zwischen dem Willen der Berliner Bevölkerung, sich selbst zu helfen, und dem Willen der Bundesrepublik, Berlin zu helfen, im ganzen Hause einig sind.