Ich nehme das zur Kenntnis. Das Bedauern, daß er nicht da ist, wird dadurch nicht gemindert.
Die Addition aller Anträge, die er hier vorgenommen hat, ist unsachlich und in keiner Weise zulässig; denn das sind ja nicht Anträge aus einem Guß, sondern es sind ganz verschiedenartige Anträge, die von ganz verschiedenen Seiten eingebracht worden sind. Wenn er also — und dazu noch mit einem besonderen Hinweis auf die Unsachlichkeit und Unverantwortlichkeit der Opposition — so tut, als ob wir weder die Sorge um den Bundeshaushalt noch überhaupt maßgehalten hätten, dann muß mit ihm gerechtet werden.
Der Herr Bundesfinanzminister sagt, die Anträge brächten eine Ausgabenvermehrung von minde-
stens 3, wahrscheinlich 5 Milliarden DM, eine Einahmeverschlechterung von 3,6 Milliarden DM. Das macht also insgesamt eine Haushaltsverschlechterung von mindestens 6,6, wahrscheinlich 8,6 Milliarden DM. Bei einem Finanzvolumen von 27 Milliarden wäre das natürlich eine Unmöglichkeit. Aber es stimmt ja so nicht. Ich beschäftige mich zunächst mit unseren Anträgen.
Unser Antrag auf Aufhebung der Zuckersteuer kostet 375 Millionen DM Zuckersteuerausfall. Der Antrag auf Senkung gewisser Finanzzölle — auf Kaffee, Tee, Kakao — kostet runde 200 Millionen DM. Dabei ist es uns gleichgültig — darüber lassen wir mit uns reden —, ob wir Kaffee und Tee im Wege der Änderung der Zollgesetze oder im Wege der Änderung der Verbrauchsteuergesetze verbilligen wollen; das können wir später aushandeln. Die Umsatzsteuerbefreiung in der Landwirtschaft kostet 200 Millionen, die Beseitigung der Salzsteuer runde 40 und die der Zündwarensteuer runde 60 Millionen. Das macht zusammen 875 Millionen DM. Daß die Anträge zur Besserstellung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht hierher gehören, hat mein Freund Schellenberg bereits gesagt. Dann kommt unser Antrag Drucksache 1695, Senkung des Einkommensteuertarifs, den man mit 470 Millionen DM veranschlagen muß, von denen aber — sagen wir —70 Millionen auf andere Weise — durch Erhöhung des Aufkommens an Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern — wieder hereinkommen. Es handelt sich also insgesamt um eine Summe von 1275 Millionen DM — das sind runde Zahlen —, nicht um mehr. Infolgedessen darf man nicht so tun, als ob wir unverantwortliche Anträge gestellt hätten. Das bisher unveröffentlichte Memorandum der Bundesregierung, worüber uns aber einiges bekannt ist, kommt ja wohl in seinen Ergebnissen ungefähr zu den gleichen Zahlen. Infolgedessen sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Warum also den Aufwand, hier so dagegen zu wettern?
Meine Damen und Herren! Der Sinn unserer Anträge ist der, jetzt im Zeichen der guten Konjunktur etwas für die breiten Massen zu tun, die bisher bei allen steuerpolitischen Maßnahmen des Bundestages benachteiligt worden sind und deren schlechte Lage durch die Steigerung der Preise — ich brauche das nicht mehr auszuführen — relativ immer schlechter geworden ist. Deshalb wollen wir sowohl den Beziehern kleinster und kleiner Einkommen durch Erhöhung der Freigrenze eine Erleichterung geben als vor allen Dingen auch durch Beseitigung unsozialer, den Massenverbrauch belastender Verbrauchsteuern denjenigen Menschen Entlastung geben, die gar keine Steuern bezahlen. Was an Steuern nicht auf der Lohntüte steht und was nicht auf dem Rentenbescheid steht, aber in den Preisen mit bezahlt wird, ist halt auch sehr wichtig, und das wollen wir treffen. Aus diesem Grunde haben wir uns auch gegen den FDP-Antrag ausgesprochen, der eme lineare Senkung der Einkommensteuer vorsieht und runde 900 Millionen kostet, während, wie ich sagte, unser Antrag zur Entlastung der kleinen Einkommen runde 400 Millionen DM kostet.
Nun sagt der Herr Bundesfinanzminister, daß es wichtig sei, daß die Verbrauchsteuersenkung oder -beseitigung auch dem Verbraucher voll zugute komme. Davon sind wir ausgegangen, das haben wir immer gesagt, und deswegen haben wir ja unsere Anträge eingebracht. Beim Zucker ist die durch Steuerbeseitigung bewirkte Preissenkung ohne weiteres durch Anordnung sicherzustellen, bei allen übrigen Preisen ist sie auch zu erreichen. Man darf ja auch nicht immer auf der einen Seite von der verantwortungsbewußten Wirtschaft sprechen und dann die Wirtschaft so verdächtigen, als ob sie nun gar nicht bereit sei, auch Preise zu senken. Wenn der Herr Bundesfinanzminister mit diesen seinen Ausführungen recht hätte, dann wäre im System unserer Wirtschaft, Herr Bundeswirtschaftsminister, etwas nicht in Ordnung, und dann müßte da eingesetzt werden.
Wir haben seit Jahren proklamiert, daß Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik einer Konzeption entspringen müßten. Die Konzeption der Bundesregierung ist nicht einheitlich. Wenn der Herr Bundesfinanzminister heute behauptet, sie sei es, sie sei aus einem Geiste, so ist damit noch nicht bewiesen, daß sie es ist.
Bei der Kaffeesteuer hat der Bundesfinanzminister gesagt: Sie sehen ja, trotz der Senkung der Steuern, nämlich von 10 DM auf 3 DM für das Kilo Rohkaffee, sind die Kaffeepreise bald danach wieder gestiegen. Ja, meine Damen und Herren, man kann doch nicht eine Erhöhung der Weltmarktpreise auf Rohkaffee mit der deutschen Verbrauchsbesteuerung zusammenbringen.
Wären die Kaffeesteuer und die Teesteuer damals nicht gesenkt worden, dann wären ja auf Grund der Steigerung der Weltmarktpreise die Kaffee- und Teepreise hier geradezu ins Ungemessene gestiegen, und das große Anliegen, welches wir hatten, den Kaffeepreis zu senken, um den Schmuggel zu bekämpfen und den unerträglichen Besatzungshandel einzuschränken,
dieses Ziel wäre ja dann gar nicht erreicht worden und ebenso nicht das andere große wirtschaftspolitische Anliegen, unsere Beziehungen mit Mittelamerika und Südamerika, insbesondere Brasilien zu verbessern. Das sind ja alles Dinge, in denen wir mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vollkommen einig gewesen sind. Aber Sie wissen, der Bundesfinanzminister hat sich aufs äußerste jeglicher Senkung von Verbrauchsteuern widersetzt, und er hat doch, wie wir gesehen haben, nicht recht gehabt. Denken Sie an seine düsteren Prophezeiungen, z. B. in bezug auf die Schaumweinsteuer. Er hat nicht recht gehabt. Das weiß er jetzt, das gibt er jetzt ja auch zu. '
Ein Wort zur Zuckersteuer. Meine Damen und Herren, der Antrag auf Beseitigung der Zuckersteuer gehört .nicht in den Strauß 'unserer jetzigen konjunkturpolitischen Anträge, sondern er ist dem Haus am 11. Juni 1954 vorgelegt worden und er ist immer wieder im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zurückgeschoben worden, und als er Anfang Juli von den Koalitionsparteien endgültig abgelehnt werden sollte, habe ich darum gebeten, ihn doch noch bis nach den Ferien im Gespräch zu lassen. Wir haben ihn nach den Ferien zweimal verhandelt, und am 13. Oktober waren dieselben Koalitionsparteien, die jetzt erklären, für die Aufhebung der Zuckersteuer zu sein, noch nicht bereit, unserem Antrag zuzustimmen.
Am 11. Oktober hatte aber, wie ich allerdings erst nach dem 13. Oktober erfuhr, die FDP ihre Anträge zur Beseitigung vieler Verbrauchsteuern eingebracht, darunter auch der Zuckersteuer. Ja, da soll sich noch einer auskennen, wenn die Herren Kollegen von der FDP im Finanzausschuß dagegen sind, die FDP-Fraktion zwei Tage vorher aber den Antrag eingebracht hat. Verehrter Herr Kollege Dehler, ich könnte Ihnen den Grund dafür sagen. Die Herren Steuerexperten Ihrer Partei haben es sicher gar nicht gewußt, daß Sie den Antrag eingebracht haben.
Und wenn der Herr Bundesfinanzminister sagt, er habe auf die Süßwarenindustrie keinen Einfluß, — nun gut, zwei Drittel des gesamten Zuckerverbrauchs sind ja Mundzucker. Also tun wir es doch um dieser zwei Drittel wegen, dann bekommen wir eine wirkliche Entlastung, die doch immerhin für die vierköpfige Familie im Monat so 2,50 DM ausmacht. Das ist schon etwas. Stimmen Sie also unserem Antrag auf Beseitigung der Zuckersteuer vom 11. Juni 1954 endlich zu!
Die FDP-Anträge zu den Verbrauchsteuern bedürfen sehr sorgfältiger Überlegung. Da sind ja Sachen dabei, die so gar nicht gehen. Man kann nicht die Essigsäuresteuer aufheben, also einen Teil aus dem Branntweinmonopolgesetz herausnehmen, und den Essigbranntwein unberücksichtigt lassen. Das ist unüberlegt und voreilig geschehen. Das sind Dinge, die als Material nachher in den Ausschüssen behandelt werden müssen. Aber s o kann man ja die Sache nun auch nicht machen.
Betrachten Sie einmal die Zündwarensteuer. Im Kleinverkaufspreis der Schachtel Zündhölzer sind 55 % Steuern. Die Zündhölzer werden immer schlechter; außerdem sind jetzt nur noch 48 Stück in der Schachtel statt früher 60. Ja du lieber Gott, machen wir doch endlich was! Aber Sie haben ja bisher unseren Anträgen nie zugestimmt! Jetzt brauchen wir also nicht mehr lange zu diskutieren; stimmen Sie im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen unseren alten Anträgen zu, und lassen Sie uns in diesen Dingen wenigstens jetzt mal reinen Tisch machen. Das ist eine Verbesserung für die gesamte Wirtschaft, es ist eine Verbesserung für den Verbraucher; es ist nur keine Verbesserung für den Einzelhändler. Der Einzelhändler ist nicht sehr dafür, wenn die Zündwarensteuer oder die Salzsteuer beseitigt wird, weil ja doch auch die Steuern seine Spannen erhöhen.
— Das ist kein Irrtum; darüber habe ich mit Einzelhändlern und Verbänden gesprochen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister hat aus der Sorge um den Bundeshaushalt wieder das düstere Bild vom rechnerischen Defizit gemalt. Das rechnerische Defizit im Bundeshaushalt kann uns bei derartig gefüllten Kassen nicht interessieren. Diese überfüllten Kassen sind wirklich für den Steuerzahler ein Ärgernis und für unsere gesamte öffentliche Wirtschaft eine Gefahr. Deshalb müssen wir über dieses rechnerische Defizit einmal vernünftig miteinander reden; dann werden wir schon was Richtiges ausrechnen.
— Ja, Frau Kalinke, Sie haben ja nun so scharf gegen die Bundesregierung gesprochen, daß wir uns wohl darauf gefaßt machen müssen, auch die DP demnächst in den Reihen der konstruktiven Opposition zu sehen.
Meine Damen und Herren, der Appell des Herrn Bundesfinanzministers, doch verantwortungsbewußt zu sein, ist nicht an uns zu richten.
Unsere Anträge sind wohl überlegt und im Material sehr fundiert. Wir haben jetzt das vorgeschlagen, was wir heute glauben verantworten zu können, auch in der Sorge um den Bundeshaushalt, in der wir uns von niemand anderem übertreffen lassen;
denn das ist, meine Damen und Herren, wirklich unsere gemeinsame Sorge,
und da wollen wir das auch hier in der Diskussion nicht verschieben.
Die Anträge der Koalitionsparteien sind zum Teil doch so, daß sie sehr gründlich überprüft werden müssen. Unsere sind überwiegend am 16. September eingebracht, die Anträge der Koalition überwiegend am 11. Oktober. Sie tragen zum großen Teil die Zeichen der Hast und Eile und der Unüberlegtheit an sich.
Ja!
— Das ist nicht nur Ansichtssache, sondern beweisbar.
Wenn es nicht beweisbar wäre, würde ich mir nicht erlaubt haben, das in so apodiktischer Form zu sagen.
— Meine Damen und Herren, ich werde den Beweis dafür im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen antreten.
— Ja, „jetzt und hier" — das ist doch nicht möglich, in eine Einzelerörterung solcher Anträge „jetzt" und „hier" einzutreten; das kann wirklich nur in intensiver Ausschußarbeit gemacht werden.
— Wenn Sie wollen, bin ich selbstverständlich bereit, darüber im einzelnen zu sprechen.
— Doch, das kann aber nicht die Aufgabe einer ersten Lesung sein. Daß unsere Anträge wohlfundiert sind, haben gestern die Ausführungen meines Freundes Deist bewiesen. Daß wir verantwortungsbewußt mitarbeiten, werden diejenigen, die es heute noch nicht bemerkt haben, im Laufe der nächsten Wochen schon merken.