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ID0210701500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 107. Sitzung, Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955 5851 107. Sitzung Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955. Glückwunsch zum 74. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst 5851 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung; Beratung der Anträge und Initiativgesetzentwürfe zur konjunkturpolitischen Lage 5851 C Seiboth (GB/BHE) 5851 C Dr. Elbrächter (DP) 5854 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5861 C Struve (CDU/CSU) 5865 A Dr. Reif (FDP) 5868 B Schmücker (CDU/CSU) 5870 D Dr. Schellenberg (SPD) 5872 D Stingl (CDU/CSU) . . . . 5874 C, 5876 A Frau Finselberger (GB/BHE) . . 5876 B Frau Kalinke (DP) 5877 B Margulies (FDP) 5879 D Dr. Gülich (SPD) 5880 C, D Dankesworte für die herzliche Aufnahme in Berlin: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 5883 C Geschäftliche Mitteilungen . . . 5876 A, 5883 D Nächste Sitzung 5883 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5884 A Anlage 2: Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage an die Ausschüsse 5884 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Gleisner (Unna) 19. November Frehsee 15. November Kühn (Bonn) 15. November Matthes 15. November Dr. Miessner 15. November Welke 15. November Hoogen 12. November Albers 5. November Dr.-Ing. E. h. Schuberth 5. November Dr. Bucerius 31. Oktober Gibbert 30. Oktober Dr. Greve 29. Oktober Dr. Köhler 29. Oktober Dr. Preller 29. Oktober Frau Rösch 29. Oktober Jahn (Frankfurt) 29. Oktober Altmaier 28. Oktober Dr. Becker (Hersfeld) 28. Oktober Fürst von Bismarck 28. Oktober Erler 28. Oktober Even 28. Oktober Gräfin Finckenstein 28. Oktober Gerns 28. Oktober Höfler 28. Oktober Kalbitzer 28. Oktober Kiesinger 28. Oktober Dr. Kopf 28. Oktober Dr. Lenz (Godesberg) 28. Oktober Dr. Leverkuehn 28. Oktober Lücker (München) 28. Oktober Dr. Lütkens 28. Oktober Marx 28. Oktober Dr. Mommer 28. Oktober Frau Meyer-Laule 28. Oktober Dr. Dr. h. c. Pünder 28. Oktober Dr. Oesterle 28. Oktober Paul 28. Oktober Frau Rehling 28. Oktober Schütz 28. Oktober Graf von Spreti 28. Oktober Dr. Wahl 28. Oktober Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 28. Oktober Miller 24. Oktober Günther 23. Oktober Bauer (Wasserburg) 22. Oktober Brockmann (Rinkerode) 22. Oktober Diekmann 22. Oktober Dr. Dollinger 22. Oktober Gefeller 22. Oktober Hilbert 22. Oktober Dr. Horlacher 22. Oktober Kahn 22. Oktober Könen (Düsseldorf) 22. Oktober Leibfried 22. Oktober Dr. Löhr 22. Oktober Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 22. Oktober Müller (Worms) 22. Oktober Müser 22. Oktober Frau Nadig 22. Oktober Neuburger 22; Oktober Pelster 22. Oktober Dr. Pferdmenges 22. Oktober Frau Pitz 22. Oktober Raestrup 22. Oktober Schill (Freiburg) 22. Oktober Schlick 22. Oktober Schloß 22. Oktober Seidl (Dorfen) 22. Oktober Dr. Starke 22. Oktober Dr. Werber 22. Oktober Winkelheide 22. Oktober Stahl 22. Oktober Peters 22. Oktober Dr. Maier (Stuttgart) 22. Oktober Dr. Baade 22. Oktober Dr. Bärsch 22. Oktober Dr. Furler 22. Oktober Kemper (Trier) 22. Oktober Kroll 22. Oktober Dr. Wellhausen 20. Oktober Scharnberg 20. Oktober Frau Schanzenbach 20. Oktober Anlage 2 Umdruck 488 (Vgl. S. 5883 A) Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage (Punkt 3 der Tagesordnung der 106. und 107. Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin) an die Ausschüsse: Nr. 1- Drucksache 1674 - Überweisung an: Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Federführung strittig); Nr. 2 - Drucksache 1686 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 3 - Drucksache 1678 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 4 - Drucksache 1754 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 5 - Drucksache 1766 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 6 - Drucksache 1627 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 7 - Drucksache 1751 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 8 - Drucksache 1750 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 9 - Drucksache 1765 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 10 - Drucksache 1769 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 11- Drucksache 1768 - Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 12 — Drucksache 1775 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß. für Kommunalpolitik; Nr. 13 — Drucksache 1675 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen; Nr. 14 — Drucksache 1676 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 15 — Drucksache 1776 — Überweisung an: Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 16 — Drucksache 1770 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 17 — Drucksache 1748 — Überweisung an: Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 18 — Drucksache 1752 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 19 — Drucksache 1672 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Nr. 20 — Drucksache 1673 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 21 — Drucksache 1688 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 22 — Drucksache 1628 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft ,und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 23 — Drucksache 1677 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 24 — Drucksache 1696 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 25 — Drucksache 1699 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 26 — Drucksache 1762 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 27 — Drucksache 1695 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 28 — Drucksache 1764 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 29 — Drucksache 1753 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 30 — Drucksache 1758 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 31 — Drucksache 1763 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 32 — Drucksache 1767 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Außenhandelsfragen, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 33 — Drucksache 1755 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 34 — Drucksache 1760 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 35 — Drucksache 1687 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 36 — Drucksache 1746 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 37 — Drucksache 1780 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 38 — Drucksache 1759 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Arbeit, Ausschuß für Heimatvertriebene, Ausschuß für den Lastenausgleich; Nr. 39 — Drucksache 1749 — Überweisung an: Ausschuß für Arbeit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 40 — Drucksache 1757 — Überweisung an: Ausschuß für den Lastenausgleich (federführend), Haushaltsausschuß. Berlin. den 18. Oktober 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Reif


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner erstens über Konjunkturpolitik und zweitens im Rahmen der uns gestatteten Redezeit sprechen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich weiß, daß das, wovon Herr Struve gesprochen hat, eine wichtige und bedeutsame Angelegenheit ist. Aber die Forderungen der Landwirtschaft nach Festpreisen sind ganz bestimmt weder ein Mittel noch ein Ziel der Konjunkturpolitik, über die wir doch heute sprechen wollen.

    (Zuruf rechts: Das kommt auf den Gesichtskreis an! — Abg. Struve: Gehört die Landwirtschaft nicht zur Wirtschaft?)

    — Aber das ist doch keine Gegenfrage: Gehört die Landwirtschaft nicht zur Wirtschaft? — Die Forderungen der Landwirtschaft nach Festpreisen — die ich jetzt gar nicht diskutieren will — sind, das wiederhole ich, weder ein Ziel noch ein Mittel der Konjunkturpolitik, und wir wollen über Konjunkturpolitik reden.
    Ich gebe Ihnen zu, meine Damen und Herren, daß unter den zahlreichen Anträgen der Fraktionen dieses Hauses eine ganze Reihe sind, die jetzt zu behandeln auch dann sinnvoll wäre, wenn wir nicht über Konjunkturpolitik redeten. Ob sie sich im Rahmen eines konjunkturpolitischen Programms bewähren werden, wissen wir noch gar nicht. Aber der Herr Bundesfinanzminister hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, eine Anregung gegeben, die wir aufgreifen sollten. Er hat nämlich vorgeschlagen, wir sollten eine Art Dachkommission für die Behandlung aller jetzt vorliegenden Anträge bilden. Ich möchte nur rechtzeitig darum bitten, daß diese Kommission sich dann nicht nur aus den Damen und Herren des Steuer- und Finanzausschusses und des Haushaltsausschusses zusammensetzt, sondern daß auch der Wirtschaftspolitische Ausschuß, der nämlich die konjunkturpolitische Note in diese Gesetzgebungsarbeit hineinbringen soll, daran beteiligt wird. — Soviel zu diesem Teil der Methodik.
    Auch sonst, meine Damen und Herren, war es eigentlich nur mein Anliegen, das Haus zu bitten, bei der Erörterung der Fragen, die heute anstehen, eine gewisse systematische Gliederung vorzunehmen, jetzt und auch später in den Aus-. schössen.
    Ich sagte schon, nicht alle unsere Steuerwünsche lassen sich nur konjunkturpolitisch begründen. Der Wunsch nach Steuersenkung ist ein natürlicher Wunsch. Die Staatsbürger werden nie aufhören, ihn zu äußern. Man muß nicht gleich die Demokratie in Gefahr sehen, wenn dieser Wunsch in einer konjunkturpolitischen Situation mit besonderem Nachdruck vorgebracht wird.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Die dahingehenden Sorgen des Herrn Bundesfinanzministers teile ich nicht.•
    Meine Damen und Herren, ich bin Hochschullehrer und will hier sehr vorsichtig sein; ich darf auch meinen westdeutschen Kollegen nicht vorgreifen. Von jeher aber ist es ein, ich möchte beinahe sagen, Bestandteil des Nachweises der Existenzberechtigung unserer Forschungsinstitute gewesen, die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers in Steuerfragen nachzuprüfen.

    (Sehr richtig! bei der FDP und links.)

    Wir haben es schon bei Besprechungen über die große Steuerreform sehr gern gesehen, daß es unabhängige Forschungsinstitute gibt. Die Parteien konnten doch, wenn sie gewissenhaft sein wollten, nur von den Etatansätzen des Herrn Bundesfinanzministers ausgehen. Er arbeitet bereits mit Schätzungen, über die wir noch nicht verfügen. Wir gehen von den Zahlen aus, die er uns selber gegeben hat. Wir lassen uns gerne belehren, wenn es anders ist, aber, wie gesagt, nicht nur von ihm, sondern auch von denen, die sich seit Jahr und Tag systematisch mit der Nachprüfung solcher Schätzungen beschäftigen.
    Das etwas unsystematische — entschuldigen Sie das harte Wort — Auseinanderklaffen dieser Dis-


    (Dr. Reif)

    kussion ist vielleicht ein Symptom für etwas sehr Beruhigendes. Die konjunkturpolitische Auseinandersetzung ist belastet mit Wünschen und Forderungen, die unter Umständen — ich bin vorsichtig — auch ohne konjunkturpolitische Begründung berechtigt sind. Es möchte so scheinen, als wenn hier allgemeine Anliegen vorgebracht würden. Der Herr Bundesfinanzminister hat sehr vorsichtig bereits erklärt, daß sein Vorschlag über die Besteuerung der Ehegatten nicht in dieses Programm gehört. Er hat sich auf einen Auftrag des Hauses berufen. Er hat es uns also schwergemacht, dieses Thema schon jetzt mit in die Diskussion zu ziehen. Immerhin, wir melden an, daß wir dagegen sind, und wir hoffen, daß der Herr Familienminister uns dabei unterstützt.
    Das Auflösen also dieser konjunkturpolitischen Tagesordnung in die Vertretung von durchaus berechtigten Wünschen der verschiedensten Teile unserer Wirtschaft ist eigentlich ein Zeichen dafür, daß es nicht um eine Notsituation geht. Es ist also offenbar nicht so, daß wir vor einer konjunkturbedingten Krise, daß wir, sagen wir, vor einem Notstand stehen. Wir sind gewarnt worden durch das Signal der Bank deutscher Länder in bezug auf das, was man jetzt die Überhitzung nennt. Wir verstehen diese Warnung. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Hellwig durchaus darin einig, daß wir nunmehr darangehen sollten, uns die Instrumente zu schaffen, die die Bundesregierung in die Lage versetzen, Konjunkturpolitik zu treiben. Ich begrüße seine Anregung, wir möchten endlich einmal zu einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kommen. Ich überschätze das nicht; wir brauchen es aber.
    Ich bedaure, daß wir resignieren in bezug auf das Notenbankgesetz, von dem ich glaube, daß wir in den zwei Jahren der restlichen Legislaturperiode wohl die Möglichkeit hätten, es zu verabschieden. Und das ist ja immerhin eine Forderung des Grundgesetzes! Wir sollten die Forderungen des Grundgesetzes nicht so leicht nehmen. Wir haben schon in bezug auf das Parteiengesetz bisher eine merkwürdige Interesselosigkeit gezeigt. „Der Bund errichtet eine Notenbank", heißt es im Grundgesetz, und der Bund sollte das endlich einmal tun, damit die Bundesregierung in der Lage ist, Konjunkturpolitik zu treiben.
    Ich weiß, daß man bei der Analyse der wirtschaftlichen Situation heute, morgen und übermorgen und wahrscheinlich noch lange Zeit darauf angewiesen sein wird, mit den Vorstellungen zu arbeiten, die aus jener Zeit der Wechsellagen stammen, die sich heute so schön studieren lassen, die aber 1914 abgeschlossen waren. Wir haben darüber hinaus die Möglichkeit zu erforschen — es wird auch getan, und mit großem Erfolg —, was eigentlich geschehen ist, daß es zur Weltwirtschaftskrise kommen konnte.
    Wir wissen mindestens das eine: daß das, was damals geschehen ist etwas völlig anderes ist als
    das, was 80 und 100 Jahre lang vorher als sogenannte Wechsellagen, als Zyklen der Wirtschaftsentwicklung galt, und heute ist die Situation wieder eine andere; denn wir sind immer noch trotz der Überhitzung im Aufbau. Die Wechsellage der sogenannten Konjunkturbewegung der Zeit von 1830 bis 1914 war der Rhythmus der Expansion der industriellen Wirtschaft. Wir reden heute mit Recht nicht mehr von der Expansion der industriellen Wirtschaft, sondern in irgendeiner Beziehung
    ist alles das, was uns wirtschaftspolitisch beschäftigt, als Rationalisierung im einzelnen und im ganzen zu verstehen.
    Solange wir in unserem Wirtschaftsleben noch ganze Gebiete — territorial und fachlich — haben, in denen uns noch große Aufgaben gestellt sind, ist das, was man früher besorgt als eine Ursache der beginnenden Depression ansah — daß nämlich die Aufgabe weggefallen ist —, jedenfalls nicht zu besorgen.
    Wir haben gewiß eine Art Vollbeschäftigung. Aber ich möchte nur einmal — das ist hier in Berlin, wo wir noch keine Vollbeschäftigung haben, besonders wichtig — vielleicht an das Schicksal der älteren Angestellten erinnern und feststellen, daß es hockqualifizierte und leistungsfähige Persönlichkeiten gibt, die sinnvoll in unsere Wirtschaft einzubauen noch nicht gelungen ist, ebensowenig, wie es bisher trotz aller dankenswerten Unterstützungen des Bundes gelungen ist, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die Berlin für eine sinnvolle und produktive Zusammenarbeit mit der gesamten deutschen Volkswirtschaft hat. Berlin ist kein Notstandsgebiet, sondern ist ein bisher abgeschlossenes Gebiet höchster technologischer, kommerzieller und verwaltungsmäßiger Fähigkeiten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ähnliches gilt auch von den Zonenrandgebieten.
    Ich möchte das alles nur erwähnen, um zu sagen: für eine Ablenkung einer sich sonst überhitzenden Prosperität auf Rationalisierungsmaßnahmen im volkswirtschaftlichen Verstand ist noch sehr viel Raum, da hat der Herr Kollege Struve vollkommen recht, insbesondere, da nun die Landwirtschaft, der gewerbliche Mittelstand und insbesondere das Handwerk einbegriffen ist, das auch ein Recht darauf hat, an dem konjunkturellen Geschehen teilzunehmen. Hier sind Aufgaben, die uns, wenn Lehren aus älteren Konjunkturen heute noch zuverlässig sind, doch die Zuversicht geben, daß wir nicht vor einer ernsten Änderung des Trends unserer wirtschaftlichen Entwicklung stehen, wenn wir es nur richtig machen.
    Es bleibt also eigentlich das, was wir heute diskutieren müssen, und da stimme ich dem Herrn Kollegen Deist von der Sozialdemokratischen Partei vollkommen zu: die Preisentwicklung, die unabhängig von ihrer konjunkturtechnischen Relevanz in weiten Kreisen unseres Volkes als peinlich empfunden wird. Ich sage nicht, daß das Rezept der Lohnerhöhungen das richtige Rezept ist. Ich habe sogar einige Sorge. Denn es ist verhältnismäßig leicht für Arbeitnehmer in einer guten Position, einer gewerkschaftlichen Organisation, sich an den konjunkturellen Gewinnen zu beteiligen. Das sollen sie auch. Aber dieses Land und dieses Volk ist doch heute gekennzeichnet durch die Riesenmasse derjenigen Menschen, die von kleinen Renten leben müssen, weil der Krieg und die Politik sie in dieses Schicksal gezwungen haben. Diese Menschen können sich nicht an solchen Lohnerhöhungen beteiligen, und um dieser großen Masse der sozial Betreuten willen, die keine Machtstellung in unserer Gesellschaft haben wie der gut organisierte Lohnarbeiter, müssen wir die Frage, ob man der Preisentwicklung einfach durch Lohnerhöhungen begegnen kann, doch sehr ernst prüfen. Mir scheinen der Weg, den zu gehen Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard versucht, zur Vernunft, d. h. zu Preissenkungen zu raten, und


    (Dr. Reif)

    die dabei möglichen Maßnahmen diskutabel. Ich teile durchaus die Auffassung des Kollegen Deist, daß auch die Einfuhrschleusen Werkzeug einer sinnvollen Preispolitik sein sollten in der Lage, die wir heute haben, und wir sind bereit, das zu diskutieren.
    Ich bin also der Meinung, meine Damen und Herren, Preispolitik im Sinne einer Mengenkonjunktur ist einfach aus sozialen Gründen heute notwendig, nicht das Ausweichen auf eine Lohnspirale, die nur den Angehörigen starker Organisationen Erfolg verspricht.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen. Ein Teil, sicherlich nur ein Teil, aber ein wichtiger Teil dessen, was uns beunruhigt, rührt unzweifelhaft daher, daß die Gewinne und die Ertragserwartungen unserer Unternehmer durch das Steuersystem verfälscht werden, und deshalb wird immer die Steuerfrage für uns eine Frage der Rationalisierung und der Ökonomisierung in den Überlegungen des Unternehmers bleiben.
    Darüber hinaus beruht manches von dem, was heute als konjunkturelle Entwicklung erscheint, wahrscheinlich auf der Vorwegnahme von Gewinnerwartungen, die mit dem Rüstungsprogramm zusammenhängen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Öffentlichkeit sehr beruhigt über das Ausmaß dessen, was die deutsche Produktion in dieser Beziehung zu leisten haben wird. Ich habe schon einmal bei der Diskussion des Kartellgesetzes gesagt: wenn wir uns nicht stark zeigen, mit diesen Dingen fertig zu werden, wer soll dann glauben, daß wir mit der Preisentwicklung fertig werden, die durch die Rüstung erzeugt wird? Es wäre sehr gut, es wäre eine zusätzliche konjunkturpolitische Maßnahme des Herrn Bundeswirtschaftsministers, wenn er sehr bald einmal der deutschen Öffentlichkeit sagte, wie er sich eigentlich den Schutz der deutschen Volkswirtschaft vor einer Ausbeutung durch die Träger der Rüstungskonjunktur denkt. Daß es so etwas in der Welt immer wieder gegeben hat, wissen wir. Wir haben das Vertrauen zu Professor Erhard, daß er entschlossen ist, dagegen anzugehen. Er soll nur bald sagen, wie. Ich glaube, dann wird manches von der Überhitzung verschwinden.
    Also, meine Damen und Herren, die Psychologie dieser Dinge ist wichtig. Ich glaube überhaupt, daß ein großer Teil dessen, was man Konjunkturmechanismus nennt, ergänzt werden muß durch die Psychologie dieser Dinge. Herr Professor Erhard hat damit angefangen. Ich weiß nicht, ob es ausreicht, aber es muß auch geschehen!
    Wir werden also in Übernahme des Vorschlags des Bundesfinanzministers versuchen, alles das, was gestern und heute in diesem Hause unter dem Oberthema Konjunkturpolitik von den Parteien vorgeschlagen worden ist, in einem Sonderausschuß vorzuprüfen. Ich hoffe, daß wir dann dazu kommen, für die Bundesregierung die Möglichkeiten einer Konjunkturpolitik zu schaffen, die sie heute noch nicht hat.
    Ich darf einen letzten Satz hinzufügen. Wir wissen aus der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte, daß die traditionellen Mittel der Konjunkturpolitik Diskontpolitik, offene Marktpolitik,
    Mindestreservenpolitik usw. — allein nicht ausreichen.

    (Abg. Euler: Sehr richtig!)

    Wir müssen neue Mittel einsetzen. Dazu gehören all die Vorschläge über Konzentration der Kassenhaltung, über Publizität der Wirtschaft der öffentlichen Kassen, und dazu gehört, daß man die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand nun auch in den Dienst dieser Konjunkturpolitik stellt.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Ich erinnere immer wieder an die Schätzungen, die schon Helfferich 1912 vorgenommen hat. Damals war immerhin ein Sechstel bis ein Fünftel unseres Erwerbsvermögens Eigentum der öffentlichen Hand. Der Staatssekretär Popitz hat im Jahre 1930 eine Schätzung gegeben, die erlaubt, zu sagen, daß es damals schon ungefähr 50 % waren, und daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, es ist schlimmer geworden. Dieser ganze Bereich entzieht sich weitgehend der Publizität, ,die wir von der Privatwirtschaft sowohl über ihre Wirtschaftlichkeit als auch ihre Kassengebarung verlangen. Wenn aber irgendwo die Forderung gestellt werden muß, daß der demokratische Staat, der sich für die Konjunkturentwicklung und ihre eventuellen politischen Folgen verantwortlich fühlt, alle Mittel einer vernünftigen Konjunkturpolitik einsetzen muß, dann ganz bestimmt auch dort, wo er sich selbst am Erwerbsleben beteiligt.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gestern davor gewarnt, Gruppenziele als konjunkturpolitische Erfordernisse zu deklarieren und Maßnahmen zu verlangen, die unsere Sorgen, statt sie zu beheben, nur verschlimmern müßten. Ich meine, Professor Erhard hat mit dieser Warnung recht. Meine Fraktionsfreunde und ich haben uns daher auch seit Jahren bemüht, nicht nur in allgemeinen Redewendungen, sondern verstärkt gerade in den Gruppen, in denen wir zu Hause sind, den Grundsatz von der Einheit der Wirtschaft zur Anerkennung zu bringen. Ich möchte auch bei dieser Aussprache mit Nachdruck betonen dürfen, daß wir es für töricht halten, die deutsche Wirtschaft in tausend Kästchen und Grüppchen einzuteilen und jedem Splitter dann noch zu erlauben, sich selbst für den Angelpunkt des Ganzen zu halten.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Die Einheit der Wirtschaft ist so wichtig, daß man sich redlich immer wieder um sie bemühen muß. Aber, meine verehrten Damen und Herren, mit Worten allein ist hier wenig getan. Wir haben in den letzten Monaten der Konjunkturdebatte festgestellt, daß etliche von denen, die laut von der gesamten Volkswirtschaft, von ihrer Einheit reden, gar nicht die gesamte Wirtschaft meinen, sondern in erster Linie sich selber und zur Not vielleicht noch ein paar andere dazu. Auch die besten Prinzipien haben halt ihre egoistischen Schwächen, und Glück hat derjenige, der sein eigenes Interesse unter dem Zeichen eines gemeinnützigen Prinzips in guter Obhut weiß. An diese glücklichen Leute denke ich stets, wenn ich das Schlagwort vom Automatismus höre. Automatismus


    (Schmücker)

    ist nach unserer Erfahrung häufiger eine Ausrede als eine wirtschaftspolitische Überzeugung. Es ist nicht wahr, daß, wenn es erst einigen gut geht, automatisch bald allen gut gehen muß. Im Gegenteil, wenn es dem einen oder andern zu gut geht, dann besteht die Gefahr, daß es anderen schlechter gehen muß,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    weil auf die Dauer niemand zu Lasten eines anderen einen Vorteil für sich ziehen kann.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Die deutsche Volkswirtschaft ist Gott sei Dank noch so vielgestaltig, daß sie sich nicht in ein Schema pressen läßt. Wenn daher bei den Überlegungen immer wieder Einzelprobleme angegangen werden müssen, dann sollte man nicht gleich einen verderblichen Egoismus wittern

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    oder sagen, daß diese Dinge nicht zum Thema gehören. Besonders dann nicht, wenn diese Einzelprobleme aus Bezirken kommen, die man doch wohl als die wirtschaftlich schwächeren bezeichnen muß. Um es noch einmal, aber anders zu sagen: Es ist sicher richtig, bei einer umfassenden Konjunkturdebatte nicht zu sehr in die Einzelheiten einzusteigen, wenngleich es letztlich ja immer wieder auf diese Einzelheiten ankommt. Aber man sollte bei der Erörterung der großen Zusammenhänge der Wirtschaft nicht die Worte umstellen und am Ende nur noch über die Zusammenhänge der großen Wirtschaft reden. Das ist in den letzten Monaten überwiegend geschehen. Man konnte annehmen, daß es bei uns, abgesehen von einigen Ernährungshandwerkern, nur eine großindustrielle Wirtschaft gebe. Dabei ist die deutsche Wirtschaft wie seit der ersten statistischen Durchzählung vor 70 Jahren immer noch überwiegend mittelständisch. Noch heute sind über 99 % aller Betriebe Klein- und Mittelbetriebe,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    und über 70 % aller Erwerbstätigen sind in Klein- und Mittelbetrieben von Gewerbe und Landwirtschaft beschäftigt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Es wäre uns sicherlich manche Sorge erspart geblieben, wenn man dieser Struktur der deutschen
    Wirtschaft etwas mehr Beachtung geschenkt hätte.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Gestern und heute ist übereinstimmend gesagt worden, daß keine akute Gefahr besteht und daß mögliche Schwierigkeiten aus dem unzureichend werdenden Arbeitsmarkt herrühren. Dr. Hellwig zog sehr richtig die Konsequenz, indem er erklärte, daß wir von der extensiven zur intensiven Kapazitätsausweitung übergehen müssen. Meine Damen und Herren, das ist doch gerade das, was wir zu den mittelständischen Problemen gesagt oder als mittelständischen Beitrag zu den wirtschaftlichen Problemen der letzten Jahre geleistet haben. Nirgendwo — das erkenenen Sie schon aus dem Umfang des Anteils der mittelständischen Wirtschaft an der Gesamtheit — stecken so viele Produktionsreserven wie im gewerblichen Mittelstand.
    Durch eine rationelle Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten und durch eine Modernisierung der Betriebe wird der Wirtschaft, aber auch unserer Gesellschaft strukturell geholfen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Vernachlässigen wir diese soziologische Seite nicht, auch wenn Konjunkturpolitik auf der Tagesordnung steht. Betriebe, Produktionen und Beschäftigtenziffern sind schließlich nicht nur technische Zahlen einer Statistik, sondern Aussagen über Schicksale von Menschen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Ich bin sicherlich sehr für eine nüchterne Versachlichung unserer Diskussionen. Aber wenn man immer wieder spürt, daß die sogenannten großen Zusammenhänge, gleichgültig, welches Thema gerade behandelt wird, mit ihrem unvermeidbaren Schematismus der Praxis der kleineren und mittleren Wirtschaft in Gewerbe und Landwirtschaft nicht gerecht werden, dann ergreift man jede Gelegenheit, auf diesen Mangel hinzuweisen.
    Ich erinnere darum auch jetzt noch einmal daran, daß der größere Teil der deutschen Wirtschaft mittelständisch ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Hat z. B. die Bank deutscher Länder daran gedacht, als sie am 3. August die Bremse zog? Zugegeben, daß diese Maßnahme unvermeidbar war. Aber wer hat denn ihre Härte zu spüren bekommen? Doch nicht die größeren, sondern die kleineren Betriebe!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Man spricht vom allgemeinen Investitionsstopp. Wäre es nicht gut, auch davon zu reden, daß diejenigen, die Gott sei Dank aufgeholt haben, nun erst einmal warten müssen, bis diejenigen, die infolge nicht selbstverschuldeter Umstände haben warten müssen, nachziehen können?

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich finde — um es mit einer kleinen Übertreibung zu sagen — eine Investitionshilfe für den gewerblichen Mittelstand in nichts absurder als die Investitionshilfe, die wir hinter uns haben.
    Die CDU/CSU hat Ihnen mehrere Anträge vorgelegt. In allen diesen Anträgen berücksichtigt sie die Beteiligung des Mittelstandes an den konjunkturpolitischen Maßnahmen, und zwar immer mit dem Ziel, die Produktivität dieser Betriebe zum Vorteil der Gesamtwirtschaft zu steigern und bei einer eventuellen Abwanderung von Arbeitskräften aus diesen Betrieben den Mittelstand durch weitere Technisierung dennoch stabil zu halten. Aber das bedeutet in vielen Fällen vorab den Abbau von altüberlieferten, aber darum noch nicht gerechtfertigten Benachteiligungen. Ich darf rein der Reihenfolge nach ganz kurz die Anträge erläutern.
    Im Antrag Drucksache 1754, der die Energiefragen betrifft, haben wir bewußt das Problem der unterschiedlichen Preisgestaltung in gleichen Abnehmergruppen angesprochen, und zwar deswegen, weil zu einer Aufrechterhaltung einer gesunden Konjunktur ein fairer Wettbewerb mit gleichen Startbedingungen gehört. Der Wettbewerb wird aber weitgehend dadurch gestört, daß schon die Voraussetzungen für die Beteiligten unterschiedlich sind.
    Im Antrag Drucksache 1751 haben wir zum wiederholten Male das Problem der öffentlichen Aufträge angesprochen. Hier sehen Sie ganz deutlich das echte konjunkturpolitische Anliegen. Der öffentliche Auftraggeber hat es natürlich sehr leicht, wenn er sich in bequemen großen Losen mit einzelnen großen Unternehmern auseinandersetzt. Aber


    (Schmücker)

    ein zusammengeballter öffentlicher Auftrag verführt doch gerade die Unternehmen dazu, ihre Kapazitäten unsinnigerweise zu erweitern, während andere ihre Kapazitäten brachliegen lassen müssen. Also gerade mit dem Mittel des öffentlichen Auftrags wäre die öffentliche Hand in der Lage, eine gute, eine bessere Konjunkturpolitik zu betreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wissen sehr gut, daß der Bund hier nicht allein zuständig ist. Aber wir sprechen ja hier nicht nur zu unseren Bürgern als Bundesbürgern, sondern auch zu unseren Bürgern als Bürgern der Gemeinden und Länder. Wir meinen, daß im öffentlichen Auftrag die Chance besteht, noch sehr umfangreiche Produktionsreserven auszunutzen.
    Dann zu unseren Kreditwünschen! Herr Dr. Deist hat gemeint, daß die Wünsche an sich berechtigt seien. Er hat sich sogar — meiner Meinung nach mit Recht — darüber beklagt, daß zu wenig getan worden ist. Aber er hat die Ansicht geäußert, diese Kreditwünsche gehörten nicht hierher. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat — ich glaube, es ist der Punkt 10 der Regierungserklärung — darauf hingewiesen, daß das Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen einen maßgebenden Anteil an der Erhaltung einer gesunden Konjunktur haben könnte. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß der Wettbewerb zu diesen Problemen gehört. Aber gerade die Benachteiligung auf dem Kreditmarkt stellt für unsere kleineren Betriebe die größte Wettbewerbsbehinderung dar. Wir müssen sie in den Stand setzen, den Wettbewerb, den wir wollen, auch durchzustehen. Darum sollten wir uns nicht stur an ein Thema halten, sondern auch die Auswirkungen bedenken und den Mut haben, diese Dinge vorzutragen. Ich bin der Auffassung, daß wir durch Kreditmaßnahmen—immer zum Zwecke der Rationalisierung und zur Steigerung der Produktion, zur intensiven Verbesserung der Leistung der Betriebe — ein gutes Mittel in die Hand bekommen, unsere konjunkturelle Lage zu verbessern.
    Nun einiges zu den Ausführungen des Herrn Finanzministers! Wenn er gesprochen hat, dann hat man meistens keinen Mut mehr, den Mund aufzutun. Er macht das so geschickt,

    (Heiterkeit)

    er hat so viele und vor allen Dingen so hohe Zahlen zur Verfügung, daß man als kleiner Mittelständler gar nicht dagegen ankommt. Aber, Herr Finanzminister, eine Lücke finde ich in Ihren Ausführungen immer wieder. Sie unterstellen, die Verteilung der Steuern sei gerecht. Unsere Klage ist doch gerade die, daß die Verpackung falsch ist, daß wir durch das heutige Steuersystem eine unterschiedliche Wettbewerbslage schaffen. Das trifft ganz besonders für die Umsatzsteuer zu. Die kumulative Wirkung der deutschen Umsatzsteuer ist so ungeheuerlich, daß einzelne Wirtschaftszweige, obwohl sie in ihrer Zusammenfassung volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unrentabel sind, Kalkulationsvorteile bis zu 8 und 9 % haben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Man kann doch eine Steuerdebatte nicht nur darüber führen, ob man senken oder heben will, sondern man muß sich noch mehr darum bemühen, die Lasten gerecht zu verteilen. Nun weiß ich wohl, daß die Kraft der Tatsachen sehr groß ist und daß
    man eine solche Besserung fast immer nur dann erreichen kann, wenn man die Möglichkeit hat, Steuern zu senken. Darum möchten wir gerade in diesem Augenblick, wo die Steuern gesenkt werden — egal welche —, darauf hinweisen, daß die Verpackung der deutschen Steuern, die Verteilung der Steuerlast gerechter werden muß. Dazu gehört das Problem der Ehegattenbesteuerung, dazu gehört das Problem einer Alterssicherung, dazu gehört auch das Problem der steuerlichen Berücksichtigung der Berufsausbildung, das in unserem Steuerantrag nicht angesprochen worden ist, und dazu gehören auch die Realsteuern.
    Einer meiner Vorredner hat schon gesagt, daß die Gewerbesteuer doch nur eine zusätzliche Einkommensteuer für die Gewerbetreibenden ist. Ich will gar nicht so weit gehen. Ich will nur darauf hinweisen, daß die Art der Veranlagung so unterschiedlich ist — leider zum Nachteil der Kleineren —, daß wir an eine Änderung herangehen müssen. Wir müssen auch die alte Forderung nach Anrechnung eines Unternehmerlohns wieder aufgreifen. Denn die Bevorzugung gerade der Kapitalgesellschaften gegenüber den Einzelunternehmern ist zu groß und beeinträchtigt den Wettbewerb zu sehr, als daß wir sie noch länger zulassen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die von mir noch einmal hervorgehobenen Punkte sollen in den Rahmen des Gesamtprogramms gestellt werden. Ich darf wohl behaupten, daß sie keine egoistischen Gruppenwünsche darstellen, sondern daß sie gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprechen. Sie sollen mithelfen, unsere soziale Marktwirtschaft in Funktion zu halten. Je mehr Anbieter bei ausreichender Ware, um so besser funktioniert der Markt und um so gerechter ist auch die Verteilung des gesamten Volkseinkommens. Sorgen wir also bei unseren konjunkturellen Maßnahmen dafür, daß sie die Struktur unserer Wirtschaft mit ihrer gesunden Gliederung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben festigen helfen! Dann haben alle ihren Vorteil. Nur eine vielgestaltige Wirtschaft hat einen echten Wettbewerb, in dem wir gerade jetzt wieder den unentbehrlichen Motor des Ganzen erkennen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Noch eins, meine Damen und Herren. Halten wir das freie Wagnis der selbständigen wirtschaftlichen Betätigung für jedermann offen, nicht zuletzt dadurch, daß wir dieses Wagnis lohnenswert machen. Viele Menschen, besonders auch in der Zone, warten auf diese Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sorgen wir dafür, daß sie unserem Volke erhalten bleibt!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)