Rede von
Dr.
Alexander
Elbrächter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es gibt meiner Meinung nach zwei wirkliche Engpässe, die dauernd sind, und es gibt einen temporären Engpaß. Der temporäre Engpaß ist der Bausektor. Das ist hier schon ausgesprochen worden, ich kann mich daher kurz fassen. Zweifellos sind auf dem Bausektor Preiserhöhungen vorgenommen worden, die meiner Meinung nach in ihrer gesamten volkswirtschaftlichen Auswirkung ebenso unnötig wie unerwünscht sind.
Lassen Sie mich aber etwas anderes ausdrücken. Herr Kollege Deist hat die Befürchtung ausgesprochen, daß wir hier versuchen wollten, die öffentliche Hand, den öffentlichen Auftraggeber als Sündenbock hinzustellen. Kein Gedanke daran! Ich meine nur, daß es gar nicht darauf ankommt, etwa das Bauvolumen zu senken. Bei einer wirklichen Durchrechnung des Verhältnisses des Bauanteils zu den gesamten Anlageinvestitionen kommen wir zu der Feststellung, daß dieser Anteil in den vergangenen vier Jahren mit etwa 40 % ziemlich konstant gewesen ist. Ich bin überzeugt, daß in Zukunft dieser Anteil ebenso sein wird, eben weil die großen Aufgaben, die hier angesprochen worden sind, auf dem Wohnungsmarkt und auf dem Industriesektor bestehenbleiben; denn es ist ganz selbstverständlich, daß eine sich expandierende Wirtschaft auch neue Bauten erstellen muß. Ich gebe zu, auch auf dem Verwaltungsgebiet, auf dem Gebiet der Erstellung der Verwaltungsbauten muß vieles getan werden. Alles das läßt sich meiner Meinung nach durchführen, wenn wir Maß halten und wenn wir eine Erfahrung befolgen, die sich auf dem Bausektor immer ausgezahlt hat: wenn wir etwas langfristiger planen. Das leidige Übel ist nach meiner Erfahrung, die sehr langjährig ist, daß das alles heute möglichst vorgestern schon fertig sein soll. Das gilt nicht nur für den Bausektor. Gerade an dieser Stelle sollte angesetzt werden, um durch eine rechtzeitige Planung die Bauindustrie in den Stand zu setzen, ihre Kapazitäten besser auf das ganze Jahr zu verteilen. Dazu wird selbstverständlich die Verlegung unseres Haushaltsjahres auf das Kalenderjahr ein Hilfsmittel sein. Meine Fraktion hat wiederholt diesen Antrag gestellt; und ich bin sehr erfreut, aus der Presse entnommen zu haben, daß sich der Herr Bundesfinanzminister im Prinzip für diese Regelung einsetzen will.
Wir verkennen nicht, welche Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit den Ländern bei diesem Punkt bevorstehen, aber es ist dringend notwendig, daß dieses Problem gelöst wird. Wenn wir das Problem gelöst haben, daß Anfang des Jahres die Mittel zur Verfügung stehen, und wenn die Herren, die die betreffenden Bauten planen müssen — seien es nun auf dem Gebiet der Kommunalpolitik die Herren Bauräte, die Bürgermeister und Gemeindedirektoren usw., seien es die Herren Ratsabgeordneten. aber auch die Länderbauverwaltungen, die Bundesbauverwaltung und die Industrie sollen angesprochen sein —, sich zu diesem Plan bekennen und das in der Praxis durchführen, dann werden wir das Bauvolumen nicht einzuschränken brauchen. Ich war überrascht, aus Unterhaltungen mit Vertretern der Bauwirtschaft zu hören, daß die Bauwirtschaft noch über Reserven von schätzungsweise 10 bis 30 % verfügt. Wenn also diese Maßnahmen durchgeführt werden, besteht auch auf diesem Sektor kein Grund zu irgendwelchem Alarm. Deswegen sehe ich die Fragen des Bausektors als temporär an, als keinen wirklichen Engpaß.
Das trifft nicht zu auf zwei Gebieten, die meiner Meinung nach — etwas zu kurz, darf ich nicht sagen, es ist angesprochen worden — nicht richtig angesprochen worden sind, zum mindesten nicht vom Herrn Bundeswirtschaftsminister. Ich spreche jetzt von dem Gebiet der Energieversorgung und von den Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung. Es ist doch sehr verwunderlich, daß in einer Regierungserklärung zur Konjunkturpolitik kein Wort
ich habe die Regierungserklärung zweimal gelesen und habe sie auch gestern aufmerksam verfolgt — über die Frage der Kohlenpolitik gefunden wird. Das ist um so verwunderlicher, als einer der führenden Beamten des Hauses, Herr Staatssekretär Westrick, doch sehr enge Beziehungen zu dem Gebiet der Kohle hat und sicherlich ein ausgezeichneter Fachmann ist. Ich glaube, dis ist schlecht; ich muß das hier aussprechen. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister uns einige Vorstellungen hätte vermitteln können, wie er dieses zentrale Problem der Wirtschaft lösen will. Denn ich bin persönlich überzeugt, daß kein anderes Problem, auch nicht das Problem der Arbeitskraft, auf das ich gleich noch zu sprechen kommen werde, so schwierig zu lösen sein wird wie dieses Problem. Kollege Scheel hat gestern in seinen Ausführungen noch in später Abendstunde das Problem in etwa angesprochen. Ich glaube aber, daß auch durch langfristige Investitionen auf dem
Gebiet des Kohlenbergbaues der wirkliche Engpaß auf die Dauer nicht beseitigt werden kann. Es ist aus allen Untersuchungen — nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und in der ganzen Welt — bekannt, wie schnell unser Energiebedarf mit der steigenden Industrialisierung zunimmt. Man rechnete bislang mit einer Verdoppelung des Energieverbrauchs alle zehn Jahre. Augenblicklich ist es so, daß wir alle sieben bis acht Jahre eine Verdoppelung des Energieverbrauchs haben. Demgegenüber stellen wir fest, daß die Kohleproduktion, die Produktivität im Kohlenbergbau niedriger liegt als vor dem Kriege, daß die Produktionszahlen im letzten Jahr nicht nur nicht gestiegen, sondern daß sie im August sogar wesentlich gefallen sind, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, von 437 000 t auf rund 408 000 t arbeitstäglich. Das sind nun wirkliche Alarmzeichen.
Hinzu kommt gerade die sehr schwierige Frage im Kohlenbergbau. Es ist bekannt, daß die Arbeitskräfte dort in stärkerem Umfange abwandern, als sie zugeführt werden können. Zur Zeit fehlen 17 000 Arbeitskräfte. Multiplizieren Sie das mit der täglichen Leistung je Kopf!
Die Spannungen auf dem Kohlensektor sind daher nur zu lösen, wenn wir sowohl den Weg, den Herr Kollege Scheel angegeben hat, beschreiten und nun wirklich stärker investieren, als auch das Problem der Arbeitskräfte in diesem Sektor unserer Wirtschaft zufriedenstellend lösen. Das bedeutet selbstverständlich, daß wir auf diesem Sektor allem Anschein nach den Lohnanreiz wesentlich stärker gestalten müssen, als das bisher geschehen ist. Ich sehe daher keine Möglichkeit, auf die Dauer an einer Kohlenpreiserhöhung vorbeizukommen. Ich sehe auch keine Möglichkeit, das Problem der deutschen Kohlenversorgung anders zu lösen als durch eine gemeinsame Absatzregelung im Ruhrgebiet. Ich weiß, welche internationalen Schwierigkeiten das bietet. Aber um so notwendiger wäre es gewesen, daß wir ein Wort zu diesen Fragen vorn Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard gehört hätten.
Nun lassen Sie mich noch ein anderes Wort zur Energieversorgung sagen. Ich persönlich bin überzeugt, daß die Kohle in Zukunft nicht mehr der alleinige Energieträger sein kann, weil die Steigerung der Kohleproduktion, zum mindesten die Steigerung der deutschen Kohleproduktion begrenzt sein wird. Die Grenzen sind aufgezeigt. Wir können sie nicht wesentlich ändern. Es ist daher um so dringlicher, daß von seiten der Regierung die Frage der Kernenergie behandelt wird. Ich stelle zu meinem Bedauern fest, daß auf diesem Sektor bislang wenig geschehen ist. Ich bin nicht von den Argumenten überzeugt, die uns gesagt worden sind, daß bisher keine Möglichkeit dazu gegeben gewesen sei. Meiner Meinung nach wäre es sehr wohl möglich gewesen, zu planen, was in Deutschland zu geschehen hat. Ich verweise auf das englische Beispiel. Ich begrüße daher ganz besonders, daß das Kabinett sich entschlossen hat, die wichtige Frage der Kernenergie, eine der zentralen Fragen unserer zukünftigen Wirtschaftspolitik, nunmehr in die Hände eines Sonderministers zu legen, und ich darf die Hoffnung aussprechen, daß die bekannte Aktivität des Herrn Sonderministers Strauß in Zukunft dafür sorgen wird, daß diese wichtige Frage so gelöst wird, daß die fortschreitende Industrialisierung Deutschlands nicht durch Schwierigkeiten in der Energieversorgung behindert wird. Zu diesem Problem wäre noch vieles zu sagen.
Aber ich sehe schon, daß meine Redezeit sich dem Ende nähert, und kann daher die anderen Fragen nur in Stichworten behandeln.
Ganz kurz zu den Steuern. Selbstverständlich sind auch meine Freunde der Auffassung, daß eine Senkung der Verbrauchsteuern nicht nur wünschenswert, sondern sogar notwendig ist. Jeder von uns hat im vergangenen Jahre, als wir die Senkung der Einkommensteuer- und der Körperschaftsteuertarife beschlossen haben, den Wunsch geäußert, daß alsbald die Verbrauchsteuersenkung und auch die Umsatzsteuersenkung folgen. Nun, wir wissen, daß aus der Umsatzsteuersenkung nichts werden wird. Ich bedaure das sehr; aber die Größenordnungen, die dort zur Debatte stehen, sind zu groß. Um so mehr hoffen wir, daß die Verbrauchsteuersenkung sehr bald kommen wird, und zwar möchte ich wünschen, daß es sich nicht um eine Senkung, sondern um einen gänzlichen Fortfall handelt, mit einer Ausnahme allerdings: der Zuckersteuer. Die Zuckersteuer sollten wir erst dann ganz fortfallen lassen, wenn sichergestellt ist, daß notwendig werdende Preiskorrekturen auf dem Gebiet des Rübenanbaus klargezogen werden. Wir haben in der Zuckersteuer eine gewisse Reserve, um diese notwendigen Korrekturen durchzuführen. Daher ist in den Ausschußverhandlungen zu prüfen, ob wir jetzt gleich zu einem vollständigen Fortfall kommen können, was an und für sich begrüßenswert wäre, oder ob wir nicht eine Senkung dazu benutzen, um eine Preiskorrektur durchzuführen, die sonst in Form einer anderen Subvention auf uns zukommt.
Nun noch ein Wort zur Senkung der Gewerbesteher. Ich persönlich bin der Auffassung, daß die Gewerbesteuersätze nicht nur gesenkt werden sollten, ich vertrete vielmehr die Auffassung, daß sie radikal umgebaut werden müssen. Die Gewerbesteuer hat sich im Grunde genommen zu einer gemeindlichen Sondersteuer nur der Wirtschaftskreise ausgewirkt, und es ist allmählich an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, daß für die kommunalen Lasten nicht nur ein Zweig, nämlich die gewerbliche Wirtschaft, herangezogen werden darf, sondern daß alle Einwohner entsprechend ihrem Vermögen und ihrem Einkommen dazu herangezogen werden müssen. Ich glaube daher, daß es an der Zeit wäre, von der Regierung Auskunft darüber zu bekommen, wie sie sich die Lösung dieses Problems denkt. Ich bin überzeugt, daß in die kommenden Verhandlungen über einen horizontalen und vertikalen Finanzausgleich die Frage der Gewerbesteuer mit einbezogen werden muß und daß wir hier zu einer echten Gemeindesteuer kommen müssen. Ich spreche hier, glaube ich, aus gutem Gewissen. Denn ich führe mein eigenes Beispiel an. Es ist doch beim besten Willen nicht einzusehen, daß ein kleiner Gewerbetreibender zu gemeindlichen Lasten herangezogen wird, während ein Mann, der als Angestellter oder als frei Schaffender über ein höheres Einkommen verfügt, praktisch zu den direkten Gemeindesteuern nichts beiträgt, außer über die Grundsteuer, sofern er Grundbesitz hat — was ja durchaus nicht immer der Fall ist —, oder aber in Ländern, wo ein Steuerverbund zwischen Land und Gemeinden hergestellt ist; leider ist das aber noch nicht in allen Ländern der Fall. Es ist also wirklich an der Zeit, daß wir die Gewerbesteuer nicht nur in ihrem Betrag senken, sondern daß wir überhaupt zu einem Umbau kommen. Das ist ein besonderes Anliegen meiner politischen Freunde.
Im übrigen bin ich entgegen der häufig vertretenen Auffassung, daß die Einkommensteuertarife wegen der Auswirkungen auf die Investitionen nicht gesenkt werden dürften, der Meinung, daß die lineare Senkung der Einkommensteuertarife ein ausgezeichnetes Mittel ist, um die Wirkung einer gezielten Steuersenkung allen zugute kommen zu lassen. Ich hoffe also, daß wir dorthin kommen werden. Ich bin nicht der Auffassung, die hier zum Teil vertreten worden ist, daß wir wegen der Investitions-, der Konjunkturüberhitzung, nicht zu einer generellen Senkung der Einkommensteuertarife kommen können.
Nun ganz kurz! Ich glaube nicht, daß es gut wäre, wenn wir durch irgendwelche Maßnahmen, ganz gleich welcher Art, zu einer Drosselung der Investitionen kämen. Ich bin zwar mit Ihnen der Auffassung, daß die Investitionsgüterkonjunktur auf Höchsttouren läuft, bin aber nicht der Meinung, daß das volkswirtschaftlich ein Schaden ist. Ich glaube vielmehr, daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkt notwendiger denn je zu Rationalisierungsinvestitionen kommen müssen, gerade weil auf dem Gebiete des Arbeitsmarktes unsere Grenzen so eng sind. Wenn wir die Steigerung unseres Sozialprodukts auch nur in einem annähernd vergleichbaren Umfang fortsetzen wollen — und dies ist auch das erklärte Ziel unserer Wirtschaftspolitik —, dann müssen wir die Kapazitätsausweitungen, die Steigerung unseres Sozialprodukts, die bislang im wesentlichen durch den Einsatz von Arbeitskraftreserven erfolgt sind, in Zukunft durch die Steigerung der Produktivität, d. h. durch einen Automatisierungsprozeß, durch einen Rationalisierungsprozeß in der Industrie erzielen. Es wäre also geradezu verhängisvoll, wenn wir aus einer Spannungsperiode in der Investitionsgüterindustrie den Schluß ziehen würden, daß wir auf diesem Wege abbrechen und den Prozeß der Steigerung unseres Lebensstandards und unseres Sozialeinkommens nicht fortführen sollten. Mein dringender Appell an den Herrn Bundeswirtschaftsminister geht dahin, sich nicht beirren zu lassen, sondern seine alte Devise des Durchstoßens nach vorn auch auf diesem Sektor wahrzumachen.
Ich kann die Problematik dieses Bereiches leider nicht mehr erschöpfend behandeln, meine Redezeit ist abgelaufen. Auf einen Gedanken möchte ich aber zum Schluß noch hinweisen. Ich glaube, daß alle Maßnahmen unserer Wirtschaftspolitik nicht nur darauf abzielen sollten, möglichst schnell die Folgen eines verlorenen Krieges für Westdeutschland auszugleichen und darüber hinaus möglichst schnell den allgemeinen Lebensstandard zu steigern, sondern alle diese Maßnahmen müssen auch immer auf den Tag ausgerichtet sein, der hoffentlich bald auf uns zukommt, an dem wir die Sorge für die Sicherung der materiellen Existenzgrundlage der 17 Millionen Brüder und Schwestern jenseits des Eisernen Vorhangs auf unsere Schultern
nehmen müssen.
Mit der Hoffnung, daß die bisher verfolgte Wirtschaftspolitik diese Aufgabe lösen kann und lösen wird, möchte ich schließen.